Eine ganze Brigade arbeitswütiger Zwerge war im Bergwerk meines Gehirns mit Hacken und Eisen zugange und verrichtete zermürbende Abbauarbeiten. Was konnte ich ihnen anbieten, um sie davon zu überzeugen, ihre Tätigkeit unverzüglich einzustellen? Ich stöhnte auf, ohne mich zu bewegen, da auch die kleinste Positionsänderung das ganze System ins Wanken gebracht hätte.
Was war am Vorabend passiert? Schlaglichtartig blitzten Erinnerungen durch mein Gehirn. Vier volle Schnapsgläser, ich schwankend auf dem Nachhauseweg, während ich mich immer wieder an Laternen festklammerte … Und war nicht etwas Einschneidendes bei dieser Vernissage geschehen?
Schlagartig wurde ich wach, hob die schweren Lider und ließ sie sofort wieder zufallen, denn das grelle Licht der Morgensonne gleißte wie eine Signalrakete durch die Schlitze der Jalousie. Meine Finger krallten sich Halt suchend in die Matratze. SOS. Ich war zwar nicht in Seenot, aber es war doch eindeutig ein Notfall. Sobald ich versuchte, mich aufzurichten, schaukelte mein Bett wie eine Jolle auf schwerer See. Ich beschloss, vollkommen ruhig liegen zu bleiben. Leider konnte ich nicht verhindern, dass sich die Erinnerungen an den gestrigen Abend allmählich präzisierten.
Hatte ich tatsächlich meinem nervigsten, aber eben auch erfolgreichsten Künstler ein Glas Champagner ins Gesicht gegossen und ihn danach in sein Kunstwerk geschubst?
War ich aus meiner eigenen Galerie geflüchtet wie eine Diebin und hatte die entgeisterte Kulturprominenz einfach stehen lassen?
Und war ich anschließend in eine miese Spelunke eingekehrt und hatte drei wildfremden Männern diverse Lokalrunden spendiert?
Ja, ja und nochmals ja.
Ich musste unbedingt herausfinden, was für eine Resonanz mein Auftritt in der Öffentlichkeit hervorgerufen hatte und wie der weitere Abend in der Galerie ohne mich verlaufen war. Dafür musste ich allerdings zuerst das Bett verlassen, unten im Erdgeschoss die Zeitung aus dem Briefkasten ziehen und schließlich das Telefon finden, um meine Assistentin anzurufen.
Nachdem drei Versuche, direkt in die Vertikale zu gelangen, gescheitert waren, bewältigte ich diese erste Hürde, indem ich mich zunächst aus dem Bett auf den Boden fallen ließ, der zum Glück von einem hochflorigen Teppich bedeckt war. Dort blieb ich eine Weile liegen und studierte das Teppichmuster, um das nicht enden wollende Kreisen im Kopf in den Griff zu bekommen, woraufhin ich schließlich auf allen vieren in Richtung Badezimmer kroch.
Nachdem ich mich meines Mageninhalts entledigt hatte, kletterte ich völlig entkräftet in die Duschkabine, schaffte es, mich mithilfe eines vorausschauend für das Alter angebrachten Haltegriffs einigermaßen aufzurichten, und stellte die Armatur todesmutig auf kalt.
Ich war nicht darauf vorbereitet, was für eine Wirkung das eisige Wasser auf meinen alkoholgeschwächten Körper haben würde. Einer Ohnmacht nahe klammerte ich mich an der Duschstange fest und nahm mir vor, zumindest so lange durchzuhalten, bis ich mich im Kopf ein wenig klarer fühlte.
Fünf Sekunden später sah ich ein, dass dies in meiner derzeitigen Verfassung ein zu hoch gestecktes Ziel war, und stellte den Wasserstrahl ab. Zitternd kletterte ich aus der Duschkabine und langte nach einem Handtuch für die Haare und meinem Frotteebademantel, der mir zumindest ein Gefühl des Aufgehobenseins vermittelte.
So traute ich mir den Weg nach unten, wo mit der Kaffeemaschine eine weitere Stärkungsmaßnahme auf mich wartete, schon eher zu.
Die Treppe ins Erdgeschoss meines Hauses war gepflastert mit Kleidungsstücken, derer ich mich wohl in der Nacht Stück für Stück entledigt hatte. Leider war es dem Architekten beim Bau des Hauses gelungen, mich zu überreden, kein Geländer an der schwebenden Holztreppe anzubringen, da dies den optischen Gesamteindruck empfindlich stören würde.
Nun störte es den optischen Gesamteindruck jedoch weit empfindlicher, als ich aufgrund des fehlenden Geländers nur nach unten kam, indem ich mich hinsetzte, um die Treppe Stufe für Stufe auf dem Hintern hinunterzurutschen. Zum Glück musste ich mir über die optische Wirkung keinerlei Gedanken machen, da außer mir niemand da war. Ein Vorteil des Alleinlebens ist, dass einen niemand bei derart peinlichen Handlungen beobachten kann.
Nach einer großen Tasse schwarzen Kaffees fühlte ich mich stark genug, mich nach draußen zum Briefkasten zu begeben. In meinem desolaten Zustand kam ich seltsamerweise überhaupt nicht auf die Idee, auf meinem Handy nachzusehen, was in der Onlineausgabe der Zeitung stand, sondern war offenbar über Nacht technisch auf den Stand der Neunzigerjahre zurückkatapultiert worden.
Unglücklicherweise hatten wir es einmal für eine gute Idee gehalten, die Zeitungsbox nicht am Haus anzubringen, sondern vorne am Gartentor, um gleich morgens eine kleine Frischlufteinheit genießen zu können. Der Gang zum Briefkasten verschaffte mir einen derart starken Restalkoholeinschuss, dass ich mich zunächst Rettung suchend an das hässliche schmiedeeiserne Tor klammern musste, auf das mein Ex-Mann beim Hausbau bestanden und wofür er sich zusätzlich verschuldet hatte. Natürlich kam genau in diesem Moment Frau Dr. Klingenberg zu ihrer morgendlichen Joggingrunde an meinem Haus vorbei, eine Ärztin für Ästhetische Zahnheilkunde, die mit ihrer Familie auf der anderen Straßenseite wohnte und eine der niederträchtigsten Personen war, die diese Stadt zu bieten hatte.
»Ach, Frau van den Broek! Sind Sie gar nicht bei der Arbeit heute?«
Frau Dr. Klingenberg vermutete aufgrund meines Nachnamens, dass ich adliger Herkunft war, und versuchte daher hartnäckig, mich in den illustren Kreis ihrer Bridgedamen aufzunehmen. Es wurde wirklich Zeit, dass ich wieder meinen eigenen Nachnamen annahm.
Die Nachbarin war auf der Stelle joggend stehen geblieben, präsentierte mir ihre gebleichte Zahnreihe und verlangte eine Erklärung für meine morgendliche Anwesenheit.
Für gewöhnlich hätte ich nun geantwortet, dass ich mich etwas unwohl fühle und daher erst später zur Galerie fahren würde, doch für irgendetwas musste der gestrige Abend ja gut gewesen sein. Außerdem würde sie es vermutlich ohnehin bald aus der Zeitung erfahren.
»Nein, ich habe gestern meinen erfolgreichsten, aber auch nervigsten Künstler mit Champagner übergossen, ihn dann in seine grässliche und zutiefst frauenfeindliche Krakenkunst gestoßen und mich danach bis zur Besinnungslosigkeit betrunken.«
Ich prüfte die Wirkung meiner Worte in ihrem Gesicht, doch Frau Dr. Klingenberg lächelte mich vollkommen unbeirrt an. »Ach, Sie Arme, das tut mir leid. Dann gute Besserung.« Während sie weiterjoggte, winkte sie mir fröhlich zu und rief: »Sie müssen unbedingt mal in unsere Bridgerunde kommen, Frau van den Broek!«
Ich sah ihr verdutzt nach und bewunderte ihre Fähigkeit, unliebsame Wahrheiten einfach an sich abperlen zu lassen. Umso mehr reizte es mich, auszuprobieren, wie stabil der Wall ihrer Wirklichkeitsverleugnung an diesem Morgen tatsächlich war.
