4. KAPITEL

„Wir zogen zuerst nach Kalifornien, so weit weg wie möglich“, begann Cade.

„Wen meinst du mit ‚wir‘?“, fragte Katherine, obwohl sie die Antwort zu kennen glaubte. Noch mehr interessierte sie der Grund für diesen Umzug, aber danach wagte sie nicht zu fragen.

„Meine ganze Familie. Wir gingen nach Los Angeles. Ich hatte verschiedene Jobs, und dann hatte ich das Glück, eine Anstellung bei Edwin Talcott zu finden, einem Unternehmer und Investor, der Milliarden besaß. Ich wurde sein Chauffeur, sein Automechaniker und eine Art Butler. Hin und wieder ging ich auch dem Gärtner zu Hand.“

„Ein ziemlicher Aufstieg vom Chauffeur und Gärtner“, bemerkte Katherine. Erneut warf sie einen Blick auf Cades Hände, die äußerst gepflegt waren.

„Edwin erkannte, dass ich nicht dumm war. Er brachte mir dies und jenes bei und schickte mich irgendwann aufs College. Bald bekam ich ein Stipendium, weil ich in der Footballmannschaft war. Daneben erledigte ich für Edwin Büroarbeiten. Ich schaute ihm vieles ab, und mit seiner Unterstützung investierte ich kleinere Beträge. Ich hatte Erfolg und investierte mehr. Das Studium brach ich schließlich ab, denn ich verdiente genug, und arbeitete für Edwin.“

„Aber bis dahin, wo du heute stehst, ist es ein gewaltiger Sprung.“ Katherine argwöhnte, dass Cade wichtige Ereignisse ausgelassen hatte.

„Überhaupt nicht. Ich hatte viel Glück. Da Edwin keine Familie hatte, machte er mich zu seinem Erben. Das ist jetzt drei Jahre her, und inzwischen habe ich das Vermögen verdoppelt.“

„Dann war es doch gut, dass du nicht in Fort Worth geblieben bist, oder?“ Sie schaute in seine unergründlichen braunen Augen. Zu ihrer Verwunderung stimmte er ihr nicht sofort zu.

„Das hängt von den persönlichen Werten ab“, sagte er schließlich, und Katherines Puls tat einen Satz. Hieß das, er wäre lieber geblieben? Bereute er sein Verhalten? Unsinn, sagte sie sich, er hätte ja schon eher zurückkommen können.

„Und wo liegen deine Werte?“

„Die Familie ist wichtiger als Reichtum“, erwiderte Cade, und sie sah ihn verblüfft an.

„Du hast es in den letzten Jahren zu unglaublichem Reichtum gebracht“, stellte sie fest. „Wärst du geblieben, hättest du geheiratet. Es wundert mich, dass das nicht längst geschehen ist. Oder ist das Thema zu privat?“

„Ich habe noch keine Frau getroffen, die ich heiraten wollte.“ Seine Stimme war rauchig, sein Blick scharf, als wollte er ihr eine bestimmte Botschaft übermitteln. „Und du?“

„Ich bin mit meinem Beruf verheiratet.“

Zu ihrer Überraschung beugte er sich vor, strich ihr über die Wange, dann über den Nacken und ließ seine Hand an ihrem Hals ruhen. „Arbeit ist nicht alles für dich. In diesem Moment spüre ich deinen beschleunigten Puls, Katherine. Du bist eine leidenschaftliche Frau, eine wunderbare Frau. Es gibt noch mehr schöne Dinge im Leben außer Arbeit.“

„Und die möchtest du mir zeigen? Nein, danke.“ Sie ärgerte sich, dass er ihre Reaktion fühlen konnte.

„Ich habe überhaupt nicht die Absicht, mit dir wieder eine Beziehung anzufangen. Zwischen uns stehen viel zu viele Verletzungen. Ich frage mich allerdings, weshalb du nicht verheiratet bist“, erklärte Cade.

Er war zu nah, sein Blick zu intensiv. Sie sah auf seinen Mund, dann in seine Augen. „Wenn du hören willst, dass ich auf dich gewartet habe, hoffst du vergebens.“

„Natürlich nicht. Ich wundere mich nur, dass du solo bist. Du bist viel zu schön, um deine Abende allein zu verbringen.“

„Danke für das Kompliment, aber ich bin dankbar für jeden Abend allein zu Haus. Du hast doch angeblich auch keine Beziehung.“

Während sie sprach, ließ Cade keinen Blick von ihr. Ganz leicht strich er mit dem Zeigefinger über ihre Unterlippe.

