Als Taylor wach wurde, lag er in Alexis’ Bett und drehte sich zur Seite, um sie zu wecken, aber sie war nicht mehr da.
Um ehrlich zu sein, war er enttäuscht, denn er hätte nicht nur gerne dort weitergemacht, wo sie mitten in der Nacht erschöpft aufgehört hatten, sondern hatte sich auch gewünscht, sie zerzaust neben sich zu finden und einfach nur anzusehen.
Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn Alexis noch geschlafen hätte, als er wach wurde, weil er sie dann hemmungslos hätte betrachten können, ohne dass sie etwas davon mitbekam. Und ohne dass sie unweigerlich erkannt hätte, was mit ihm los war und dass er sich rettungslos in sie verliebt hatte. Schon wieder.
Die letzte Nacht hatte ihm endgültig die Augen geöffnet.
Er hatte keine Lust mehr auf dieses Versteckspiel und keine Lust mehr darauf, nicht zu wissen, woran er bei Alexis war. Schon in Oregon hatte er gedacht, dass zwischen beiden mehr war als eine bloße Fake-Beziehung, aber dann hatte Alexis angefangen, ihn zu küssen, um den Restaurantgästen eine Show zu liefern. Also war er auf Abstand gegangen, weil er sich in keine Sache hineinstürzen wollte, die es gar nicht gab. Aber dann hatte es jenen Ausflug nach Santa Monica gegeben.
Seither wollte er, dass zwischen ihnen mehr war als lediglich eine Beziehung, die nur vorgetäuscht war, um die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen.
Wenn sie nicht beide eine Vorgeschichte gehabt hätten, wäre es vermutlich leichter gewesen. Und vermutlich war das, was damals zwischen ihnen passiert war, auch schuld an Alexis’ Zurückhaltung. Sie hatten zwar in der letzten Nacht miteinander geschlafen, aber da war diese Distanz gewesen, die er an ihr gespürt hatte. Es hatte sich angefühlt, als wollte sie sich nicht komplett auf ihn einlassen, was Taylor ihr nicht einmal verdenken konnte.
Alexis wollte nicht ein weiteres Mal verletzt werden.
Und das Letzte, was er wollte, war, sie zu verletzen.
Einmal hatte er ihr bereits wehgetan, und noch heute erinnerte er sich daran, wie verletzt und am Boden zerstört sie gewesen war. Taylor glaubte nicht, dass er es ertragen könnte, diesen unglücklichen Blick ein weiteres Mal an ihr zu sehen.
Er erhob sich aus dem Bett und schnappte sich seine Boxershorts und sein T-Shirt, die beide auf dem Boden des Zimmers lagen, um sie anzuziehen, bevor er sich auf die Suche nach Alexis machte.
In der Küche war sie nicht. Stattdessen saß Cole dort und verdrückte vergnügt eine Schale Müsli, während er mit Theresa zu plaudern schien, die dabei war, irgendetwas zu kochen. Es roch fantastisch, und Taylor hätte eine Tasse Kaffee gut gebrauchen können, aber viel dringender als einen Schub Koffein wollte er Alexis sehen und mit ihr sprechen.
„Guten Morgen.“
Anstatt seinen Gruß zu erwidern, erklärte Cole: „O Mann, du siehst nicht aus, als hättest du viel Schlaf abbekommen.“
Taylor schnitt eine Grimasse und ignorierte Theresas neugierigen Blick. Er wusste, dass sie ihn musterte und dass ihr sicherlich auffiel, dass er das gleiche T-Shirt wie gestern Abend trug. Sobald sie Alexis’ Schlafzimmer zu Gesicht bekam, würde kein Zweifel mehr daran bestehen, was dort in der letzten Nacht passiert war.
„Habt ihr Alexis gesehen?“, wollte er leichthin wissen und hoffte, dass sie nicht das Haus verlassen hatte, weil sie einen Termin hatte – oder weil sie die letzte Nacht bereute.
„Ist dir die Frau davongelaufen?“ Cole kicherte amüsiert.
