Die ganze Zeit, während ich dieses Buch geschrieben habe, hat es keine guten Nachrichten gegeben. Stattdessen mehren sich die katastrophalen Entwicklungen in Sachen Klima und Biosphäre, der Ukrainekrieg bleibt im Eskalationsmodus, die Leitmedien verharren im Modus des Selbstgesprächs, der Westen im Modus der Selbsttäuschung über seine Weltbedeutsamkeit. Und die Bevölkerungsmehrheit wendet sich mehr und mehr ab von den politischen, wirtschaftlichen und medialen Eliten.
Und was skurril ist: Es ist fast unmöglich, heute noch ein zeitdiagnostisches Buch abzuschließen. Zwischen Fertigstellung des Manuskripts und Korrektur der ersten Druckfahne sind schon wieder so viele Dinge geschehen, dass man ergänzen und revidieren muss. Anekdotisch dazu: Die Kommunikationschefin eines gerade vielbeschäftigten Ministers legt Wert darauf, dass zwischen einem Interview mit ihm und dem Erscheinen nur wenige Tage liegen, für haltbarere Aussagen sind die Zeiten zu volatil …
Die AfD genießt permanent wachsende Zustimmungswerte und zwar ohne jegliche eigene Leistung, nur weil es sie gibt. Das heißt: Die wahrgenommene Distanz von CDU , FDP , SPD und Grünen zu den Bürgerinnen und Bürgern reicht allein schon aus, damit Leute, die nicht einmal den Hauch von Lösungskompetenz haben und dazu noch menschenfeindlich sind, auf stetig steigende Zustimmungswerte kommen.
Die Ursache: Die Leute sehen den Unernst der politischen Klasse in Bezug auf die realen, sich täglich aufdrängenden Probleme, ihre obsessive Beschäftigung mit sich selbst und die zu große Entfernung der Eliten von der Mehrheitsbevölkerung. Dass diese Entfernung besteht, ist keine teuflische Erfindung des Rechtspopulismus , der mit dem Kampfbegriff der »Normalität« und der »normalen Leute« operiert. Sondern eine soziale Tatsache.
Es ist politisch fahrlässig, diese Tatsache nicht zur Kenntnis zu nehmen, sondern ihre Bewirtschaftung den Rechten zu überlassen – vor allem dann, wenn Länder wie die USA , England, Italien, Brasilien und andere längst live und in Farbe vorführen, zu welchem Verfall der Demokratie und der politischen Kultur es führt, wenn die politische Klasse ihre moralische Substanz aufgibt. Politik ist vorausschauende Gestaltung, sie darf die Dinge nicht permanent so lange schleifen lassen, bis absehbare Desaster nicht mehr zu verhindern sind. Natürlich genügt es nicht, sich über die AfD zu empören, so , als habe man selbst gar nichts mit ihrem Erfolg zu tun. Der geht nämlich auch darauf zurück, dass man sich innerhalb des etablierten Parteienspektrums mangels eigener Substanz angewöhnt hat, Punktgewinne auf Kosten der anderen zu machen. Das ist toxische Politik, und die erzeugt genau jene Kultur der Destruktivität, die für Demokratiefeinde die perfekte Entwicklungsumgebung ist. Demokratische Politik ist nicht, Dreck auf die anderen zu werfen, das bildet nur die tragische Chance der Höckes und der Aiwangers 1. Demokratische Politik ist, persönliche Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen.