6. KAPITEL

„Das ist ganz unmöglich!“, rief Olivia aus. „Das ist schon nächsten Samstag! Heute haben wir Montag. Damit bleibt mir nicht mal eine ganze Woche, um das größte Ereignis meines Lebens vorzubereiten. Das geht einfach nicht.“ Sie kämpfte gegen ihre Panik an und rief sich in Erinnerung, dass es schließlich ihre eigene Idee gewesen war, auf die Matt jetzt einging.

Gelassen sah er auf seine Uhr. „Wir sollten heute noch die Einladungen rausschicken. Ich stelle eine Gästeliste zusammen, und dann sorge ich dafür, dass jemand aus dem Büro die Einladungen adressiert und abschickt.“

„Matt, wir können das nicht innerhalb von ein paar Tagen schaffen. Gib mir wenigstens noch eine zusätzliche Woche.“

„Also schön. Dann heiraten wir Samstag nächster Woche. Komm jetzt. Ich muss einige Anrufe erledigen, und du musst dir ein Hochzeitskleid besorgen. Um eins treffen wir uns zum Lunch wieder hier im Hotel. Auf dem Rückflug machen wir einen Abstecher nach Fort Worth und eröffnen dort ein Konto auf deinen Namen. Was hältst du davon?“ Noch während er sprach, zog er seine Kreditkarte hervor und legte sie vor Olivia auf den Tisch. „Kauf, was immer du magst. Wenn du hier nichts findest, können wir auch in Fort Worth shoppen gehen. Oder in Dallas.“

Olivia schluckte. „Ich finde bestimmt etwas.“ Zögernd lächelte sie. „Danke.“

„Du wirkst schon wieder überrascht. Hältst du mich für ein hartherziges Monster?“

„Nein, ganz bestimmt nicht. Mich erstaunt nur deine Großzügigkeit, obwohl du doch wütend auf mich bist. Außerdem war mir nicht klar, dass deine Familie so reich ist.“

Zweifelnd sah er ihr in die Augen. „Ach, komm. Das weiß doch jeder weit und breit. Alles basiert auf dem Vermögen, das mein Urgroßvater mit Ackerbau und Viehzucht erwirtschaftet hat.“

Beim Anblick seiner gerunzelten Stirn musste Olivia lächeln. „Du willst dich nicht zu mir hingezogen fühlen. Und es ärgert dich maßlos, dass du dich danach sehnst, mich zu küssen.“

„Kann sein.“ Er beugte sich zu ihr. „Früher oder später werden wir aufeinander eingespielt sein. Ich bin es nur gewohnt, dass alles so läuft, wie ich es will, und das hat diesmal nicht geklappt.“

„Vielleicht kann ich dafür sorgen, dass du deine Entscheidung nicht bereust“, erwiderte sie sanft. „Wenn wir beide uns Mühe geben, dann können wir eine gute Ehe führen.“

Er legte seine Hand auf ihre und streichelte ihre Finger. „Das würde mir gefallen“, sagte er leise. „Aber vergiss nicht, dass ich dich gewarnt habe: Ich werde mich nicht in dich verlieben.“

„Ja, du hast mich gewarnt.“ Lächelnd strich sie ihm mit der freien Hand über den Nacken.

Seine Pupillen weiteten sich, und Olivia erkannte, dass vor ihr ein wildes Raubtier saß, das sich nur mühsam beherrschte. Ihr Puls begann zu rasen.

„Allmählich freue ich mich darauf“, entgegnete Matt mit tiefer, leiser Stimme. „Ich freue mich auf unsere Hochzeitsnacht und darauf, dich in meinen Armen zu halten.“ Spielerisch wickelte er eine Strähne ihres Haars um seinen Finger.

Olivias Mund war wie ausgetrocknet. „In zwölf Tagen kennen wir uns hoffentlich besser.“

„Du hast schon jetzt eine Menge über mich gelernt, und ich habe einiges über dich erfahren. Ich werde dir jede Frage beantworten, die du mir stellst.“

Nachdenklich neigte sie den Kopf zur Seite. „Liebst du deine Ex noch?“

Zu ihrer Erleichterung schüttelte er den Kopf. „Nicht im Mindesten. Selbst wenn sie morgen zu mir zurückkehren wollte, würde ich es nicht zulassen. Aber das würde sie auch nicht wollen. Sie liebt nur ihren Job und sich selbst.“

„Seid ihr, du und deine Geschwister, während eurer Kindheit gut mit eurem Vater ausgekommen?“

„Es ging. Dad war schon immer ziemlich herrisch. Viele Leute haben sich von ihm einschüchtern lassen. Aber wir Kinder kannten seine Wutausbrüche und seine Sturheit.“

„Ist einer von euch ihm ähnlich?“

„Hoffentlich nicht.“ Matt lachte leise. „Du kannst mir später noch Fragen stellen. Jetzt müssen wir los.“ Er nahm seine Notizen und stand auf. Dann kam er um den Tisch herum und half ihr beim Aufstehen.

