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Der Clown Felix war nicht nur witzig, er konnte auch superleckere Pizza backen. Das musste Lille einfach zugeben. Zudem konnte Felix auch noch Gedanken lesen. Nachdem er Lille, Maja und Karolina für ein paar Sekunden höchst konzentriert in die Augen geschaut hatte, sagte er wie aus der Pistole geschossen: „Thunfisch-Paprika, Brokkoli-Mozzarella und Salami-Champignons!“

Und damit lag er absolut richtig. Bei Elisabeth, die er peinlicherweise weiter Betty nannte, konnte er sich sogar noch daran erinnern, dass sie auf ihrer Pizza am liebsten Artischocken und Kochschinken hatte. Krass!

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Alle klatschten Beifall und Felix verbeugte sich übertrieben tief – fast wie im Zirkus. Fee grinste so stolz, als hätte sie das Kunststück selbst fertiggebracht. Sie war jetzt auch nicht mehr so zickig wie am Vormittag, fiel Lille auf. Vielleicht lag das ja daran, dass Faust endlich eingeschlafen war.

Dafür klebte Fee an ihrem Papa wie ein Kaugummi und quetschte sich mit ihrer Pizza Ananas ganz schnell zwischen Elisabeth und Felix auf die Gartenbank, als sich alle zum Essen draußen um den großen Gartentisch sammelten. Darin waren sich Maja und Fee übrigens ohne Worte einig: Dieses Getuschel zwischen ihren Eltern war absolut nicht in Ordnung! Ständig funkte deshalb eine der beiden irgendwie dazwischen, wenn sich Felix und Elisabeth miteinander unterhielten.

Nachdem sich alle bis zum Kragen mit der köstlichen Pizza vollgestopft hatten, holte Lilles Mutter noch verschiedene Sorten Eis aus ihrer Küche. „Nachtisch geht immer!“, rief sie dabei fröhlich.

Schließlich waren alle pappsatt.

Danach wurde es gemütlich. Onkel Paul schaltete die Lampionkette an. Ihr Licht tunkte den Garten in sanfte Farben.

Felix seufzte tief und sagte: „Es ist wirklich unglaublich schön hier bei euch. Ich bin so dankbar, dass Fee und ich bleiben dürfen.“

Genau wie Maja es vorausgesehen hatte, kam nun der Auftritt von Lilles Vater. „Aber es geht noch besser. Wie wäre es mit ein bisschen Tanzmusik? Ich hole die Anlage raus.“ Er verschwand eilig ins Haus.

Majas Mutter sprang auf und rief: „Toll! Ein bisschen Spaß muss auch mal sein!“ Sie schaute zu Felix hinüber und bekam plötzlich ganz rosa Wangen.

Maja runzelte die Stirn und holte hörbar Luft. Doch bevor sie etwas sagen konnte, zog Lille sie vom Tisch weg hinüber zur ihrem Mäuerchen.

„Es läuft alles nach Plan“, flüsterte Lille. „Während die Erwachsenen tanzen, können wir uns ungestört zu Brims absetzen.“

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Maja zögerte und sah verstohlen zum Gartentisch hinüber. „Ob wir meine Mutter und Felix wirklich unbeaufsichtigt lassen sollten?“

Doch im selben Moment kam Karolina stürmisch angelaufen und hakte sich bei Maja unter. „Jippie, es geht los!“ Sie zog Maja einfach mit sich fort.

Maja schaute noch einmal beunruhigt zurück, lief dann aber mit.

Quer über die Pferdekoppel machten sich die Freundinnen auf den Weg zu Bauer Brims.

Zum Glück hatte Lille an ihre Taschenlampe gedacht. Denn der Vollmond hatte sich mittlerweile hinter einer dicken Wolke versteckt, sodass die Mädchen kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnten, ohne in der Dunkelheit zu stolpern.

„Ganz schön gruslig“, flüsterte Lille und zuckte zusammen, als ein Zweig ihren Arm berührte.

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„Ja, ziemlich cool“, antwortete Maja ebenso leise. Sie hatte ihre gute Laune zurückgewonnen. „Los, wir haben nicht viel Zeit“, feuerte sie die beiden anderen an. „Gib mir das Licht, ich gehe voraus.“ Sie nahm Lille die Taschenlampe aus der Hand und preschte an ihr vorbei.

„Renn doch nicht so“, beschwerte sich Karolina. „Ich sehe gar nichts mehr.“ Sie tastete sich mit ausgestreckten Armen vorsichtig weiter.

„Aber echt! Langsamer“, stimmte Lille ihr zu.

Maja stöhnte. „Ihr seid diesen Weg doch schon hundertmal gelaufen.“ Sie leuchtete nach hinten und wartete ungeduldig, bis Lille und Karolina aufgeschlossen hatten.

„Aber nicht im Dunkeln“, widersprach Lille.

Maja antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Ein paar Sekunden später schrie sie schrill auf und wurde vor Lilles und Karolinas Augen vom Erdboden verschlungen. Die Lampe erlosch. Jetzt war es wirklich stockdunkel.

„Maja!“, rief Lille panisch. „Wo bist du?“ Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals.

Karolina klammerte sich ängstlich an Lille.

