2. KAPITEL

„Guten Morgen. Ich bin überrascht, dass es für Sie ein guter Morgen ist“, sagte Julia und lächelte, als sie Nick die Hand gab.

„Wieso sollte es kein guter Morgen sein?“, fragte er mit einem Flackern in seinen dunklen Augen.

„Weil ich Ihnen einen Besuch abstatte“, antwortete sie. Lässig spazierte Nick hinter seinem Schreibtisch hervor. Sein dunkelgrauer Anzug unterstrich sein gutes Aussehen noch, das sie zu ignorieren versuchte. Ebenso wie die Aufregung, die sie bei seinem Anblick empfand. Sie verabscheute es, mit Nick zu verhandeln, und hinter ihrer kühlen Fassade empfand sie Panik, als sie daran dachte, was er ihrem Großvater antun wollte. Als sie sich die Hände schüttelten, fühlte sich seine Hand fest und warm an, und der Hautkontakt löste ein Prickeln in ihrem Inneren aus. Wie konnte sie nur körperlich so von ihm angezogen sein, wenn sie ihn doch als rücksichtslosen Konkurrenten betrachtete? Schnell entzog sie ihm ihre Hand.

„Möchten Sie sich nicht setzen?“ Er deutete auf einen Ledersessel und stellte einen weiteren Sessel so hin, dass er ihr nur einen guten Meter entfernt direkt gegenübersaß. Mit seinen braunen Augen schien er sie zu durchdringen.

Julia versuchte, gelassen zu bleiben, schlug die Beine übereinander und bemerkte, dass er den Blick zu ihren Fesseln wandern ließ. Ein Blick von ihm genügte, um sie ganz kribbelig werden zu lassen. Sie war daran gewöhnt, in ihrem Leben über fast alles immer die Kontrolle zu haben, und es ärgerte sie, dass sie heute genauso heftig auf Nick reagierte wie während der ersten Minuten auf dem Parkplatz des Restaurants. „Ich weiß, dass Sie es mir nicht leicht machen werden.“

„Ich bin sehr erstaunt, dass Sie hier sind“, gab Nick offen zu.

Sie starrte ihn an. „Ich dachte, nach gestern Abend sollten wir ein besseres Verhältnis zueinander entwickeln.“

„Auch das erstaunt mich.“ Er wirkte entspannt.

Dennoch hatte Julia das Gefühl, dass er seine Wut zurückhielt. In seinen dunklen Augen funkelte es feurig. Seine lockigen dunklen Haare ließen seine Gesichtszüge ein wenig weicher wirken. „Ich weiß, dass wir gestern Abend nicht gerade im Guten auseinandergegangen sind.“

„Das ist wirklich eine Untertreibung.“

„Ich dachte, vielleicht sollte ich noch einmal versuchen, Sie davon zu überzeugen, Holcomb Drilling nicht zu erwerben.“

„Seit dem Abendessen bin ich dazu entschlossener denn je.“

„Ihre Feindseligkeit ist größer geworden.“ Julia fragte sich, warum Nick so wütend war, was er kaum noch vertuschte. „Vielleicht macht dieser Besuch keinen Sinn.“

„Ist Ihnen bekannt, dass heute Nacht eine unserer Bohrinseln gebrannt hat?“

„Nein, das wusste ich nicht“, antwortete sie überrascht. Vermutlich ist das der Grund für seinen Zorn, dachte sie. „Das war es also, was Sie meinten, als …?“

„Eine Explosion unbekannten Ursprungs hat das Feuer verursacht.“ Seine Augen blitzten vor Wut.

„Sie beschuldigen uns?“

„Hat Rufus dafür jemanden angeheuert?“, fragte Nick mit Eiseskälte in der Stimme.

„Nein!“, rief Julia aufgebracht darüber, dass er ohne Beweise voreilig solche Schlüsse zog. „Mein Großvater würde nie so tief sinken und das Leben unschuldiger Menschen riskieren. Niemals!“

„Ich fürchte, dass Sie es abstreiten, wird nicht reichen, um mich zu überzeugen.“

Er bestand weiterhin stur darauf, ihre Familie zu beschuldigen. „Ist es nicht ein bisschen voreilig, so schnell solche Schlüsse zu ziehen? Es dauert oft etwas länger, um herauszufinden, wie ein Feuer entstanden ist.“

„Natürlich, Sie haben recht“, sagte er freundlich. Seine Wut war plötzlich wie weggewischt. „Bevor ich nicht die Experten für Brandstiftung gehört habe, werde ich mich mit dem Urteil über die Sache zurückhalten.“

„Das ist das einzig Vernünftige“, erwiderte Julia.

„Jetzt wüsste ich gern, was Sie eigentlich in mein Büro führt.“ Er ignorierte ihren Sarkasmus, lächelte und wartete.

