2. KAPITEL

„Ich habe Arbeiten von dir gesehen, sie sind großartig“, sagte Cade. „Und ich würde dich gern für ein Projekt engagieren.“

Katherine warf ihm einen kühlen Blick zu. „Ich arbeite nicht für dich, Cade. Du kannst nicht einfach angetanzt kommen und mir einen Auftrag erteilen.“

„Ich hätte jemanden aus meiner Firma schicken können, den du nicht mit mir in Verbindung gebracht hättest, und du hättest nicht abgelehnt. Bis vor ein paar Tagen wollte ich das auch tun. Ich dachte, wir sollten uns besser nie mehr begegnen.“

„Weshalb hast du dich anders entschieden?“

„Ich sagte mir, du würdest den Auftrag hinschmeißen, sobald du erfährst, dass ich dahinterstecke. Natürlich hätte ich dich darüber im Dunkeln lassen können. Du überprüfst wahrscheinlich nicht alle deine Auftraggeber.“

„Stimmt, das war bislang nicht nötig.“

„Über kurz oder lang wäre bekannt geworden, dass du ein Haus in Houston mit deinen Wandgemälden ausstattest, und irgendwelche Reporter hätten nach dem Eigentümer gefahndet. Außerdem kann ich auf diese Weise sicherstellen, dass ich das bekomme, was ich möchte.“

„Cade, ich bin für dich nicht zu haben. Such dir eine andere Agentur. Es gibt sie in Hülle und Fülle.“

„Nicht alle bieten Wandmalerei an, und ich will nicht deine Agentur, sondern dich persönlich beauftragen.“

„Ich sagte Nein.“

„Ich habe in Houston, Los Angeles und Chicago gehört, dass du die Beste bist.“

„Freut mich zu hören.“

„Galeriebesitzer empfehlen dich, Museen und Kunden sind von dir angetan. Ich habe mir einige deiner Werke angesehen, sie sind unübertroffen. Ich sagte ja, ich nehme stets das Beste.“

„Das ist schmeichelhaft, aber es gibt andere, die genauso gut sind. Graham Trevor zum Beispiel. Wandgemälde sind im Grunde ganz einfach zu bewerkstelligen.“ Sie würde sich auf keinen Fall erweichen lassen.

„Ja, wenn man es richtig kann, Katherine.“ Cade lehnte sich lässig zurück. „Ich will keinen Graham Trevor, sondern dich. Was vor neun Jahren geschah, sollte uns doch heute nicht mehr belasten.“

„Mich belastet es aber. Ich hasse dich für dein Verhalten, ich will nicht für dich arbeiten. Muss ich noch deutlicher werden?“ Es schmerzte noch immer. Schlimmer war jedoch, dass sie sich trotz allem danach sehnte, in seinen Armen zu liegen.

„Ich dachte, du hättest die Sache von damals inzwischen überwunden“, sagte er.

Die Worte schnitten ihr ins Herz. Wie konnte er so locker darüber hinweggehen? Aber vielleicht hatte es ihn ja gar nicht so sehr getroffen.

„Ja, für dich ist das längst vergessen. Offenbar war es für dich schon erledigt, bevor du Texas damals verlassen hattest.“

„Wir können eine reine Geschäftsbeziehung haben. Ich zahle gut.“

„Das würde ich voraussetzen, aber ich will weder dein Geld noch einen Auftrag von dir. Ich will überhaupt nichts mit dir zu tun haben.“

Der Ober kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Obwohl Katherine am liebsten Steak aß, gönnte sie Cade nicht die Genugtuung, recht zu behalten. „Ich nehme die Forelle im Pekannussmantel“, sagte sie.

Cade bestellte Hummer. Als der Ober gegangen war, beugte er sich zu Katherine hinüber. „Du magst also nicht mehr am liebsten Steak?“

„Nein. Fast alle meine Vorlieben haben sich geändert.“

Nachdenklich musterte er sie. „Wir wollen uns nicht die ganze Zeit streiten.“ Ohne sie aus den Augen zu lassen, holte er sein Handy hervor und telefonierte leise. Dann steckte er das Handy ein und erhob sich.

„Ich möchte dir etwas zeigen.“

Katherines Neugier war geweckt. Cade nahm ihren Arm und verließ mit ihr das Restaurant, nachdem er den Ober informiert hatte, dass sie später essen würden. Unten angekommen, gingen sie über die Straße in eins der teuersten Hotels von Fort Worth.

