Die Jahreszeit wechselte, es wurde Winter.

 

Kuro wachte früher auf als sonst.

Er kletterte über den Bauch der schlafenden Shino und machte sich auf den Weg zur Toilette.

Shino stöhnte im Schlaf.

Die zarte Dämmerung vor Tagesanbruch war optimal, um auf die Jagd zu gehen, doch bei dieser Kälte konnte Kuro sich einfach nicht dazu durchringen.

Im Waschraum, wo das Katzenklo stand, war es kalt, aber verglichen mit draußen definitiv angenehmer. Als Kuro sich bei diesen Gedanken ertappte, schüttelte er den Kopf.

Du lieber Himmel, das ging ja gar nicht! Nun dachte er schon ganz und gar wie eine Hauskatze! Und schlief unter einer Decke! Aber nur im Winter …

Während die winterliche Kälte anhielt, wohnte

Sie wollte Kuro unbedingt waschen, er riss jedoch immer wieder aus. Aber schließlich überlistete sie ihn, indem sie ihn hinterhältig kurz nach dem Einschlafen packte und ins heiße Wasser warf. Nun ja, wenn man sich einmal daran gewöhnt hatte, ins heiße Wasser einzutauchen, war es an und für sich ein sehr angenehmer Brauch. Dieses Privileg den Menschen zu überlassen, wäre doch schade.

Er verrichtete seine Notdurft und scharrte mit den Hinterpfoten im weißen Katzensand. So eine Katzentoilette war auch eine recht komfortable Einrichtung.

Aus der Küche drang Licht. In letzter Zeit hatte Ryôta die Aufgabe übernommen, das Frühstück zuzubereiten. Anfangs war es immer total versalzen und eine Katastrophe gewesen, aber in den letzten Tagen war es … naja, etwas besser geworden.

Shino sagte immer, sie könnte nicht glücklicher sein als jetzt, da sie vom Frühaufstehen befreit war.

Als Kuro an seinen Schlafplatz zurückkehren

Dieses Gefühl kannte er, ganz sicher, er erinnerte sich.

»John!«

Der altvertraute Name entschlüpfte ihm.

Er hatte in letzter Zeit nur noch selten an John gedacht. Wie treulos!

»John!«, maunzte Kuro ganz laut.

Er schlüpfte durch die Katzenklappe nach draußen. Ohne sich von der schneidenden Kälte des Wintermorgens abschrecken zu lassen, rannte er im Freien herum.

Die Wolken hingen tief. Zarte weiße Flocken tanzten herab.

Es schneite.

Da fiel ihm ein, dass John Schnee geliebt hatte.

»John! Bist du da?!«

Kuro rief nach John und rannte durch den Garten.

»Was ist denn los, Kuro? Es ist doch kalt draußen!«

Ryôta, der sich warm angezogen hatte, kam aus der Küche.

»Guck mal, Ryôta!«

Kuro schaute zum Himmel.

Auch Ryôta blickte nach oben.

»An einem solchen Tag kommt er vielleicht nach Hause zurück.«

Kuro sauste los.

»Hey, wo willst du denn hin? Du hast doch noch gar nichts gefressen!«

Wild entschlossen rannte Kuro durch die klare Morgenluft. Inzwischen waren die herabfallenden Schneeflocken größer geworden.

»Kuro, so warte doch!«

Der Kater hörte laut stapfende Schritte hinter sich und begriff, dass Ryôta ihm folgte.

»Komm mit, Ryôta! Vielleicht geht ja ein Wunsch in Erfüllung!«

Ohne auf Reviergrenzen zu achten, lief Kuro entschlossen immer weiter. Er eilte einen ansteigenden Weg hinauf und sprang von einer Leitplanke auf eine Mauer. Von dort ging es über einen Verkaufsautomaten auf eine weitere Mauer. Immer höher, immer weiter. Ob das hier noch sein Revier war, spielte längst keine Rolle mehr.

Es kam ihm so vor, als riefe John nach ihm.

Starker Wind trieb Schnee herbei.

Kuro flitzte mit seinen vier Pfoten über den Asphalt.