Sie erwiderte seinen Blick, und ihre Verärgerung nahm zu. Seine Freundlichkeit wirkte gespielt, und das grimmige Funkeln in seinen Augen strafte die Wärme in seiner Stimme Lügen. Doch sie war entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie verstört sie war, und konzentrierte sich darauf, höflich zu bleiben. „Ich wollte Sie noch einmal um ein inoffizielles Treffen bitten. Vielleicht können wir ja doch noch eine einvernehmliche Lösung finden.“ Sie hoffte, dass sie so entspannt und freundlich klang wie vorher er. „Unsere Unternehmen sind seit vielen Jahren in Familienbesitz. Davon gibt es nicht mehr viele. Solange mein Großvater lebt, möchte ich, dass das Unternehmen so bestehen bleibt, wie es ist. Holcomb Drilling war und ist sein Lebensinhalt. Wenn Sie zu einem Versuch bereit sind, könnten wir vielleicht etwas ausarbeiten, das zu Ihrer und unserer Zufriedenheit ausfällt. Sie sind doch sicher vernünftig genug, noch einmal inoffiziell über die Sache zu diskutieren, bevor die Anwälte morgen die Verhandlungen übernehmen.“

Julia hoffte, dass sie liebenswürdig wirkte, auch wenn sie sich nicht so fühlte. Sie liebte ihren Großvater und befürchtete, dass es sein Ende bedeutete, wenn er das Unternehmen verlieren würde. Er hatte Holcomb Drilling sein ganzes Leben gewidmet, und es bereitete ihr schlaflose Nächte, ihn in solchen Schwierigkeiten zu sehen. Das Problem wurde zudem dadurch verschärft, dass Nick nicht einfach ein beliebiger Geschäftsmann wa. Die Ransomes und die Holcombs waren alte Feinde und schon immer Konkurrenten. Sie sah in Nicks braune Augen. Der nichtssagende Ausdruck darin täuschte über das Knistern zwischen ihnen hinweg. Ihr Atem stockte. Sie konnte nicht denken oder sprechen, und auch er tat nichts, außer sie anzusehen. Sie war wie gefesselt, und ihr Herz klopfte laut. Sie hasste es, dass sie in dieser Weise auf ihn reagierte, konnte es jedoch nicht verhindern.

„In Ordnung“, stimmte er zu. „Wir versuchen es noch einmal auf inoffiziellem Weg. Sie und Ihr Großvater mögen Boote. Ich habe ein kleines Boot in der Galveston Bay liegen. Wir können dorthin fliegen und das Wochenende auf dem Wasser verbringen.“

Verblüfft starrte Julia ihn an, während sie über sein Angebot nachdachte. „Ein gemeinsames Wochenende? Ich hatte an ein Abendessen gedacht.“

Nick zuckte die Achseln. „Sie wollten ein inoffizielles Treffen. Ein Wochenende auf dem Wasser – da können wir je nach Belieben einander aus dem Weg gehen oder miteinander reden. Wir würden uns kennenlernen und in Erfahrung bringen, was die jeweils andere Partei will.“

Sie überlegte fieberhaft. Vielleicht könnte sie auf diese Weise die Chance bekommen, ihn für sich einzunehmen und dazu zu bringen, die Finger von Holcomb Drilling zu lassen. Je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee. „Wie wäre es, wenn ich ohne meinen Großvater mitkomme? Dann könnte ich offen reden, ohne ihn zu beunruhigen.“

„Gut.“ In Nicks Augen flackerte etwas auf, was sie nicht deuten konnte. „Laut Vorhersage soll es gutes Wetter geben. Also werden wir eine ruhige Zeit haben.“

„Wir beide zusammen – eine ‚ruhige‘ Zeit? Ich glaube nicht, dass das möglich sein wird.“

Er lächelte sie verschmitzt an. „Wenn nicht ruhig, dann jedenfalls interessant.“

„Wenn wir uns gegenseitig nicht an den Hals gehen werden, wird es ein großer Erfolg werden“, sagte Julia.

„Für mich würde es nur einen einzigen Grund geben, Ihnen ‚an den Hals zu gehen‘“, erwiderte er mit heiserer Stimme.

Ein Prickeln erfasste sie. „Jetzt flirten Sie mit mir“, beschuldigte sie ihn.

„Das kann Sie doch nicht so überraschen. Sie sind eine schöne Frau.“

„Ich misstraue lieber Ihrem Charme, den Sie plötzlich an den Tag legen.“

„Ich meinte, was ich sagte“, beharrte er.

„Na schön. Ein Wochenende auf dem Wasser.“ Doch Julia war bei Weitem nicht so erleichtert und zufrieden, wie sie erwartet hatte. „Dann können wir den Termin mit unseren Anwälten ja um eine Woche verschieben, oder?“

„Einverstanden. Wir verschieben den Termin auf Freitag in einer Woche.“ Nick schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln. Seine weißen Zähne standen im Kontrast zu seiner dunklen Haut, und die feinen Lachfalten um seinen Mund machten ihn noch attraktiver. „Ich werde Sie morgen um vier Uhr nachmittags abholen, und dann fliegen wir nach Galveston.“ Er stand auf, um Papier und einen Stift zu holen. „Geben Sie mir Ihre Adresse.“

„Schreiben Sie auf, wo ich Sie am Dock treffen soll. Ich habe auf dem Weg nach Galveston eine Besorgung zu machen und werde mit dem Auto hinfahren.“ Julia wollte nicht mit ihm fliegen. Sie betrachtete seine schönen Hände, während er eine Adresse notierte. Dann stand sie auf.

Nick trat zur Seite, um ihr zu zeigen, was er aufgeschrieben hatte. Er stand so nahe bei ihr, dass er mit seiner Schulter die ihre streifte.