„Hör auf, Cade.“

Er wich ein wenig zurück und lächelte.

„Ich wollte dich nicht aufregen.“

„Du regst mich nicht auf!“

Er hob die Augenbrauen. „Nicht?“ Erneut kam er näher und strich ihr über den Arm. „Dein Puls flattert nicht? Meiner schon“, sagte er mit belegter Stimme. Er legte ihr die Hand an den Hals. „Lass sehen, ob du die Wahrheit sagst.“

„Okay, du weißt genau, dass du mich aufregst!“ Katherine wich ihm aus und erntete dafür ein spöttisches Lächeln. „Darauf brauchst du dir aber nichts einzubilden. Schließlich bist du ein attraktiver Mann.“

„Und dich bringt es aus der Fassung. Genieß doch das Prickeln ein bisschen.“

„Nein, danke. Ich will keine Affäre, keine Freundschaft. Beides wäre absolut unmöglich.“

Er wurde ernst und nickte. „Du bist eine schöne Frau, und ich …“ Er brach ab. „Manchmal vergesse ich unsere Vergangenheit, aber du hast recht.“ Er wandte sich abrupt ab, und Katherine hätte gern gewusst, was er ursprünglich sagen wollte.

Der Himmel war bedeckt, als sie auf dem Houston Hobby Airport landeten. Die Kabinentür ging auf, und Cade nahm Katherines Arm. Windstöße empfingen sie, in der Ferne grollte Donner.

Aus einer wartenden schwarzen Limousine stieg der Chauffeur aus und reichte Cade den Schlüssel. Cade geleitete Katherine zur Beifahrertür und öffnete sie.

Als sie saß, kam er herum und stieg ebenfalls ein. Sie schnallte sich an und drehte sich ein wenig zur Seite, um Cade beobachten zu können. Er lenkte den Wagen durch den dichten Stadtverkehr in ein elegantes Wohngebiet.

Während der Fahrt wechselten sie kein Wort, doch Katherine war sich seiner Nähe ständig bewusst und meinte, seine Berührungen noch zu spüren.

Auch Cades Haus lag in einer bewachten Wohnanlage. Die gewundene, mit Bäumen gesäumte Straße hinter dem Tor führte an stattlichen Anwesen vorbei. Vor Cades Grundstück öffnete sich ein weiteres Tor. Auf dem makellosen Rasen standen mächtige, moosbedeckte Eichen und Magnolienbäume. Sie fuhren um eine Kurve, und inmitten hoher Fichten erhob sich ein Herrenhaus.

Stumm starrte Katherine auf das eindrucksvolle Gebäude, das die Blaupausen nur unzureichend wiedergegeben hatten. „Das ist ja ein Palast“, brachte sie schließlich heraus.

Die dreigeschossige Villa wurde von einem eleganten Garten umgeben, in dem ein Brunnen stand. Am Westflügel parkten mehrere Lieferwagen. Die Mauern waren noch eingerüstet, und Katherine erblickte Arbeiter, die letzte Hand anlegten. Ihr erster Gedanke war, dass sie in dem riesigen Haus Cade gut aus dem Weg gehen konnte, und sie atmete erleichtert auf.

„Wie kannst du bloß in so einem Haus ganz allein wohnen?“ Sofort bereute sie die Bemerkung. „Entschuldige, es geht mich nichts an. Und du wohnst ja noch nicht lange hier, oder?“

„Frag ruhig alles, was du möchtest. Nein, ich war noch nicht oft hier. Bis auf den einen Flügel und das Gästehaus ist alles fertig, drinnen stehen Möbel, die Räume sind bewohnbar. Ich habe kein Problem mit geräumigen Häusern. Wie du weißt, bin ich in beengten Verhältnissen aufgewachsen.“

„Ja, ich weiß.“ Ich weiß dies und noch viel mehr von dir, fügte sie im Stillen hinzu.

„Alle meine Häuser sind geräumig, vielleicht brauche ich eine Art Sicherheitspolster. Sie schmeicheln natürlich auch meinem Ego. Du bist der einzige Mensch, dem ich das gestehe“, fuhr er fort. „Du kennst meine Vergangenheit und verstehst, dass ich nie wieder Hunger leiden will.“

Katherine verwünschte ihre Bemerkungen, die zu solchen intimen Bekenntnissen geführt hatten. Sie empfand Mitgefühl für Cade, und das ging ihr gegen den Strich.

„Da dies dein erster Besuch hier ist, führe ich dich durch das Eingangsportal.“ Cade hielt an.

