„Hätte mein Vater dich körperlich bedroht, hätte das deine Entschlossenheit nur bestärkt“, argumentierte Katherine.
„Richtig, und das wusste er auch.“
„Was war es dann?“
„Er bot mir immer wieder Geld an, wenn ich dich verließ.“
„Das glaube ich nicht.“ Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. „Mein Dad setzt gern seinen Willen durch, aber uns Kindern hätte er niemals wehgetan. Und es tat weh, als du weggingst.“
„Nun, er hat es jedenfalls versucht. Anfangs wies ich ihn ab.“
„Warum hast du mir nie davon erzählt?“
„Ich wollte dich nicht noch mehr gegen deinen Dad aufbringen.“
„Ich kann dir nicht glauben.“ Katherine wollte an Cade vorbei und aus dem Raum gehen.
„Beim ersten Mal bot er mir zweihundertfünfzigtausend Dollar.“
Sie blieb mit dem Rücken zu Cade stehen. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten und wäre davongelaufen, aber sie konnte sich nicht rühren.
„Dann bot er vierhunderttausend. Natürlich unter der Bedingung, es dir nie zu sagen. Diese Auflage verletze ich gerade.“
Katherine fuhr herum. „Du hast das Geld tatsächlich genommen?“ Demnach sprach er die Wahrheit. Dass ihr Vater zu so etwas in der Lage war, traf sie hart. „Du hast unsere Liebe für Geld verraten. Das schmerzt mich am meisten, Cade. Egal, was mein Vater getan oder nicht getan hat.“
„Wahrscheinlich dachte er, das wäre das Beste für dich. Er erklärte mir oft genug, dass ich für dich nicht gut genug war. Ich hätte dir nichts zu bieten.“
„Du wusstest doch, dass ich das nicht so sah.“
„Dein Vater erwähnte immer wieder meinen Bruder, der mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Und dass meine Mutter uns allein versorgen musste. Ich hatte Probleme in der Schule, weil ich oft geschwänzt hatte. Er machte mir klar, dass ich dich in Ruhe lassen müsste, wenn ich dich wirklich liebte.“
Auf einmal wusste Katherine, dass Cade die Wahrheit sagte. „Ich liebte dich und wollte dich heiraten.“
„Dein Vater hatte ja teilweise recht. Niemand konnte damit rechnen, dass ich eines Tages reich sein würde. In meiner Familie gab es keine Anhaltspunkte für so eine Entwicklung.“
„Du hättest mit mir reden müssen.“
„Du hättest alles von dir gewiesen. Ich liebte dich sehr, Katherine, und es tat so weh zu hören, dass du mich nur aus Trotz heiraten wolltest. Dein Vater wirkte glaubwürdig, du hast in jeder erdenklichen Weise gegen ihn rebelliert. Du hattest dauernd Streit mit ihm, oft hast du es ihm verheimlicht, wenn du mit mir unterwegs warst. Bei mir hast du dich über seine herrische Art beklagt. Du hast seine Verbote in den Wind geschlagen, hast das Auto genommen, obwohl du es nicht solltest, hast Kleider getragen, die ihn auf die Palme brachten – muss ich noch mehr aufzählen?“
„Und deshalb bist du gegangen.“ Sie fragte sich, wie es ausgegangen wäre, wenn sie sich damals bereits ausgesprochen hätten. „Als Gegenleistung für die vierhunderttausend Dollar.“ Natürlich hatte ihr Vater leichtes Spiel gehabt, wenn er Cades Selbstwertgefühl erschüttern wollte. Cade selbst hatte ja Befürchtungen gehabt, dass er Katherine nicht genug bieten könnte. Und angesichts seiner bitteren Armut war das Geld ein Geschenk des Himmels. Dennoch … „Ich hätte dich für kein Geld der Welt verlassen“, sagte sie.
„Ich dich auch nicht“, entgegnete Cade bitter. „Das Geld habe ich abgelehnt. Doch dann versprach dein Vater mir etwas, das ich nicht ablehnen konnte.“
„Und was?“ Die neuen Wunden schmerzten genauso wie die alten.