Sie konnte den verführerischen Duft seines Aftershaves und die Wärme seines Körpers wahrnehmen. Ihr Puls hämmerte, und sie konnte ihre heftige Reaktion auf ihn nicht leugnen. Ist es klug, das ganze Wochenende nur mit ihm und seiner Crew auf seinem Boot zu bleiben, fragte sie sich. Doch es war der einzige Weg, wie sie versuchen konnte, seine Freundschaft zu gewinnen und ihn dazu zu bringen, zur Vernunft zu kommen. Auf der anderen Seite bekam sie schon Herzrasen, wenn sie nur an ein gemeinsames Wochenende dachte. Doch sie beruhigte sich damit, dass sie und Nick ja nicht wirklich allein sein würden. Als Nick ihr den Weg beschrieb, bemühte sie sich, ihm zuzuhören.

„Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen morgen gegen vier Uhr jemanden schicken, der Sie fährt. Dann können Sie Ihre Besorgung immer noch machen.“

„Danke, aber ich werde selbst fahren.“

Er verzog den Mund zu einem Grinsen. „Haben Sie Angst, dass Sie dann keine Möglichkeit mehr haben, von Galveston wegzukommen?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Julia und versuchte, die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu ignorieren. Sie nahm ihm den Zettel aus der Hand, griff nach ihrer Handtasche und ging zur Tür. Plötzlich stand er dort vor ihr, aber anstatt ihr die Tür aufzumachen, legte er die Hand auf den Türgriff, um ihr den Ausgang zu versperren. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an.

„Also wird es an diesem Wochenende nur ums Geschäft gehen?“, fragte er in heiserem, verführerischem Ton, bei dem ihr ganz warm wurde.

„Wahrscheinlich nicht“, antwortete sie atemlos und wünschte, sie könnte ihn um den kleinen Finger wickeln, um zu bekommen, was sie wollte. Nick beugte sich zu ihr und sah auf ihren Mund. Sie öffnete leicht die Lippen, ging dann aber um Nick herum und legte ihre Hand auf seine, als sie die Tür aufmachen wollte. Als sie ihn berührte, war sie wie elektrisiert. Sie sah ihn an. „Ich muss die Tür aufmachen.“

Mit einem Lächeln öffnete er schwungvoll die Tür und folgte Julia dann in den Empfangsbereich. „Dann bis morgen Nachmittag um fünf oder sechs Uhr.“

„Gut.“ Sie warf ihm über die Schulter noch einen Blick zu und bemerkte, dass er sie immer noch beobachtete. Was habe ich nur getan? fragte sie sich, als sie in den Aufzug stieg. Das Einzige, was du tun konntest, gab sie sich zur Antwort. Immer noch hatte sie Schmetterlinge im Bauch. Noch nie hatte ein Mann sie so aufgewühlt wie Nick. Das beunruhigte sie am meisten, denn normalerweise hatte sie sich unter Kontrolle.

Den restlichen Tag über und bis spät in den Abend hinein versuchte Julia abzuschätzen, was für und was gegen ein gemeinsames Wochenende mit Nick sprach. Doch sie musste einfach versuchen, eine zufriedenstellende Abmachung zu erreichen. Oder – was noch besser wäre – Nick dazu zu bringen, die Finger ganz von Holcomb Drilling zu lassen.

Am folgenden Nachmittag fuhr Julia nach Galveston und stellte sich die Frage, die sie schon beschäftigte, seitdem sie am Vortag Nicks Büro verlassen hatte. Würde sie Nicks Sex-Appeal widerstehen können? Dann fiel ihr ein, dass sie sich ja nur in Erinnerung rufen musste, was er mit ihrem Erbe und ihrer Zukunft zu tun gedachte. Sie zuckte mit den Schultern, als wollte sie das Problem abschütteln.

Sei höflich und professionell, sagte sie sich und warf einen Blick in den Rückspiegel. Sie wollte etwas von ihm, und wenn sie ihre Wut nicht verbergen könnte, würde sie keine Chance haben, das auch zu bekommen.

Am Galveston Jacht Club angekommen, parkte sie das Auto, schulterte den Rucksack und die Handtasche und nahm ihre Aktentasche in die Hand. Sie holte tief Luft und ging den Kai hinunter, um zu sehen, wo Nicks Boot festgemacht war. Dann sah sie ihn. Er trug Jeansshorts, ein T-Shirt und eine Sonnenbrille. Er und ein anderer Mann standen in einem Motorboot. Als Nick sie entdeckte, sprang er auf das Dock und lief auf sie zu.

Es war warm, und Julia trug ebenfalls Shorts, dazu eine Baumwollbluse, Turnschuhe und eine Sonnenbrille. Sie ging davon aus, dass auch er sie hinter seiner Sonnenbrille von oben bis unten musterte, und ihr Puls schlug schneller. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich die Muskeln seiner breiten Brust, die schmale Taille und der Waschbrettbauch ab. Ich hätte wissen müssen, dass sich unter den eleganten Anzügen, die er immer trägt, ein muskulöser Körper verbirgt, dachte Julia. Sie hasste den Gedanken, dass Nick das Unternehmen ihrer Familie zerstören wollte. Dennoch fühlte sie sich sehr zu ihm hingezogen.

„Sie haben wirklich vor zu arbeiten.“ Er nahm ihr die Aktentasche ab.

„Sicher. Das ist doch der Grund, warum wir an diesem Wochenende zusammenkommen.“

„Ich dachte, meine Persönlichkeit hätte Sie dazu verleitet.“

Julia musste lachen. „Bei den Differenzen, die schon ein Leben lang zwischen uns bestehen? Ich denke nicht.“

„Als Sie vor einer halben Stunde noch nicht hier waren, dachte ich, Sie hätten Ihre Meinung geändert und würden nicht kommen.“

„Nein, ich habe mich nur etwas verspätet.“ Nicks Vermutung überraschte sie. Ihr Pflichtgefühl würde es nie zulassen, nicht alles zu versuchen, um ihn von der Übernahme von Holcomb Drilling abzubringen.