„Um mich zu beeindrucken?“

„Selbstverständlich.“ Er lachte, und sie lächelte unwillkürlich zurück.

Die ausladende Veranda und die herrschaftlichen Säulen am Eingang verfehlten ihren Eindruck auf Katherine nicht. Mit einem tiefen Atemzug ging sie neben Cade zur Tür, wo er auf den Knopf einer Gegensprechanlage drückte.

„Hast du keinen Schlüssel?“, wollte sie wissen.

„Würde ich die Schlüssel zu allen meinen Häusern mit mir herumtragen, würde ich beim Gehen klimpern wie ein Pferdeschlitten.“

Die Tür schwang auf, ein Hausmädchen in Uniform begrüßte Cade mit einem breiten fröhlichen Lächeln. „Guten Morgen, Mr Logan.“

„Guten Morgen, Mrs Wilkson. Dies ist Miss Ransome, sie wird die Wandgemälde anfertigen.“ Er wandte sich an Katherine. „Mrs Wilkson, Katherine.“

Katherine grüßte und betrat die elegante, hohe Halle mit dem Marmorboden. Cade nahm ihren Arm.

„Ich werde dir das übrige Personal vorstellen“, sagte er. „Die Dienstpläne hängen im Pausenraum der Mitarbeiter.“

Während Katherine sich fragte, wie groß sein Personalstab wohl sein mochte, fühlte sie sich erleichtert, dass sie nicht mit Cade allein im Haus sein würde.

„Wo wohnen sie denn?“, fragte sie. Vermutlich im obersten Stockwerk.

„Sie haben eigene kleine Häuser auf dem Grundstück“, erklärte Cade. „Meine Mitarbeiter sollen ihren abgeschirmten Privatbereich haben. Ich behandele sie so, wie ich selbst gern behandelt werden würde, wenn ich an ihrer Stelle wäre.“

Katherine nickte. „Aufgrund deiner Vergangenheit.“

„Genau. Ich war arm und hatte die miesesten Jobs. Ich weiß, wie man sich dabei fühlt. Ich habe Respekt vor meinen Mitarbeitern.“

„Das kann ich nur gutheißen.“

Verführerische Düfte nach frisch gebackenem Brot und gegrilltem Fleisch drangen Katherine in die Nase und erinnerten sie daran, dass sie kaum gefrühstückt hatte.

Sie kamen in eine hochmoderne Küche mit Schränken aus Eiche, Arbeitsflächen aus Granit und hohen Fenstern. Der Raum ging in einen großen Wohnbereich mit einem gemauerten Kamin, Polstergruppen und einem langen, glänzend polierten Esstisch für zehn Personen über. Am Herd stand ein untersetzter, stämmiger Mann mit Glatze, der Katherine zulächelte.

„Katherine, das ist Creighton, einer der weltbesten Köche und seit einigen Jahren bei mir. Creighton – Miss Ransome.“

Sie wechselten ein paar Worte, dann nahm Cade Katherine beim Arm und dirigierte sie zurück in die Halle. „Ich zeige dir dein Zimmer, und danach beenden wir die Besichtigungstour.“

„Wie viele Mitarbeiter hast du hier?“

Er zuckte mit den Schultern. „Der Gärtner und sein Team, einer davon ist mein Chauffeur, wenn ich einen brauche. Zwei Personen zum Putzen und Mrs Wilkson, Creighton und eine Art Butler.“

Zusammen gingen sie in den ersten Stock. Als sie Katherines Suite betraten, erklärte Cade: „Hier kannst du wohnen, und gegenüber hast du ein Büro und ein Atelier.“

„Schön.“ Cade stand so dicht neben ihr, dass sie das Gefühl hatte, kaum klar denken zu können. „Und wo wohnst du?“

„Gleich nebenan.“

Sie fuhr herum. „Müssen wir in diesem Riesenhaus direkt nebeneinander wohnen?“

„Keine Sorge, ich werde dich nicht belästigen, Katherine.“ Seine Stimme war hart wie Stahl, in seinen dunklen Augen schien ein Funke zu glimmen. „Der Westflügel ist noch im Bau, da kann ich nicht wohnen. Dies sind die beiden einzigen Suiten. Allerdings gibt es kleinere Zimmer am Ende des Flurs.“

„Schon gut.“ Begegnungen würden sich nicht völlig vermeiden lassen.

„Warum hast du ein Problem mit Kontakten zwischen uns?“ Er kam näher, ihr Puls beschleunigte sich.