»Übrigens«, rief ich ihr nach, »was ich Ihnen schon längst mal sagen wollte: Mein Nachname ist überhaupt nicht adlig! Das van den verweist einzig und allein auf eine geografische Herkunft. Ich heiße also lediglich Frau vom Sumpf. Blöd, was?«
Meine Nachbarin bremste so abrupt, dass sie beinahe über ihre eigenen Joggingschuhe gestolpert wäre. Eine Zeit lang blieb sie wie angewurzelt stehen und dachte vermutlich darüber nach, was sie mit dieser neuen, bedauerlichen Information anfangen sollte. Ganz offensichtlich hatten meine Worte dieses Mal ihren Verdrängungswall überwunden, doch sie hatte noch nicht entschieden, wie sie angemessen darauf reagieren sollte. Würde sie mich aus dem illustren Kreis ihrer potenziellen Bridgepartnerinnen entfernen wie einen in Ungnade gefallenen Verwandten, den man fortan totschweigt?
Wie in Zeitlupe drehte Frau Dr. Klingenberg ihren Kopf zu mir, musterte mich kühl, zuckte leicht mit dem rechten Mundwinkel und zischte: »Pink steht Ihnen gar nicht. Es macht Sie blass.«
Dann joggte sie überambitioniert zu ihrer Hofeinfahrt und verschwand hinter einem ähnlich imposant-geschmacklosen Eingangstor.
»Danke, da haben Sie völlig recht«, rief ich ihr nach. »Toll, dass es jemand mal ausspricht.« Aber ich war nicht sicher, ob sie es noch gehört hatte. Jedenfalls würde sie mich in Zukunft in Ruhe lassen.
Langsam begann es mir Spaß zu machen, auf nichts mehr Rücksicht zu nehmen und mit allem Unliebsamen in meinem Leben aufzuräumen. Ich sah an mir herunter. Der pinke Bademantel war ein Geschenk meines Mannes gewesen, der sich nie die Mühe gemacht hatte, darüber nachzudenken, was mir gefallen könnte oder zumindest einigermaßen gut an mir aussah. Und Pink stand mir definitiv nicht.
Stattdessen hatte Bart versucht, mich zu der Frau zu machen, die in einen pinkfarbenen Bademantel mit Rüschenkante passte. Irgendwann hatte er jedoch einsehen müssen, dass das ein vergebliches Unterfangen war, und sich lieber gleich das perfekte Rüschenkanten-Model gesucht. Es wurde Zeit, auch diese Altlast auf die Deponie der endgelagerten Irrtümer zu bringen.
Die Straße war vollkommen leer. Aber bestimmt beobachtete Frau Dr. Klingenberg mich durch das Küchenfenster. Mit diebischer Freude streifte ich den scheußlichen Bademantel ab, stopfte ihn in die Mülltonne, nahm noch rasch die Zeitung aus dem Briefkasten, winkte dem Küchenfenster meiner Nachbarin zu und ging mit nichts weniger als meiner wiedergewonnenen Würde wieder ins Haus zurück.
Drinnen schlüpfte ich in Hochstimmung in einen gelben Arbeitsoverall, den ich mir für Gartenarbeiten gekauft, aber nie benutzt hatte und der seitdem geduldig wartend im Flur hing. Jetzt schien er die passende Uniform für meine weiteren Kamikazetaten zu sein.
Dann bereitete ich mir in der überdimensionierten Küche, die ebenfalls dem großspurigen Charakter meines Ex-Mannes geschuldet und mit allerlei teurem, aber unsinnigem Schnickschnack ausgestattet war, einen weiteren Kaffee zu. Auch mein körperliches Befinden hatte sich durch die Reduktion meiner Altlasten erheblich gesteigert. Ich fühlte mich nun sogar stark genug, mich dem Artikel der Kunstkritikerin zu stellen.
Hastig arbeitete ich mich durch die Zeitung zum dünnen Kulturteil vor.
GALERISTIN ZERSTÖRT IHR LEBENSWERK
lautete die theatralische Überschrift. Ich atmete tief durch, nahm einen Schluck von meinem Kaffee und las weiter.