„Großartig.“ Er nahm ihren Arm. „Ich schließe einen Handel mit Ihnen ab. Um uns kennenzulernen und so die Grundlage dafür zu schaffen, höflich miteinander umzugehen, werden wir die nächsten vierundzwanzig Stunden lang nicht übers Geschäft reden. Auf diese Art werden wir ein angenehmes Wochenende verbringen und dann vielleicht morgen um diese Zeit geschäftlich Nägel mit Köpfen machen können. Was halten Sie davon?“

„Einverstanden.“ Julia schaute in seine unergründlichen braunen Augen und fragte sich, was hinter seinem Vorschlag steckte. Legte er etwa den Grundstein für eine Verführung? Der bloße Gedanke setzte sie unter Strom.

„Gut“, meinte Nick fröhlich. „Kommen Sie, ich stelle Ihnen meinen Kapitän Luis vor.“ Er sprang in das Motorboot und nahm ihr die Handtasche und den Rucksack ab. Dann umfasste er ihre Taille und hob sie mühelos ins Boot, während sie einander ansahen. Ihre Hände lagen auf seinen Armen, und sie spürte die Anspannung seiner Muskeln. Mit jedem Kontakt reagierte sie stärker auf ihn. Er hielt sie eine Sekunde länger als notwendig fest, und sie las in seinen Augen, dass er sie begehrte. Als er sie losließ, drehte er sich zu seinem Kapitän um. „Julia, darf ich Ihnen Luis Reyna vorstellen. Luis, das ist Miss Holcomb.“

Julia grüßte den großen, schwarzhaarigen Mann und setzte sich dann vorne ins Boot. Sie beobachtete Nick dabei, wie er das Tau losmachte. „Also, wohin geht es? Ich weiß, dass wir das Wochenende nicht in dem Motorboot verbringen werden.“ Sie sah auf eine Reihe von Jachten und Segelbooten, die weiter draußen vor Anker lagen.

„Dort liegt mein Boot For Ransome.“

Julia folgte mit den Augen seinem Blick und entdeckte eine große, schnittige Jacht. „Das ist also Ihr ‚kleines Boot‘“, sagte sie, als ihr klar wurde, wie sehr er untertrieben hatte. „Es muss über zwölf Meter lang sein.“ Sie betrachtete die weiße Jacht.

Nick lächelte und zuckte die Achseln.

Als sie neben der Jacht angekommen waren, ließ ein Mann eine Leiter zu ihnen hinunter. Nick nahm Julias Rucksack und ihre Handtasche und kletterte über die Leiter an Bord. Dann drehte er sich um, um Julia zu helfen. Er beugte sich hinunter, umfasste ihre Taille und schwang sie aufs Deck. Dieses Mal ließ er sie sofort wieder los. „Julia, darf ich Ihnen Dorian Landry vorstellen. Dorian, das ist Miss Holcomb, mein Gast.“

Sie nickte Landry zu und entfernte sich dann ein Stück, während die beiden Männer miteinander redeten. Nicks luxuriöse Jacht stach das große komfortable Segelboot ihrer Familie bei Weitem aus. Erneut wurde ihr bewusst, wie mächtig und gefährlich ihr Widersacher war – ganz egal, wie sexy und anziehend er wirkte.

„Ich werde Ihnen Ihre Kabine zeigen.“ Er kam zu ihr. Sie folgte ihm unter Deck zu einer großzügigen hellen Kabine. „Wollen Sie nach oben kommen, während wir losfahren? Wir werden an der Küste entlangschippern. Ich werde Ihnen später alles an Bord zeigen.“

„Sicher.“ Julia stellte schnell ihre Sachen ab. Als sie wieder nach oben gegangen waren, übernahm zu ihrer Überraschung Nick das Steuer, und sie sah sich um. „Wo ist Luis? Und Dorian?“

„Sie sind zurückgefahren.“

Erstaunt runzelte sie die Stirn. „Wir sind allein?“

„Ja, das hatten wir doch vereinbart, oder nicht? Haben Sie Ihre Meinung geändert? Ich kann Sie immer noch zurückbringen.“

„Nein.“ Zahlreiche Fragen schossen Julia durch den Kopf. Würden sie das ganze Wochenende über höflich miteinander umgehen können? Und würde sie seinem Charme widerstehen können? „Natürlich nicht.“ Sie hoffte, dass ihre Stimme gefasst klang. „Ich war nur überrascht, dass Sie keine Crew an Bord haben.“

„Das ist nicht nötig.“ Nick machte den Eindruck, als wäre er mehr damit beschäftigt zu navigieren, als auf sie zu achten. „Ich mag es, das Boot selbst zu steuern, und bin mir sicher, dass Sie nicht jede Minute mit mir verbringen wollen“, bemerkte er trocken und sah sie an.