„Nein, das ist sie nicht“, widersprach er ihm und hoffte, dass er die Wahrheit sagte.
„Sie ist am Pool“, informierte Theresa ihn und reichte ihm eine volle Tasse Kaffee, die er dankbar annahm, bevor er Cole einen strafenden Blick schenkte und sich anschließend auf den Weg nach draußen machte.
Er hatte damit gerechnet, dass Alexis auf einem der Gartenstühle saß, und nicht damit, dass sie im Pool ihre Bahnen zog. Für einige Augenblicke blieb er stehen und beobachtete, wie sie schwamm und ihn entdeckte. Sofort trat ein wachsamer Ausdruck in ihre Augen, während ihr Mund sich zu einem Lächeln formte, das ihn nicht gänzlich überzeugen konnte.
„Guten Morgen.“ Er trat an die Kante des Beckens heran und ging in die Hocke.
Alexis schwamm langsam in seine Richtung. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Dutt zusammengefasst und die Träger ihres Bikinis hatte sie im Nacken verknotet. „Guten Morgen.“
Als sie die Hand nach der Kaffeetasse ausstreckte, reichte er sie ihr und verfolgte, wie sie einen Schluck nahm und sie ihm wieder zurückgab. Taylor konnte sich täuschen, aber die Stimmung zwischen ihnen hatte nichts mehr mit der heißen, lustvollen Atmosphäre von gestern Nacht zu tun.
„Danke.“ Sie versank bis zum Kinn im Wasser.
„Gern geschehen.“ Er stellte die Tasse neben sich und musterte Alexis eingehend. „Ist alles gut?“
„Natürlich“, murmelte sie mit gesenktem Blick. „Warum fragst du?“
„Weil ich aufgewacht bin und du nicht da warst.“
Ihre Wangen erröteten zart. „Ich konnte nicht gut schlafen und dachte, ein bisschen Morgensport könnte nicht schaden.“
„Du hättest mich wecken können.“
„Mhm.“
In diese Antwort konnte er so viel hineininterpretieren, dass es ihn verrückt machte. „Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das hast du nicht. Ich ... ich musste nur ein bisschen nachdenken.“
„Über gestern Nacht?“
Seufzend flüsterte sie: „Ja, auch über gestern Nacht.“
Ein Loch tat sich in seinem Magen auf. Der zögernde und distanzierte Blick in ihren Augen gefiel ihm gar nicht. Deshalb ließ er die Katze aus dem Sack: „Mir hat die letzte Nacht viel bedeutet.“
Etwas flackerte in ihrem Blick auf. Gleichzeitig bewegte sie sich im Wasser von ihm weg. Auch das gefiel ihm nicht.
„Und mir war es ernst, als ich dir gestern gesagt habe, dass ich dich vermisst habe.“
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie murmelte: „Du hast mir auch gefehlt.“
„Weshalb bist du dann heute Morgen aufgestanden, anstatt bei mir zu bleiben?“, wollte er sanft wissen. „Ich wäre gerne neben dir aufgewacht und hätte dir ein paar Dinge gesagt.“
„Welche Dinge?“
Taylor setzte sich auf den Beckenrand und ließ die Beine ins Wasser baumeln, das kalt war und ihn endgültig wach werden ließ.
„Dass ich dich großartig finde und dass ich gerne mit dir Zeit verbringe.“ Er legte den Kopf schief und gestand: „Du bist mir unglaublich wichtig, Alexis. Ich bin auf dem Weg, mich rettungslos in dich zu verlieben, und das solltest du vermutlich wissen.“
Ihre Reaktion fiel nicht so aus, wie er es sich gewünscht hatte. Ihr Gesicht wurde weich und sie lächelte vorsichtig, aber sie kam noch immer nicht näher. Und was sie sagte, kam keinem Liebesgeständnis gleich. „Vor ein paar Jahren hast du auch behauptet, in mich verliebt zu sein.“
Seine Schultern fielen nach unten. „Ich weiß. Und damals habe ich es ernst gemeint.“
Sie runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. Und das war auch nicht nötig.