„Er erhöhte den Geldbetrag noch einmal, aber auch das gab nicht den Ausschlag. Nein, dein Vater versprach, meinen Bruder zu retten.“
„Wie bitte?“
„Luke saß wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis. Er und zwei andere wollten in ein Geschäft einbrechen und Motorräder stehlen, und sie trafen auf einen Wachmann. Luke hatte bereits eine Vorstrafe, also hätte er keine Bewährung bekommen. Dein Vater bot an, seinen Einfluss geltend zu machen, sodass mein Bruder freikäme.“
„Nein!“, rief Katherine. „So etwas hätte mein Dad nie getan. Er war sehr erbost über dein plötzliches Verschwinden.“
„Das war Theater, Katherine. Meinst du, er hätte offen zugegeben, dass das alles sein Werk war?“
„Ich glaube dir einfach nicht.“ Es konnte nicht sein, dass ihr Vater zu so schändlichen Mitteln gegriffen hatte.
„Es stimmt wirklich“, bekräftigte Cade. „Ich musste ihm mein Wort geben, es dir nie zu sagen. Er sagte, er würde dafür sorgen, dass die Anklage gegen meinen Bruder fallen gelassen würde.“
„Und da konntest du nicht Nein sagen“, stellte sie fest. Sie fühlte sich wie benommen.
„Zusätzlich versprach dein Vater mir eine halbe Million Dollar. Ich wagte nicht, dich in eine unvorteilhafte Ehe zu locken und dazu meinen Bruder ins Gefängnis zu bringen, wenn ich doch beides vermeiden konnte. Obendrein zweifelte ich die ganze Zeit an deiner Liebe. Eine Ehe aus Rebellion gegen deinen Vater hätte nicht lange gehalten.“ Mit zwei entschlossenen Schritten war er bei ihr und umfasste ihre Oberarme. „Was hättest du an meiner Stelle getan?“, fragte er eindringlich. „Und dann ertrug ich es doch nicht und rief dich an – und du wolltest nicht mit mir reden. Oder meine Briefe beantworten.“
„Ich kann es nicht glauben, dass mein Vater mir so etwas antun konnte“, beharrte Katherine.
„Vermutlich würde er es nicht zugeben.“
„Ich habe heute Morgen Nick und Matt von deinem Auftrag erzählt“, sagte sie. „Matt wird es Dad mitteilen. So herzlos hätte Dad nie sein können, Cade.“
„Dann frag ihn, Katherine.“
„Das habe ich vor.“
„Wenn er es leugnet, lügt er. Weshalb sollte ich diese Geschichte jetzt erfinden?“
Das fragte sie sich auch. „Lass uns nach Fort Worth zurückfahren.“
„Okay, aber schau dir vorher noch die Räume an, die ich als Atelier und Büro für dich vorgesehen habe. Vielleicht hast du da noch Wünsche.“
Mit widerstreitenden Gefühlen folgte sie ihm in einen Raum mit einem Schreibtisch aus Glas und Chrom, mit Schränken aus Eiche, einem Computerarbeitsplatz mit Kopierer, Fax und Peripheriegeräten. Durch die deckenhohen Fenster und die großen Oberlichter drang heller Sonnenschein herein.
„Dies ist das Atelier.“ Cade ging in den Nebenraum. Katherine folgte ihm und sah einen Zeichentisch, Staffeleien, alle Arten von Arbeitsmaterial, einen Werktisch und Aktenschränke. Ein großes Waschbecken fehlte ebenso wenig wie ein angrenzendes Bad.
„Wunderbar“, sagte sie, obwohl sie kaum etwas wahrnahm. Das soeben Gehörte beschäftigte sie zu sehr, sie zweifelte an Cades Worten – undenkbar, dass ihr Vater das alles getan hatte.
„Wenn du noch etwas brauchst, sag es meinem Architekten. Deine Wünsche haben oberste Priorität“, sagte Cade. „Möchtest du jetzt noch mehr vom Haus sehen?“
„Lass uns das auf ein anderes Mal verschieben. Ich möchte nach Hause und mit Dad reden.“
„Bei dem Gespräch wäre ich gern anwesend, Katherine.“ Sie gingen den breiten Flur entlang und die Treppe hinunter.