„Ich habe hier ein Zimmer. Deshalb essen wir heute im Millington Club. Ich möchte dir etwas zeigen, obwohl ich das eigentlich erst nach dem Dinner eingeplant hatte.“

Abrupt blieb sie stehen. „In deinem Hotelzimmer?“

„Genau. Dort habe ich die Blaupausen der Pläne meines neuen Hauses. Es dauert nicht lange, einen Blick darauf zu werfen. Danach essen wir.“

„Ich will keine Blaupausen ansehen“, protestierte sie. „Wir haben nichts zu besprechen.“

„Doch. Ich möchte mit dir über die Wandgemälde in dem Haus reden.“

„So viel Geld, dass ich meine Meinung ändern könnte, gibt es auf der ganzen Welt nicht.“ Sie stieß ihm mit einem Finger vor die Brust. „Nein, Cade.“ Ihr war heiß vor Zorn. Sie wollte nur weg, sonst würde sie noch die Beherrschung verlieren und ihm all die Vorwürfe ins Gesicht schleudern. Jener schicksalhafte Tag war ihr so lebhaft im Gedächtnis, als wäre es gestern gewesen. Und Cades Auftauchen hatte den ungeheuren Schmerz, den sie längst überwunden glaubte, wieder neu entfacht.

„Vielleicht stimmst du meinem Angebot doch zu“, entgegnete er ruhig. „Sieh dir wenigstens die Entwürfe an.“

„Nein!“, rief sie aufgebracht. „Ich will nicht für dich arbeiten, ich will nicht, dass alte Wunden wieder aufreißen. Ich habe genug gelitten!“

„Hier geht es nicht um Privates“, widersprach er leise. „Ich habe überall gehört, dass du die Beste bist und absolut professionell vorgehst. Also tu das jetzt auch. Entweder wir schreien uns für den Rest des Abends an, oder wir reden ganz sachlich über Wandgemälde. Komm schon.“ Er zupfte sie leicht am Ärmel. „Du bist doch Expertin.“

Widerstrebend nickte sie, und Cade lächelte ihr zu. Sie gingen durch die Lobby, und Cade holte am Empfang eine Rolle Papiere ab.

Schweigend fuhren sie mit dem Lift in die oberste Etage. Er schloss die Tür auf und ließ Katherine eintreten. Der geräumige Wohnbereich war in Weiß und Beige gehalten. In der angrenzenden Essdiele stand ein Tisch für acht Personen. Durch die offenen Türen konnte Katherine in zwei Schlafzimmer sehen. Eine breite Fensterfront gewährte einen Blick auf einen Balkon mit einer schmiedeeisernen Sitzgruppe.

Cade zog sein Jackett aus, und Katherine musste daran denken, wie oft er das getan hatte, um mit ihr ins Bett zu gehen. Ihr Mund wurde trocken. Damals war er fit und durchtrainiert gewesen, vermutlich hatte sich das nicht geändert.

Nachdem er die Kristallvase mit Schnittblumen vom Tisch genommen hatte, breitete er die Blaupausen darauf aus. Katherine trat neben ihn. Sie würde den Auftrag auf gar keinen Fall annehmen und auch keinen ihrer Mitarbeiter dafür freistellen. Cade stand dicht neben ihr, und sie betrachtete seine kräftigen Hände, als er die Bögen glatt strich. Er kam ihr noch viel attraktiver vor als früher, aber vielleicht lag das nur an ihrer verzerrten Wahrnehmung. Schließlich hatte sie ihn einmal über alles geliebt.

Die Entwürfe zeigten eine Villa in neoklassizistischem Stil mit drei Stockwerken und zwei großen Seitenflügeln. Überrascht schaute sie Cade an, dessen Blick sie erneut in seinen Bann zog. Sie vergaß, was sie hatte sagen wollen. Fragend hob Cade die Brauen.

„Was ist, Katherine?“

Sie mochte nicht zugeben, dass sie verwirrt war. „Als du hier weggingst, hattest du nichts. Du hast viel erreicht, Cade.“

„Ich hatte großes Glück“, sagte er leichthin, als wäre es gar nicht sein Verdienst. „Das Haus ist noch im Bau, ich wohne nicht dort. Ich möchte in sechs Räumen Wandgemälde haben.“

„Cade, wir verschwenden unsere Zeit“, sagte sie und seufzte. Wie könnte sie für ihn arbeiten, wenn sie es kaum einen Abend lang mit ihm aushielt?

„Nenne mir deinen Preis“, bat er.

Seine Beharrlichkeit stellte ihre Geduld auf eine harte Probe. „Nein. Begreifst du denn nicht, dass ich dich aus tiefstem Herzen gehasst habe, als du mich kurz vor der Hochzeit sitzen gelassen hast? Ist dir nicht klar, wie weh das getan hat?“ Sie zitterte, und sein duldsames Schweigen erzürnte sie noch mehr.

„Du hast mich gedemütigt, du hast mir das Herz gebrochen“, sagte sie. „Ich war verzweifelt. Nie hätte ich gedacht, dass etwas so sehr schmerzen könnte.“ Die Worte schienen nur so aus ihr herauszupurzeln, sie konnte nicht aufhören. „Du hast mir keine Erklärung geliefert, nicht die geringste Vorwarnung. Du bist einfach von der Bildfläche verschwunden. Das war so grausam von dir.“

Cade war zusammengezuckt und blass geworden, doch seine Miene verriet keinerlei Gefühlsregung.

Plötzlich wallte der ganze angestaute Zorn in Katherine auf, und sie hob die Hand, um ihm eine Ohrfeige zu versetzen.

Blitzschnell packte er ihr Handgelenk und hielt sie fest. „Du weißt ja nicht, was mich damals dazu veranlasste.“

Beide atmeten sie schwer, die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Stumm starrten sie einander an. Cade biss die Zähne zusammen, als müsste er unbedachte Worte zurückhalten, und plötzlich verlosch Katherines Zorn.

Sie sah tief in seine Augen und bemerkte, wie Cade seinen Blick auf ihren Mund richtete. In ihren Lippen begann es augenblicklich zu kribbeln. Seine Küsse hatten sie schon immer schwach gemacht.

Verlangen stieg in ihr auf, Hitze breitete sich in ihrem Körper aus. Einen Augenblick lang sehnte sie sich verzweifelt nach seinem Kuss. Fast hätte sie sich an ihn geschmiegt, da fiel ihr in letzter Minute ein, was sie zu tun beabsichtigte. Sie warf den Kopf in den Nacken und straffte die Schultern.

„Verflixt, Cade, dann erklär mir doch, weshalb du damals gegangen bist.“

„Ich bin nicht zurück nach Texas gekommen, um alte Wunden aufzureißen und jemandem Vorwürfe zu machen. Das alles ist Vergangenheit.“ Er ließ ihre Hand los. „Wir würden uns vielleicht noch mehr wehtun. Du warst damals sehr gekränkt, und das tut mir leid.“

Der sachliche Ton machte Katherine noch wütender. Und ihr war klar, dass auch er die Spannung und das Knistern zwischen ihnen spürte, obwohl er sich ruhig gab.

„‚Tut mir leid‘ ist ein bisschen wenig, finde ich.“ Sie entzog ihm ihre Hand und trat ans Fenster. Tränen traten ihr in die Augen, doch sie riss sich zusammen. In all den Jahren hatte sie reichlich Selbstbeherrschung üben können.

Schützend legte sie beide Arme um ihre Taille. „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, Cade.“

„Meine Baupläne kannst du doch wohl kurz anschauen, das verpflichtet dich zu nichts. Bitte komm her, Katherine.“

Katherine drehte sich um. Er stand völlig gelassen da, sodass es ihr albern schien, nicht einmal einen Blick auf die Blaupausen werfen zu wollen. Sie durchquerte das Zimmer und blieb in einiger Entfernung von ihm stehen.

Als sie die Entwürfe sah, staunte sie abermals über seinen Wohlstand.

„Dies ist das Esszimmer, und ich möchte ein Gemälde an dieser Wand“, erklärte Cade und wies auf die Stelle. „In einer anderen Wand sind hoch angesetzte Fenster, aus denen man nicht direkt auf die Umgebung blickt, deshalb hätte ich da gern eine Landschaft.“

Sie betrachtete den Aufriss eines Raums mit einer gewölbeartigen Decke und einem gewaltigen gemauerten Kamin. Das Ganze hatte etwas Mittelalterliches, und Katherine stellte sich eine europäische Landschaft an der Wand vor. Cade wollte sechs Wandgemälde haben. Sie überschlug ihren üblichen Preis. Er würde vermutlich mehr zahlen, doch sie versuchte, nicht an das viele Geld zu denken und wie gut das ihrer Firma tun würde. Was für ein Glücksfall, wenn der Auftraggeber nur ein anderer wäre.

Cade strich einen Bogen glatt, und Katherine betrachtete wieder seine schönen Hände. Wie oft hatte sie diese magischen, verführerischen Hände auf ihrem Körper gespürt. Alles an ihm provozierte die lebhaftesten Erinnerungen. Doch sie versuchte, sich auf die Pläne zu konzentrieren, und beugte sich über den Tisch.

Cade trat dicht neben sie und blätterte weiter. „Das ist die Küche mit dem Essbereich, und auch da möchte ich ein Gemälde haben.“

„Warum zeigst du mir die Entwürfe? Meine Antwort lautet nein“, wiederholte Katherine. Wahrscheinlich war er es nicht gewohnt, ein Nein zu hören.

„Du lässt dich von Emotionen leiten und schlägst ein hervorragendes Geschäft aus. Mein Haus wird beachtet werden und eine gute Werbung für dich sein.“

Er sah ihr in die Augen, und sie hielt den Atem an. Warum machte seine Nähe sie nervös? Obwohl sie wütend auf ihn war, bestand diese unglaubliche Anziehung, und das mochte sie gar nicht gern zugeben.

„In diesem Fall verzichte ich auf das Geschäft.“ Sie wünschte, ihr Puls würde sich beruhigen.

„Ich zeige dir noch die anderen Räume.“ Cade wies auf einen weiteren Bogen. „An dieser Wand hätte ich auch gern ein Bild, das Thema könntest du selbst bestimmen. Natürlich möchte ich gefragt werden, bevor du loslegst.“

„Du vertraust mir also nicht.“

„Doch, aber ich möchte einen Entwurf sehen. Schließlich muss ich mit dem Bild dann leben. Lass die alten Kränkungen außen vor, Katherine“, bat er leise. „Es gibt doch bestimmt einen Preisrahmen, mit dem du einverstanden wärst.“

„Nein. Gib es auf, Cade.“ Einen Augenblick lang war sie versucht, ihm einen absurd hohen Preis zu nennen, etwas wie fünfhunderttausend pro Bild, um ihn in die Schranken zu weisen. Geld war natürlich ein großer Reiz, denn sie war ehrgeizig, doch dann wandte sie sich stumm ab.

Sie ging zur Balkontür und trat hinaus. Ein kalter Windstoß empfing sie, und sie schlang die Arme um ihre Taille.

„Also gut“, sagte er.

Katherine drehte sich um und sah Cade in der Tür stehen, eine Schulter an den Rahmen gelehnt.

„Ich mache dir ein Angebot.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das ist zwecklos.“

„Was sagst du zu acht Millionen Dollar für sechs Wandgemälde?“

Katherine traute ihren Ohren nicht. „Acht Millionen?“ Spontan setzte sie hinzu: „Das wäre doch viel zu viel.“

„Kein Preis ist mir zu hoch, um das zu bekommen, was ich will“, konterte er gelassen. „Und du kannst doch bestimmt einen zusätzlichen Umsatz gebrauchen.“

„Und ob.“ Sie hatte Mühe, die Worte herauszubringen. „Cade, ich kann es nicht fassen, dass du so viel für meine Werke zahlen würdest.“

„Vielleicht bin ich dir etwas schuldig, Katherine“, entgegnete er leise.

„Als Trostpflaster?“, fuhr sie auf. Dennoch stand das enorm hohe Angebot im Raum. Sie könnte ihre Zukunftspläne für die Firma viel schneller realisieren. „Acht Millionen für sechs Wandbilder“, wiederholte sie, noch immer ungläubig.

Cade kam über den Balkon auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern.

Ihr Puls tat einen Satz, trotzdem schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich verkaufe meinen Körper nicht.“

„Ich berühre ja nur deine Schultern“, sagte er mit dieser samtigen Stimme, bei der sie alles Geld, alle Wandgemälde und überhaupt alles vergaß außer Cade. Der Wind spielte mit seinen schwarzen Locken, und sie dachte daran, wie es sich anfühlte, wenn sie ihm mit den Händen durchs Haar strich. Seine Hände waren warm, er streichelte ihre Oberarme, langsam und verführerisch.

„Du bist schöner denn je“, flüsterte er.

„Lass das, Cade. Damit fangen wir nicht wieder an“, sagte sie, aber ihr Herz pochte heftig. Sie sehnte sich nach ihm, als hätten sie sich niemals getrennt.