Ein Eklat der besonderen Art ereignete sich gestern Abend in der Galerie von Vera van den Broek, als der bis nach New York in der Kunstwelt hoch angesehene Künstler Elvis Esposito mit einem Glas Champagner übergossen und in eines seiner feinnervigen Kunstwerke gestoßen wurde, das dabei erheblichen Schaden nahm. Und dies von niemand Geringerem als der Galeristin selbst! Was Laien zunächst wie eine gezielte Kunstaktion erscheinen mochte, enttarnten Eingeweihte sofort als massiven Affront gegen den renommierten Künstler. Über die Gründe dazu schwieg die Galeristin sich am Abend aus. Mehr dazu heute in der Onlineausgabe.
Ich legte die Zeitung wieder zurück auf die Küchentheke und schnaubte. Diese blöde Ziege! Noch bei der letzten Ausstellung hatte sie Esposito als »stark überschätzten Schwimmtierhersteller« deklassiert, und jetzt das!
Nüchtern betrachtet konnte ich der kurzen Notiz jedoch vier wichtige Informationen entnehmen.
Erstens: Die Verfasserin alias Kunstkritikerin war wütend. Sehr, sehr wütend.
Zweitens: Sie hatte sich sofort mit Esposito verbündet und den restlichen Abend mit ihm über mich gelästert (bis seine Abendmaschine nach New York ging).
Drittens: Mein Handy war voller Anrufe, die ich aber nicht gehört hatte, weil ich es noch vor der Vernissage ausgestellt hatte.
Viertens: Die Krake war kaputt. Das würde teuer werden. Ziemlich teuer.
Ich sah nach draußen in den noch von Bart entworfenen japanischen Garten. Der Landschaftsarchitekt hatte damals behauptet, man komme allein durch das Betrachten der harmonisch angelegten Landschaft mit Pflanzen, Steinen und einem Seerosenteich zur Ruhe und finde sein inneres Gleichgewicht. Ich aber hasste diesen Garten, und zwar nicht erst, seitdem klar war, dass der Auftraggeber noch vor Fertigstellung des Werks mit seiner Golflehrerin durchgebrannt war.
Vermutlich hatten die meisten Leute, die über das Geld verfügten, sich solch einen teuren Garten gestalten zu lassen, ohnehin nicht die Zeit, ihn danach auch zu genießen. Stattdessen musste man jemanden bezahlen, der den Garten pflegte, da man selbst dafür keine Energie mehr übrig hatte. Innere Ausgeglichenheit gab es also nur für den Gärtner, der womöglich die entspannende Wirkung genießen konnte, während er die Büsche stutzte.
Ich stand auf und kramte aus dem Medikamentenschrank eine Brausetablette gegen die Kopfschmerzen hervor und löste sie in einem Glas Wasser auf. Dann machte ich mich auf die Suche nach meinem Handy, entdeckte es in meiner auf der Treppe abgelegten Jacke, atmete tief durch und stellte es an.
Auf der Mailbox waren sieben Nachrichten von meiner Assistentin. Dreiundzwanzig von Esposito, die letzte vor einer Viertelstunde. Eine von meinem Sohn, vier von der Kunstkritikerin und ein paar von unbekannten Rufnummern. Die Versuchung war groß, sie mir alle der Reihe nach anzuhören, doch eine innere Stimme sagte mir, dass es für meine seelische Gesundheit besser war, dies nicht zu tun.
Aber wenigstens wollte ich wissen, wie mein Sohn die Nachricht von meiner Existenzvernichtung aufgenommen hatte, die offenbar schon bis zu ihm in den Norden vorgedrungen war.
»Hi Mom! Kannst du mir noch was überweisen? Ich bin total klamm diesen Monat, du weißt doch, die Mieterhöhung, und die Mensa hier geht gar nicht, also, danke, du bist ein Schatz! Ciao!«
In der Welt meines Sohnes existierte die Möglichkeit, dass ich Nein sagte, anscheinend genauso wenig wie die, dass er sich selbst durch echte Arbeit etwas dazuverdiente. Die Mieterhöhung für sein WG-Zimmer war, das hatte er mir schon mehrfach vorgejammert, ein angesichts seiner üppigen Zuwendungen lächerlicher Betrag von zwanzig Euro im Monat.
