8. KAPITEL

Nick und Julia überquerten den grünen Rasen, der von gepflegten Blumenbeeten umgeben war. Auch auf der Veranda standen Töpfe mit Blumen in leuchtenden Farben. Aber Julia konnte die Blumenpracht nicht aufheitern.

Sie betraten das Haus durch die Küche und trafen zuerst auf Nicks Bruder Matt, der Julia freundlich die Hand schüttelte. Seine Frau Olivia hielt ein Baby auf dem Arm und begrüßte Julia mit einem warmen Lächeln. Katherine Ransome hieß sie genauso freundlich willkommen.

Es war Duke Ransome, der sie mit seinen blauen Augen eisig anstarrte, als wäre sie eine Feindin. Er schüttelte ihr nur flüchtig die Hand. „Wie geht es Ihrem Großvater?“

„Gut“, antwortete Julia.

Duke nickte und wandte sich ab, um mit Nick zu reden. Das sollte das einzige Mal an diesem Abend gewesen sein, dass Duke ihr einen Funken Aufmerksamkeit schenkte.

Als Julia später mit Katherine allein in der Küche war, kam Nicks Schwester näher. „Machen Sie sich keine Gedanken wegen Dad. Er ist zunächst zu allen Leuten sehr kühl.“

„Ich weiß, wie lange unsere Familien schon verfeindet sind. Daher bin ich nicht überrascht.“

Katherine sah Julia forschend an. „Kann ich Sie etwas fragen?“

„Sicher. Nur zu.“

„Ist es Ihnen ernst mit Nick?“

Überrascht starrte Julia sie an und schüttelte den Kopf. „Nein.“ Sie drehte sich weg, bevor ihr Gesichtsausdruck mehr verraten würde, als sie wollte.

„Ich denke, dass Nick es ernst mit Ihnen ist“, sagte Katherine ruhig.

„Oh, ich denke, dass Nick es mit keiner Frau wirklich ernst meint. Sie als seine Schwester sollten das doch wissen.“

„Bisher war es ihm sicherlich noch mit keiner Frau richtig ernst. Aber ich habe bemerkt, wie er sie ansieht.“

„Ich glaube nicht, dass es etwas zu bedeuten hat.“

„Ich kenne meinen Bruder. Ihre Beziehung mit Nick könnte ernster sein, als Ihnen bewusst ist.“

Julia schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben enorme geschäftliche Differenzen, aber die sind nicht wirklich wichtig. Es sind unsere unterschiedlichen Werte und Ziele, die immer zwischen uns stehen werden. Nick ist kein Mann zum Heiraten.“

„Genau das sagte mein Bruder Matt auch immer. Und jetzt ist er glücklich verheiratet. Nick könnte seine Meinung ändern. Vielleicht aber auch nicht. Sie könnten mit ihm zusammenleben und Ihre Chance ergreifen, wenn Sie und er sich noch näherkommen.“

„Nein, das ist absolut kein Leben für mich.“ Sie war überrascht, wie einfach es war, mit Katherine zu reden. Sie hatte das Gefühl, Nicks Schwester schon jahrelang zu kennen. „Ich weiß, was ich will und werde mich auf keine halben Sachen einlassen.“

Katherine warf ihr einen langen Blick zu. „Zu dumm. Nick hat nie heiraten wollen. So wie er aufgewachsen ist, hat das für ihn keinen großen Reiz. Ich hoffe, dass diese geschäftliche Transaktion auch für Sie gut ausgeht. Ich halte mich über Nicks Arbeit nicht auf dem Laufenden. Ich habe genug mit meiner eigenen Firma zu tun und weiß, dass Nick sich bei Ransome Energy gut um alles kümmert.“

„Hält dich meine Schwester hier fest?“ Nick kam in die Küche und sah Julia warm an, als er zu ihr ging.

„Ich verschwinde jetzt lieber.“ Katherine verließ den Raum.

