Es dauerte eine Weile, bis Olivias Verstand nach dem ersten Schock wieder einsetzte. „Danke für das großzügige Angebot, aber meine Antwort lautet Nein.“
Verärgert zog Duke die Augenbrauen zusammen. „Haben Sie nicht gehört, wie viel ich Ihnen zu geben bereit bin? So viel Geld können Sie doch unmöglich zurückweisen.“
„Doch, das kann ich. Und gerade eben habe ich es getan.“ Sie war vollkommen ruhig. Als sie spürte, wie Matt sanft ihre Schulter drückte, musste sie lächeln.
„Sie haben ja nicht mal in Ruhe darüber nachgedacht“, regte Duke sich auf.
„Dad, bis jetzt habe ich geschwiegen, um dein Angebot und Olivias Antwort darauf abzuwarten“, mischte Matt sich ein. „Sie lehnt ab, und das wollte ich hören. Sie ist eine offene, ehrliche Frau und hat bei dieser ganzen Sache keine Hintergedanken. Du und Jeff, ihr habt sie beide unterschätzt, genau wie ich, als ich sie das erste Mal sah.“
„Verdammt, du lässt dich auch von ihrem Äußeren täuschen“, brauste Duke auf. „Lass dich nicht wieder hinters Licht führen. Du hast schon eine Frau geheiratet, die es kaum erwarten konnte, dir den Laufpass zu geben. Du weißt nichts über sie, Matt, also überlass das mir.“
„Das tue ich nicht. Olivia hat dein Angebot zurückgewiesen.“
„Glauben Sie nicht, dass das Kind seine Mutter braucht?“ Olivia konnte ihren Ärger kaum noch unterdrücken.
„Nein.“ Duke fuhr zu ihr herum. „Wir werden das ausgleichen. Meine Kinder sind auch ohne Mutter aufgewachsen und haben sich prächtig entwickelt.“
„Möglicherweise“, antwortete Oliva. „Aber soweit ich das mitbekommen habe, hat Jeff immer nur an sich gedacht.“ Sie sah Matt an, der ihren Blick ausdruckslos erwiderte. „Und Matt ist ein Zyniker, der seine Schwester und seinen Bruder als wild bezeichnet.“ Sie wandte sich wieder Duke zu. „Ihren Kindern hätte der Einfluss einer Mutter sehr gutgetan.“
„Nach jedem nur denkbaren Maßstab ist meine Familie eine sehr gute.“ Vor Zorn lief Duke dunkelrot an.
„Ich habe nicht gesagt, Sie hätten keine gute Familie, Mr Ransome. Ich sage nur, dass eine Mutter einen positiven Einfluss auf Ihre Kinder ausgeübt hätte. Mein Baby jedenfalls wird eine Mutter haben. In Ihrer Familie wird viel zu großer Wert auf materielle Dinge gelegt.“ Sie versuchte ihren Ärger zu unterdrücken und klar zu denken, denn hier ging es um ihre Zukunft und die ihres Kindes. Sie wollte nicht aus Wut heraus eine falsche Entscheidung treffen oder provozieren.
„Das ist schwer zu akzeptieren, wenn es ausgerechnet von jemandem mit Ihrer Herkunft kommt, der gleichzeitig solche Forderungen an meinen Sohn stellt. Sie können mir nicht weismachen, Geld bedeute Ihnen nichts“, erwiderte Duke grob.
Matt stand auf und legte Olivia eine Hand auf die Schulter. „Das reicht, Dad. Samstag in einer Woche werden Olivia und ich heiraten. Wir haben ein Arrangement getroffen, durch das unser Baby Vater und Mutter bekommt und noch dazu eine Familie und finanzielle Sicherheit.“
„Finanzielle Sicherheit!“ Duke schien Olivia mit seinem Blick durchbohren zu wollen, doch obwohl die Spannung im Raum fast greifbar war, fühlte Olivia sich nicht bedroht.
Sie wusste genau, was sie wollte, und Matts Reaktion beruhigte sie.
„Diese Rumtreiberin wird dich aussaugen, wo sie nur kann!“ Duke konnte sich nicht länger beherrschen.