Eine weitere Katze kam hinter Kuro den Hügel herauf und rief ebenfalls nach John. Es war Chobi.

»Chobi!«

Nun rannten Kuro und Chobi nebeneinanderher. Die erste Hochbahn fuhr gerade los. Von der Hochtrasse klang ihr Rattern herüber.

Das spornte Chobi und Kuro an, und Seite an Seite liefen sie immer weiter. Ihr Ziel war der Gipfel des Hügels.

Das Holzhaus, in dem Mimi wohnte, kam in Sicht. Im Zimmer von Reina und Mimi brannte Licht. Reina hatte wahrscheinlich wieder die ganze Nacht gemalt.

Kuro und Chobi folgten dem Schnee nun bergab. Sie durchquerten das Gelände eines shintoistischen Schreins und bogen in eine Straße mit Fertighäusern ein. Immer weiter, immer weiter.

Sie kamen an dem Haus vorbei, in dem Cookie und Aois Familie lebten. Es hatte einen neuen Briefkasten. Das Bild einer Katze mit marmoriertem Fell klebte darauf. Sie sah aus wie Cookie.

»Ein Bild von Cookie!«, rief Chobi. Das war so offensichtlich, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte.

»Da wollen wir hoch?!«, erklang hinter ihnen die jammernde Stimme Ryôtas.

»John!«, rief Kuro.

»Wir sind ihm schon ganz nah!«

Auch Chobi spürte es. Zielstrebig erklommen sie die Treppe, bis sie schließlich am höchsten Punkt der Stadt ankamen. An einer kleinen Bank in einem kleinen Park oben auf dem Hügel.

Die Schneeflocken wurden immer größer und zahlreicher.

Kuro und Chobi konnten die Bahn vorbeifahren sehen.

»Dieser Schnee bleibt bestimmt liegen …«

»Ja.«

Seite an Seite standen Chobi und Kuro und beobachteten die Bahn. Unter ihnen breitete sich die endlich aus dem Schlaf erwachende Stadt aus. Ihr Herzschlag setzte ein.

Nach Atem ringend holte Ryôta sie ein.

»Kuro … wo rennt ihr denn hin?«

Er war völlig außer Atem. Trotz seiner Jugend war er extrem unsportlich.

»Chobi!«

Eine kurzhaarige Frau in einem dicken Mantel erschien. ›Darin sieht sie so pummelig aus wie eine große Katze‹, fand Kuro.

»Das ist meine Geliebte!«, erklärte Chobi stolz.

Als sie Ryôta erblickte, zeigte sich Überraschung auf ihrem Gesicht. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, hier noch anderen Menschen zu begegnen.

»Ähm … der Kater hier gehört zu mir.«

Auch Ryôta war verwirrt.

»Ich gehöre zu Shino, ich bin ihr Kater! Und nicht deiner!«, beschwerte sich Kuro, aber Ryôta ließ sich auf keinen Streit ein. Er hatte nur Augen für die Menschenfrau, bei der Chobi lebte.

Sie streckte ihre Hände nach Chobi aus. Offenbar an sie gewöhnt, sprang er auf ihren Arm.

»Ich war so erschrocken, als Chobi plötzlich davonlief.«

»Mir ging es ganz genauso, als Kuro …«

Ryôta lachte verlegen. Beide sahen sich an.

»In diesem Winter ist das der erste Schnee«, sagte schließlich die Frau, und mit einem glücklichen Lächeln stimmte Ryôta ihr zu.

 

Er schauderte.

»Kuro, mein Wunsch ist vielleicht in Erfüllung gegangen.«

»Was sagst du da?«

Das Gesicht der Frau, zu der Chobi aufblickte, leuchtete.

Ihre Miene erinnerte Kuro irgendwie an Shinos Gesichtsausdruck in der letzten Zeit.

Da merkte auch Kuro:

›Ach ja, auch mein Wunsch hat sich längst erfüllt!‹

Zugleich begriff er, dass er John nie wiedersehen würde.

›Danke, mein Freund‹, flüsterte Kuro in Richtung der Schneewolken.