Man kann die Vermutung haben, dass die zunehmende Beschäftigung mit sich selbst, wie sie sich etwa an den Macho-Scharmützeln aus dem Soziotop des Hauses Springer zeigt, ein letztes Zeichen für den Verfall des Medienbetriebssystems ist. Neben den Umfragewerten zum sinkenden Medienvertrauen sind es ja auch die aufwendigen Kaspereien der Herren aus den Chefetagen der Medienhäuser mit ihren früheren Buddies und heutigen Feinden, die das Antiquierte des Betriebs beispielhaft verkörpern. Auch da muss mal modernisiert werden.
Zahlreiche Formate, die in den letzten Jahren entstanden sind, wie etwa die Flut der Podcasts, zeigen das offenbar unerwartete Phänomen an, dass Menschen erstens zuhören können und zweitens an Inhalten interessiert sind. Der Erfolg von Jung & Naiv , aber auch von Rezo zeigt, dass es auch unter jüngeren Menschen manifestes Interesse an politischer Aufklärung im besten Sinn gibt; es muss nur vielleicht nicht in den notorischen Rechthaber-Formaten angeboten werden, um angenommen zu werden.
Daneben haben sich unter extrem schwierigen Bedingungen auf dem Markt der Printerzeugnisse auch neue Zeitschriften wie Katapult etablieren können, die mit frischen Ideen auch jüngere Leserinnenkreise erschließen. Und: Vieles, was Menschen an Informationen haben möchten, wird auch über online abrufbare Diskussionen, Debatten, Vorträge und Tutorials im Netz rezipiert. Auch das generiert differenziertes Wissen, das zum Beispiel über Kampagnenjournalismus gegen Verteidigungsministerin X oder Staatssekretär Y eben überhaupt nicht erzeugt wird.
Schließlich gibt es eine zarte Bewegung hin zum konstruktiven Journalismus, der sich dafür interessiert, welche Lösungen es für die Probleme gibt, an denen der konventionelle Journalismus sich festbeißt. Contructive Institute , Perspective Daily , Futurzwei , [127] correctiv , oya und eine ganze Reihe anderer Medien versuchen sich an der Entwicklung eines lösungsorientierten Journalismus, der erstens an der Idee der Öffentlichkeit festhält, zweitens informiert und drittens sein Geschäftsmodell nicht darin sieht, die Leute wuschig zu machen. Die Schöpflin-Stiftung eröffnet 2024 in Berlin ein Medienhaus, das mehrere Redaktionen aus dem Bereich des konstruktiven Journalismus beheimaten wird. Eine weitere Verbreitung von Beiträgen des konstruktiven Journalismus wird auch dem für die demokratische Kultur unguten Eindruck gegensteuern, dass alles immer schlechter wird und die Gegenwart eine einzige Ansammlung von Krisen und Katastrophen, von Pleiten, Pech und Pannen ist. Er macht dagegen darauf aufmerksam, wo die Handlungsspielräume für proaktive und konstruktive Veränderungen sind und wie man sie nutzen kann. Genau dies sollte generell zum Leitbild des Journalismus in der Demokratie zählen.