Anscheinend wusste er noch nichts von meiner Existenzvernichtung. Ich freute mich jetzt schon auf sein Gesicht, wenn ich ihm davon erzählte. Denn zu einem gewissen Teil würde es auch seine eigene sein, zumindest die Vernichtung seiner Existenz in der überwiegend liegenden Erscheinungsform.
Ohne mir ihre Nachrichten vorher anzuhören, wählte ich die Nummer meiner Assistentin Konstanze.
»Frau van den Broek! Wie geht es Ihnen?« Der geheuchelt therapeutische Ton, den Konstanze anschlug, deutete darauf hin, dass sie eine nervlich bedingte Ursache für mein unerklärliches vorabendliches Verhalten vermutete.
»Danke, es geht mir ausgezeichnet.«
»Wirklich? Kann ich irgendetwas für Sie tun?« Sie glaubte mir offenbar nicht.
»Ja, Sie können aufhören, mich wie eine Irre zu behandeln.«
Sicherlich bemühte sie sich, betroffen auszusehen, wie immer, wenn sie eine innere Erschütterung vortäuschen wollte. In Wahrheit war Konstanze eine verwöhnte und erstaunlich gefühlsarme Oberschichtgöre. Ich hatte sie in der Hoffnung eingestellt, mir neue Kundenkreise erschließen zu können, was eine teuer erkaufte Fehlentscheidung gewesen war, da wir überhaupt nicht miteinander harmonierten.
»Gut«, schaltete sie sofort um. »Herr Esposito hat schon zigmal angerufen, er verlangt eine Erklärung. Und Schadensersatz!«
»Sagen Sie ihm, er soll mir eine Rechnung schicken.«
»Okay – oder wollen Sie nicht lieber erst mit ihm sprechen?«
Ich dachte kurz nach. Da offenbar alle eine nervliche Überlastung als Grund für mein Verhalten vermuteten, wäre mir der Weg zurück in die Galerie weiter offen, wenn ich gewisse, sicherlich sehr schmerzhafte Zugeständnisse machen würde.
»Nein, Sie machen das schon«, wiegelte ich ab. »Übrigens haben Sie vollkommen recht. Es geht mir in der Tat nicht gut, weshalb ich eine Auszeit brauche und mich für ein Jahr aus der Galerie zurückziehen werde. In dieser Zeit werde ich Ihnen die Leitung anvertrauen.«
Die Entscheidung hatte ich erst in diesem Moment getroffen und war selbst überrascht, dass sie sich genau richtig anfühlte.
Konstanze schnappte nach Luft. Sie wollte sich offenbar nicht allzu sehr anmerken lassen, wie sehr sie sich über ihren Karrieresprung freute. Ob es richtig war, ihr so viel Macht zu überlassen, war mir in diesem Moment reichlich egal. Letzten Endes gehörte die Galerie immer noch mir.
Nach einiger Zeit fand meine Assistentin ihre Sprache wieder. »Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Das freut mich. Ich habe schon lange … also, ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Davon bin ich überzeugt«, antwortete ich zweideutig. »Ich komme dann morgen in die Galerie, und wir besprechen die Modalitäten. Den heutigen Tag brauche ich noch für meine Rekonvaleszenz.«
»Aber natürlich! Ruhen Sie sich schön aus. Ich regle alles. Wie gehen wir mit der Presse um?« Konstanze überschlug sich fast vor lauter Eifer.
»Die lassen wir erst mal zappeln. Inzwischen verfasse ich eine schriftliche Erklärung. Das ist alles. Nichts ist uninteressanter als die Wahrheit.«
»Da haben Sie natürlich völlig recht, Frau van den Broek! Dann bis morgen.«
Wir verabschiedeten uns und beendeten das Gespräch. Warum war mir nie aufgefallen, was für eine hinterhältige Schlange diese Person war?
Doch jetzt musste ich mich erst einmal von den Ereignissen des Abends und vor allem der Nacht erholen. Mit letzter Kraft, aber frohen Gemüts schleppte ich mich wieder die Treppe hinauf, vorbei an meiner Stück für Stück abgestreiften Galeristenhaut, und ließ mich, oben angekommen, wieder zurück ins Bett fallen.