Er strich ihr über die Unterlippe. „Schöne Katherine.“

Seine Berührung löste einen wohligen Schauer bei ihr aus, und sie öffnete die Lippen. Im nächsten Moment drehte sie sich weg, beschämt über ihre Reaktion. „Ich gehe wieder hinein.“

Er folgte ihr und schloss die Tür. „Du könntest dich mit dem Geld zur Ruhe setzen.“

„Auf keinen Fall!“ Sie funkelte ihn an, als er erneut zu ihr an den Tisch trat. „Arbeit ist mein Leben.“

Cade legte den Kopf schräg und sah sie abschätzend an. „Ich weiß, dass du Kunst studiert hast, aber dass du einen solchen Ehrgeiz hast, habe ich nicht geahnt.“

„Ich habe mich in Arbeit gestürzt, um die Kränkung zu überwinden, die du mir angetan hast. Dann stellte ich fest, dass mir der Erfolg gut bekommt. Ich stand immer im Schatten meiner Brüder, und damit könnte ich sie endlich überrunden.“

„Um Nick zu übertreffen, fehlt dir wohl noch einiges. Wenn du mein Angebot annimmst, kannst du Matt überholen.“

Sie betrachtete die Skizzen auf dem Tisch.

Cade breitete weitere Pläne vor ihr aus. „Hier siehst du alle Räume, für die ich Wandgemälde haben möchte. Die Motive überlasse ich dir.“

„Ich schlage ohnehin meistens die Themen vor“, sagte sie. „Aber hin und wieder hat ein Auftraggeber schon genaue Vorstellungen.“ Die ungeheure Summe beschäftigte sie nach wie vor. Sie wandte sich Cade zu. „Kannst du es dir wirklich leisten, acht Millionen dafür zu zahlen?“

„Ja.“

Katherine war fest entschlossen gewesen, nicht für ihn zu arbeiten, doch sie wäre verrückt, dieses Angebot abzulehnen. Ich muss ja nicht gleichzeitig Cades Charme erliegen, sagte sie sich. Und seinen Charme würde er herauskehren, das wusste sie. Es war ihm schon einmal gelungen, sie schwach zu machen, und damals hatte er keine Reichtümer besessen.

Katherine betrachtete die Grundrisse der einzelnen Stockwerke, doch im Grunde wollte sie nur Zeit gewinnen, um über das Angebot nachzudenken. Wäre es machbar, den Auftrag auszuführen und dennoch Cade aus dem Weg zu gehen? Vielleicht würde er nach Kalifornien fahren, wo er die meiste Zeit lebte. Nein, sagte sie sich, er wird auf jeden Fall meine Arbeit überwachen wollen.

Acht Millionen Dollar für sechs Wandgemälde. Das konnte sie einfach nicht ablehnen. Gleichzeitig überlegte Katherine, wie stark Cades Interesse tatsächlich war. Mit pochendem Herzen sah sie zu ihm hoch und nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Ich mache es für zehn Millionen.“

Bestürzt über ihre eigene Kühnheit, hielt sie den Atem an. In Cades Augen blitzte es amüsiert auf, was sie überraschte, denn diese Reaktion hatte sie nicht erwartet.

„Eben hast du noch gesagt, dass mein Angebot zu hoch sei.“

„Das war im ersten Schock. Jetzt bin ich Geschäftsfrau.“

„Abgemacht“, sagte er, und Katherine atmete auf. „Zehn Millionen.“

Zehn Millionen! Damit war ihr Glück gemacht. Bald würden die renommiertesten Auftraggeber sich um sie reißen.

„Ich zahle dir die Hälfte jetzt und die zweite Hälfte nach Fertigstellung“, schlug er vor.

Katherine holte tief Luft. „Du lieferst eine Überraschung nach der anderen“, bemerkte sie. „Warum willst du so viel anzahlen?“

„Ich bin überzeugt, dass du deine Sache gut machst, warum also nicht? Du kannst das Geld sicherlich gebrauchen. Ich kann dir sofort einen Scheck geben, oder aber wir gehen am Montag zur Bank und lassen den Betrag überweisen.“

„Montag ist mir lieber.“ Sie konnte es noch immer nicht ganz fassen, dass dies Wirklichkeit war.