Sobald sie sich voneinander verabschiedet hatten, begab Olivia sich auf die Suche nach einem Brautkleid.

Als sie bei der ersten Anprobe die kühle Seide über ihren Körper gleiten spürte, schlug ihr Herz höher. Voller Aufregung betrachtete sie sich im Spiegel.

Das weiße Kleid war ein Traum. Einige Strähnen ihres Haars hatten sich aus der Frisur gelöst und umrahmten ihr Gesicht. Olivia gefiel sich, aber letztlich lag das an dem Brautkleid, und als sie daran dachte, wofür es stand, musste sie schlucken. Dieses Kleid würde sie bei einer Hochzeit tragen, die sie nur aus Vernunftgründen schloss, und dennoch sollte diese Ehe ein ganzes Leben lang halten.

Eine Stunde später hatte sie ihr Wunschkleid gefunden und wusste, dass sie nicht mehr weitersuchen musste. Nachdenklich drehte sie sich vor dem Spiegel. Das ärmellose Oberteil hatte einen tiefen V-Ausschnitt und vermittelte den Eindruck schlichter Eleganz. Ein weiter Pluspunkt war die abnehmbare Schleppe. Alles in allem sah dieses Kleid genau so aus, wie Olivia sich ihr Brautkleid immer erträumt hatte.

Eine knappe Stunde darauf hatte sie sich auch mit Schuhen und zarten Dessous eingedeckt. In einem Buchladen kaufte sie noch einen Ratgeber über Schwangerschaft und Säuglingspflege. Als sie auf ihre Uhr sah, wurde ihr klar, dass sie sich beeilen musste, wenn sie noch rechtzeitig ins Hotel kommen wollte.

Bei ihrer Ankunft saß Matt bereits in der Lobby und las Zeitung. Insgeheim rechnete Olivia jeden Moment damit, dass er die Hochzeitspläne wieder abblies.

Als sie sich ihm näherte, musterte er sie eingehend. Hastig strich sie sich eine Strähne hinters Ohr. „Tut mir leid, dass ich zu spät komme“, sagte sie atemlos. „Im Taxi draußen sind noch Einkäufe von mir.“

„Du hättest anrufen sollen.“ Er folgte ihr nach draußen, um ihr beim Tragen der Taschen und Tüten zu helfen.

„Ich habe kein Handy.“

Nach einem flüchtigen Seitenblick griff Matt in seine Jackett-Tasche und reichte Olivia sein Handy. „Nimm erst mal meines. Ich kann mir leicht ein neues beschaffen.“

Als er ihren Arm ergriff, nahm sie seine Wärme wahr und den Duft seines Rasierwassers. Gleichzeitig spürte sie Matts Feindseligkeit.

Einen Moment war sie verunsichert, andererseits hatte er ihren Antrag angenommen. Sie würde einen Ransome heiraten. Olivia wusste nicht, ob sie vor Freude jubeln oder auf der Stelle weglaufen sollte.

Matt holte Olivias Einkäufe aus dem Taxi und lud sie in den Kofferraum der wartenden Limousine. Der Chauffeur half beim Verstauen, und Olivia und Matt setzten sich auf die Rückbank.

„Habe ich dir heute schon gesagt, wie schön du aussiehst?“

„Danke“, entgegnete sie mit unsicherem Lächeln.

„Vielleicht schaffen wir es, dass dieses ganze Arrangement halbwegs funktioniert.“

„Ich hoffe, es klappt in jeder Hinsicht.“ Einen Moment lang sehnte sie sich danach, alles zu bekommen: eine Heirat und Liebe. „In gewisser Weise belügen wir mit dieser Ehe alle um uns herum.“

„Beim Frühstück haben wir doch Grundregeln festgelegt, durch die wir beide in dieser Verbindung Zufriedenheit finden können.“

„Ja, wenn wir Glück haben, gelingt uns das auch.“

„Während du einkaufen warst, habe ich eine Hochzeitsplanerin engagiert.“ Er reichte ihr einen Zettel mit Anschrift und Telefonnummer. „Morgen um eins bist du mit ihr in Fort Worth verabredet.“

„Das ging ja schnell.“

„Für Partys auf der Ranch beauftragen wir immer denselben Catering-Service und eine bestimmte Band, also habe ich beide auch für die Hochzeitsfeier engagiert.“

Fassungslos sah Olivia ihn an. Würde dieser menschliche Dynamo vielleicht auch jedes Detail ihres Alltagslebens kontrollieren wollen?