„Ich habe mich nie für das entschuldigt, was damals passiert ist.“
Obwohl sie leichthin mit der Schulter zuckte, war ihm klar, dass sie etwas überspielen wollte. „Das ist schon so lange her, Taylor.“
„Aber ich habe dir wehgetan“, widersprach er leise. „Das wollte ich nie.“
„Warum hast du es dann getan?“
Er stieß die angehaltene Atemluft aus. „Weil ich ein Idiot war, der an seine Karriere dachte und zu jung war, um zu verstehen, was wirklich zählte. Heute ist es anders.“
Alexis musterte ihn eindringlich. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich bin kein Sozialfall.“
„Ein Sozialfall?“ Verwirrt blinzelte er.
Ihre Stimme klang belegt. „Du spielst nur meinen Freund, Taylor. Wer sagt mir, dass du nicht gestern auch gespielt hast?“
„Hat sich für dich irgendetwas in der letzten Nacht so angefühlt, als hätte ich es gespielt?“, fragte er ruhig, obwohl er sie am liebsten an sich gezogen und geschüttelt hätte, denn gestern Nacht war besonders gewesen. Das hatte sie doch spüren müssen!
„Bei Brad habe ich auch nicht geglaubt, dass er mir nur vorgespielt hat ...“
„Vergleiche mich nicht mit diesem Mistkerl“, grollte er aufgebracht.
„Entschuldige“, murmelte sie und schlug die Augen nieder. „So war das nicht gemeint.“
„Alexis.“ Er suchte nach Worten. „Geht es hier um damals?“
„Ich kann es schlecht trennen“, gab sie zu. „Ständig muss ich daran denken und frage mich, was ich glauben soll.“
„Damals war ich immer ehrlich zu dir. Warum sollte ich es jetzt nicht sein?“
Sie lachte, aber es war kein lustiges Lachen. „Ja, du warst tatsächlich immer ehrlich. Du warst sogar schonungslos ehrlich, als du Schluss gemacht hast.“
Seine Kehle verengte sich vor Scham. „Ich habe dich verletzt, und das tut mir leid. Du wirst es mir nicht glauben, aber ich wollte dir niemals wehtun.“
„Aber du hast mir wehgetan“, hielt sie ihm vor. „Du hast deine Karriere mir vorgezogen.“
Ihr Satz war wie ein Schlag in den Magen. Dazu kam ihr aufgelöstes Gesicht, dessen Anblick er kaum ertragen konnte. „Ich war einundzwanzig“, erwiderte er in dem Wissen, dass sich jede Entschuldigung hohl anhörte. „Ich wusste es nicht besser, Alexis. Damals verlangte das Management von mir, keine Freundin zu haben, um das Image der Band nicht zu gefährden. Und ich dachte, ich tue das Richtige, als ich Schluss machte.“
„Du hast mir das Herz gebrochen, Taylor.“
„Ja, ich weiß“, raunte er heiser. „Es tut mir leid.“
„Ich war so sehr in dich verliebt.“ Ihre Stimme schwankte. „Und ich war mir sicher, dass wir glücklich waren. Aber plötzlich hast du Schluss gemacht und mir gesagt, dass du keine Freundin haben darfst und dass du dich auf deine Karriere konzentrieren wolltest.“
Er wollte sie in den Arm nehmen und sie trösten, aber Alexis war zu weit weg, um ihr zu versichern, dass heute alles anders war.
„Ich ... ich habe einfach Angst, dass du mir wieder das Herz brechen könntest. Wer sagt mir, dass nicht wieder deine Karriere an erster Stelle steht, wenn du dich entscheiden musst?“
Bedächtig antwortete er: „Ich sage es dir.“
Ihr Kinn zitterte.
„Du wirst mir einfach vertrauen müssen, Alexis.“
„Das möchte ich, aber ...“ Sie brach ab.
Taylor entschied sich dafür, nicht länger nur zu reden und lieber zu handeln. Kurzerhand hüpfte er zu ihr in den Pool und hörte ihr Kreischen, mit dem sie auf die Tatsache reagierte, dass er sie mit Wasser vollspritzte. Das Wasser war arschkalt, und er fragte sich, warum Alexis nicht längst blau angelaufen war.