„Warum das?“
„Ich möchte hören, was er dazu sagt. Außerdem habe ich mein Versprechen, zu schweigen, nicht gehalten. Und ich will ihm das Geld zurückgeben.“
„Sollte er deine Vorwürfe zurückweisen, stünde Aussage gegen Aussage. Ich würde ihm glauben“, erklärte sie. Allerdings war sie da nicht so sicher, wie sie behauptete, denn sie kannte die Skrupellosigkeit ihres Vaters, wenn es um seine Interessen ging. Nur hatte er bisher seine Kinder herausgehalten.
„Unsere Mutter verließ uns, als wir noch ganz klein waren. Sie hatte sich in einen anderen Mann verliebt“, bemerkte Katherine.
„Vielleicht solltest du die Geschichte auch einmal überprüfen“, schlug Cade vor.
„Nein. Da hat Dad uns bestimmt nicht belogen, obwohl wir alle unsere Zusammenstöße mit ihm hatten, bis auf Jeff.“
„Dein Bruder starb bei einer Klettertour, nicht? Ich habe davon gelesen.“
„Ja. Er war verwöhnt und abenteuerlustig, und Dad ließ ihm jeden Willen. Matt dagegen ist so starrköpfig wie mein Vater, und sie hatten ihre Kämpfe. Aber Dad hätte uns nie so sehr verletzt, außer …“ Sie brach ab.
„Außer was?“, fragte Cade nach.
„Er versuchte Olivia zu bestechen, damit sie Matt nicht heiratet“, fuhr sie leise fort. Allmählich regte sich in ihr der Verdacht, Cade könnte doch die Wahrheit sagen.
„Falls er es leugnet, ist da noch die halbe Million Dollar, die er in Kalifornien auf mein Konto einzahlte. Woher hätte ich damals so viel Geld haben sollen?“
Katherine überlegte. „Ja, du hast wahrscheinlich recht. Für meinen Vater musste stets alles nach seinem Willen gehen. Aber dass er zu so etwas fähig gewesen sein soll …“
„Er war doch überzeugt, dass es zu deinem Besten war, Katherine.“
„Aber es war meine eigene Entscheidung. Ich wollte dich heiraten.“
„Das erklärt nicht, weshalb du meine Anrufe nicht angenommen hast.“
„Ich war so wütend auf dich, ich wollte dich nie wieder sehen.“
„Du hättest dir denken können, dass ich dir eine Erklärung liefern wollte.“
„In dem Moment war mir alles egal. Ich hätte keine Erklärung akzeptiert. Manche Wunden gehen zu tief, Cade.“
Sie verließen das Haus. Katherine sah einen Muskel an Cades Wange zucken.
Sie strich sich über die Stirn. „Wie sollen wir nach alldem zusammenarbeiten?“
Er legte ihr leicht eine Hand auf die Schulter. „Das schaffen wir schon. Immerhin reden wir ja noch miteinander. Vielleicht fliege ich für eine Weile nach Kalifornien, dann hast du das Haus für dich allein.“
Als sie ins Auto stiegen, donnerte es laut, und Cade holte sein Handy heraus. „Ich frage meinen Piloten, was der Wetterbericht sagt. Er sprach von einem drohenden Unwetter.“
Er unterhielt sich kurz mit dem Mann, dann sagte er: „Wir sollten jetzt nicht starten. Wollen wir essen gehen und warten, bis das Gewitter vorbei ist?“
„Gut“, stimmte sie zögernd zu, obwohl sie überhaupt keinen Hunger hatte. Cades Enthüllungen und sein Kuss hatten sie zu sehr durcheinandergebracht.
Sie fuhren zu einem kleinen italienischen Restaurant, und noch bevor sie dort ankamen, war aus dem Regen ein Hagelschauer geworden. Cade hielt auf dem Parkplatz vor dem Gebäude.
„Sobald der Hagel nachlässt“, sagte er und stellte den Motor ab, „bringe ich dich zur Tür.“
Katherine löste ihren Sitzgurt und wandte sich Cade zu. Er umfasste ihren Nacken und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. Der Hagel trommelte auf das Autodach, und Katherine fühlte sich plötzlich bei Cade geborgen.