„Alles paletti“, erklang Majas Stimme. „Wenn ich diese Ratten in die Finger kriege!“

„Ratten?“, kreischte Karolina und schlug um sich. „Wo?“

Maja seufzte und knipste die Taschenlampe wieder an. „Ich meine doch die Zwillinge! Diese Flitzpiepen haben hier eine Falle gebaut. Perfekt abgedeckt mit Laub. Ich bin natürlich voll hineingerutscht. Wetten, die haben unseren Schleichweg ausspioniert? Wenn wir wieder zu Hause sind, muss ich mir dringend eine fette Rache für sie überlegen. Hier, schaut euch das mal an!“ Sie leuchtete den Graben aus, in den sie gefallen war.

„Diese Spinner!“, rief Lille. Sie streckte ihre Hand aus und zog Maja aus dem Loch.

„Ich glaube nicht, dass Tom auch dabei mitgemacht hat“, sagte Karolina schockiert. „Es hätte doch sein können, dass Schnuppe zufällig hier vorbeikommt und sich verletzt.“

Maja kicherte wie verrückt los. „Klar, der liebe, liebe Tom … nur weil er Schnuppe am Ohr gekrault hat, findest du ihn plötzlich supertoll, oder was?“

Karolina schob schmollend die Unterlippe vor. „Du verdrehst wieder alles.“ Sie wurde im Schein der Taschenlampe rot.

Lille stampfte ungeduldig auf. „Worum geht es hier eigentlich? Ich denke, wir wollen Brims das Handwerk legen!“

„Stimmt ja“, sagte Maja ein wenig beschämt. „Schnell weiter. Wir gehen den Weg an den Birken vorbei − ich traue den Zwillingen zu, dass sie noch mehr Überraschungen für uns auf Lager haben.“ Sie warf Karolina einen bedeutungsvollen Seitenblick zu. „Beide! Tim und Tom!“

Die drei Freundinnen gelangten ohne weitere Zwischenfälle auf den Hof.

Der Hofhund Ajax lag vor seiner Hütte und sägte im Schlaf.

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„Ajax klingt gefährlicher als jeder Werwolf“, meinte Maja grinsend. „Ich kriege jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich ihn so schnarchen höre.“ Sie schaute sich suchend um. „Wo hat Brims denn nun gebuddelt?“

Karolina zeigte auf das Feld direkt hinter dem Schweinestall. „Da drüben. Ich habe alles ganz genau beobachtet.“

Sie bewegte sich zielstrebig auf das Feld zu. Lille und Maja folgten ihr.

„Du hast Recht“, sagte Lille. „Der Boden ist ganz aufgewühlt. Da hat einer vor Kurzem gegraben.“ Sie ging in die Hocke und hob einen lockeren Klumpen Erde auf.

„Sag ich ja“, antwortete Karolina ungeduldig.

„Dann legen wir jetzt los und buddeln“, befahl Maja. Doch plötzlich erstarrte sie und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Mist! Wie doof. Mist, Mist, Mist …“

Lille sah sie überrascht an. „Was ist denn jetzt los?“

„Der Spaten!“, rief Maja und vergaß ganz zu flüstern. „Ich habe den Spaten stehen lassen. Den hatte ich doch extra aus dem Schuppen geholt.“

Einen Augenblick standen die Mädchen ratlos da.

Karolina sah sich um. „Der Sandkasten!“ Sie rannte los.

Wenig später kam sie mit Schippe, Eimerchen und einem Spielzeugrechen zurück. „Von Amelie“, sagte sie und grinste.

Das war die dreijährige Schwester der Zwillinge.

„Superschlau“, lobte Maja und begann mit Feuereifer zu graben.

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„Das kriegt auch ein Maulwurf nicht besser hin“, kicherte Karolina und schnappte sich den Eimer.

„Wie lange sollen wir denn noch buddeln?“, stöhnte Lille nach einer ganzen Weile.

„Brims ist eben gründlich“, antwortete Karolina und wühlte mit beiden Händen weiter. „Halt!“, rief sie plötzlich. „Ich fühle einen Zipfel vom Sack.“

Im selben Moment knallte es heftig. Ein greller Blitz jagte durch den Himmel und erleuchtete die Nacht für einen Augenblick taghell. Ein weiterer Donnerschlag folgte.

Karolina hielt sich die Ohren fest zu. „Ich hasse Gewitter.“

„Schnell weg hier!“, rief Lille.

Die drei Freundinnen ließen das Buddelzeug fallen und rannten los. Schon fielen die ersten Tropfen. Aus dem Augenwinkel sah Lille, wie Ajax sich verärgert in seine Hundehütte verkroch.

Sekunden später prasselten dicke Regentropfen vom Himmel.

„Wohin?“, schrie Karolina gegen den Regen an.

„In den alten Kuhstall!“, brüllte Maja.

Völlig durchnässt stürmten die drei hinein. Erschöpft ließ sich Karolina auf einen Heuballen fallen. Dort lagen noch die Möhren vom Vormittag.

„Das war knapp“, stöhnte Lille.

„Ja, ich hatte total Angst“, keuchte Karolina.

Maja nickte. „Ich auch.“

Und das sollte wirklich etwas heißen.

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