Nick legte die Hände um Julias Taille. „Alles okay? Wahrscheinlich hat dich Katherine mit Fragen gelöchert.“

„Alles okay. Es war sehr nett. Du hast eine interessante, freundliche Familie.“

„Gut. Ich mag sie und bin froh, wenn du das auch tust. Bist du so weit? Es wird allmählich Zeit, dass wir nach Hause aufbrechen.“

„Ja.“ Seine Formulierung freute und schmerzte sie zugleich. Es hörte sich an, als wären sie ein verheiratetes Paar, und sie wünschte sich sehr, dass es so wäre. Sie sah in seine dunklen Augen und dann auf seinen Mund. In diesem Moment realisierte Julia, dass sie hoffnungslos in ihn verliebt war. Spätestens am Freitagmorgen würde sie aus seinem Haus ausziehen und in ihres zurückkehren. Aber sie war in ihn verliebt. Was würde es schaden, wenn sie länger bleiben würde?

Ihr Liebeskummer würde nur noch größer werden. Sie wusste, dass die morgige Nacht die letzte sein würde. Die geschäftliche Transaktion würde ein guter Zeitpunkt sein, den Bruch herbeizuführen. Auch wenn der Grund dafür überhaupt nichts mit dem Geschäft zu tun haben würde.

Sie verabschiedeten sich von Nicks Familie, und Julia bedankte sich bei Matt und Olivia für den schönen Abend. Duke Ransome sah sie noch genauso kalt an wie bei der Begrüßung. Katherine umarmte Julia leicht. „Kommen Sie uns wieder besuchen.“

Nick nahm Julias Arm, und sie eilten zum Auto. In der Dunkelheit fuhren sie zurück nach Dallas.

Sie dachte über Katherines Worte nach, dass Nick es ernst mit ihr meinte. Sie betrachtete ihn. „Du hast eine tolle Familie.“

„Mein Vater ist wahrscheinlich ein bisschen wie dein Großvater. Sie gehören einer anderen Generation an und sind manchmal sehr stur. Mein Vater betrachtet dich als eine Holcomb und wird nicht sofort mit dir warm werden.“

„Wenn überhaupt jemals“, meinte sie trocken. „Ich denke, er will mich ebenso wenig in eurer Mitte sehen wie mein Großvater dich in unserer. Es ist gut, dass es zwischen dir und mir nicht weitergeht, Nick. Denn es gibt Mitglieder in unseren Familien, denen das nicht recht wäre.“

„Würde das wirklich eine Rolle für dich spielen?“

„Ja. Mein Großvater und ich stehen uns nahe. Ich möchte, dass der Mann in meinem Leben und er gut miteinander auskommen.“

„Ich gebe zu, dass ich ihm und deinem Vater gegenüber feindselig eingestellt war. Aber das ist jetzt vorbei.“

Julia musterte ihn. „Wahrscheinlich weil du endlich gewonnen hast.“

„Wahrscheinlich wegen der Tochter und Enkelin“, erklärte Nick trocken. „Sie sind ein Teil von dir. Das macht einen Unterschied.“

Sie war überrascht, dass sie für Nick so wichtig sein könnte. Was empfand er für sie? „Deine Schwester ist sehr hübsch“, sagte sie, um vom Thema abzulenken.

„Katie – ja, vermutlich. Sie ist meine kleine Schwester. Das ist alles, was ich sehe. Sie hat gerade eine unglückliche Liebesbeziehung hinter sich und ist jetzt ein bisschen bitter.“

„Das tut mir leid. Also haltet ihr alle nicht viel vom Heiraten.“

„Aber von der Liebe“, meinte er weich und hauchte wieder Küsse auf ihre Hand. „Ich weiß, dass du angeschnallt bleiben musst. Aber ich hätte dich zu gern auf meinem Schoß.“

„Das wirst du ja bald haben, Nick. Ich komme mit dir nach Hause.“

Er lächelte und fuhr mit der Zunge über ihre Handfläche.

Julia entzog ihm ihre Hand. „Warte, bis wir zu Hause sind, und konzentriere dich auf die Straße.“

„Wir brauchen immer noch eine Stunde, bis wir daheim sein werden und ich dich lieben kann.“ Seine Stimme klang sehr verführerisch. Sie konnte nicht widerstehen und legte die Hand auf seinen Oberschenkel. Sofort legte er seine Hand auf ihre. „Ich will dich in meinem Bett haben. Ich will nur dich. Wir könnten von der Straße abbiegen und hinter die Büsche fahren.“ Als Julia lachte, sah er sie an. „Ich meine das ernst.“

„Nach Hause, bitte. Vielleicht schaffen wir es dann sogar bis ins Bett. Ich werde dich sehr vermissen, Nick.“