Julia erwiderte den Blick, und wieder war die Spannung zwischen ihnen fast greifbar. Sie konnte nicht wegschauen. Seine dunkelbraunen Augen mit den dichten Wimpern schienen sie förmlich zu durchbohren. Er war fit, sah gut aus, und sie kam nicht umhin, seinen Schwung und seine Energie zu bewundern. Sie wünschte nur, er hätte seine Tatkraft nicht gerade auf ihre Familie gerichtet. Wusste er, wie sie in Wahrheit zu ihm stand, und dass dieses Wochenende nur eine Finte war? Sie wollte etwas von ihm und hatte vor, es auch zu bekommen. Sie atmete tief ein, konnte aber den Blick immer noch nicht abwenden. Dann klingelte sein Handy und zerstörte den Zauber. Sie wollte gehen, um ihn allein zu lassen, aber er bedeutete ihr, im Steuerhaus zu bleiben, während er dem Anrufer zuhörte.

„Nein, wir werden diese Immobilie nicht aufgeben, Tyler. Geh mit dem Gebot so hoch, wie du musst. Sorge nur dafür, dass wir die Käufer sind“, sagte Nick und hörte dann wieder zu. „Das kümmert mich nicht. Kauf es einfach. Egal, was du bezahlen musst.“ Erneut schwieg er einen Moment, und der Wind zerzauste seine lockigen Haare, was ihn noch attraktiver wirken ließ. „Die Verbindung bricht ab, Tyler. Du hast die Vollmacht und deine Anweisungen.“ Nick legte das Handy weg, umfasste das Steuer und warf ihr einen Blick zu. „Ich sehe Ihnen an, dass das Gespräch nicht gerade Ihren Beifall gefunden hat.“

Julia zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht genug, um darüber zu urteilen.“

„Oh ja, das tun Sie. Sie wissen, dass mein Unternehmen die anderen überbieten und jeden Preis bezahlen wird. Und das verurteilen Sie.“

„Ich kenne die Umstände nicht. Ich weiß nur, dass Sie gern gewinnen.“

„Vermutlich sind wir da aus demselben Holz geschnitzt. Ich denke, dass auch Sie nicht gern verlieren.“

„Ich bezweifle, dass es für mich eine so große Bedeutung hat wie für Sie, ob ich gewinne oder verliere. Mir sind noch andere Dinge wichtig.“

„Ist das so? Wie verbringen Sie denn gern Ihre Zeit?“ Nicks heisere Stimme verlieh der Frage einen sexuellen Unterton.

„Schlagen Sie sich Sex aus dem Kopf“, erwiderte Julia. „Das war es nicht, was ich meinte.“

„Hoffen kann ich ja“, meinte er, und sie lächelte. „Dieses Lächeln würde jedes Herz zum Schmelzen bringen“, erklärte er. „Was für eine Versuchung!“

„Vielleicht sollten Sie sich jetzt darauf konzentrieren, Ihre Jacht ins offene Gewässer zu bringen.“

Er nickte, behielt sie aber weiterhin im Blick.

Sie musste sich zwingen, sich von ihm abzuwenden und hinauszugehen, um ein wenig Abstand einzulegen. Die Sonne schien, aber sie wusste, dass ihr nicht wegen des Wetters so warm war. Sie ging zur Reling und ließ sich den Wind durch die Haare wehen. Sie dachte an gestern Nachmittag, als sie zu ihrem Großvater gegangen war und ihn direkt gefragt hatte, ob er irgendetwas von dem Feuer auf der Ransome-Bohrinsel wusste.

Ihr Großvater hatte sie groß angeschaut. „Nein, ich weiß nichts darüber.“ Er hatte ein finsteres Gesicht gemacht. „Warum glaubst du, ich wüsste etwas davon? Schiebt uns Ransome die Schuld daran in die Schuhe?“

„Nick Ransome denkt, dass wir hinter dem Feuer stecken könnten. Bis jetzt ist die Ursache nicht bekannt.“

„Dieser Bastard. Genau wie sein Vater würde er alles sagen oder tun.“

„Vergiss es, Granddad. Ich wollte nur von dir hören, dass wir nichts damit zu tun haben.“

Beruhigt schaute Julia jetzt auf das blaue Wasser, das gegen den Bug der Jacht schwappte, und hoffte, dass die Experten den Grund für das Feuer herausfinden würden. Ob Nick ihr gegenüber dann zugeben würde, dass er im Unrecht gewesen war, als er ihren Großvater beschuldigt hatte? Das bezweifelte Julia. Sie hoffte nur, dass sie während des Wochenendes die stürmischen Emotionen verbergen konnte, die er in ihr auslöste.

Das Wasser war ruhig, und es wehte eine frische Brise. Es war ein perfekter, friedlicher Tag, der in völligem Gegensatz zu ihrem inneren Aufruhr stand. Sie genoss die Fahrt, aber sie wusste, dass sie nicht viel erreichen konnte, wenn sie Nick aus dem Weg ging. Sie fragte sich, wie viele Frauen er schon mit an Bord genommen hatte, die seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit beansprucht hatten. Dann kehrte sie ins Steuerhaus zurück.

Als sie neben ihn trat, ging er etwas zur Seite. „Wollen Sie das Steuer übernehmen?“

„Sicher.“ Als Julia ihre Hände aufs Steuer legte, berührte sie ihn flüchtig.

Er beobachtete sie. „Sie segeln also schon, seit Sie fünf Jahre alt sind. Ist das eine Ihrer Lieblingsbeschäftigungen in der Freizeit, oder tun Sie es Ihrem Großvater zuliebe?“

„Mir macht das Segeln Spaß. Ich bin damit aufgewachsen. Schauen Sie nur.“ Sie deutete mit der Hand auf das blaue Wasser und den endlosen Horizont. „Das ist eine andere Welt, und ich kann die Arbeit vergessen.“

„Es gibt alle möglichen Arten, die Arbeit zu vergessen“, meinte Nick in heiserem Ton und rückte näher.