„Cade, ich erfülle einen Auftrag für dich. Dabei will ich versuchen, meine Wut auf dich im Zaum zu halten. Ich hoffe nur, das gelingt mir auf Dauer.“

„Es ist doch neun Jahre her“, warf er ein und entfachte ihren Zorn damit erst recht.

„Meinst du, ich könnte das so einfach vergessen?“, schleuderte sie ihm entgegen. „Du bist ohne ein Wort gegangen und …“ Im letzten Moment fing sie sich. Sie würde nichts sagen, das sie anschließend zu bereuen hätte.

„Verflixt, Katherine, du tust ja, als hättest nur du gelitten!“ Ein Muskel an seiner Wange zuckte.

„Du hast nach deinem Gutdünken gehandelt und mir nichts davon gesagt. Das ist unverzeihlich!“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Du hast mir unglaublich wehgetan!“

„Und du – hast du mich wirklich geliebt, oder wolltest du nur deinen Vater ärgern?“

„Die Frage habe ich schon einmal beantwortet. Ich habe viel von dir gehalten.“

„Ach, komm. Anfangs hast du es geheim gehalten, dass wir uns trafen. Deinen Brüdern hast du jedenfalls nichts davon gesagt.“

„Stimmt, du warst ein wilder Bursche und hast die Schule nicht beendet. Das hätte meine Familie missbilligt. Aber es war für mich nicht wichtig.“

„Das sagst du jetzt.“

Sie holte tief Luft. „Ich wusste, wie du warst, und fand es in Ordnung. Meinen Vater wollte ich damit nicht ärgern. Wieso glaubst du mir nicht?“ Ihr Zorn nahm zu.

„Vielleicht hätten wir dies vor neun Jahren klarstellen sollen. Aber ich war blind und taub, und dein Vater hatte überzeugende Argumente. Ich war wie vor den Kopf ge…“

„Mein Vater?“, unterbrach sie ihn. „Was hatte der denn damit zu tun?“

„Eine Menge“, erwiderte Cade. „Ich war jung, unsicher und leicht zu verletzen. Dein Vater sagte, dein Interesse sei nichts weiter als ein Akt der Rebellion. Du liebtest mich nicht wirklich.“

„Davon hast du mir nie erzählt“, sagte Katherine betroffen. „Und du hast ihm aufs Wort geglaubt?“

„Natürlich, warum auch nicht? Andere sagten mir ja dasselbe. Er behauptete, deine Brüder würden es bestätigen. Ich konnte sie damals nicht fragen, sie waren nicht da, ich kannte sie nicht so gut, dass ich sie hätte anrufen können. Und du hattest ständig Streit mit deinem Vater.“

„Du wusstest doch, dass mein Vater alles aufbieten würde, um seinen Willen durchzusetzen.“

„Und seine Tochter war ebenso.“

Wut überkam sie, und unwillkürlich hob sie die Hand, um ihm eine Ohrfeige zu geben. Wieder fing Cade den Schlag ab und zog ihren Arm hinter seinen Rücken. Katherine stand dicht an ihn gedrückt, beide atmeten schwer.

„Du warst schon immer sehr temperamentvoll, Katherine.“

„Lass mich los.“

„Sag, dass du mich nicht heiraten wolltest, um deinen Vater zu ärgern.“

„Natürlich nicht! Aber dass du meinem Vater einfach so geglaubt hast und dass er dir überhaupt so etwas einreden konnte …“ Mit der freien Hand versetzte sie Cade einen Stoß, aber er stand da wie ein Fels. Nur war das, was sie wahrnahm, kein Stein, sondern ein kräftiger, warmer Körper. Cade gab ihre Hand frei und nahm sie stattdessen in die Arme.

„Ich habe dich geliebt!“, rief sie.

„Warum hast du dann meine Briefe und Anrufe nicht beantwortet?“

„Warum sollte ich, nachdem du mich ohne ein Wort der Erklärung sitzen gelassen hattest? Ich wollte nichts mehr von dir wissen!“ Sie schaute in seine Augen, die vor Zorn funkelten. Plötzlich verpuffte ihr Ärger.

„Bitte lass mich“, flüsterte sie, aber es war ein halbherziger Protest.

Cade senkte den Blick auf ihre Lippen, und ihr Herz hämmerte schmerzhaft gegen ihre Rippen.

„Ich weiß noch genau, wie es war, dich zu küssen“, sagte er leise.

Eine Hitzewelle durchrieselte sie, denn auch sie konnte sich sehr gut an seine Küsse erinnern. Sie schaute ihm in die Augen und war verloren.

Er beugte sich herunter, berührte ihre Lippen mit seinen, und Katherine meinte in Flammen zu stehen. Sein Kuss war pure Verführung und entzündete heißes Verlangen in ihr.