„Ich möchte dir noch den Rest zeigen.“ Er trat dicht neben sie und wies auf ein weiteres Blatt. „Dies ist ein Freizeitraum mit einem Billardtisch. Er hat keine Fenster, daher hätte ich gern eine Landschaft an dieser Wand. Etwas Fröhliches.“

„Ich mache dir ein paar Vorschläge. Wenn dir keiner davon gefällt, bekommst du mehr.“

„Hört sich fair an.“ Sein Arm streifte ihren, als er ein anderes Blatt heranzog. „Das ist ein Trainingsraum, da würde etwas Buntes, Aufmunterndes passen. Nichts ist öder als ein Laufband, also verschaff mir einen Lichtblick an der Wand, ja?“

Sie würde sorgfältig darüber nachdenken, was sie ihm vorschlug. Jetzt war es dafür noch zu früh.

„Und hier“, erneut streifte er ihren Arm.

Katherine fing einen Hauch seines Rasierwassers auf und sah seinen dunklen Bartschatten am Kinn. Ob er es überhaupt registrierte, dass er sie berührte? Tat er es absichtlich, oder war es Zufall? Auf sie wirkte es wie eine Liebkosung.

„Gibt es kein weibliches Wesen mit einem Mitspracherecht?“, erkundigte sie sich. Sofort bereute sie die allzu persönliche Frage.

Cade richtete sich auf und sah sie intensiv an. „Ich sagte bereits, da ist niemand.“ Abermals legte er ihr die Hand auf die Schulter, doch jetzt streichelte er sie sanft, berührte eine Haarsträhne. „Aber da wir gerade beim Thema sind …“

„Cade, ich übernehme den Auftrag wider besseres Wissen, aber unsere Vergangenheit hat nichts damit zu tun. Ich will keine persönliche Beziehung. Wir arbeiten zusammen wie Fremde, die sich heute zum ersten Mal begegnen.“

„Wenn ich dich heute zum ersten Mal gesehen hätte, würde ich mit dir flirten, was das Zeug hält“, sagte er mit Nachdruck. Mit einem Finger zog er Katherines Kinnlinie nach.

Abrupt wandte sie sich den Blaupausen zu. „Gut, das war also das Esszimmer, der Trainingsraum und das Spielzimmer. Was noch?“

„Mein Schlafzimmer, ein Werkraum und die Essecke in der Küche.“

Sein Schlafzimmer. Katherine bekam ein flaues Gefühl im Magen. Hoffentlich blieb Cade nicht die ganze Zeit in Houston, um ihre Arbeit zu begleiten. Schon gar nicht die in seinem Schlafzimmer.

„Wann kannst du anfangen?“, wollte er wissen.

„Ich muss noch einen anderen Auftrag abschließen, aber ich habe einen Mitarbeiter, der sich darum kümmern kann.“

„Ich möchte, dass nur du es machst“, sagte er schlicht.

„Natürlich fertige ich die Entwürfe selbst. Aber es würde schneller gehen, wenn mir jemand bei der Ausführung zur Hand ginge.“

Cade schüttelte den Kopf. „Nein. Außer bei Besorgungen, Vorbereitung und dergleichen. Ansonsten zahle ich für deine persönliche Leistung“, erklärte er entschieden.

„Na gut“, erwiderte sie.

Sie tauschten einen Blick, der Katherine unter die Haut ging. Dann kam Cade näher und legte eine Hand auf ihre Taille. „Das freut mich. Ich habe deine Arbeit am Haywind-Haus in San Francisco gesehen, zwei Gemälde in Kansas City und eins in San Antonio. Sie sind hervorragend.“

„Danke.“ Cades Hand lag leicht auf ihrer Taille, und Katherine sah ihm in die Augen. Sie waren sich so nah, Erinnerungen an andere Situationen von Nähe stellten sich ein.

„Kannst du sofort anfangen?“ Seine Stimme klang belegt, es war das einzige Anzeichen dafür, dass auch er bemerkte, dass zwischen ihnen etwas vorging.

„Ja.“ Sie trat einen Schritt zurück. „Sind die Bauarbeiten so weit gediehen, dass ich die Skizzen anbringen kann?“

„Ja.“ Cade griff nach seinem Jackett. „Den Rest können wir beim Essen besprechen. Gehen wir zurück in den Club.“

Katherine nahm ihre Tasche und ging zur Tür – erleichtert, dass sie die Hotelsuite verließen und sie wieder in der Öffentlichkeit, in Sicherheit vor Cades Annäherungen wäre.

Kaum hatten sie im Millington Club an ihrem Tisch Platz genommen, als die Vorspeise, ein Krabbencocktail, serviert wurde.

