Heute regnet es nicht, aber die Luft klirrt vor Kälte. Kaffeebecherbewehrte Passanten auf der Spring Street verlangsamen ihren Schritt, um sich anzusehen, wie Fleet und ich mit Cartwright reden. Vermutlich spüren sie, dass wir mit der Tragödie zu tun haben, die sich hier erst vor wenigen Tagen abspielte. Vielleicht erkennen ein paar von ihnen Riley.
Er sieht dünner aus als vor ein paar Tagen im Krankenhaus. Aufgeregt, mit hektischen Flecken im Gesicht, geht er in kleinen Kreisen auf und ab und streicht sich immer wieder die strähnigen Haare aus der Stirn. Seine Augen sind weit aufgerissen und treten leicht hervor. Da wir sein übliches Verhalten nicht kennen, wissen wir nicht, ob Avas Vorwürfe und Sterlings Tod an seiner Unruhe schuld sind oder ob er immer so herumrennt. Und nach Wendys Worten und Lizzies Hinweisen muss Riley einen stürmischen Charakter haben. Die beiden Kollegen, die der Anzeige gegen ihn wegen sexueller Nötigung nachgehen, haben uns gesagt, dass er Avas Anschuldigungen strikt geleugnet hat, als sie die Ermittlungen eröffneten. In gerade mal drei Wochen ist er zur ersten Anhörung vor Gericht geladen, und Ava hat gesagt, sie wolle in Australien bleiben, um die Sache durchzustehen.
Alle Sicherheitsabsperrungen des Filmteams wurden entfernt, die Haufen der vor wenigen Tagen abgelegten Blumen auf eine Rasenfläche in den Treasury Gardens gebracht. Dank des Wetters sind sie noch frisch und üppig. Autos rollen vorbei, von gelegentlichem Hupen angetrieben. Dies ist kein Ort, an dem sich die Trauer lange halten kann, so eingebettet in den alltäglichen Großstadttrubel.
»Wir haben also kurz vor fünfzehn Uhr angefangen, den Dreh vorzubereiten«, murmelt Cartwright und bleibt mitten auf dem Weg stehen, in etwa da, wo die Hauptkamera aufgebaut war. »Am Morgen hatten wir ein bisschen was anderes erledigt, ein paar Szenen mit Sterling an seinem Schreibtisch. Und wir haben die ersten paar Szenen im Café mit ihm und Lizzie aufgenommen.«
»Wo war das?«, frage ich.
»In einem Studio in den Docklands«, sagt Cartwright. »Dort haben wir eine Menge Szenen gedreht. Da waren alle Innenlocations aufgebaut: Schlafzimmer, Küche, Café und Büro.«
»Wo haben Sie sonst noch gedreht?«, frage ich.
»Überall in Melbourne«, antwortet er. »In den Straßen, Parks und auch ein bisschen auf dem Land in Victoria. Am Ende, als Ollie und seine Freundin sich vor den Zombies verstecken, gibt es auch ein paar Farmszenen.«
»Das waren die Rollen von Sterling und Ava James, richtig?«, frage ich nach und sehe Cartwright demonstrativ an, als ich Avas Namen ausspreche.
Er holt Luft und presst die Lippen aufeinander. »Richtig, genau. Wir haben auch an ein paar Sehenswürdigkeiten gedreht. In dem alten Ballsaal über der Flinders Street Station und im Botanischen Garten. Dort sind die Zombie-Verstecke.«
Fleet sieht ganz so aus, als wollte er einen Kommentar zum Konzept von Zombie-Verstecken abgeben, scheint sich aber in einem seltenen Moment sittlicher Reife dagegen zu entscheiden. »Das ist ein richtig großer Film, was?«, sagt er stattdessen.
Cartwright nickt. »Mega. Das reinste Monster. Die Planungsphase war sehr intensiv. Die ganzen Genehmigungen, die Versicherung. So viel hatte ich noch nie um die Ohren. Der Druck war enorm. Und jetzt das, tja.« Er steckt die Hände in die Taschen und holt sie wieder raus. Beißt sich auf die Lippen.
»War irgendwas an Sterlings Verhalten ungewöhnlich?«, frage ich.
»Nö. Er war toll.«
»Also ganz normal? Keine Ausraster?«
»Nicht dass ich wüsste.« Cartwright kneift die Augen zusammen, als versuchte er sich zu erinnern. »Er war ein ziemlich entspannter Typ. Die Crew hat ihn geliebt. Er hat sich ihre Namen gemerkt, hat sich Mühe gegeben. Einfach ein netter, anständiger Mensch.«
»Arbeiten Sie immer mit derselben Crew?«, fragt Fleet, der sich eine Zigarette anzündet.
Cartwrights Miene hellt sich etwas auf. »Krieg ich eine ab?«
»Sicher«, sagt Fleet und lässt eine aus seiner Schachtel gleiten.
»Danke.« Cartwright zündet sie sich an und nimmt mit geschlossenen Augen einen tiefen Zug. »Gott, was für ein Albtraum«, murmelt er.
»Sie wollten uns gerade von der Crew berichten«, erinnert ihn Fleet.
»Klar, klar. Ich hab mit vielen von den Jungs schon zusammengearbeitet. Australien ist kein sooo großes Land. Trotzdem sind immer bei jedem neuen Dreh ein paar neue Gesichter dabei, besonders bei Szenen wie der, die wir am Mittwoch gedreht haben. Man braucht Leute mit bestimmten Fähigkeiten.« Er unterbricht sich und schaut verdutzt drein. »Keiner von denen hatte irgendwas damit zu tun. Sie waren überhaupt nicht in seiner Nähe.«
»Wir versuchen nur herauszufinden, ob irgendwer dem Täter Insiderwissen über die Dreharbeiten gesteckt haben könnte«, sage ich.
Cartwright lacht bitter auf. »Jeder hat alles über diesen Film gewusst. Es war unmöglich, Sachen unter Verschluss zu halten. Selbst wenn einer der Scheißmaskenbildner was gesagt hätte, hätte es keinen Unterschied gemacht. Unser Drehplan war so ziemlich täglich in den Nachrichten.«
»Und wie war es mit der Security?«, frage ich. »Wie leicht wäre es gewesen, sich unauffällig unter die Zombie-Darsteller zu mischen?«
»Ich weiß es nicht. Ein mehrköpfiges Team hat das alles geregelt. Das war nicht mein Bereich.« Er pustet warme Luft in die gewölbten Hände. »Ich weiß nur, dass wir durch alle die üblichen Reifen springen mussten. Polizeiliche Untersuchungen und der ganze Mist.«
»Wie gut haben Sie die Statisten gekannt, die in den Zombie-Szenen auftraten?«, fragt Fleet.
Cartwright zuckt mit den Schultern. »Nicht gut. An manche Gesichter erinnert man sich von anderen Drehs, aber da waren so viele Leute. Und wenn sie aus der Maske kamen, war es eigentlich unmöglich.« Er blinzelt zum Himmel hoch, wo die Sonne hart daran arbeitet, die dicke Wolkenschicht zu durchdringen. »Ich glaub wirklich nicht, dass es für irgendwen besonders leicht gewesen wäre, zum Set durchzudringen. Überall waren Absperrungen, und wir hatten Wachleute.«
»Aber möglich wär’s«, sage ich.
»Natürlich«, räumt er nervös herumhampelnd ein. »Ich fände es furchtbar, wenn es jemand aus dem engsten Kreis gewesen wäre.« Er kratzt sich an der Wange. »War das Filmmaterial hilfreich, das wir Ihnen gegeben haben? Konnten Sie den Täter erkennen?«
»Wir arbeiten die Besetzungsliste ab«, sagt Fleet, der Frage geschickt ausweichend.
»Aus Ihrer Sicht lief also alles glatt beim Dreh?«, frage ich.
»Ja. Es sah gut aus. Die Kostüme waren super, und mein Kameramann war ganz begeistert vom Licht. Es war genau nach Wunsch.« Es gestikuliert gen Himmel. »Gutes altes düsteres Melbourne.«
»Als hätten sie ein ganzes Heer für diesen einen Film gehabt«, sage ich.
»Von nichts kommt nichts«, erwidert er. »Es ist gigantisch. Verschlingt Unsummen. So viel Arbeit steckt in jeder Filmsekunde. Die Leute kapieren das nicht.«
»Wie viel länger hätte der Dreh am Mittwoch dauern sollen?«, frage ich.
»Etwas über eine Stunde«, antwortet er. »In der Szene waren ein paar Kinder dabei, und da ist alles genauestens reguliert, wie lange sie am Set sein dürfen. Wir hatten also nicht viel Zeit.«
»Wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht gestimmt hat?«, fragt Fleet.
Cartwright hält den Blick zu Boden geheftet. »Ich weiß es nicht. Kann sein, dass ich es vielleicht verdränge oder so. Ich kann mich nicht richtig erinnern. Jedenfalls hat es eine ganze Weile gedauert. Schließlich sollte es eine sehr dramatische Szene werden. Man sollte das Gefühl haben, mit ihm, Ollie, mittendrin zu sein und sich durch die ganzen Zombies durchzukämpfen. Völlig verzweifelt, wissen Sie? Ich hab nur gedacht, dass Sterling sich da supergut reinversetzt.« Cartwright schaut entgeistert. »Aber als er hinfiel, hab ich mich schon gefragt, was los war. Ich muss wohl angenommen haben, er wäre gestolpert oder ohnmächtig geworden. Ich weiß noch, dass ich gedacht habe, den knöpf ich mir nachher vor.« Er lacht stoßweise. »Ich wär halt nie auf die Idee gekommen, jemand könnte ihm was getan haben.«
»War genau festgelegt, wer von der Besetzung in seiner Nähe sein sollte?«, fragt Fleet. »Wie detailliert war die Szene geplant?«
»Es gab eigentlich nur eine Vorgabe: die A-Zombies durften in Wades Nähe sein – die waren alle, was wir Komparsen nennen. Alle anderen, B- oder C-Zombies, waren Statisten. Die As mussten Wade nahe der Kamera direkt begrapschen, aber wir hatten nicht vorher festgelegt, welche von ihnen ihm am nächsten kommen sollten. Wir wollten, dass sie ihn alle anfassten, miteinander wetteiferten, damit es authentisch wirkte.«
»Was einem die Ermittlungen nicht gerade erleichtert«, sagt Fleet sarkastisch.
Cartwright sieht ihn mit großen Augen an. »Es war das Richtige für diese Szene. Es musste echt wirken.«
Cartwright führt uns den Ablaufplan für die Dreharbeiten des Mittwochnachmittags vor, zeigt uns, wo sich jeder in den verschiedenen Stadien der Szene aufhalten sollte. Er erklärt uns, dass das Heer der Infizierten im Rest der Szene im Drehbuch, den sie nicht mehr aufnehmen konnten, Wades Figur Ollie hochhebt und in den Park trägt, ohne zu wissen, dass er eine seltene Immunität gegen ihren Virus hat. »Er sieht zwar angesteckt aus, bleibt aber geistig gesund«, erklärt Cartwright.
»Er wird also eine Art Zombie-Maulwurf?«, erkundigt sich Fleet.
»Genau«, sagt Cartwright. Wieder wirken seine Bewegungen abgehackt, als hinkte sein Hirn mit der Muskelkontrolle einen Takt hinterher. »Es ist eine tolle Idee. Seine Figur ist am Ende zerrissen, mit Sympathien für beide Seiten. Er sieht, dass Menschen die Erde zerstören, will aber seine Familie beschützen.«
Ich nicke, als würde ich über die tiefsinnige Botschaft nachdenken, finde dann aber, dass ich lange genug mit den unangenehmen Fragen gewartet habe.
»Was für eine Beziehung hatte Sterling zu Ava James?«, frage ich.
»Ava?« Cartwright sieht mich scharf an.
»Ja. Wir wissen durchaus Bescheid über ihre Anzeige gegen Sie, überlassen das aber den bewährten Händen unserer Kollegen. Im Moment interessiert mich nur Ihre Meinung über Avas Beziehung zu Sterling.«
Cartwright stiert mir in die Augen, mit einem Mal unverhohlen feindselig. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er Ava packt, sie ihn bittet aufzuhören, und er darüber hinweggeht.
»Die beiden waren von Anfang an ein gutes Team«, sagt er. »Einfach gute Kumpel. Mir sind die Gerüchte zu Ohren gekommen, dass sie was miteinander hatten, aber dazu hätten sie gar nicht die Zeit gehabt. Und selbst wenn, hätte Sterling Lizzie nicht betrogen. Ava fand ihn zwar fraglos attraktiv und nett, aber doch nicht ganz in einer Liga mit so manchen Hollywoodstars, neben denen sie schon Hauptrollen hatte. Er war eigentlich eher konventionell. Anfangs war er etwas geblendet von ihr.« Cartwright lacht schwach. »Waren wir das nicht alle?« Er verschränkt die Hände, zieht an jedem Finger einzeln und knackt mit den Knöcheln. »Und da hat sie was in den falschen Hals gekriegt. Sie ist sauer auf mich, weil es mit uns nichts geworden ist. Ich bin nicht so gut in zwischenmenschlichen Beziehungen und komme manchmal etwas heftig rüber, wissen Sie? Vielleicht war ich zu übereifrig. Aber ich hab sie wirklich bloß bewundert. Und anfangs stand sie auch auf mich, ich schwör’s. Na, jedenfalls waren sie und Sterling tolle Filmpartner. Der Traum jedes Regisseurs.«
»Wie Woodstock bereits gesagt hat, geht es uns jetzt nicht darum, wer wen angefasst hat«, sagt Fleet und fegt damit die Anzeige wegen sexueller Nötigung kurzerhand vom Tisch. »Reden wir lieber über Sie und Sterling.«
»Ich und Sterling?«
»Genau.«
»Mit uns war alles okay«, sagt Cartwright mit nervös flackerndem Blick. »Sie wissen schon, wir waren Kumpels.«
»Wir haben von gewissen Spannungen zwischen Ihnen gehört«, sage ich.
Cartwright zappelt im Stehen herum und schüttelt wie ein Kind den Kopf. »Nö, nicht wirklich. Nur der übliche Filmmist. Halt komisch, erst waren wir Kumpels, dann bin ich der Boss. Aber es war okay, wir haben einander respektiert.«
»Und was war mit dem Streit zwischen Ihnen am letzten Samstag?«, frage ich.
»Streit? Das war gar nichts. Bloß ein bisschen Lampenfieber vor dem Dreh auf beiden Seiten. Es ist stressig, einen Film zu drehen, besonders mit so einem Budget, wie wir es hatten.«
»Dabei soll es aber recht heftig zugegangen sein«, hake ich nach.
Cartwright ringt sich ein kurzes Lachen ab. »Nein, das stimmt nicht. Wir hatten nur ein kleines Missverständnis wegen Ava. Sterling hat sich offenbar für Harmonie am Set verantwortlich gefühlt. Ich hab die Sache geklärt, und wir haben uns verstanden. Ava scheint immer noch etwas verwirrt zu sein, kein Wunder nach allem, was war. Das wird sich bestimmt alles regeln lassen.«
»Mir gefällt Ihre Zuversicht«, sagt Fleet in einem Ton, der keinen Zweifel daran lässt, dass er sie für unangebracht hält. »Sie sagen, dass Sterling ein Friedensstifter war. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Gutmenschen einem ganz schön auf den Sack gehen können. Hat Sie seine rechtschaffene Tour genervt?«
Cartwright seufzt. »Ist ein komisches Gefühl, jetzt drüber zu reden.« Er fasst die langen Haare am Hinterkopf zusammen und dreht sie, die Augen kurz geschlossen, zu einem strähnigen Pferdeschwanz zusammen. »Also Sterling war ein guter Mensch. Ein sehr guter Mensch. Hatte er einen Zug ins übertrieben Ernsthafte? Klar. Aber das schreibe ich seiner Kindheit in der Provinz zu. Ich hab ihn wirklich gemocht und mir gedacht, dass ihm diese ganze Naivität in Hollywood schon noch früh genug ausgetrieben werden würde. Dort kommt man nicht weiter, wenn man sich nicht ein paar Arschlocheigenschaften zulegt.«
Ich sehe Cartwright an und erkenne in ihm auf einmal den klassischen Peter-Pan-Typ: ein alternder ewiger Kindskopf, der allmählich ins Stadium der Verbitterung übergeht.
»Interessante Analyse«, sage ich. »Was wussten Sie von seinen Hollywoodplänen?«
»Nicht viel. Wahrscheinlich etwa so viel wie Sie beide aus der Zeitung. Früher haben wir uns ein bisschen mehr über seine Karriere unterhalten, aber in letzter Zeit ging es nur noch um den Film.«
»Haben Sie je irgendwelche anderen Gerüchte über Sterling gehört?«, fragt Fleet und zündet sich eine neue Zigarette an.
Cartwright zuckt wieder mit den Schultern. »Na klar. Immer das Übliche – Drogen, Affären, nett, nicht nett. Das Nachrichtenmonster schreit nach Futter, und am Ende denkt sich das Journalistenpack einfach irgendeinen Mist aus. Das ist einfacher, als ordentlich zu recherchieren. Und es wird ja auch nie irgendwer zur Rechenschaft gezogen.«
»Aber Sie hatten immerhin eine Menge gute Presse zum Film«, sagt Fleet. »Ich hab einige Interviews mit Ihnen gesehen. Die Medien haben also nicht grundsätzlich was gegen Sie.«
»Nein«, sagt Cartwright seufzend. »Allerdings. Das ist es ja. Sie sind Schmarotzer, aber wir können nicht ohne sie leben. Sie sind die Türhüter zum Publikum. Zum Geld. Wahrscheinlich die treibende Kraft hinter allem.« Er klopft mit der Schuhspitze auf den Boden und reibt sich wieder die Hände. Ich bemerke, dass seine Lippen einen Stich ins Bläuliche haben. »Sterling muss sich gefragt haben, was, zum Teufel, da mit ihm passiert. Ich denke ständig daran, wie überrumpelt er gewesen sein muss, als er erstochen wurde. Uns allen anderen ist nichts passiert, aber keiner von uns wusste ihm zu helfen.«
»Wir befragen heute noch alle, die am Set waren«, sage ich. »Das wissen Sie ja sicher?«
»Ja«, sagt Cartwright. »Ein paar aus dem Team haben mich gestern Abend angerufen. Alle drehen am Rad, wissen Sie. Typen, die ich für robust gehalten habe, haben mir ins Handy geheult. So eine Kacke! Meine Produzentin Katya hat Angst, wegen Fahrlässigkeit oder Traumatisierung verklagt zu werden. Unseren Juristen rauchen die Köpfe.«
»Es kann durchaus sein, dass Sie in den nächsten Monaten noch viel mehr Zeit mit Anwälten verbringen werden«, sagt Fleet.
Cartwright macht ein finsteres Gesicht. »Diese ganze Situation ist ein einziger Albtraum. Und was soll aus dem Film werden?«
Wir drei gehen zur Wellington Parade zurück, wo unser Auto unter einem riesigen kahlen Baum steht.
»Wie geht es Lizzie?«, fragt Cartwright.
»Sie ist sichtlich am Boden zerstört«, sage ich, »aber sie kommt zurecht.«
»Sie ist ein reizendes Mädchen. Für diese Branche vielleicht nicht hart genug, aber eine tüchtige kleine Schauspielerin. Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll, aber ich sollte sie anrufen, oder?«
»Das würde ihr bestimmt guttun«, sage ich. »Sie wurde von den Medien bombardiert.«
»Tja, na ja, daran wird sie sich gewöhnen müssen«, sagt er bitter. »Die stehen total auf solchen Mist. Herzlose Arschlöcher.«
»Können wir Sie irgendwohin mitnehmen?«, fragt Fleet.
Cartwright hat beide Hände in seinen engen Jeanstaschen. Sonnenbrille auf. Er schaut die Straße hoch. »Nö. Ich nehm die Straßenbahn.«
Meine Neugier treibt mich zu einer letzten Frage. »Und Sie haben wirklich keine Ahnung, was jetzt aus dem Film wird?«
»Ob Sie’s glauben oder nicht, Katya hat gesagt, dass wir gegen so was ausreichend versichert sind. Aber ich weiß nicht – ich will den Film zu Ende bringen, aber ich kann mir keinen außer Sterling in der Hauptrolle vorstellen.«
»Vielleicht brauchen Sie nur etwas Zeit«, schlage ich vor.
Er wirkt nicht überzeugt. »Alle aus dem Team haben noch andere Verpflichtungen beim Film. Also nein, es ist nicht so, dass wir massenhaft Zeit zur Verfügung hätten.«
»Haben Sie danach ein anderes Projekt?«
»Nicht wirklich«, sagt er steif. »Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Ärger mit Ms. James meine Chancen verbessert.«
Fleet und ich sehen ihn nur an.
»Scheiße«, sagt er abrupt, »wenn sie doch nur mit mir drüber reden würde! Es wäre weiß Gott nicht nötig gewesen, zur Polizei zu rennen. Wir hätten die Sache in null Komma nichts klären können.«
»Vielleicht hatte sie kein gutes Gefühl dabei, mit Ihnen drüber zu reden«, kontere ich, während meine Wut auf seine Sturheit wächst.
»Tja, na ja, dafür ist es jetzt zu spät«, sagt er zynisch. »Ich freue mich schon dermaßen auf das Mediendonnerwetter, das auf mich einprasseln wird. Vielleicht ziehe ich mich erst mal ein Weilchen aus dem Verkehr.«
»Fahren Sie nirgends hin, ohne uns Bescheid zu geben«, sage ich. »Wahrscheinlich müssen wir Ihnen noch mehr Fragen stellen.«
Er nickt und spielt mit hageren, zitternden Händen am Reißverschluss seiner Jacke, öffnet und schließt ihn geräuschvoll. Wir lassen ihn stehen und machen uns auf zum Auto.
»Hey!«, ruft er uns hinterher, »krieg ich noch ’ne Zigarette?«