„Ich mag es, wenn du dein Haar offen trägst.“
„Ich möchte lieber nicht wissen, wie ich aussehe“, sagte sie trocken.
„Was wünschst du dir am meisten im Leben?“, fragte er.
„Erfolg“, erwiderte sie ohne Zögern.
„Den hast du doch schon.“
„Nicht genug. Mein Vater hat immer unseren Wetteifer herausgefordert, und ich war die kleine Schwester, die mithalten wollte. Ich glaube, wir versuchen alle, mit meinem Vater zu konkurrieren.“
„Und wie sieht Erfolg für dich aus?“
„Ich möchte Filialen in anderen Städten eröffnen, mehr Kundschaft anziehen. Um ehrlich zu sein, ich möchte mehr Geld verdienen als Matt und Nick. Oder wenigstens genauso viel.“
„Weißt du überhaupt, wie hoch ihr Einkommen ist?“, fragte Cade amüsiert.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Nein, aber ich werde es schon merken, wenn sie anfangen, mich ernst zu nehmen.“
„Mit diesen zehn Millionen werden sie das bestimmt tun. Und dein Vater auch.“
„Ja. Meine Brüder schienen jedenfalls beeindruckt.“
„Geld allein macht nicht glücklich, Katherine.“
„Das musst ausgerechnet du sagen! Du weißt doch am ehesten, wie es ohne Geld ist.“
„Geld und Erfolg sind etwas Schönes, sie sind aber nicht so viel wert wie eine Familie.“
„Komisch, und ich dachte, dein Einkommen wäre das Wichtigste für dich.“ Sie musterte ihn eingehend.
„Merkwürdig, dass dir deine Familie nicht das Wichtigste ist. Ihr steht euch doch so nah.“
„Ich liebe meine Familie“, entgegnete sie, „aber Erfolg ist mir noch wichtiger.“
„Und wovor hast du am meisten Angst, Katherine?“
Sie überlegte kurz. „Versagen, Misserfolg. Nicht so sehr vor Armut, damit habe ich keine Erfahrung, vermutlich hast du davor mehr Angst.“
„Nein, denn ich habe die Armut besiegt. Natürlich liebe ich deshalb große Häuser, schnelle Autos, Luxus.“
„Und was fürchtest du am meisten?“
„Mein Leben allein zu verbringen“, sagte er ernst. „Das wäre für mich das Schlimmste.“
Überrascht sah sie ihn an. „Warum bist du dann nicht verheiratet und hast eine Menge Kinder? Das wäre doch die beste Versicherung gegen Einsamkeit.“
„Ich habe die Richtige noch nicht gefunden, und ich möchte nicht einfach irgendeine, die einen leeren Platz ausfüllt. Ich will eine Frau, die ich liebe. Und warum hast du noch nicht geheiratet?“ Er beobachtete sie intensiv.
„Dass du mich verlassen hast, tat wahnsinnig weh“, gestand sie. „Das will ich nie wieder erleben. Ich traue keinem Mann mehr. Ich liebe meinen Beruf, ich sehne mich nach Erfolg.“
Er beugte sich hinüber, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es leicht an. Der Hagel, der immer noch aufs Dach trommelte, schuf Intimität.
„Schade“, sagte er leise. „Du bist schön, liebesfähig, leidenschaftlich. Du bist für ein Leben voller Glück geschaffen, für eine Familie und Kinder, nicht für Konferenzräume, Überstunden und Bilanzen. Es ist so schade, Katherine.“
„Ich möchte es aber so.“ Sie zog ihren Kopf zurück. „Was wünschst du dir denn, Cade?“
„Eine Familie.“
„Und trotzdem hast du mich kurz vor der Hochzeit sitzen gelassen.“
„Ich habe nicht damit gerechnet, so wohlhabend zu werden. Jetzt könnte ich auf der Stelle aufhören zu arbeiten und bliebe trotzdem ein reicher Mann.“
„Ich glaube, so könnte ich nie denken. Ich möchte die Anerkennung, die der Erfolg mit sich bringt. Den Respekt meines Vaters, meiner Brüder.“
„Den hast du doch, und ihre Liebe dazu.“
Sie schaute weg. „Ich glaube, dich und mich trennen Welten. Aber das ist ja jetzt unwichtig. Es dürfte dir ein Leichtes sein, die passende Frau zu finden. Du siehst gut aus, bist reich, sexy und charmant.“
„Danke. Trotzdem – höre ich da nicht ein Aber mitschwingen?“
Sie ignorierte die Frage. „Es gibt bestimmt ungezählte Frauen, die gern Mrs Logan und die Mutter deiner Kinder werden würden.“
„Ich war die ganze Zeit so beschäftigt, dass ich gar nicht ans Heiraten denken konnte. Außerdem habe ich bisher nur dich geliebt.“
„Das ist lange her“, erklärte sie kühl, obwohl sie ein Flattern im Bauch spürte. „Zu viele Kränkungen stehen zwischen uns. Jetzt ist nur noch Begehren übrig, und das interessiert mich nicht.“
„Hast du nicht das Bedürfnis, dich einfach mal zu amüsieren?“
„Doch, aber wenn das eine Einladung in dein Bett sein soll, nein, danke.“
„Hör mal, so plump bin ich nun doch nicht.“
Sie wischte das Fenster frei und schaute hinaus. „Der Hagel hat nachgelassen.“
„Dann gehen wir hinein.“ Er lehnte sich über Katherine und öffnete die Beifahrertür für sie. Sein Arm streifte sie, sein Gesicht war dicht vor ihrem. Er sah ihr in die Augen.
Ihr Herz schlug schneller, und sie konnte den Blick nicht abwenden. Sein Mund war ihrem so nah. „Cade, lass mich bitte“, flüsterte sie.
Sein Blick verdüsterte sich nun. „Ich habe dich nicht angerührt.“
„Das ist auch gar nicht nötig, und das weißt du. Bedräng mich bitte nicht.“
„Katherine, ich bedränge dich in keiner Weise. Und du erklärst mir ständig, dass du vor Wut auf mich schäumst.“
„Lass mich raus.“ Ihr Puls raste. Hastig stieg sie aus und lief in das Lokal, ohne sich noch einmal umzusehen.
Cade holte rasch ein.
Sie nahmen einen Tisch in einer Ecke und bestellten beide Penne.
„Wie wäre es mit einem Waffenstillstand?“, schlug er vor, als das Essen vor ihnen stand.
„In Ordnung, Cade.“
„Dann lass uns über dein Büro sprechen. Fehlt noch etwas darin?“
„Ich glaube, du hast schon an alles gedacht. Ich bringe meinen Laptop und meine eigene Software mit.“
Er nickte, und sie aßen schweigend. Die Spannung zwischen ihnen bestand nach wie vor, und Katherine hatte kaum Appetit.
Nach einer Weile schaute sie zum Fenster und sagte: „Es hat aufgeklart. Frag doch mal, ob wir fliegen können.“
„Ich brauche gar nicht erst zu fragen, das sehe ich auch so. Ich sage meinem Piloten, dass wir kommen.“
Eine knappe Stunde später waren sie in der Luft. Katherine telefonierte mit ihrem Vater und kündigte ihren Besuch an. Er wirkte ganz aufgeräumt, und sie sagte ihm, dass sie mit Cade käme.
Als sie ihr Handy wegsteckte, merkte sie, dass Cade sie musterte. „Ich habe mitgehört“, sagte er. „Er will mich nicht sehen, oder?“
„Stimmt, aber er wird es müssen. Oder willst du nicht mitkommen?“
„Doch, ich will ihm ja sein Geld zurückgeben. Ich habe es hier bei mir.“
„Was, in bar?“
„Als Scheck. Ich hatte ohnehin geplant, ihn am Wochenende zu besuchen. Ich möchte meine Schuld persönlich begleichen.“
Katherine wünschte, die Begegnung der beiden wäre vermeidbar, doch sie musste der Sache auf den Grund gehen.
