Mittwoch, 15. August

17.21 Uhr

Ich scrolle mich durch einen endlosen Datenstrom von Google-Bildern und Zeitungsartikeln über Sterling Wade, während Fleet uns zum Krankenhaus fährt, dem Royal Melbourne Hospital. Er schlängelt sich durch den Verkehr wie ein Rennfahrer. Das Wetter hat gerade einen launischen Koller. Stellenweise sind zartblaue Tupfer am überwiegend grauen Himmel zu entdecken. Fleet scheint auch zu grollen, gibt immer mal wieder undefinierbare kleine Laute von sich und fummelt an der Heizungseinstellung herum.

»Wade ist dreiundzwanzig«, berichte ich ihm. »Er hat vor ein paar Monaten einen Logie-Preis für herausragende schauspielerische Leistungen im Fernsehen bekommen. Und man munkelt, er wolle Ende des Jahres aus The Street aussteigen und nach L. A. ziehen.«

»Auf den kann Hollywood lange warten«, unkt Fleet.

»Na klar«, sage ich und verdrehe die Augen, »aber man kann nie wissen. Wenn er das hier überlebt, ist es eine tolle Story. Es könnte ihm in L. A. sämtliche Türen öffnen.«

Fleet schnaubt.

»Seine Freundin spielt auch in dem Film mit«, mache ich weiter. »Eine Menge Schauspieler von hier sind beteiligt. Selbst ich kenne einige Namen.«

»Vielleicht kriegst du ja ein paar Autogramme, Woodstock.«

»Gute Idee«, erwidere ich gelassen. »Übrigens kommt Wade ganz aus der Nähe meiner Heimatstadt. Seine Eltern wohnen auf einer Farm bei Karadine in New South Wales.«

Mit neuerlichem Schnauben bremst Fleet, um in die Krankenhauseinfahrt einzubiegen. »Wärt ihr euch doch nur vor Jahren begegnet, nicht auszudenken, welche Wendung dein Schicksal hätte nehmen können.«

»Red keinen Stuss. Er ist knapp zehn Jahre jünger als ich.«

Fleet will etwas sagen, als sein Privathandy aufleuchtet. Ich sehe gerade noch eine Reihe Emojis, bevor er es aus der Mittelkonsole grapscht. »Du übernimmst das Reden, ich behalte alles im Blick«, sagt er, biegt in eine Parkbucht für Einsatzfahrzeuge ein und stellt den Motor ab.

»Klar«, erwidere ich mit einem freundlichen Schulterzucken. »Das kriegen wir schon hin.«

Nachdem wir den Wachschutz hinter uns haben – der am Haupteingang mindestens fünfzig Teenies zurückzuhalten versucht –, zücken wir am Empfang unsere Dienstmarken und bitten um ein Gespräch mit der Krankenhausleitung. Ärzte und Krankenschwestern wimmeln wie in einem Ameisenhaufen umeinander. Ich höre, wie Sterlings Name geflüstert wird, sehe die Röte der Aufregung über solch einen prominenten Patienten in den Gesichtern. Eine gestresste Frau taucht auf und stellt sich uns als Lauren Klein vor, Leiterin der Krankenhausverwaltung. Sie führt uns zu einem kleinen Raum ganz am anderen Ende des Hauptgangs. Fleets Blicke schießen pfeilschnell umher, als würde er alles auskundschaften, was ich seltsam beruhigend finde: Ich weiß, diesen Blicken entgeht nichts.

Wir beeilen uns, mit Lauren Schritt zu halten, die einen überraschend flotten Gang hat. Ich fühle mich plötzlich unter Beobachtung, so neugierige Blicke werfen uns alle zu, an denen wir vorbeikommen. Lauren hält an, die Hand an einer hellbeigen Tür, und wirft uns einen vielsagenden Blick zu, den ich nicht recht deuten kann, ehe sie die Tür aufdrückt und hineingeht.

Zwei Streifenpolizisten flankieren eine junge Frau auf einem rosaroten Sofa. Über den ersten Schockzustand ist sie hinaus; von ihr geht eine Verzweiflung aus, wie sie den meisten Leuten unpassend erscheint, weil wir es überhaupt nicht gewöhnt sind, so etwas im wahren Leben vor uns zu haben. Der Raum ist schwach beleuchtet und hat etwas von einem altmodischen Wohnzimmer. Drei Schachteln mit Papiertaschentüchern stehen auf dem Couchtisch, und die Sofas und Sessel sind reichlich mit weichen Kissen bestückt. Ich spüre die Geister vergangener schlechter Nachrichten in der lavendelduftenden Luft über unseren Köpfen schweben.