„Rumtreiberin?“ Matt stemmte die Hände in die Seiten und ging drohend einen Schritt auf seinen Vater zu. „Da liegst du völlig falsch.“ Bei seinem feindseligen Tonfall hielt Olivia unwillkürlich die Luft an. „Sie hat eine halbe Million zurückgewiesen, da kannst du kaum behaupten, sie sei nur aufs Geld aus, Dad. Sieh es lieber ein: Sie wird die Mutter deines ersten Enkelkinds. Du schuldest Olivia eine Entschuldigung.“
„Bitte, Matt.“ Olivia stand auf und legte eine Hand auf seinen Arm. „Ich will nicht, dass ihr meinetwegen streitet.“
„Als ob ich so etwas glauben würde!“, regte Duke sich auf. „In Ihrem ganzen Leben werden Sie niemals so viel Geld besitzen, wie ich Ihnen gerade angeboten habe. Aber glauben Sie bloß nicht, dass Sie an das gesamte Vermögen der Ransomes herankommen, indem Sie Matt heiraten. Das wird er schon zu verhindern wissen.“
„Es geht mir nicht ums Geld. Mir sind ganz andere Dinge im Leben wichtig.“
„Sie sind auf unser Vermögen aus, aber ich werde dafür sorgen, dass Sie keinen Cent davon bekommen.“
Olivia spürte Dukes Wut. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, und sein Gesicht war tiefrot.
„Dad, du gehst zu weit. Du …“ Matt machte einen Schritt auf seinen Vater zu, doch Olivia hielt ihn zurück.
„Warte, Matt.“ Sie wandte sich an Duke. „Mr Ransome, mir ging es darum, dass mein Baby Teil dieser Familie wird, zu der es durch seinen leiblichen Vater ohnehin schon gehört. Allerdings bin ich mir nach diesem Treffen mit Ihnen nicht mehr so sicher, ob mir wirklich so viel daran liegt. Soweit ich weiß, ist Matt ein ehrenhafter Mann, und mein Kind soll einen Vater haben. Es ist ein Ransome, und die Vorteile, die sich daraus ergeben, soll es später auch genießen. Ihr Sohn hat meinen Heiratsantrag angenommen, weil unserem Baby dadurch Möglichkeiten entstehen, die ich ihm allein niemals bieten könnte. Allerdings bin ich nicht bereit, meinem Sohn oder meiner Tochter nur zu diesem Zweck ein Leben aufzuzwingen, unter dem das Kind später leiden wird. Ehrlich gesagt, Sir, bringen Sie mich auf den Gedanken, es könnte für mein Baby vielleicht am besten sein, wenn ich einfach verschwände.“
„Allerdings, Sie kleine …“
„Dad!“ Matt trat seinem Vater entgegen. „Entschuldige dich bei der Frau, die ich heiraten werde und die die Mutter deines Enkelkinds wird. Entschuldige dich lieber, oder du wirst dieses Kind niemals kennenlernen. Ich werde jetzt und hier den Kontakt zu dir abbrechen.“
„Matt, tu das nicht.“ Olivia stellte sich zwischen die beiden aufgebrachten Männer. „Schluss damit. Ich will nicht schuld daran sein, dass ihr euch entzweit.“ Ihr war kalt vor Sorge. Matts Brust hob und senkte sich angestrengt, und sein Blick war eiskalt.
„Geh mir aus dem Weg, Olivia.“ Matt ließ seinen Vater nicht aus den Augen.
„Nein, ihr zwei dürft jetzt nicht alles zerstören.“
„Wenn Sie mein Geld ablehnen, werden Sie es für den Rest Ihres Lebens bereuen“, erklärte Duke drohend.
„Keine einzige Sekunde lang“, erwiderte Olivia genauso überzeugt.
Wütend runzelte er die Stirn. „Sie sind ziemlich abgebrüht, Miss Brennan, aber wenn Sie denken, ich werde mein Angebot erhöhen, dann täuschen Sie sich.“
„Sir, ich habe bereits ein besseres Angebot“, sagte sie leise und sah, wie Duke vor Wut die Zähne zusammenbiss. Matt trat neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern.
„Dad, entweder entschuldigst du dich bei meiner Verlobten, oder du bist weder bei unserer Hochzeit oder jemals wieder in diesem Haus erwünscht.“
Olivia wollte widersprechen, doch sie hielt sich zurück, denn sie wollte Matt nicht in den Rücken fallen.