„Vorsicht. Sie machen wieder Annäherungsversuche.“ Julia lächelte ihn an.

„Was ist daran verkehrt?“ Er warf ihr im Gegenzug ein so hinreißendes Lächeln zu, dass sie nach Luft schnappte. „Was machen Sie außer Segeln sonst noch so? Ich weiß nicht viel über Sie.“ Er konzentrierte sich nur auf sie, und ihr Herz raste.

„Nach dem College bin ich nach Hause zurückgekehrt, um für meinen Großvater zu arbeiten. Ich habe mir mein eigenes Zuhause gekauft. An den Wochenenden segele ich. Das war’s. Ein ganz simples Leben.“

„Gibt es keinen besonderen Mann in Ihrem Leben?“

„Nein.“ Sie drehte sich Nick zu, um in seine dunklen Augen zu sehen und fragte sich, wie es um die Frauen in seinem Leben bestellt war. Er hatte einen sehr sinnlichen Mund. Wie würde es sein, ihn zu küssen? Julia zwang sich, an etwas anderes zu denken.

„Gab es einen Mann, der wichtig war?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich.“

„Ah, Sie sind eigenwillig.“

Sie lächelte. „Oder ziemlich beschäftigt.“

„Die Eisprinzessin“, sagte Nick weich. „Wer wird Ihr Herz aus Eis zum Schmelzen bringen und Sie in eine warme, leidenschaftliche Frau verwandeln?“

Julia lachte. „Versuchen Sie, sich selbst für diese Rolle anzupreisen? Wenn ja, sparen Sie sich Ihre Worte.“

„Nein. Das würde ich nie versuchen“, erwiderte er leichthin. „Außerdem hat derjenige, der das Herz der Eisprinzessin zum Schmelzen bringt, eine Verantwortung.“

„Da kommen aber einige altmodische Vorstellungen ans Licht, Nick Ransome.“

„Die zeige ich normalerweise nicht.“

„Das kann ich mir vorstellen. Was ist mit Ihnen? Ich weiß über Sie auch nicht viel.“

„Ich mag es, ein Geschäft unter Dach und Fach zu bringen, für das ich hart gearbeitet habe, und viel Geld zu verdienen. Ich fliege, segle, schwimme gern und habe eine Vorliebe für leidenschaftliche Frauen, schnelle Pferde, noch schnellere Autos, heiße Küsse, Sex im Mondschein und Berührungen. Ziemlich vorhersagbar, würde ich sagen.“

„Richtig. Sie sind der Inbegriff des Manns von nebenan“, witzelte Julia, aber ihr Puls schlug schneller, weil seine Antworten ihre Fantasie beflügelt hatten. Wenn nur das Geschäft nicht zwischen ihnen stehen würde, überlegte sie und realisierte dann, was für eine gefährliche Richtung ihre Gedanken nahmen.

„Welche großen Ziele haben Sie?“, fragte Nick. „Geschäftsführerin von Holcomb Drilling zu werden? Ransome Energy zu zerstören? Mit mir zu kämpfen und zu gewinnen?“

Sie lachte. „Offensichtlich gehen Sie von sich aus. Nein, ich habe nicht den Ehrgeiz, das Unternehmen zu führen. Aber Ransome Energy zu zerstören, ist ein Gedanke, der mich in Versuchung führen könnte. Insbesondere, wenn Sie darauf aus sind, Holcomb zu zerschlagen. Doch wenn wir unsere Differenzen friedlich beilegen könnten, wäre ich sehr froh. Anderenfalls …“ Sie verstummte und schaute hinaus aufs Wasser.

„Anderenfalls werden Sie mir drohen, nicht wahr?“

Julia hielt seinem Blick stand. „Wir sind wie zwei Haie, die sich gegenseitig belauern. Zeitweise schwimmen wir zusammen, und zeitweise betrachten wir einander als Abendessen.“

„Sie wären der delikateste Bissen, den ich jemals zwischen die Zähne bekommen habe“, sagte er mit tiefer Stimme.

„Vorsicht, Nick. Ich könnte zurückbeißen“, erwiderte sie verführerisch. Sie konnte nicht widerstehen, auf den Flirt einzugehen.

„Dieses Wochenende wird zu einer immer besseren Idee.“ Er rückte näher.

Julia legte die Hand auf seine Brust. „Sie bleiben schön da, wo Sie sind.“

Er grinste entwaffnend. „Ich werde zur Kontrolle einen Rundgang machen und in Kürze wieder zurück sein.“

Sie war überrascht, dass er ihr seine Jacht anvertraute, aber die See war ruhig. Wahrscheinlich war das der Grund. Sobald er zurückkehrte, raste ihr Herz.

„Ich werde das Steuer jetzt wieder übernehmen.“ Nicks Hände streiften die ihren.

Julias Haut prickelte, und sie spürte seine Wärme, als er so dicht neben ihr stand.

„Ich habe eine Lieblingsbucht“, fuhr er fort. „Sie ist geschützt, hat einen Strand, und wir können schwimmen.“

„Klingt fantastisch“, erwiderte sie, wusste aber kaum, was sie sagte, als sie ihn betrachtete.