Cade schob zärtlich eine Hand in ihr Haar, und Katherine schlang die Arme um seinen Nacken. Sie wollte mehr von ihm, näher zu ihm. Er vertiefte den Kuss, liebkoste sie mit der Zunge.

Katherine drängte ihm ihre Hüften entgegen. Ihr heftiges, so lange aufgestautes Begehren schockierte sie, doch der leidenschaftliche Kuss ließ sie alle Bedenken vergessen.

Cade löste ihr Haar, sie nahm es kaum wahr. Er strich ihr über den Rücken, umfasste ihren Po, dann schob er eine Hand aufwärts und umfasste schließlich ihre Brust.

Durch die Seidenbluse hindurch streichelte er sie, rieb ihre Knospen. Sein Kuss wurde fordernder und weckte Begierden in Katherine, die sie längst vergessen glaubte.

Sie sollte ihm Einhalt gebieten, bevor es kein Zurück mehr gab, doch die Stimme der Vernunft war schwach und leicht zu überhören. Mit beiden Händen strich Katherine über Cades Schultern, ein Schluchzen saß ihr in der Kehle, doch sein Kuss erstickte es – der Kuss, von dem sie geträumt hatte, nach dem sie sich gesehnt hatte. Sie begehrte Cade stärker denn je.

Er schob die Hände unter ihre Bluse, umfasste ihre Brüste, schob den BH herunter und streichelte ihre Spitzen mit den Daumen.

Mit einem verzweifelten Stöhnen umklammerte Katherine seine Handgelenke und wich ein Stück zurück. „Du musst aufhören.“

Sie sah das Verlangen in seinem Blick. Hatte er dies von Anfang an vorgehabt – sie zu verführen? War er nur deshalb zurückgekommen, um ihr erneut das Herz zu brechen?

Würde sie es zulassen?

Katherine rang nach Luft und stellte fest, dass Cade ebenso schwer atmete wie sie. In seinem Blick lag Begehren. Er spielte mit einer ihrer Haarsträhnen.

„Du machst mich wahnsinnig“, flüsterte er, und ihr Herz begann noch heftiger zu pochen. „Das war ein Kuss, wie man ihn nur einmal im Leben erlebt.“

Das fand Katherine zwar auch, aber sie würde es nie zugeben. Anstatt seinen Kopf zu sich herunterzuziehen und ihn weiterzuküssen, wie sie es am liebsten getan hätte, ballte sie die Hände zu Fäusten. Der Zorn war wieder da und jetzt zum Teil gegen sie selbst gerichtet.

„Das darf nie mehr vorkommen, Cade.“

„Sag niemals ‚nie‘.“ Er strich ihr durch das Haar, und die letzten Klemmen fielen auf den Boden. „Dein Haar ist so weich“, flüsterte er.

Katherine hielt seine Hand fest. „Du weißt, dass ich zehn Millionen nicht ablehnen kann, aber deine Küsse will ich nicht.“

„Das hat sich aber eben nicht so angefühlt.“

„Schön, ich reagiere körperlich auf dich“, fuhr sie ihn an. „Ich gehe nicht oft mit Männern aus. Ich bin für gewisse Reize empfänglich.“ Ärgerlich schob sie ihre Bluse wieder in den Rockbund. „Und wie ich jetzt aussehe!“

„Als hätte dich eben ein Mann geküsst“, stellte er mit weicher Stimme fest. „Du bist noch schöner als früher.“

„Danke“, entgegnete sie knapp und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass das Kompliment sie freute. „Ich will keine Nähe zu dir, ich kann dir nicht mehr vertrauen. Du hättest mit mir reden sollen, als du dachtest, ich würde dich nur aus Protest heiraten wollen. Lass mich in Ruhe.“ Sie wollte gehen, doch er packte sie bei den Schultern und sah ihr ins Gesicht.

„Verflixt, Katherine, du hast ja keine Ahnung, was dein Vater angerichtet hat, und du wolltest ja auch nichts wissen.“

„Du gibst meinem Vater die Schuld, weil er dir bestimmte Dinge gesagt hat. Aber du hast ihm bereitwillig geglaubt.“

„Er hat mehr getan, als nur zu reden, Katherine.“

In diesem Moment fragte Katherine sich zum ersten Mal, ob Cade die Wahrheit sprach. Bislang war er stets ehrlich gewesen, und warum sollte er sie jetzt belügen?

„Was für Druckmittel kann mein Vater schon gehabt haben, um dich zum Weglaufen zu zwingen?“