„Warum siehst du mich so an? Bist du anderer Meinung?“

Olivia schüttelte den Kopf. „Nein, ich fühle mich nur ein bisschen überrumpelt.“

„Aber du wolltest doch unbedingt heiraten. Wir können auf der Ranch getraut werden.“

„Du hast an alles gedacht. Nur das Brautkleid habe ich mir selbst gekauft.“

Leise lachend schüttelte er den Kopf. „Wir müssen uns beide noch um vieles kümmern. Die Hochzeitsplanerin wird einen Termin mit dem Floristen und dem Fotografen abstimmen. Du musst mit ihr zusammen klären, wie unsere Hochzeitstorte aussehen soll. Der größte Knackpunkt ist allerdings, das alles meiner Familie beizubringen. Das könnte noch zu Problemen führen. Ich warne dich gleich: mein Dad ist manchmal etwas schwierig. Katherine ist möglicherweise auch nicht gerade begeistert, aber in erster Linie ist es mein Vater, der die Leute einschüchtert. Wenn du willst, werde ich bis zur Hochzeit bei all deinen Treffen mit ihm dabei sein.“

Belustigt erwiderte Olivia seinen Blick. „Glaubst du, er jagt mir solche Angst ein, dass ich einen Rückzieher mache?“

Matt musste lächeln. „Ich glaube, dass du ihm gewachsen bist, und das will schon etwas heißen. Falls Katherine dir das Leben schwer machen will, werde ich mit ihr reden. Sobald wir wieder auf der Ranch sind, rufe ich alle an.“

„Gut.“ Olivia fragte sich, welche Auseinandersetzungen ihr mit dieser Familie noch bevorstehen mochten.

Es dauerte nicht lange, bis sie den Privatjet bestiegen. Als das Flugzeug abhob, blickte Olivia hinaus auf die Stadt. Den vergangenen Abend und diesen Tag würde sie nie im Leben vergessen. Dann sah sie nach oben in den endlosen blauen Himmel. Es war der zweite Flug in ihrem Leben, und sie beschloss, jeden Moment davon zu genießen.

Sobald sie in Fort Worth gelandet waren, ging Matt mit ihr in eine Bank, wo Olivia aufgeregt zusah, wie er ein Konto für sie eröffnete, zwanzigtausend Dollar einzahlte und den Rest der vereinbarten Summe auf einem Sparkonto für sie anlegte. Als reiche Frau verließ sie die Bank wieder.

„Matt.“ Sie legte ihm eine Hand auf den Arm, damit er stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. „Danke. Ich hätte nie gedacht, jemals so viel Geld zu besitzen, jedenfalls nicht vor Abschluss meines Studiums. Wenn ich erst Anwältin bin, zahle ich es dir zurück.“

„Unsinn. Wir heiraten. Selbst wenn dies eine Vernunftehe ist, Olivia, bekommst du Zugang zu meinen Konten. Natürlich vorausgesetzt, du verschleuderst das Geld nicht sinnlos.“

Sprachlos sah sie ihn an.

„Okay?“, fragte er nach, als sie nichts erwiderte.

„Natürlich ist das okay“, antwortete sie hastig. „Deine Großzügigkeit überwältigt mich immer wieder. Niemand teilt sein Vermögen so ohne jeden Vorbehalt, wie du es vorhast.“

Als er sie ansah, hatte Olivia den Eindruck, in das Blau seiner Augen gesogen zu werden.

„Olivia, Ende nächster Woche bist du meine Frau. Genau wie du es dir gewünscht hast. Und wir haben eine Abmachung getroffen, an die ich mich für den Rest meines Lebens halten will.“

Zum ersten Mal wurde ihr wirklich bewusst, dass die Ehe bis ans Ende ihres Lebens halten sollte. „Ich kann es immer noch nicht fassen, was du alles für mich tust.“ Olivia wusste, dass sie diesen Moment niemals vergessen würde. Der Wind fuhr Matt durch das dichte schwarze Haar. Er lächelte leicht, und Olivia nahm den Verkehrslärm, die Hitze und die Menschen ringsumher kaum noch wahr.