„Sehen Sie.“ Er zeigte ihr die Bucht.

„Schön.“ Einen Moment lang vergaß sie ihre Animositäten, als sie das blaue Wasser, den weißen Sandstrand und die hohen Palmen in Augenschein nahm. „Ihre Bucht ist ein Paradies.“ Sie wünschte, sie wäre mit einem Freund hier, mit dem sie diesen wundervollen Ort genießen könnte, anstatt mit hohem Einsatz um das Familienunternehmen zu kämpfen.

„Das ist ein besonderer Zufluchtsort. Ich komme schon seit einigen Jahren immer wieder hierher.“

„Ich bin überrascht, dass sonst niemand da ist.“

„Das macht einen Teil des Charmes aus. Die meiste Zeit über ist dieser Meeresarm abgesperrt. Und in einigen Minuten können wir vor Anker gehen. Ich werde Ihnen das Boot zeigen, und dann können wir schwimmen.“

Einige Minuten später nahm er Julias Arm und führte sie unter Deck in die bestens ausgestattete Bordküche aus Kirschholz, die zum Salon hin offen war.

„Hoffentlich ist auch alles da, was wir brauchen oder wollen.“

„Das ist Ihr Leben, oder? Immer alles, was Sie brauchen oder wollen, zur Hand zu haben. Sie müssen Ihren Willen durchsetzen.“

Er legte die Hand auf ihre Schulter. „Ich habe den Verdacht, dass wir uns in einigen Bereichen zu ähnlich sind. Bislang scheinen Sie auch immer alles bekommen zu haben, was Sie wollten. Und Sie wollen, dass das auch so bleibt.“

„Dann steht vermutlich Ihr starker Willen gegen meinen.“

„Das ist wohl die köstlichste, heißeste Herausforderung, der ich mich jemals gestellt habe.“

„Machen Sie mich nicht zu einer Herausforderung“, warnte Julia ihn. Sie war sich seiner begehrlichen Blicke bewusst und inspizierte die Küche. „Das ist eine schöne Jacht.“

„Ich mag schöne Dinge. Besonders schöne Frauen“, sagte Nick mit tiefer Stimme.

„Nun, das überrascht mich absolut nicht.“ Sie musterte ihn und spürte, wie es zwischen ihnen knisterte. „Ich hoffe, dieses gemeinsame Wochenende war eine gute Idee.“ Als er näher kam, klopfte ihr Herz schneller.

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und berührte dabei leicht ihre Wange. „Dieses Wochenende wird ein Vergnügen werden. Es ist immer eine kluge Entscheidung, einander kennenzulernen, und zu begreifen, was die Gegenseite will.“

„Wir müssen keine Widersacher sein, Nick.“

„Nein, das müssen wir nicht“, erwiderte er mit belegter Stimme.

„Das war kein Annäherungsversuch. Interpretieren Sie das nicht falsch.“ Julia wünschte, ihre Stimme würde fester klingen. „Wenn wir uns nur darauf verständigen könnten, dass Sie meinem Großvater nicht wehtun werden.“ Sie versuchte, auf den eigentlichen Grund ihres Ausflugs zurückzukommen. „Ich würde dafür sorgen, dass Ihnen im Gegenzug geschäftliche Zugeständnisse gemacht werden, die Sie vollkommen zufriedenstellen würden.“

„Sie wollen mich vollkommen zufriedenstellen?“, fragte er heiser, und ihr wurde ganz heiß. Er sah sie mit einem solchen Verlangen an, als ob er sie jeden Moment küssen wollte.

„Haben Sie das Wort ‚geschäftlich‘ nicht gehört? Ich fühle mich immer noch, als würde ich mit einem Hai schwimmen, der mich als Abendessen betrachtet“, erwiderte Julia atemlos.

„Das, was ich will, hat mit einem Hai absolut nichts zu tun. ‚Vollkommen zufriedenstellen‘ … Das eröffnet unzählige Möglichkeiten.“

„Sie wissen genau, was ich gemeint habe! Ich habe nicht von Sex geredet“, sagte sie unverblümt. „Das hatte keinerlei persönlichen Bezug.“

„Zu dumm. Damit könnten Sie mich aber wesentlich einfacher überzeugen.“ Seine Hand lag auf ihrer Schulter, und mit dem Daumen strich Nick kurz sanft über ihren Hals. „Es sind aber nicht die geschäftlichen Schwierigkeiten, die Ihren Puls schneller schlagen lassen.“

Julias Herz klopfte. Nick sah und verstand zu viel. Er stellte zu viele richtige Vermutungen über sie an. Durch seinen hungrigen, festen Blick war sie wie gebannt. Dieses erste heiße Knistern zwischen ihnen entwickelte sich in alarmierendem Tempo zu einem lodernden Feuer. „Wir wissen beide, dass es da eine gewisse körperliche Anziehung gibt“, sagte Julia. „Doch das hat überhaupt nichts zu sagen.“

„Da bin ich anderer Meinung. Schon in dem Moment, als Sie vor mein Auto gerannt sind, war meine Neugierde geweckt. Ich möchte entdecken, wie heiß das Feuer ist, das zwischen uns brennt.“

„Zwischen uns gibt es nichts, außer einer Unstimmigkeit, die wir zu beheben versuchen“, widersprach sie.