„Was ... was tust du? Du bist angezogen!“
Das war seine geringste Sorge. Durch das Wasser zog er sie an sich. Zufrieden spürte er, dass sie die Arme um seinen Hals schlang. Taylor verfrachtete Alexis zwischen sich und den Beckenrand, an dem er sich mit einer Hand festhielt, damit sie nicht zusammen untergingen. Ihr Gesicht, auf dem sich zahlreiche winzige Wassertropfen befanden, war wunderschön und wirkte verlegen.
„Ich bin kein Junge mehr“, erklärte er heiser. „Ich bin erwachsen und ein Mann, der weiß, was ihm wichtig ist. Lass mich dir beweisen, dass ich es richtig machen kann.“
Alexis schluckte und starrte ihn zögernd an. Währenddessen klopfte sein Herz rasend schnell und nervöse Anspannung machte sich in ihm breit.
„Gibst du mir eine zweite Chance?“
Vorsichtig nickte sie, lächelte und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, den er mit Inbrunst erwiderte, während ihm vor lauter Erleichterung beinahe schwindelig wurde.
„Ihr solltet
euch mal wieder sehen lassen. Du warst eine Woche lang unterwegs, und in der Zeit gab es keine Fotos von euch beiden. Warum verbringt ihr nicht ein paar Tage im Strandhaus? Dort können die Paparazzi Fotos von euch am Strand machen. Oder wie wäre ein Urlaub irgendwo in der Karibik? Du könntest eine Jacht mieten. Fotos von verliebten Paaren beim Sonnenbaden sind immer gerne gesehen und werden in Zeitschriften abgedruckt.“
Alexis lauschte der Stimme ihrer Mom am Telefon und spürte den alten Groll in ihrer Magengegend.
Fotos von verliebten Paaren beim Sonnenbaden sind immer gerne gesehen und werden in Zeitschriften abgedruckt.
Überlegte ihre Mom eigentlich, was sie da sagte?
Von ihrem Agenten könnte Alexis erwarten, dass er solche Ideen hatte, weil er schließlich für ihre Karriere und für ihr Image zuständig war, aber doch nicht von ihrer Mom! Die hätte sich eigentlich danach erkundigen sollen, wie es ihrer Tochter ging und ob sie gut damit zurechtkam, mit einem angeblich fremden Mann herumzuturteln und ein glückliches Paar zu spielen.
Eine normale Mutter hätte ihre Tochter angerufen und wissen wollen, wie sie mit der heiklen Situation zurechtkam.
Vielleicht hätte eine normale Mutter auch niemals von ihr verlangt, bei solch einem Theater mitzuspielen, und hätte Alexis’ Agenten und Produzenten gesagt, wohin sie sich ihre Idee stecken konnten. Dann hätte Alexis auch nicht das Gefühl haben müssen, von ihrer Mom verkauft worden zu sein.
„Ich muss arbeiten“, entgegnete sie daher ruppiger als gewollt. „Ich kann nicht in den Urlaub fahren.“
„Dann solltet ihr euch irgendwo in der Stadt sehen lassen. Ich könnte einen Tisch bei The Nice Guy
reservieren. Wir müssten nicht einmal einen Fotografen vorher dorthin schicken, weil die Paparazzi da sowieso immer Spalier stehen.“
„Ich will nicht ins The Nice Guy
gehen“, hörte sie sich empört antworten. „Ich will zu Hause bleiben und an meinem Album arbeiten.“
Ihre Mom schnalzte mit der Zunge. „Bist du schlecht gelaunt, Alexis?“
„Nein! Ich will einfach nur meine Ruhe haben, ohne dass andere Leute über mein Leben bestimmen.“
„Was ist denn los? Du klingst überhaupt nicht wie du selbst.“
„Ich klinge wie jemand, der keine Lust mehr darauf hat, sich vorschreiben zu lassen, was er tun soll und was nicht, Mom. Mir reicht es langsam, durch Reifen zu springen und Männchen zu machen, weil es von mir verlangt wird. Weil du es von mir verlangst!“ Woher diese plötzliche Wut kam, wusste sie selbst nicht genau.