„Ich entschuldige mich“, stieß Duke in einem Tonfall aus, der deutlich zeigte, wie wenig ernst ihm diese Worte waren. „So, jetzt haben Sie Ihre verdammte Entschuldigung.“ Er starrte auf Matts Arm, der auf Olivias Schulter lag. „Ich hoffe, ihr beide wisst, was ihr tut.“
„Das tun wir.“
„Denken Sie in aller Ruhe über mein Angebot nach“, sagte er an Olivia gewandt. „Sie hätten Ihr Leben lang ausgesorgt. Sie können noch weitere Kinder haben, und Sie wüssten, dass Jeffs Kind hier bei uns ein wirklich gutes Leben hätte. Zwischen Matt und Ihnen herrscht nicht das geringste Fünkchen Liebe. Diese Ehe hat keine Zukunft.“
Eindringlich blickten Olivia und Duke sich in die Augen. „Ich werde Ihr Angebot bestimmt nicht vergessen, Mr Ransome. Es war sehr interessant, Sie kennenzulernen.“
„Ich lasse Sie nicht aus den Augen, und ich werde alles tun, um meinem Sohn diese Hochzeit auszureden.“
„Ihr Sohn trifft seine eigenen Entscheidungen.“
Duke verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Olivia atmete tief durch und sah Matt an. „Ich ertrage den Gedanken nicht, dass du dich meinetwegen mit deinem Vater streitest.“
Kopfschüttelnd hob er die Augenbrauen. „Ich hätte mir denken können, dass er so etwas versucht. Bestimmt war er davon überzeugt, du würdest ein solches Angebot nie im Leben ablehnen.“
„Eine halbe Million.“ Olivia schüttelte den Kopf.
„Eigentlich erstaunlich, dass du das Geld so leichthin ausgeschlagen hast.“
„Anscheinend versteht das keiner von euch. Ich hänge doch kein Preisschild an mein Baby. Für kein Geld dieser Welt werde ich es hergeben.“
„Das wollte ich mit meinem Angebot auch nicht erreichen. Ich wollte lediglich, dass du uns am Leben von Jeffs Kind teilhaben lässt.“ Nachdenklich legte Matt ihr eine Hand auf die Schulter. „Dad kennt dich nicht. Er glaubt, jeder sei käuflich.“ Sachte strich er ihr über die Wange. „Bist du noch wütend?“
„Die letzte Stunde gehört sicher nicht zu den leichtesten meines Lebens.“ Olivia versuchte zu scherzen, aber ihr zitterten immer noch die Knie. Sie wollte Duke Ransome und den Streit gern vergessen, aber Matts Vater hatte sie verletzt, ob ihr das nun gefiel oder nicht. „Er kommt bestimmt nicht zur Hochzeit.“
„Doch, ganz bestimmt. Ich kenne ihn. Befürchtest du nicht, dass du meine Familie eines Tages hassen wirst?“ Sachte legte er ihr eine Hand auf die Schulter. „Rechtlich gesehen bin ich schon bald der Vater unseres Kindes mit dem gleichen Recht wie du.“
Unser Kind. Wieder wurde Olivia klar, welche grundlegenden Veränderungen ihr bevorstanden. „Das Risiko gehe ich ein. Ich bin überzeugt, wir zwei können uns einigen.“ Sie hoffte, ruhig und vernünftig zu klingen. Matt sollte nicht wissen, wie stark sie im Moment der Gedanke verunsicherte, für den Rest ihres Lebens an ihn und seine Familie gebunden zu sein.
„In jedem Fall brauche ich nicht zu befürchten, dass du dich nicht gegen meine Familie behaupten kannst“, sagte er. „Harte Männer sind vor meinem Dad schon eingeknickt, aber du hast ihm nicht das letzte Wort überlassen. Bestimmt hätten viele Frauen an deiner Stelle das Geld akzeptiert, aber in dir hat Dad sich getäuscht.“
Sein prüfender Blick beschleunigte ihren Puls. „Danke, dass du dich für mich eingesetzt hast.“
Matt zuckte mit den Schultern. „Er hätte deine Antwort einfach akzeptieren sollen. Seine Äußerungen waren unakzeptabel. Sonst bekommt er immer seinen Willen, und für den Erfolg ist ihm jedes Mittel recht.“ Matt küsste sie sanft auf die Stirn. „Wir müssen noch zum Anwalt. Wenn wir jetzt nicht losfahren, kommen wir zu spät.“
„Ich hole meine Handtasche.“ Matts Unterstützung ließ sie den bedrückenden Besuch seines Vaters fast vergessen.
„Wir treffen uns hinter dem Haus.“
Als Olivia schon halb den Flur durchquert hatte, drehte sie sich noch einmal um. Matt stand reglos da und blickte ihr nach, dabei strich er gedankenverloren über die Lippen. Sobald ihre Blicke sich trafen, wandte er sich ab und verschwand in seinem Büro.