Während sich meine Augen an das schummrige Licht gewöhnen, geht mir auf, dass auf der anderen Zimmerseite ein Mann in einem Sessel sitzt. Mit seinen langen Beinen sieht er zu groß für das Möbel aus, und seine Knie ragen spitz Richtung Decke. Ohne zu blinzeln starrt er die Wand an. Trotz seines modischen längeren Haarschnitts schätze ich ihn auf um die vierzig.

Ein Streifenpolizist steht auf, sichtlich erleichtert, dass wir da sind.

»Detective Sergeant Woodstock«, sage ich, »und das ist Detective Sergeant Fleet.« Im plüschigen Ambiente des Raums hört sich meine kräftige Stimme schroff an.

Tränenüberströmt blickt die junge Frau auf. Sie wimmert immer noch, eine Faust im offenen Mund, während sie von erneutem Schluchzen geschüttelt wird.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich den Polizisten an, bemerke das »Roper« auf seinem Namensschild. »Reden wir kurz draußen«, sage ich zu ihm.

Er wechselt einen Blick mit seinem Kollegen, der nickt. Dann sieht er den Mann in der Zimmerecke an, der immer noch wie weggetreten wirkt.

Als Constable Roper sich zu Fleet und mir gesellt, ziehe ich die Tür hinter ihm zu, und wir ducken uns in eine kleine Nische.

Lauren wirft einen Blick auf ihren piepsenden Pager. »Bin gleich wieder da«, sagt sie.

»Also, was ist los?«, fragt Fleet, an die Wand gelehnt.

Ropers Blick wandert unruhig zwischen uns hin und her. »Ich war als Ordnungskraft eingeteilt, als die Szene gedreht wurde. Wahrscheinlich bin ich der Polizist, der Wade am nächsten stand, als er überfallen wurde.«

»Haben Sie gesehen, was passiert ist?«, frage ich ihn.

»Nein, ich hab in die andere Richtung geschaut, aber für Sicherheit war gesorgt. Wir hatten große Absperrungen an beiden Enden der Straße, und überall kontrollierten Security-Leute die Ausweise von Schauspielern und Crew. Außerdem waren mindestens zwanzig von uns im weiteren Umkreis, als die Dreharbeiten anfingen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendwer da reingeschlichen hat. Wie sollte das denn gehen?«

Ich versuche es mir vorzustellen. »Wann haben Sie bemerkt, dass etwas nicht stimmte?«

»Na ja, das war merkwürdig. Es gab schon so viel Geschrei. Es gehörte zum Film, wissen Sie, Hunderte von Zombies liefen die Straße lang auf Wade zu. Es regnete etwas, da war die Sicht nicht so gut. Und wie gesagt, ich hab in die andere Richtung geschaut. Aber irgendwann hab ich diese eine Frau schreien gehört, und das klang anders als die anderen. Leute aus der Menge zeigten auf etwas, und als ich mich umwandte, sah ich Wade mit seiner Freundin auf dem Boden. Sie versuchte ihn aufzurichten. Die da drinnen ist es«, sagt er mit einem Nicken Richtung Tür. »Elizabeth Short.«

»Wer ist der andere?« fragt Fleet.

»Der Regisseur. Cartwright. Riley Cartwright. Sie sind beide mit Wade ins Krankenhaus gefahren – ließen sich nicht abschütteln.«

»Was meinen Sie, was passiert ist?«, frage ich ihn.

»Schwer zu sagen«, erwidert er. »Ich würde auf einen Unfall tippen. Irgendwer hat sich mit irgendwas aus der Requisite hinreißen lassen und hat auf ihn eingestochen. Hat wahrscheinlich Panik gekriegt, als ihm aufging, was er – oder sie – da getan hatte.«

»Haben Sie jemanden vom Tatort weggehen sehen?«, frage ich.

»Da liefen überall Leute rum. Es war das totale Chaos.«

»Haben Sie nicht gesagt, dass alles so gut bewacht war?«

»Ja, schon, aber dann sind alle einfach durchgedreht. So was habe ich noch nie zuvor erlebt. Die Leute rannten in Kostümen rum. Die Security-Leute riefen allen zu, dass sie am Platz bleiben sollten, und unsere Leute versuchten bloß, die Zuschauer in Schach zu halten, aber es war ziemlich verrückt.« Ropers Stimme wird etwas weinerlich; verständnisheischend. »Also, die Leute haben gekreischt, es wäre ein Terroranschlag … Ganz kurz hab auch ich so etwas befürchtet. Ich hab die Absperrung übersprungen und bin zu Wade, so schnell es ging, aber da war er schon in ganz schlechter Verfassung. Überall Blut.«

»War ein Arzt vor Ort?«, fragt Fleet.

»Es gab ein Erste-Hilfe-Team, und die haben ihn ziemlich rasch erreicht, als klar war, dass etwas nicht stimmte. Sie haben ihn nicht lange verarztet – müssen wohl gleich gemerkt haben, dass er ins Krankenhaus gehörte.« Er beißt sich auf die Lippen. »Ich hab mitbekommen, wie die Sanis sagten, er müsste in den OP. Ich hab bloß versucht, die Leute zurückzuhalten, die in seiner Nähe waren, als es passiert ist, und seine Freundin zu trösten. Die war total hysterisch.«

»Hat irgendwer, mit dem Sie geredet haben, gesagt, was passiert ist?«, frage ich.

»Alle haben nur gesagt, sie hätten gesehen, wie Wade plötzlich zusammenbrach. Meine Kollegen vor Ort haben Zeugenaussagen eingeholt, als wir losfuhren – aber da waren wahnsinnig viele Leute.«

Ich nicke, während mir allmählich das Ausmaß dieses Falls aufgeht. Oftmals wünschen wir uns nichts so sehr wie mehr Zeugen, wenn wir einen Fall bearbeiten. Scheint ganz so, als ob das diesmal nicht unser Problem sein wird.

»Gut, in Ordnung, wir übernehmen jetzt«, sage ich Roper. »Wäre gut, wenn wir Ihren Bericht so bald wie möglich haben könnten.«

Er nickt. »Natürlich.«

Als wir zum Warteraum zurückkehren, weint Elizabeth nicht mehr, doch ihr verquollenes Gesicht ist noch tränenfeucht. Riley Cartwright sitzt weiter in sich zusammengesunken in der Ecke und starrt Löcher in die Luft.

»Wir lassen Sie jetzt mit den Detectives allein«, sagt Roper zu beiden. Er nickt seinem Kollegen zu, der Elizabeth zur Beruhigung eine Hand auf die Schulter legt, ehe er aufsteht. Dann atmet er tief ein, bläst die Backen auf und lässt die Luft langsam entweichen. Hektische rote Flecken überziehen halbmondförmig seine Kieferpartie. Er sieht geschafft aus.

»Wir geben so bald wie möglich unsere Aussagen durch«, versichert uns Roper, während sie sich ins Treppenhaus verziehen.

Kaum dass sich die Tür hinter ihnen schließt, fühlt es sich im Raum an wie in einer Gruft. Der Heizkörper hat sich ausgestellt, und die Luft steht, unbewegt. Fleet durchquert das Zimmer und nimmt auf einem Sessel Platz, mustert Riley. Ich merke, dass er Elizabeth mir überlässt.

Ich schlucke und gehe zum Sofa, um mich neben die untröstliche junge Frau zu setzen. Sanft schiebe ich meine Hand unter ihren Ellbogen und komme ihr mit dem Kopf entgegen, damit sie mir in die Augen sehen kann. »Elizabeth?«

Allem Anschein nach ist sie kostümiert – gekleidet wie ein Schulmädchen, obwohl sie mindestens zwanzig sein muss. Das wellige braune Haar trägt sie im Siebzigerjahrestil im Nacken zusammengefasst, dazu weiße Bluse und Schottenrock. Sie ist sehr schlank und langgliedrig. Knabenhaft und mit elfenhaften Gesichtszügen, erinnert sie mich an Mia Farrow. Ich weiß zwar, dass sie Schauspielerin ist, bin mir aber nicht sicher, ob ich sie wiedererkenne.

Beim nächsten Heulkrampf, so laut, dass er durchs ganze Zimmer hallt, kneift sie die Augen zusammen und schaukelt mit dem Oberkörper vor und zurück.

»Elizabeth, ich verstehe, dass es ein furchtbarer Schock für Sie ist, aber ich muss Ihnen einige Fragen stellen.« Ich sehe ein Glas Wasser auf einem Couchtisch und biete es ihr an. »Kommen Sie, hier, bitte.« Sie greift danach und stürzt hastig ein paar große Schlucke hinunter, ehe sie es mir zurückgibt. An Händen und Handgelenken hat sie Blutflecken: Ein helles Rostbraun hat sich in den Hautfalten an ihren Knöcheln abgesetzt, dunkelrote Ränder unter den Fingernägeln.

»Ich hab gehört, wie der Sanitäter gesagt hat, dass der Blutverlust sehr hoch ist«, flüstert sie.

»Wie wär’s, wenn wir einen Spaziergang machen?«, schlägt Fleet Riley vor. Widerstrebend schält sich der Regisseur aus dem Sessel und steht auf. Sein ganzer Körper scheint zu zittern.

Elizabeth schluchzt heftig auf, als die Tür hinter ihnen zufällt. »Wann kann ich ihn sehen?«, fragt sie mich.

Ich streiche ihr über den Rücken und atme tief ein und aus, damit sie es mir nachtut. »Das weiß ich nicht«, gebe ich zu, »aber ich weiß, dass alle hier ihr Möglichstes versuchen, um ihm zu helfen.«

Mit aneinandergepressten Händen neigt sie den Kopf wie zum Gebet.

»Elizabeth«, sage ich sanft.

»Lizzie«, erwidert sie. »Alle sagen Lizzie zu mir.«

»Okay. Lizzie. Sie waren heute bei Sterling?«

»Unsere gemeinsamen Szenen waren im Kasten.« Sie fährt sich durchs Haar. »Aber Sterling hatte heute die große Zombieszene. Das fand er so aufregend.« Wieder entgleiten ihr die Gesichtszüge.

»Sie haben also nur zugesehen?«

Sie nickt und schaudert, zwingt sich zu atmen und meine Frage zu beantworten. »Ja. Hab nur mit der Crew rumgehangen.«

»Ich weiß, dass es schwer ist, aber es würde uns sehr weiterhelfen, wenn Sie mir erzählen könnten, was genau Sie gesehen haben.«

Sie bricht wieder in Tränen aus. »Ich hab Sterling zugeschaut. Alles war in Ordnung, die Szene lief super, aber dann hab ich irgendwann einfach gespürt, dass was nicht stimmte. Er ist urplötzlich stehen geblieben. Er wollte was sagen, war aber wegen der vielen Leute schlecht zu sehen, doch ich hab’s gewusst, ich hab’s einfach gewusst …« Sie ringt die Hände im Schoß und redet zwischen neuen Schluchzern weiter. »Ich hab gemerkt, dass er verletzt war, aber mir war nicht klar, was passiert war. Und dann ist er einfach zu Boden gegangen. Ich hab gedacht, er wäre in Ohnmacht gefallen. Aber dann hab ich gesehen, dass er richtig geblutet hat, und hab einfach nur losgeschrien. Da müssen wohl alle gedacht haben, ich hätte den Verstand verloren. Alle haben bloß mich angestarrt. Keiner ist ihm zu Hilfe geeilt … o Gott …« Lizzies Stimme geht kurz in ihren Schluchzern unter. »Ich will nur wissen, dass er wieder zu sich kommt.«

»Das muss furchtbar gewesen sein«, sage ich.

»Ich kann es nicht glauben«, sagt sie und weint in ihre Hände. »Was ist passiert?«

»Das müssen wir herausbekommen.«

»Ich sollte seine Eltern anrufen.« Sie stöhnt. »Und Brodie.«

»Wer ist Brodie?«, frage ich.

Lizzie wischt sich mehr Tränen aus dem Gesicht. »Sterlings bester Freund.«

Es klopft, und die geplagte Verwaltungsleiterin streckt den Kopf zur Tür herein. »Elizabeth«, sagt sie, »Ihr Bruder ist da.«

Ein junger Mann betritt hektisch das Zimmer und stürzt schnurstracks auf Lizzie zu. Ich erkenne nicht, ob er älter oder jünger ist, aber sie sehen sich ähnlich: Er ist groß und hat ein ähnlich geformtes Gesicht, das gleiche kastanienbraune Haar, nur einen dunkleren Teint. In diesem Moment steht ihnen übereinstimmend der Schock ins Gesicht geschrieben.

»Gott sei Dank bist du da«, heult Lizzie und schluchzt laut an seiner Brust. »Sie wissen nicht, ob er durchkommt. Reden immerzu von Operation.«

»Das ist ja furchtbar«, murmelt er, umarmt sie und streicht ihr übers Haar. »Ich kann’s gar nicht fassen.«

»Ich weiß.« Sie lehnt sich wieder an ihn, schlägt sich beide Hände vor den Mund.

»Ich bin so froh, dass ich nicht ins Flugzeug gestiegen bin, bevor ich deine SMS gekriegt hab«, sagt er.

Lizzie nickt, während eine weitere Tränenflut aus ihr herausbricht.

Ich stelle mich ihm vor.

»Ich bin Kit«, sagt er fahrig. »Lizzies kleiner Bruder.«

Die Tür geht wieder auf, und wir zucken alle zusammen. Diesmal steht eine schöne junge Frau auf der Schwelle. Ihr an sich perfektes Gesicht sieht aus wie verrutscht, was an den dunklen Spuren verlaufener Schminke liegt. Die Krankenhausleiterin, Lauren, steht hinter ihr und wirkt sichtlich erregt.

»Sie wollten mich nicht reinlassen«, verkündet die Frau mit starkem amerikanischem Akzent und wirft das lange feuerrote Haar über die Schultern zurück, offenbar um Beherrschung ringend. »Ich hab Ewigkeiten draußen gewartet. Wo ist Sterling? Können wir zu ihm?« Ihr Blick aus glänzenden blauen Augen hetzt wild im Zimmer umher.

»Er wird operiert«, flüstert Lizzie, die sich neben mir merklich versteift hat.

»Scheiße, was ist am Set passiert?«, fleht die Rothaarige um Auskunft.

Bevor irgendwer antworten kann, stellt sich Fleet zu ihr in die Tür, Riley Cartwright im Schlepptau.

Die Frau wirft Cartwright einen bitterbösen Blick zu und betritt das Zimmer, geht auf Abstand zu ihm. So langsam erkenne ich sie von den Titelseiten von Hochglanzmagazinen und einer Werbung für Haarfarben, die »unfehlbar die perfekte Farbe« verspricht. Normalerweise sind ihre Haare nicht rot; mit Nachnamen könnte sie James heißen.

Ich stehe auf und gehe zu ihr, stelle Fleet und mich vor.

»Ava James«, sagt sie zu mir. Trotz Tränen in den Augen hebt sie reflexartig das Kinn an, während sie mir die Hand schüttelt, mit dem Selbstbewusstsein eines Bond-Girls. Oder vielleicht von James Bond persönlich. »Ich spiele mit Sterling, bin seine Filmpartnerin.« Das klingt sachlich und professionell.

Fleet hebt die Hand zu einem lässigen Winken, mustert sie unverfroren von Kopf bis Fuß.

Ava dreht sich wieder zu Lizzie um. »An was wird er operiert?«, erkundigt sie sich.

Als Reaktion darauf hebt Lizzie die Schultern. »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich müssen sie versuchen, das …«

»Wie konntest du das zulassen?«, fährt Ava Cartwright an.

Im Raum ist es voll und heiß geworden. Mit Körpergerüchen wetteifernde Parfümschwaden wirbeln durch die Luft, getragen von der Hitze, die jetzt den Lüftungsschlitzen in der Wand entströmt. Laurens Pieper blökt wieder los, und sie wirft uns einen entschuldigenden Blick zu, während sie sich zurückzieht und die Tür hinter sich schließt. Lizzie weint weiter an der Brust ihres Bruders. Cartwright erwacht in Form eines Hustenanfalls zu neuem Leben. Was ihm den nächsten bösen Blick von Ava einbringt, die mit in die Hüfte gestemmten Händen eher wütend als mitgenommen wirkt. Fleet klopft Cartwright auf den Rücken, bis dem vor Husten die Tränen kommen und er prustend seine Knie umklammert.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich in ein Fernsehstudio geraten bin. Fleet bringt es fertig, leicht belustigt von der ganzen Szene auszusehen.

Die Tür geht wieder auf, und alle blicken erwartungsvoll in die Richtung.

»Es tut mir unendlich leid«, sagt Lauren, die sich unübersehbar möglichst weit weg von hier wünscht. »Zu meinem großen Bedauern ist Sterling Wade soeben verstorben.«

Ava schreit auf. Cartwright schlägt beide Hände vors Gesicht und geht zu Boden.

»Scheiße, nein«, flüstert Kit.

Direkt neben ihm ertönt ein Zischlaut, als die Luft aus Lizzies Körper entweicht. Sie sinkt zurück aufs Sofa, die Augen weit aufgerissen, die Knöchel weiß, und greift mit blutbefleckten Fingern nach den Händen ihres Bruders.