„Alles in Ordnung?“, fragte er leise.

„Ja. Ich versuche nur zu begreifen, wie großzügig du bist.“

„Ich tue das alles aus freien Stücken. Deine Großzügigkeit kannst du mir heute Nacht zeigen“, fügte er mit tiefer, sinnlicher Stimme hinzu. Gleichzeitig zwinkerte er ihr zu, sodass sie nicht wusste, ob er es ernst meinte oder ob er sie bloß aufziehen wollte.

„Ich werde darüber nachdenken“, erwiderte sie genauso sinnlich.

Leise lachend ging Matt weiter zum Auto.

Zurück auf der Ranch warf er die Schlüssel auf die Anrichte in der Küche. „Heute Abend spreche ich mit meinem Bruder und meiner Schwester. In der Zwischenzeit kann ich uns ein paar Steaks grillen. Dann können wir weiterplanen.“

Kurze Zeit später hatten sie alle Einkäufe in einem unbenutzten Schlafzimmer untergebracht, und Olivia zog sich einen Bikini an. Sie hatte sich mit Matt darauf geeinigt, vor dem Essen noch ein paar Runden zu schwimmen.

Immer wieder gingen ihr seine Worte durch den Kopf. Sie sollte ihm heute Nacht ihre Großzügigkeit zeigen? Wollte er jetzt Sex, weil er ihr das Geld aufs Konto gezahlt hatte? Wenn er so dachte, dann würde er sich noch wundern, denn Sex als Gegenleistung für Geld kam für sie überhaupt nicht infrage.

Bevor sie zum Pool ging, betrachtete sie sich eingehend im Spiegel. Der hohe Beinausschnitt des Slips betonte ihre langen Beine. Sie spürte, dass ihre Brüste durch die Schwangerschaft bereits größer geworden waren. Gedankenversunken strich sie sich über den noch flachen Bauch und dachte an ihr Baby. Würde es ein Mädchen oder ein Junge werden?

Zufrieden mit ihrem Aussehen, band sie sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen, nahm ein Badelaken, ein leichtes Strandkleid und ging in Flip-Flops hinaus an den Pool.

Matt hatte den Grill bereits angefacht und drehte schon eine Runde im Wasser. Gerade tauchte er auf und strich sich das Haar nach hinten. Auf seinen Schultern glitzerten Wassertropfen. Olivia verspürte ein Flattern in ihrem Magen.

Matt musterte sie von Kopf bis Fuß, als sie sich dem Pool näherte, und ihr wurde immer heißer.

Er stemmte sich auf dem Beckenrand ab und stieg aus dem Wasser. Kühle Tropfen spritzten auf Olivias Beine. Ihre Erregung steigerte sich noch, als sie Matt nur mit einer knappen schwarzen Badehose bekleidet sah. Seine Haut war gebräunt, sein Körper muskulös und durchtrainiert. Er musterte sie genauso begehrlich wie sie ihn.

Bald schon bin ich mit ihm im Bett, dachte sie die ganze Zeit.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich nicht glauben, dass du schwanger bist. Man sieht es dir überhaupt nicht an.“ Seine Stimme klang heiser.

Bei jedem Schritt, den Matt auf sie zukam, hämmerte Olivias Puls stärker.

Mit dem Kopf deutete er auf den Pool. „Komm rein, das Wasser ist toll.“

Kopfüber sprang er wieder hinein und schwamm davon. Langsam ließ Olivia sich ins Wasser gleiten, schwamm längs durch das Becken und strich sich, am anderen Ende angekommen, die Tropfen aus dem Gesicht. Als sie die Augen wieder öffnete, tauchte Matt neben ihr auf.

„Du bist sehr schön, Olivia“, stellte er leise fest. „Ich glaube, wir beide haben einen fantastischen Handel geschlossen.“

„Das ist nicht ganz das, was eine Frau zwei Wochen vor ihrer Hochzeit hören will.“

Matt hob eine Augenbraue. „Wir gehen das wie einen ganz normalen Vertragsabschluss an. Hast du etwa mit Rosen und Herzchen gerechnet?“

„Nein, das gehört nicht zur Abmachung. Aber der gestrige Abend hat mir so gut gefallen, weil wir beide ausgegangen sind und ich nicht ständig daran erinnert wurde, dass die Heirat nur ein Handel ist.“

„Du sehnst dich tatsächlich nach mehr“, stellte er fest und kam näher. „Und es gibt zwischen uns etwas, das im Vertrag nicht beschrieben ist.“