„Wie wohlerzogen wir miteinander umgehen“, bemerkte sie und spießte eine Krabbe auf. „Dabei würde ich am liebsten mit Fäusten auf dich einschlagen. Das kann ich mir nun aber erst erlauben, wenn meine Arbeit für dich erledigt ist.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Vielleicht sollten wir versuchen, die Vergangenheit ruhen zu lassen.“

Sie holte tief Luft und dachte an das viele Geld und was sie damit alles bewirken konnte. Immer schon hatte sie sich an ihren Brüdern, sogar an ihrem Vater gemessen. Jetzt würde sie finanziell gleichziehen können.

Wenn es ihr gelänge, die Vergangenheit von sich zu schieben, ihren aufgestauten Zorn unter Kontrolle zu behalten, könnte sie unbeschadet aus der Sache hervorgehen. Cade hingegen hatte keinen Grund, ihr etwas zu verübeln. Es verwunderte und ärgerte sie, dass er das anders zu sehen schien. Aber damit wollte sie sich nicht auseinandersetzen.

„Morgen früh können wir nach Houston fliegen und am Nachmittag zurück sein“, schlug er jetzt vor.

„In Ordnung.“ Der Ober nahm die Teller weg und servierte den Blattsalat. Sie würde also den ganzen nächsten Tag mit Cade verbringen. Ihr Appetit schwand, sie trank einen Schluck Wasser. „In deinem Schlafzimmer solltest du ein schönes, entspannendes Motiv haben“, fuhr sie fort. „Was magst du am liebsten?“

„Ich fürchte, das würdest du nicht malen wollen“, meinte er mit anzüglichem Grinsen, und Katherine lachte wider Willen. Ich muss mich gegen seinen Charme wappnen, sagte sie sich.

„Welche Dinge machen dir Freude?“, fragte sie. „Früher waren es Motorräder, Autos und Baseball.“

„Das hat sich kaum geändert. Zusätzlich habe ich jetzt Interesse am Angeln, Skifahren, Golf, Bergsteigen und Snowboarden entwickelt. Aber über das Motiv für mein Schlafzimmer muss ich ein Weilchen nachdenken.“

„Ich werde dir ein paar Vorschläge machen, das gehört zu meinem Job.“

Obwohl sie versuchte, sich auf den Auftrag zu konzentrieren, kreisten ihre Gedanken ständig um Cade. Warum hatte er nicht geheiratet? Warum hatte er keine feste Beziehung?

Sie schob die Überlegungen von sich. Sie musste sachlich und professionell bleiben. Cade war ihr Kunde, die Vergangenheit spielte keine Rolle. Wie oft würde sie sich das noch sagen müssen? Hatte Cade sie jemals geliebt, oder war alles Lüge gewesen?

Sie atmete tief durch, trank von ihrem Wasser und lenkte das Gespräch erneut in neutrale Bahnen. Dabei stellte sie fest, dass Cade keinen großen Appetit zu haben schien. „Du isst ja gar nichts“, bemerkte sie. „Ich selbst bin bei einem neuen Auftrag auch immer ganz verspannt. Bei diesem besonders.“

„Dafür gibt es keinen Grund.“ Über den Tisch hinweg griff er nach ihrer Hand. „Ich bin kein Menschenfresser, und mir ist klar, dass du eine Künstlerin bist.“

Mit dem Daumen strich er leicht über ihren Handrücken und ihr Handgelenk. Vermutlich spürt er meinen beschleunigten Puls, dachte Katherine. Dann hielt der Blick aus seinen dunklen Augen sie gefangen, und sie vergaß, wo sie sich befanden. Nur sie und Cade existierten noch.

„Katherine“, sagte er mit lockendem Ton, und sie wollte sich schon zu ihm hinüberbeugen. Im letzten Moment hielt sie sich zurück.

„Lass das. Vielleicht liegt es daran, dass ich keinen festen Freund habe, aber ich bin erregbarer, als mir lieb ist. Also halte dich ein wenig zurück, sonst wird das nichts.“

„Ich bin sicher, dass es etwas wird“, sagte er leise.

Sie ließen einen großen Teil des Dinners unberührt, und Katherine sehnte das Ende des Abends herbei.

„Möchtest du tanzen?“

Cade sah sie ausdruckslos an, und Katherine fragte sich, was in ihm vorgehen mochte.

„Lieber nicht, Cade. Wir wollen es beim Geschäftlichen belassen.“

„Ich habe eine schöne Stange Geld für diesen Abend mit dir bezahlt“, sagte er leichthin. „Außerdem habe ich schon ewig nicht mehr getanzt. Ich finde, ein Tanz müsste schon dazugehören.“ Er stand auf und kam um den Tisch herum.