Auch ihre Mom hatte sie überrascht. Das war ihr anzuhören, als sie fassungslos und ratlos erwiderte: „Wie kommst du denn darauf, dass ich von dir verlange, Männchen zu machen? Das ist absurd.“
„Hast du mir nicht erst vor einer Minute gesagt, dass ich mit Taylor in den Urlaub fahren oder mich in einem Restaurant sehen lassen soll?“
„Das ist etwas völlig anderes!“
„Und hast du nicht von mir verlangt, dieses Theaterstück aufzuführen und einen Mann als meinen Freund auszugeben, um mein Image zu verbessern?“
„Du sagst es selbst! Das war nur zu deinem Besten, Alexis. Es ging immerhin um deine Karriere.“
„Um meine Karriere“, murmelte sie verächtlich und schüttelte den Kopf. „Mom, hast du auch an meine Gefühle gedacht? Hast du dir überlegt, wie ich mich fühle, wenn mir ein Mann an die Seite gestellt wird, der vorgeben soll, mein Freund zu sein?“
„Himmel, Alexis, du müsstest wissen, dass alles, was ich tue, dir zugutekommen soll.“ Sie seufzte schwer. „Dein nächstes Album muss ...“
„Mir geht es nicht um mein nächstes Album“, unterbrach sie ihre Mutter forsch. „Und dir sollte es auch nicht darum gehen.“
„Ich bin deine Managerin.“
„Du bist meine Mom“, hielt sie ihr entgegen. „Könntest du nicht einfach daran denken, was am besten für mich ist? Für Alexis und nicht für Ivy?“
„Ich ... ich weiß ehrlich gesagt nicht, was du meinst.“
Leise erklärte sie: „Ich bin keine Maschine, Mom. Ich kann nicht auf Knopfdruck funktionieren, weil andere es so wollen. Außerdem habe ich Gefühle. Können dir meine Gefühle nicht einfach wichtiger sein als die Frage, was gut für mein Image ist und was nicht?“
„Natürlich sind mir deine Gefühle wichtig.“
„Dann zeig mir das, Mom.“
„Okay.“ Ihre Mutter schien sich geschlagen zu geben. „Vielleicht lege ich den Fokus wirklich etwas zu sehr auf deine Karriere und vergesse, dass du nicht nur meine Künstlerin, sondern auch meine Tochter bist.“
„Vielleicht?“
„Du weißt, wie ich das meine“, seufzte sie. „Ich versuche mich zu bessern.“
Alexis glaubte nicht, dass ihre Mom so leicht aus ihrer Haut konnte, aber ihre Zusage war besser als nichts. „Danke, Mom.“
„Also ...“ Man konnte hören, wie sie Luft holte und fast schon widerwillig wissen wollte: „Möchtest du, dass wir die ganze Sache mit Taylor abblasen und eure Trennung bekannt geben? Der Zeitpunkt ist nicht ideal, aber wenn du dich mit der Situation nicht wohlfühlst, dann beenden wir lieber diese Beziehung
.“
Mit dieser Wendung hatte Alexis nicht gerechnet. Viel eher hätte sie vermutet, dass sich ihre Mutter mit Händen und Füßen gegen diese Idee wehren würde. „Das wird nicht nötig sein“, entgegnete sie ruhig.
„Wieso nicht?“
Sie schaute aus dem Fenster des Wohnzimmers und erahnte bereits die Reaktion ihrer Mom, bevor sie zugab: „Taylor und ich müssen nichts mehr vorspielen, Mom. Wir sind zusammen. Richtig zusammen.“
Am anderen Ende der Leitung wurde es verdächtig ruhig, bis die Stimme ihrer Mom argwöhnisch nachfragte: „Zusammen?“
„Ja.“
„Erkläre mir das.“
Was gab es da schon zu erklären? „Wir haben uns ineinander verliebt“, erwiderte sie schlicht.
