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Lille, Maja und Karolina verzogen sich eilig auf das kleine Mäuerchen neben dem Hühnerstall und winkten Onkel Paul hinterher. Gespannt sahen sie Felix und Fee an.

„Hallo, ihr drei!“, rief Felix und schlenderte auf sie zu. „Ich bin Felix und das ist meine Tochter. Komm, Fee, zeig dich doch mal.“ Er drehte sich zu Fee um, die ihm im Schneckentempo gefolgt war. „Ihr seid sicher etwas überrumpelt, dass wir uns hier bei euch einfach breitmachen und alles durcheinanderbringen.“

Maja nickte. „Aber echt. Ausgerechnet in unseren Ferien!“

Karolina musste kichern. Maja war dafür berüchtigt, dass sie kein Blatt vor den Mund nahm. Damit handelte sie sich häufig Ärger ein, besonders in der Schule. Aber das wusste Felix natürlich nicht. Er verstummte verwirrt.

Lille verdrehte die Augen. „Voll peinlich, Maja!“ Sie bemühte sich, die eher ruppige Begrüßung ihrer Freundin wieder auszubügeln. Freundlich sagte sie: „Hi, Fee. Willkommen auf dem Sternenhof. Ich bin Lille − und das sind Maja und Karolina.“

Maja schnaubte. In ihrem Gesicht war deutlich zu lesen, was sie von Lilles Vorstoß hielt. Lille trat warnend nach ihrem Schienbein.

Fee verzog das Gesicht. „Stinkt’s hier immer so? Kommt das von dem Gaul dort?“ Sie zeigte auf Schnuppe, die gerade Löwenzahn rupfte.

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Karolina funkelte Fee wütend an. „Pferde stinken nicht. Das ist der Schweinestall von Bauer Brims, der so müffelt. Und nur, damit eins gleich klar ist: Meine Schnuppe ist eine Haflingerstute und kein Gaul.“

„Okay, reg dich ab. Man darf ja wohl noch fragen. Ich bin eben keine Pferdetussi.“ Fee machte einen belustigten Eindruck.

Fast, als ob es ihr Spaß macht zu stänkern, schoss es Lille durch den Kopf.

„Fee hat bisher nur in der Stadt gewohnt“, mischte sich Felix lachend ein. „Sie kennt sich noch nicht so mit dem Landleben aus. Aber ich bin jetzt total neugierig auf das Wetterhäuschen. Zeigt ihr mir, wo es langgeht?“

Lille hüpfte vor und drehte den Schlüssel, den Onkel Paul bereits ins Schloss gesteckt hatte. Maja und Karolina hingegen hatten es nicht besonders eilig.

Genauso wenig wie Fee.

Das Wetterhäuschen war das kleinste Haus auf dem Sternenhof und stand zwischen dem Hühnerstall und Lilles Zuhause. Es hatte zwei Stockwerke mit Puppenstubenzimmern, in denen nur die nötigsten Möbel standen, und ein sehr spitz zulaufendes Dach. Im roten Schornstein nistete ein Dohlenpärchen.

„Onkel Paul will das Nest aber erst im Herbst herausholen, wenn die Kleinen geschlüpft sind“, erzählte Lille. „Im Sommer braucht man den Kamin ja zum Glück nicht.“

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Auch sonst war Onkel Paul noch lange nicht mit dem Renovieren fertig. Baden konnte man bisher nur unten in der Waschküche, in einer uralten Badewanne aus hellgrünem Marmor, erklärte Lille den Neuankömmlingen.

„Aber nur, wenn Daisy es erlaubt“, rief Karolina kichernd dazwischen.

Das stimmte. Die Laufente Daisy, die in der Waschküche wohnte, hatte nicht immer Lust, ihren Schlafplatz zu räumen. Dann blieb einem nichts übrig, als unter dem Wasserhahn in der Küche eine Katzenwäsche zu machen.

