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Lille musste nicht lange überlegen, wohin sich Karolina verzogen hatte. Sie fand ihre Freundin mit Schnuppe unten an dem kleinen Bach. Das Gewässer lag versteckt hinter den Feldern am Birkenhain. Der Weg zum Bach war sehr schmal und im Sommer dicht bewachsen mit Hagebuttensträuchern. Dort machte Karolina immer eine Pause, damit Schnuppe Wasser trinken konnte.

Nur Maja und Lille hatte Karo diesen geheimen Ort verraten.

„Hey“, sagte Lille. „Der Kuchen war echt lecker. Ist jetzt leider alle.“

Karolina seufzte. „Lass mich raten. Die Zicke hat ihn restlos verputzt, stimmt’s?“

„Ja, ich konnte leider nichts für dich retten. Hab jetzt auch Stress mit meiner Mutter, weil ich ein bisschen herumgestichelt habe.“ Lille kicherte. „Elisabeth ist nämlich auch noch extra von der Arbeit nach Hause gekommen. Stell dir vor: Sie kennt Felix von früher. Und jetzt rate mal, wer deswegen stocksauer ist …“

Karolina grinste. „Rate mal, wer deswegen schadenfroh ist.“ Sie runzelte die Stirn. „Und was sagt Maja dazu?“

Lille zuckte mit den Schultern. „Konnte ich leider nicht herausfinden. Mama hat mich vorher weggeschickt, um dich zu suchen.“ Sie zog ihre Turnschuhe aus und patschte mit den Füßen in das kühle Wasser. „Boah, ich hoffe so, dass der Stress schnell vorbei ist. Und so was nennt sich Ferien!“

Sie schrie kurz auf, weil ein kleiner Frosch über ihren Zeh hüpfte.

„Ja, Chillen können wir erst einmal vergessen“, sagte Karolina.

„Warum?“, fragte Lille. „Glaubst du wirklich, dass Fee uns weiter so einen Ärger macht?“

„Fee nicht. Aber jemand anderes“, antwortete Karolina geheimnisvoll.

„Mensch, Kiki, jetzt spuck’s schon aus!“, rief Lille ungeduldig. Lille nannte ihre Freundin nur im Notfall Kiki. Zum Beispiel dann, wenn diese sie nervte oder wenn es wirklich ernst wurde.

„Ich habe Brims beobachtet. Da geht irgendetwas Merkwürdiges vor“, sagte Karolina. „Ich bin nur kurz hinübergeritten, um nachzusehen, was bei Tim und Tom so los ist. Ich wollte noch mal mit Tom reden, wegen Schnuppe.“

Lille schüttelte verwundert den Kopf. „Hä? Wieso das denn?“

Karolina schaute plötzlich ganz verlegen. „Ist doch jetzt total egal. Die Zwillinge waren sowieso nicht da. Sie sind mit ihrer Tante im Kino – das hat mir Benno verraten, der neue Stalljunge.“

Sie stand auf und gab Schnuppe einen Apfel, den sie aus der Satteltasche holte.

„Jedenfalls habe ich Bauer Brims beobachtet, wie er hinter dem Schweinestall ein riesiges Loch gegraben hat. Und dann hat er einen Sack, in dem man Futter aufbewahrt, in das Loch geworfen und das Loch wieder zugeschüttet. Danach hat er mit dem Spaten ein zweites Loch gebuddelt. Also, ich frage dich: Was hat Brims heimlich vergraben? Da ist doch todsicher eine Schweinerei im Gange!“

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Lille starrte Karolina mit offenem Mund an. „Wie krass ist das denn?“, rief sie. „Maja hatte Recht. Da ist irgendetwas total faul. Was glaubst du, was er da vergraben hat? Gift oder so?“ Ihre Stimme klang plötzlich ganz heiser. „Irgendein Zeug, mit dem die Schweine ganz schnell wachsen? Oder sogar ein ermordetes Schwein?“ Sie schüttelte sich angeekelt. „Wir müssen das sofort Maja erzählen. Die hat sicher eine Idee, wie wir den doofen Brims auffliegen lassen können.“

Karo nickte. „Okay. Dann mal los. Setz dich hinter mich auf den Sattel und halte dich gut fest. Dann sind wir schneller zu Hause.“

Lille stieg nur auf den Rücken eines Pferdes, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Aber hier ging es schließlich um Leben und Tod. Sie presste sich ganz fest an Karolina und kniff die Augen zusammen, während diese mit Schnuppe im Galopp über die Felder preschte.

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Maja saß allein auf dem Mäuerchen und wartete. Ihre Augen funkelten vor Aufregung, als Karolina und Lille ihr völlig außer Atem berichteten, was Karolina beobachtet hatte.

So ein Abenteuer war ganz nach Majas Geschmack. Bauer Brims das Handwerk zu legen, war deutlich spannender, als Popcorn zum Explodieren zu bringen oder mit ihrer Mutter Pizza zu backen. Das hatte diese nämlich ganz überraschend für heute Abend vorgeschlagen.

Offenbar hatte Felix mit Elisabeth zusammen studiert, klärte Maja ihre Freundinnen auf. Aber dann hatte er es sich anders überlegt und war doch lieber Clown geworden. Es war ein doofer Zufall, dass die beiden sich ausgerechnet auf dem Sternenhof wiedertreffen mussten. Das Einzige, was Maja freute, war, dass Fee davon noch genervter war als sie selbst. Denn gleich nachdem ihr Felix seine alte Freundin Betty vorgestellt hatte, war Fee ins Wetterhäuschen verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht.

„Ist doch perfekt“, schloss Maja ihren Bericht. „Nicht, dass die Zicke unseren Plan verpfuscht.“

Lille und Karolina wechselten einen Blick. „Wie geht denn unser Plan?“

Maja sah sich erst einmal um, ob niemand sie belauschte. Dann legte sie los: „Heute ist große Pizzaparty bei uns im Garten angesagt. Dein Vater wird sicher wieder seine Anlage rausschleppen, Lille. Wir müssen also nur abwarten, bis es stockdunkel ist. Dann schnappen wir uns Werkzeug, einen Rucksack und was man sonst für eine verdeckte Ermittlung braucht und schleichen hinüber zum Hof von Brims. Dort graben wir aus, was der Alte verbuddelt hat. Mit meiner Kamera machen wir noch ein paar Fotos vom Tatort und so. Beweismittelsicherung nennt man das. Super Plan, oder?“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.

„Allerdings“, stimmte Lille ihr ehrfürchtig zu. „Du hast es wirklich drauf, Maja. Auf so eine Idee wäre ich niemals gekommen.“

Maja nickte. „Das liegt daran, dass meine Mama Wissenschaftlerin ist. Und ich werde auch mal eine.“ Sie kicherte. „Wenn wir alle Beweise zusammenhaben, ernennen wir Schnuppe zum Polizeipferd und Karo reitet auf ihrem Rücken zur Wache.“

Lille machte vor Freude einen Luftsprung. Der Plan war einfach genial.

Die drei Freundinnen fielen sich begeistert in die Arme und gackerten so laut los, dass sich selbst die Hühner wunderten.

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