„Das ist nicht dein Ernst.“
Irgendwie war es desillusionierend, dass Alexis genau mit dieser Reaktion gerechnet hatte. Deshalb hatte sie ihr auch noch nicht erzählt, dass Taylor und sie ein richtiges Paar waren. Sie hatte dieses Gespräch hinauszögern wollen. „Er und ich haben viel Zeit miteinander verbracht. Irgendwann hat es gefunkt.“
„Es hat gefunkt?“
„Ja.“ Sie würde ihrer Mom nicht erzählen, dass Taylor und sie sich schon viel länger kannten und vor Jahren bereits einmal zusammen gewesen waren – wenn auch nur für kurze Zeit. Von dieser Geschichte wusste ihre Mutter nichts, weil sie damals im Dreieck gesprungen wäre, wenn sie erfahren hätte, dass Alexis einen Freund hatte. Zu jener Zeit waren sie auf der Suche nach einem Label gewesen, das Alexis einen Plattenvertrag geben würde. Nichts war für ihre Mom wichtiger gewesen als Alexis’ Karriere. Ein Freund wäre eine zu große Ablenkung gewesen.
„Natürlich hat es bei ihm gefunkt. Taylor ist nicht dumm und weiß, wie er davon profitieren kann, wenn er mit dir ...“
„Sag das nicht, Mom.“
„Aber ich muss es sagen, Liebling. Ich möchte nicht, dass du schon wieder auf einen Mann hereinfällst, der in dir lediglich ein Sprungbrett für seine eigene Karriere sieht.“
Die Worte ihrer Mutter versetzten ihr einen Stich mitten ins Herz. „Denkst du, dass ein Mann nicht in mich verliebt sein kann?“
„Natürlich denke ich das nicht!“
„Und warum sagst du dann so etwas? Taylor ist kein Opportunist ...“
„Taylor Sutter ist seit Jahren weg vom Fenster und strampelt sich verzweifelt ab, um in der Branche wieder auf die Füße zu kommen. Dave hat ihm einen Vertrag in Aussicht gestellt, wenn er deinen Freund spielt. Womöglich ist ihm mittlerweile aufgefallen, welche Vorteile es mit sich bringt, mit dir zusammen zu sein.“
Alexis’ Kehle wurde eng. „Du irrst dich, Mom.“
„Sei doch nicht so naiv“, bat ihre Mutter sie sanft. „Willst du wirklich schon wieder auf einen Mann reinfallen? Hat es dir nicht gereicht, wie Brad dich ausgenutzt hat?“
„Taylor ist nicht wie Brad.“
„Wer sagt dir denn, dass Taylor nicht genauso von dir profitieren will wie Brad?“
Das traf einen Nerv. „Ich lege jetzt auf, Mom.“
„Alexis ...“
Sie wollte nicht hören, was ihre Mom noch zu sagen hatte, und beendete das Telefonat.
Jetzt wusste sie auch wieder, weshalb genau sie diesem Gespräch mit ihrer Mom aus dem Weg gegangen war. Wieso freute sie sich nicht für sie und musste ihr alles madig machen? Die Vorstellung, dass Taylor wie Brad war, war einfach lächerlich. Brad war ein mieser Opportunist, der sie ausgenutzt und von Anfang an belogen hatte. Ihm war nur daran gelegen gewesen, den größtmöglichen Vorteil aus der Verbindung zu ihr zu ziehen und nicht nur einen Plattenvertrag zu bekommen, sondern auch noch die passenden Songs für dieses Album sozusagen geschenkt zu bekommen. Taylor hatte so etwas nicht nötig.
Er war überhaupt nicht wie Brad.
Alexis straffte die Schultern und sagte sich, dass sie über kurz oder lang ihrer Mom beweisen würde, dass sie falschgelegen hatte. Taylor war ihretwegen mit ihr zusammen. Aus keinem anderen Grund. Sie machte sich auf den Weg ins Studio, um weiter an ihrem Album zu arbeiten, und schwor sich dabei, nicht länger an ihre Mom zu denken. Stattdessen wollte sie sich voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren.