„Wo wirst du denn hingehen? Und wann?“

„Ich denke, dass die morgige Nacht wahrscheinlich unsere letzte sein wird.“

„Wie, zum Teufel, kommst du darauf?“

„Am Freitag kaufst du Holcomb auf. Mein Großvater wird toben. Ich werde weiterziehen müssen. Und das würde ich schließlich ohnehin irgendwann tun müssen.“

„Jetzt sind wir wieder beim Thema feste Beziehung, nicht wahr?“

„Nicht unbedingt“, sagte sie leichthin, obwohl ihr ganz anders zumute war. Aber sie wollte ihn nicht wissen lassen, dass sie in ihn verliebt war. Niemals. Er sollte sich nicht schuldig fühlen, wenn sie aus seinem Leben gehen würde. Und wenn nicht sie gehen würde, würde er es früher oder später tun. „Nick, du fährst zu schnell.“ Sie warf einen Blick auf den Tacho.

„Ich kenne die Straße wie meine Westentasche und kann es nicht erwarten, dich in den Armen zu halten und die ganze Nacht lang zu küssen.“

Julia wollte dasselbe wie er. Sie wollte die ganze Nacht lang in seinen Armen liegen.

Als sie bei ihm zu Hause angekommen waren, rissen sie sich sofort die Kleider vom Leib. Nick führte Julia ins Wohnzimmer, wo sie sich auf dem dicken Teppich liebten. Später hielt er sie ganz fest und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „In diesem Haus gibt es sechsunddreißig Räume, und ich will dich in jedem einzelnen davon lieben.“

Sie lachte. „Das ist lächerlich.“

„Ich liebe es, wenn du lachst. Ich will nicht, dass die morgige Nacht unsere letzte sein wird. Nicht so bald, Julia.“

Schnell sah sie weg und dachte an ihre Zukunft. „Ich nehme an, dass du das schon übermorgen anders empfinden wirst.“

„Warte doch erst einmal ab, wie es dann um deine Gefühle bestellt sein wird.“

„Nick, du willst das Unvermeidliche nur hinauszögern. Du und ich, wie haben unterschiedliche Vorstellungen von unserer Zukunft.“ Sie ließ die Finger über seinen Waschbrettbauch und seinen muskulösen Oberschenkel gleiten. „Wollen wir uns die ganze Nacht lang streiten?“

„Ganz sicher nicht.“ Er zog sie an sich, um sie zu küssen.

Am späten Abend und in der Nacht liebten sie sich, duschten und redeten miteinander. Jede Sekunde hatte für Julia einen bittersüßen Beigeschmack, weil sie sicher war, dass sie schon sehr bald Abschied nehmen würden.

Der Donnerstag verging wie im Flug, und nachts lag sie wieder in Nicks Armen und liebte ihn wild. Sie versuchte, aus jedem Moment das Beste zu machen. Kurz bevor es dämmerte, schlief er schließlich in ihren Armen ein, und sie betrachtete ihn lange. Dann fiel auch sie in einen leichten Schlaf, wachte in seinen Armen wieder auf, und bemerkte, dass nun er sie betrachtete. „Es ist noch früh“, murmelte sie verschlafen. „Wir müssen noch nicht aus den Federn.“

„Dann komm her.“ Er zog sie enger an sich. „Ich bin sicher, dass wir etwas finden, um uns bis dahin die Zeit zu vertreiben.“

Julia streichelte ihn zärtlich, als sie begannen, sich erneut zu lieben. Dieses Mal gab sie sich ihm noch leidenschaftlicher hin als sonst, weil sie wusste, dass es das letzte Mal sein könnte. Später duschten sie und fingen an, sich anzuziehen.

„Ich möchte nachher mit dir zu Mittag essen“, sagte Nick.

„Das geht nicht. Ich habe meinem Großvater schon vor langer Zeit versprochen, heute mit ihm zu essen. Lass uns keine Pläne machen.“

Er zuckte die Achseln, und sie beobachtete, wie er sich die Krawatte band. Er sah so gut aus wie immer, und sie wäre ihm am liebsten wieder in die Arme gefallen. Aber sie wusste, dass sie das nicht konnte. Dann realisierte sie, dass er sie beim Anziehen begehrlich im Spiegel beobachtete. Schnell ging sie aus seinem Blickfeld.