All das schien Felix nicht zu stören. Er grinste von einem Ohr zum anderen. Wie ein richtiger Clown. Und während er die steilen Treppen bis unter das Dach hinaufstieg, sagte er immer wieder: „Herrlich! Absolut herrlich. Findest du nicht auch, Fee?“ Dann wandte er sich an die Mädchen. „Warum heißt es eigentlich Wetterhäuschen?“

Maja lächelte. „Ganz einfach. Wer hier wohnt, kann das Wetter genauer voraussagen als ein Wetterfrosch. Wenn es regnet, tropft es durch das Dach ins Bett – man sollte also nie ohne Regenschirm schlafen gehen. Der hilft an sonnigen Tagen auch gegen einen Sonnenstich.“

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Felix lachte laut auf. „Du bist ja witzig. Ich liebe das Wetterhäuschen schon jetzt. Was sagst du, Fee?“

Fee grunzte. „Ist mir ziemlich egal. Hauptsache, Faust kriegt keine nassen Pfoten.“

„Faust?“, fragte Karo neugierig. „Wer ist Faust? Dein Haustier? Zeig doch mal her.“ Karolina war nie lange sauer. Sie hatte Fee längst verziehen, was sie über Schnuppe gesagt hatte.

„Faust ist Faust“, antwortete Fee. „Und er schläft gerade.“ Mehr war aus ihr nicht herauszukriegen.

In der nächsten Stunde räumten Felix und Fee den Bulli aus und schleppten ihre Habseligkeiten in das Wetterhäuschen.

Lille, Maja und Karolina verzogen sich wieder auf ihren Beobachtungsposten und schauten zu.

„Das ist nicht okay von Onkel Paul“, sagte Maja finster. „Uns so die Ferien zu vermiesen.“

Lille zuckte mit den Schultern. „Warten wir erst mal ab. Vielleicht ist Fee ja doch ganz nett. Sie erinnert mich irgendwie an jemanden …“ Sie tat, als würde sie angestrengt überlegen.

„Und an wen?“, fragte Maja gespannt.

„Bestimmt an dich!“, prustete Karolina dazwischen. „Fee ist genauso kratzbürstig wie du.“

„Suchst du Streit?“, rief Maja. „Kannste haben!“ Sie begann, Karolina ohne Gnade durchzukitzeln. Kreischend kippten die beiden nach hinten von der Mauer ins Gras. Dort scheuchten sie eine Handvoll Hühner auf, die in der Sonne gedöst hatten. Gackernd ergriff das Federvieh die Flucht. Der Hahn Gustav fing lautstark an zu krähen.

Fee warf ihnen einen zornigen Blick zu. Wie ein rohes Ei balancierte sie einen Tierkäfig vor sich her. Zum Schutz hatte sie eine dicke Babydecke über das Gitter gelegt. „Macht euer Gockel immer so einen Radau?“, rief sie wütend. „Faust flippt gerade voll aus.“

Maja hechtete über die Mauer. „Lass bloß meine Hühner in Ruhe, sonst kriegst du Stress mit mir“, drohte sie. „Mein Gustav kräht, wann und wo er will, kapiert? Zeig doch mal dein Wundertier!“ Sie zog die Babydecke weg.

Ein aprikosenfarbener Teddyhamster kam zum Vorschein. Er rannte wie verrückt in seinem Laufrad.

„Oh, ist der süß!“, rief Karolina entzückt. „So einen Hamster mit langen Haaren wollte ich schon immer haben. Muss man den bürsten?“

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Fee sah Karolina verblüfft an. „Wie kommst du denn darauf? Ein Hamster ist doch kein Pferd. Und normalerweise schläft Faust tagsüber tief und fest. Es ist total ungesund für ihn, wenn er am Tag aktiv ist. Richte Gustav aus, dass er gefälligst die Klappe halten soll.“ Ohne ein weiteres Wort verschwand sie mit Faust im Wetterhäuschen.

Lille kicherte los. „Karolina hatte Unrecht, Maja. Fee ist tausendmal kratzbürstiger als du.“

Maja verschwand beleidigt im Hühnerstall. Kurz darauf tönten Kinderlieder über den Hof.

Karolina schüttelte nur den Kopf. „Ich glaub, ich reite eine Runde mit Schnuppe aus“, sagte sie. „Das wird mir hier alles zu bunt. Bis später.“

Sie rannte los, um Zaumzeug und Sattel zu holen.

„So habe ich mir meine Ferien nicht vorgestellt“, sagte Lille zu Gustav, der soeben hoheitsvoll vorbeistolzierte. Sie kickte einen kleinen Stein weg und verzog sich grübelnd in ihr Zimmer.

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