Katherine erhob sich ebenfalls. „Du scheinst wirklich immer zu bekommen, was du willst.“ Der Gedanke, mit ihm zu tanzen, ließ ihr Herz schneller schlagen. Alles an ihren Gefühlen für Cade war zwiespältig.

Er ging mit ihr zur Tanzfläche, und kaum spürte sie seinen Arm auf ihrer Taille, begann ihr Herz heftig zu klopfen. Warum fühlt es sich so gut an? fragte sie sich. Cade zog sie dicht an sich, sie nahm sein Rasierwasser wahr, den Druck seiner Schenkel.

Sie tanzte mit Cade, als hätten sie die letzten neun Jahre nicht getrennt verbracht. Jeder Schritt war vertraut, jede Bewegung war Verlockung. Hitze breitete sich in ihr aus.

„Es ist schön mit dir, Katherine, genau wie ich prophezeit habe“, flüsterte er. Sein warmer Atem streifte ihr Ohr. Sie legte den Arm um seine Schulter, achtete jedoch sorgfältig darauf, nicht seinen Hals zu berühren. Als er sie herumwirbelte, hielt sie sich an ihm fest und sah in seine dunklen Augen. Sie begehrte ihn, sie kam nicht dagegen an.

Schweigend, mit geschlossenen Augen, gab Katherine sich den Bewegungen hin, den Erinnerungen an die Zeit, als sie geradezu wahnsinnig in Cade verliebt war.

Er verstärkte den Druck seines Arms um ihre Taille. Es war eine süße Qual, denn sie passten so perfekt zusammen, bewegten sich so harmonisch miteinander – wie damals, wenn Cade sie küsste.

Sobald das Stück endete, wandte Katherine sich ab und ging zurück zum Tisch. Sie hatte das Gefühl, vor Verlangen zu glühen. Sie wollte Cade küssen und mit ihm schlafen. Fast hätte sie laut aufgestöhnt.

Entschlossen griff sie nach ihrer Tasche und sagte: „Du hast zwar ein kleines Vermögen für diesen Abend gezahlt, aber ich möchte so schnell wie möglich nach Hause. Du hast ja auch erreicht, dass ich für dich arbeite.“

„Stimmt.“ Bereitwillig nahm er ihren Arm. „Wir gehen.“

In der Limousine setzte er sich wieder neben sie, dichter dieses Mal. „Ich habe dem Fahrer deine Adresse gegeben. Ich dachte, du wohnst auf der Ranch.“

„Nein, ich habe mir vor neun Jahren eine eigene Wohnung genommen. Jetzt besitze ich ein Haus in der Stadt und eins auf der Ranch. Jeder von uns hat dort noch eine Bleibe. Ungefähr zweimal pro Monat sehen wir uns.“

„Nick sagte mir, dass ihr euch oft trefft.“

Verblüfft fuhr sie herum. „Du kennst Nick?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wir hatten geschäftlich Kontakt.“

Nick hatte Cade nie erwähnt, und Katherine fragte sich, weshalb nicht. Vielleicht dachte er, es würde ihr wehtun.

„Ich wundere mich, dass er überhaupt mit dir redet“, sagte sie. „Als du mich verlassen hast, waren meine Brüder beide auf dem College. Sobald sie die Geschichte hörten, wollten sie dich zur Rechenschaft ziehen, aber ihr hattet den Staat verlassen. Zum Glück für alle Beteiligten fanden sie dich nicht.“

„Richtig.“

Katherine beschloss, nicht mehr von Vergangenem zu sprechen. „Ich kann sofort mit den Entwürfen für die Wandgemälde anfangen.“

„Hast du eine gute Vertretung, falls du länger weg bist?“

„Ja, ich bin öfter unterwegs. Und von Houston nach Fort Worth ist es nicht allzu weit.“

„In Ordnung.“

Cade sah sie durchdringend an, berührte sie jedoch nicht. Dennoch konnte er sie allein mit dem Blick seiner sexy braunen Augen und seiner körperlichen Präsenz erregen.

„Ich könnte dich morgen früh abholen, und wir fliegen mit meiner Maschine nach Houston. Würde sieben Uhr dir passen?“

„Das ist mir recht. Ich suche mir dann ein Hotel in der Nähe, wo ich auch arbeiten kann.“

„Das ist nicht nötig.“

„Warum nicht? Ich kann nicht täglich pendeln.“

„Natürlich nicht. Du wirst in meinem Haus wohnen.“