„Das wissen Sie besser. Momentan rast Ihr Puls. Genau wie meiner.“

„Ich vertraue da auf meinen Instinkt und nehme mich vor dem Hai in Acht.“

„Sie waren diejenige, die wollte, dass wir zusammenkommen“, erinnerte Nick sie.

„Aber nicht so nah, wie es Ihnen vorschwebt. Schalten Sie einen Gang zurück. Noch vor zwei Tagen haben wir kaum miteinander geredet.“ Julia rang nach Atem und wusste, dass sie sich unter Kontrolle bekommen musste. Sie konnte nicht verhindern, dass sie physisch auf ihn reagierte. Aber sie sollte auf Distanz zu ihm gehen, um ihr Wohlergehen nicht zu gefährden. Sie wollte nicht ihr Herz an Nick Ransome verlieren. Er stand für alles, was sie ablehnte. Er war ehrgeizig, rücksichtslos und risikofreudig. Sie wusste, dass er bei den Special Forces gewesen war und den Ruf genoss, viele wilde und gefährliche Dinge zu tun. Genau wie sein Bruder, der auf Berge geklettert und kürzlich bei einem Unfall ums Leben gekommen war.

Sie gab sich einen Ruck und drehte sich weg. „Lassen Sie uns den Rundgang fortsetzen, sonst geht die Sonne unter, bevor wir schwimmen können. Und ich sehe das Wasser gern, in dem ich schwimme.“ Als er keinen Ton darauf sagte, war sie gezwungen, sich ihm wieder zuzuwenden und bemerkte, dass er erneut einen wütenden Eindruck machte. Der Vergleich mit einem Hai passte – er wirkte wie ein Raubtier und war eine Gefahr für ihr Herz. Sie musste Distanz zwischen ihnen schaffen. Sie traute seinen Motiven und schönen Worten nicht. Der Gedanke, dass er sie verführen wollte, ließ sie erbeben. Aber sie zwang sich, daran zu denken, dass sie es wahrscheinlich für alle Zeit bedauerte, wenn sie das zulassen würde. Denn dabei könnte sie im Gegensatz zu ihm Gefühle entwickeln. „Gehen wir weiter?“

„Sicher.“ Nick ging voran zu seiner Kabine weiter vorn, wo sie einen Blick auf den Schreibtisch, gepolsterte Stühle, eine Koje in Übergröße und die Spiegel an der Wand warf. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er nackt in diesem Bett lag, und die Bilder, die sie sofort vor Augen hatte, ließen ihren Puls schneller schlagen. „Wie Sie bereits wissen, ist Ihre Kabine luxuriös und schön.“

Er lehnte sich lässig an die Wand, während er sie beobachtete und zuckte leicht die Achseln. „Ich verbringe nicht viel Zeit hier drin. Ich werde Ihnen den Rest zeigen.“

Sie atmete tief ein. Die Jacht, die ihr so groß vorgekommen war, schien mit jeder Stunde, die verging, zu schrumpfen. Sie nahm an, dass Nick und sie tagsüber fast jede Sekunde zusammen sein würden, und dieser Gedanke ließ ihr Begehren noch größer werden. Sie folgte Nick, der ihr den Salon und ein Zimmer mit einem Billardtisch und einem Fernseher mit Plasmabildschirm zeigte.

Nachdem sie die Besichtigungstour beendet hatten, ging Julia zurück in ihre Kabine, um sich zum Schwimmen einen knappen schwarzen Bikini anzuziehen. Er enthüllte nicht mehr als andere Bikinis. Aber jetzt sehnte sie sich nach einem Badeanzug, der so viel wie möglich von ihrer Figur verdecken würde.

Warum war ihr dieses Wochenende nur als eine solch gute Idee erschienen, als sie allein zu Hause gewesen war? Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht in Betracht gezogen, wie groß die Anziehungskraft war, die Nick auf sie ausübte. Und sie reagierte immer stärker auf ihn. „Er ist nur ein weiterer Mann und zudem einer, den du nicht besonders magst“, flüsterte sie sich selbst zu. Doch sie wusste, dass das nicht stimmte, sondern dass er sie ebenso in seinen Bann zog, wie er sie wütend machte.

Julia flocht ihre Haare zu einem Zopf und betrachtete sich erst von der einen und dann von der anderen Seite im Spiegel. Wahrscheinlich würde sich an diesem Wochenende entscheiden, wie die Auseinandersetzung zwischen ihren Familien ausgehen würde – unabhängig davon, was ihre Anwälte aushandeln würden. Und sie hatte vor, diesen Kampf zu gewinnen. Sie würde es nicht zulassen, dass die heiße Anziehung zwischen ihr und Nick ihr dabei in die Quere kommen oder bewirken würde, dass sie sich geschlagen gab. Er war ein sehr sexy Mann, der Frauen mochte. Also war er leicht zugänglich. Sie beabsichtigte, ihn für sich einzunehmen, ohne ihre Seele – oder ihren Körper – dafür zu verkaufen.

Ich spiele mit Dynamit, dachte sie. Sie konnte ihm widerstehen, weil sich ihre Familien schon seit Generationen bekämpften. Ihr Großvater verachtete Nick, dessen Bruder, Vater und dessen Großvater, als der noch gelebt hatte. Sie hoffte nur, dass Nick nicht widerstehen konnte, mit ihr zu kooperieren. Als sie dann an Deck zurückkehrte, fragte sie sich, was der Abend wohl bringen würde. Denn sie wusste sehr gut, dass Nicks Sex-Appeal ihr sehr gefährlich werden konnte.