Als sie kurze Zeit später in die Stadt fuhren, sagte Olivia: „Dein Vater wird mich niemals akzeptieren.“
„Wenn du ihm erst sein erstes Enkelkind präsentierst, wird er dich schneller akzeptieren, als du es dir jetzt vorstellen kannst. Ich kenne meinen Vater sehr gut. Er hat immer von einem Enkel geträumt und erst meine Schwester und dann mich bedrängt, ihm Enkelkinder zu schenken. Er wird das Baby lieben, und du wirst dir gar nicht mehr vorstellen können, dass er dir dafür ein Vermögen geboten hat. Dad wird sich benehmen, als hätte es diesen Vorfall niemals gegeben.“
„Das glaube ich erst, wenn ich es erlebe.“ Dass Duke Ransome sich so drastisch ändern würde, konnte Olivia sich nicht vorstellen.
„Mein Dad war sicher, du würdest das Geld nehmen, weil du nicht gerade in Wohlstand aufgewachsen bist.“
Verbittert lachte Olivia auf. „Manchmal habe ich in Bussen übernachtet, weil mir das sicherer erschien als nach Hause zu gehen. Meine Eltern tranken beide und …“ Sie verstummte. „Du kennst meine Vergangenheit. Als ich zur Highschool ging, bin ich ganze Abende lang Bus gefahren, um in Ruhe lernen zu können. Bildung war für mich schon immer die Möglichkeit, diesem Elend zu entfliehen, und so ist es auch gekommen.“
„Genau das meine ich. Dad hat dich völlig falsch eingeschätzt.“
„Jetzt bleiben noch dein Bruder und deine Schwester.“
„Ich habe bisher weder Nick noch Katherine erreicht, aber ich habe ihnen auf die Mailbox gesprochen.“
„Wahrscheinlich versuchen sie auch, dir diese Hochzeit auszureden. Schließlich wissen sie, dass wir uns nicht lieben.“ Olivia betrachtete ihren Ring und wackelte mit dem Finger. „Der Rest der Welt wird damit bestimmt leichter zu überzeugen sein.“
„Sei nicht überrascht, wenn mein Vater dir noch so ein Angebot macht. Er gibt nicht leicht auf.“
„Keine Sorge.“
Matt lachte leise. „Du erstaunst mich immer wieder.“
Matts Anwalt war ein kleiner blonder Mann mit lebhaften braunen Augen. In den folgenden zwei Stunden gingen sie alle Einzelheiten des Ehevertrags durch. Matt bestand auf einer Klausel, dass Olivia für den Fall, dass sie die Scheidung einreichte, keinerlei Ansprüche auf das Vermögen der Ransomes hatte, und Olivia willigte ein.
Schließlich hatten sie sich auf eine Vertragsform geeinigt, mit der Matt genauso zufrieden war wie Olivia. Sie las den Vertrag noch einmal durch und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie glücklich es sie machte, mit diesem Vertrag die Zukunft ihres Kindes zu sichern.
Schließlich waren sie fertig und verabschiedeten sich von dem Anwalt.
Nach einem kurzen Lunch trennten sie sich für einige Stunden. Olivia machte sich auf den Weg zur Hochzeitsplanerin. Nach einem ausführlichen Gespräch mit der Frau erledigte sie einige Einkäufe. Irgendwann fiel ihr auf, dass sie es kaum erwarten konnte, sich endlich wieder mit Matt zu treffen.
Als sie am Nachmittag auf der Ranch ankamen, verschwand Matt in seinem Arbeitszimmer, und so war Olivia sich selbst überlassen. Sie ging auf ihr Zimmer und zog sich um. Während sie sich im Spiegel betrachtete, musste sie lächeln, als sie an Matts erwartungsvollen Blick dachte, wenn die Sprache auf die Hochzeitsnacht kam. Ja, sie würde dafür sorgen, dass diese Nacht für ihn unvergesslich wurde. Langsam drehte sie sich vor dem Spiegel hin und her und betrachtete ihren schlanken Körper in den Shorts. Nachdenklich strich sie sich über den Bauch.
„Jetzt habe ich dir zuliebe schon zwei Vermögen ausgeschlagen, mein Kleines“, sagte sie leise. „Hoffentlich ist dir klar, wie sehr ich dich jetzt schon liebe.“
Da von Matt immer noch nichts zu sehen war, schlenderte sie durch das Haus und erkundete die Bibliothek, wo sie Kinderbücher fand, die offenbar ihm und seinen Geschwistern gehört hatten. Dann stieß sie auf Fotoalben, die sie neugierig durchblätterte. Jeff hatte auch früher schon immer frech gegrinst, Matt dagegen wirkte auf den Fotos meistens ernst.
Im untersten Fach des Regals, verborgen unter einem Stapel alter Zeitschriften, entdeckte sie eine große Metallbox, die aussah, als wäre sie seit Jahren von niemandem mehr berührt worden. Olivia bekam eine Gänsehaut. Doch sie verdrängte dieses unangenehme Gefühl und öffnete den Deckel.