Als sie das Studio betrat, entdeckte sie, dass Taylor anscheinend auch an seinem Album arbeiten wollte. Angesichts seines Anblicks, wie er mit zerzaustem Haar gedankenversunken und konzentriert auf dem Boden saß, machte ihr Herz einen kleinen Sprung. Auf Zehenspitzen schlich sie näher und betrachtete, wie er seine Gitarre im Schoß hielt, auf ihr herumklimperte und sich über ein Notizheft beugte. Irritiert begutachtete die das Notizheft, das frappierende Ähnlichkeit mit dem Notizheft hatte, das sie benutzte – ihr Heft, in das sie ihre Songideen notierte.
Eiskalt lief es ihr den Rücken hinab.
„Was tust du da?“
Erschrocken hob er den Kopf und starrte sie an. Er wirkte wie ein Einbrecher, der auf frischer Tat ertappt worden war. Ihr drehte sich der Magen um.
„Ich habe dich gar nicht kommen hören.“
Schweigend deutete sie auf ihr Heft, das aufgeschlagen vor ihm lag. Die Notenfolge und die Notizen verschwammen vor ihren Augen.
„Du solltest das hier eigentlich nicht sehen, Alexis.“
„Das glaube ich dir sofort“, antwortete sie und verspürte abruptes Sodbrennen.
Er grinste schief. „Shit, du hast mich erwischt.“
„Erwischt?“ Sie traute ihrer eigenen Stimme nicht. „Wobei erwischt? Ist das mein Notizheft?“
„Ja“, gab er zu und benahm sich, als sei nichts Schlimmes passiert. „Vermutlich hätte ich darauf warten sollen, dass du das Haus verlässt, bevor ich mir dein Notizheft geschnappt habe. Das ist wirklich dumm gelaufen.“
„Dumm gelaufen?“ Er gab auch noch wie selbstverständlich zu, dass er ihre Ideen stehlen wollte! Alexis konnte es nicht fassen. Innerlich bebte sie vor Wut, Enttäuschung und der Erkenntnis, dass sie schon wieder ...
„Setz dich, Baby, ich will dir etwas vorspielen.“
„Nein, danke. Ich stehe lieber!“
Nun wirkte er irritiert und sah zu ihr auf. „Bist du etwa sauer?“
„Natürlich bin ich sauer!“ Beinahe hätte sie geschrien.
Er verzog den Mund. „Scheiße ... das wollte ich nicht. Du solltest es erst hören, wenn es fertig ist. Ich hätte wissen müssen, dass du nicht willst, dass ich in deinem Notizheft herumpfusche.“
Jetzt verstand sie überhaupt nichts mehr. „Wovon zum Teufel sprichst du?“
Er spielte ein paar Noten. Sofort erkannte sie die Melodie, die sie beide an jenem Abend in Santa Monica komponiert hatten. „Es sollte eine Überraschung sein. Mir geht die Melodie seit Tagen nicht aus dem Kopf. Daher dachte ich, ich bringe die Noten und den Songtext zu Papier, damit du ihn in deinem Notizheft findest. Für dein nächstes Album.“ Naserümpfend fügte er hinzu: „Das war eine dumme Idee, okay? Vergiss es einfach.“
Es vergessen?
Alexis schaute auf ihn hinab und ihre Wut verschwand sofort. Er hatte sich nicht an ihren Songideen bedienen wollen – Taylor hatte ihr helfen und sie überraschen wollen. Nicht sie half ihm dabei, ihre Songs zu schreiben, sondern er unterstützte sie
.
Vor Erleichterung und Glück kamen ihr die Tränen.
Wenn sie noch einen Beweis gebraucht hätte, dass Taylor nicht wie Brad war und ihretwegen mit ihr zusammen sein wollte, hatte sie ihn nun.
„Danke“, flüsterte sie ihm zu.
„Wofür?“
Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und ließ sich auf die Knie nieder. Vorsichtig schob sie die Gitarre beiseite und legte ihm die Arme um den Hals. Während sie ihm in die braunen Augen sah, wallte pures Glück durch sie hindurch. „Für dich.“