„Erzähl mir von eurer Familie, Katherine. Ich sehe Nick hin und wieder.“
„Er ist inzwischen verheiratet und beruflich sehr erfolgreich. Matt hat die Ranch übernommen, er hat ein eigenes Haus, ist verheiratet und im Januar Vater eines Jungen namens Jeff geworden.“
„Dann bist du also jetzt Tante.“
„Richtig. Ich springe manchmal als Babysitter bei dem Kleinen ein. Er ist einfach süß. Hier ist ein Foto von ihm.“ Sie holte es aus ihrer Handtasche und reichte es Cade, der vielsagend grinste. „Was ist?“
„Du behauptest, dir sei nichts wichtiger als Erfolg, und trägst ein Babyfoto mit dir herum.“
„Ich liebe meine Familie sehr, das habe ich nie bestritten. Ich rechne nur nicht damit, selbst eine zu gründen.“
„So, so.“ Er betrachtete das Foto des kleinen Jeff. „Wirklich süß.“ Er gab ihr das Bild zurück.
„Und wie geht es deiner Familie?“, erkundigte sie sich.
„Wir leben alle in der Nähe von Los Angeles und sehen uns oft. Ich habe dort für meine Mutter ein Haus gebaut.“
Katherine hatte Cades Mutter als unscheinbare Frau in Erinnerung, die älter wirkte, als sie war.
„Meine Mutter ist glücklich, sie hat sich mehrere Hobbys zugelegt und joggt jeden Morgen am Strand.“ Er holte seine Brieftasche heraus und beugte sich zu Katherine vor. Seine Knie berührten ihre, und sie atmete scharf ein.
Er reichte ihr ein Foto. „Hier siehst du uns alle. Das ist Luke, der Älteste, dann kommen Micah und Quinn, der Jüngste.“
Die Männer hatten hübsche Frauen neben sich – alle außer Cade. Er zeigte Katherine ein anderes Foto. „Das ist meine Muter“
„Nicht zu fassen!“, sagte Katherine überrascht. Sie erkannte die Frau kaum wieder. „Sie hat sich total verändert. Sie wirkt viel jünger, und sie ist sehr attraktiv.“
„Danke“, sagte Cade und steckte die Fotos wieder ein. „Sie hat einen neuen Haarschnitt, ließ sich Kontaktlinsen anpassen und die Zähne richten. Solche Äußerlichkeiten machen eine Menge aus. Sie treibt jetzt jeden Tag Sport. Für uns hat sie sich aufgeopfert.“
Katherine staunte über die Veränderungen, die sowohl bei Cade als auch bei seiner Familie zu verzeichnen waren. „Was machen deine Brüder beruflich?“
„Sie arbeiten bei mir. Ich habe sie aufs College geschickt, zwei haben Betriebswissenschaft studiert. Micah ist Marketing-Fachmann. Er hat inzwischen einen zweijährigen Sohn.“
„Dann bist du also Onkel.“
„Genau. Wir verbringen die Feiertage oft zusammen und treffen uns auch sonst so oft wie möglich.“
„Das freut mich sehr, Cade. Wie schön, dass es euch allen so gut geht“, sagte Katherine. „Meine Familie trifft sich ungefähr zweimal im Monat, wenn es irgend möglich ist.“ Sie schwieg eine Weile und merkte dann, dass er sie beobachtete.
„Du bist besorgt, stimmt’s?“, fragte Cade.
„Ja. Mein Vater ist gesundheitlich angeschlagen, und ich hoffe, es ist nicht zu anstrengend für ihn.“
„Dann lassen wir es einfach sein.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muss wissen, ob er das getan hat, was du behauptest.“
„Das hat er, Katherine, und alles Leugnen der Welt kann die Wahrheit nicht ändern.“
Sie kniff die Lippen zusammen und wandte sich ab, um aus dem Fenster zu schauen. Ihre düsteren Vorahnungen nahmen mit jeder weiteren Stunde zu, und als sie schließlich beim Haus ihres Vaters ankamen, war sie völlig angespannt und fürchtete sich regelrecht vor der Begegnung. Mit Cade an der Seite, der den Scheck in der Tasche hatte, durchquerte sie die große Halle. Die Tür zum Wohnzimmer, wo ihr Vater sie erwartete, stand offen.
„Die letzte Chance zur Flucht“, sagte sie zu Cade, doch der schüttelte den Kopf.
„Ich wünsche mir dieses Treffen“, erwiderte er ruhig. „Ich habe neun Jahre darauf gewartet, Katherine.“