Nach dem Frühstück fuhr Nick Julia nach Hause, damit sie ihr eigenes Auto nehmen konnte.

„Dann möchte ich dich zum Abendessen ausführen“, meinte er, als er sie noch zur Haustür brachte.

„Wir werden sehen, wie es heute läuft. Ich werde dir jetzt nichts versprechen.“

„Denk daran, dass es dabei nur ums Geschäft geht. Mit unserem Privatleben hat das nichts zu tun. Und ich kann Geschäft und Privatleben sehr gut trennen.“

„Ich bezweifle, dass sich bei dir die beiden Bereiche oft überschnitten haben“, entgegnete Julia. „Ich sehe dich um zehn Uhr zusammen mit den Anwälten, Nick.“

„Sieh mal.“ Er stützte die Hand über ihrem Kopf gegen den Türrahmen und beugte sich zu ihr. Mit der anderen Hand strich er über ihr Schlüsselbein. „Ich will nicht, dass es mit uns vorbei ist. Wir begehren einander. Warum sollten wir das aufgeben?“

„Du weißt, dass es außer unserer Lust aufeinander noch andere Überlegungen gibt. Ich habe dir immer wieder gesagt, dass ich alles will. Eine totale, lebenslange Bindung. Wir sind nicht einmal ineinander verliebt“, sagte sie, und ihre Worte klangen hohl.

„Verdammt, ich bin in dich verliebt!“ Nick küsste sie so heiß und besitzergreifend, dass Julia keinen Zweifel daran hatte, wie sehr er sie wollte. Sie legte die Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Auf körperlicher Ebene lief es wirklich fantastisch mit ihnen. Sie fragte sich, ob sie ihren Entschluss ewig bereuen würde.

Nick lehnte sich zurück. „Ich will dich. Du gehörst mir.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich gehöre dir nicht, und du gehörst mir nicht. Das weißt du. Liebe ist Vereinigung und nicht Besitz. Ich muss gehen, Nick.“ Julia öffnete die Tür, ging hinein und drehte sich noch einmal um.

Er sah sie voller Verlangen an. „Gib mir zumindest eine Chance und iss mit mir zu Abend. Ein weiteres Abendessen wird dir doch nicht so viel ausmachen.“

„Versprich mir, mich direkt hierher zurückzubringen, wenn ich es will.“

„Natürlich werde ich das.“

„In Ordnung. Ich werde mitkommen.“

Nick atmete tief aus. „Also, um sieben Uhr? Ich hole dich hier ab.“

„Gut. Aber es könnte sich noch ändern.“

Er starrte Julia an. „Wie sehen uns bald wieder.“

Sie machte die Tür hinter sich zu. Ihre Lippen kribbelten noch von seinem Kuss, und ihr Puls raste. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen! Sie ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Hoffentlich wird der Aufkauf kein totales Desaster, dachte sie.

Julia zog einen taillierten schwarzen Hosenanzug und eine weiße Seidenbluse an, steckte ihre Haare hoch und machte sich dann auf den Weg zu Holcomb. Die Sonne schien, doch sie wusste, dass heute einer der schwärzesten Tage für ihre Familie werden würde. Als sie ihr Auto abstellte, sah sie, dass der schwarze Wagen ihres Großvaters schon auf dem reservierten Parkplatz stand. Sie betrat das Gebäude noch für ein kurzes Meeting, bevor sie sich mit Nick und den Anwälten von Ransome treffen würden. Sie hoffte immer noch auf ein Wunder, glaubte aber nicht mehr daran.

Um Viertel vor zehn Uhr kam sie dann bei Ransome Energy an. Sie fuhr mit ihrem Großvater und den Leuten von Holcomb in den obersten Stock. Im Aufzug dachte sie an das erste Treffen mit Nick in diesem Gebäude. Als sie ihn damals gesehen hatte, hatte ihr Puls gerast, und Julia war sicher, dass sie heute genauso auf ihn reagieren würde.

Sie verließ den Aufzug und betrat einen Empfangsbereich, in dem viele Leute warteten. Da sie Nick nicht sah, nahm sie an, dass er immer noch in seinem Büro war.

„Guten Morgen“, hörte sie eine vertraute, tiefe Stimme hinter sich sagen und drehte sich um.