Ich glaube, es geht heute in einer Welt der zerfallenden Gewissheiten mehr denn je zuvor in der Moderne darum, den Menschen eine Heimat zu bieten. Die fünf Orte sind ein Anfang, viele andere müssen dazukommen. Heimat ist, wenn man Ernst Bloch folgt, »das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war« – also die paradoxe Erfahrung, dass es ein gutes Leben gibt, auch wenn es noch nicht realisiert ist. Aber genau diese imaginative Erfahrung, dass es gut sein könnte , das Leben, ist ja die Antriebskraft dafür, sich selbst dafür einzusetzen, dass es gut wird . Ist, mit anderen Worten, die moralische Substanz, von der die freiheitliche Gesellschaft lebt. Heimat ist dort, wo es nicht egal ist, ob es mich gibt. Sie ist keine räumliche, sondern eine soziale Kategorie. Und eine zeitliche: Sie kann erreicht werden. Sie braucht Zukunft.
Unsere sich nur im Reparaturbetrieb aufhaltende, mit falschem Pathos und geschauspielerten Werten ornamentierte und am längst nicht mehr einlösbaren Versprechen der Steigerung von allem zerbrechende Gesellschaft könnte leicht zurückjustiert werden. Die Welt ist nicht unmöglichkeitslos, das wissen die Menschen. Dass ein gutes Leben herstellbar ist, wissen sie auch. Aber seine Herstellung bedarf einer Kultur der lebendigen Sozialität, der anlasslosen Vergemeinschaftung. Man muss Teil von dem sein wollen, von dem die anderen auch ein Teil sind. Das gilt auch für die Politik, die Medien, die Wirtschaft.
Wenn man sich bewusst macht, dass die Formulierung des Grundgesetzes vor dem Hintergrund der größten, brutalsten und gegenmenschlichsten Zerstörung der Menschheitsgeschichte stattfand, in einer Zeit tiefer Hoffnungslosigkeit, größter Beschämung und negativster Zukunftsaussichten, lohnt es sich auch in Zeiten, in denen ökologisch und klimatologisch und geopolitisch erst mal alles schlecht aussieht, am zivilisatorischen Projekt weiterzubauen. Die Zukunft ist nämlich immer noch offen. Nur dass ihre Gestaltung im 21. Jahrhundert anderen Vorgaben folgen muss als im 19. und 20. Jahrhundert. Weshalb die Politik ein Leitbild braucht, das von der Aufgabe bestimmt ist, ein zivilisiertes Überleben in Freiheit zu ermöglichen.