Als ich am nächsten Morgen erwachte, wunderte ich mich, dass ich im Wohnzimmer lag, und dachte zunächst, ich hätte den Banküberfall und meinen plötzlichen Reichtum nur geträumt. Doch nach einem erneuten Kontrollblick in den Backofen war ich mir wieder sicher, dass ich tatsächlich alles genau so erlebt hatte.

Ich machte mir einen schön starken Kaffee und ging damit vor die Tür, um die Zeitung zu holen. Draußen war es feucht und neblig, aber die Temperaturen lagen immer noch über dem Gefrierpunkt.

Auf den ersten Blick sah ich, dass mein Foto die Titelseite der Zeitung schmückte. Ich war nicht zu übersehen in meinem zitronengelben Overall. Hinter mir stand die Blitzbirne in gefährlich dümmlicher Pose, während ich eher einen genervten Gesichtsausdruck hatte, etwa so, als fühlte ich mich von einem lästigen Insekt gestört. Ich nahm schnell die Zeitung mit nach drinnen, bevor wieder irgendwelche joggenden Nachbarinnen vorbeikamen.

Der Artikel beschrieb in aller Ausführlichkeit, was am Vortag in der Bank vorgefallen war. Herr Andresen wurde wie ein Held gefeiert, fälschlicherweise meiner Meinung nach. Immerhin hatte er nur den Alarmknopf gedrückt und ansonsten durch sein bockiges Verhalten den Zorn der Täter entfacht, womit er auch die anderen Geiseln in Gefahr gebracht hatte. Also auch mich. Meine Rolle als Geisel wurde zum Glück aber nur kurz gestreift. Ich wollte keineswegs in der ganzen Stadt als Opfer bekannt werden. Über die Bankräuber oder einen möglicherweise verschwundenen Beuteanteil wurde kein Wort verloren.

Ob das ein gutes Zeichen war, konnte ich nicht einschätzen. Vermutlich würden die Bankräuber den Artikel ebenfalls lesen und entweder davon ausgehen, dass die Polizei den zurückgelassenen Stoffbeutel gesichert hatte, dieser Umstand aber aus »ermittlungstaktischen Gründen« nicht erwähnt wurde, oder sie würden sich fragen, warum der zurückgelassene Beutel nicht erwähnt wurde, und ganz schnell die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Mir wich vor Schreck das Blut aus dem Gesicht. Doch ich konnte nicht weiter über meine neue Bedrohungslage nachdenken, da mein Festnetztelefon klingelte. Auf dem Display sah ich, dass meine Freundin Nike am anderen Ende war. Nike und ich kannten uns seit der Grundschule und hatten nicht ein einziges Mal in unserer gemeinsamen Zeit Streit gehabt, was allerdings hauptsächlich ihrem harmonischen Wesen zu verdanken war. Nike war Designerin und entwarf wilde Tapetenmuster, wodurch die Wände ihrer Wohnung stets mit gewagt kombinierten psychedelischen Tier- und Urwaldmotiven versehen waren, die beim Betrachter eine komplette Reizüberflutung hervorriefen. Ihr hingegen wurden sämtliche Motive bald langweilig, weshalb sie ihre Wohnung immer wieder neu tapezierte, sodass man sich in ihrer Wohnung stets fremd fühlte. Dies hatte dazu geführt, dass ich mich inzwischen lieber in einem ruhigen Café mit ihr traf.

»Vera«, quietschte sie nun in mein Ohr. »Du kannst ja Farbe!« Ich konnte an ihrer Tonlage erkennen, dass sie auch schon die Zeitung gelesen hatte und ihr natürlich zuerst mein gelber Overall mit dem grünen Blazer ins Auge gestochen war. Ich murmelte als Erklärung etwas von »schief gegangenem Experiment«. Dann erst fragte sie, wie es mir nach diesem Schockerlebnis nun ginge.

»Gut, nein, sogar ausgezeichnet. Ich habe endlich die Galerie hingeschmissen.«

»Was? Ich dachte, du warst in einen Banküberfall verwickelt?«

Nike hatte offenbar nur an diesem Morgen die Zeitung gelesen. Ich fasste also kurz für sie zusammen, was seit unserem letzten Treffen passiert war. Natürlich ließ ich den Teil mit der Beute geflissentlich aus.

»O mein Gott, bist du nicht gestorben vor Angst? Ich komme gleich vorbei und kümmere mich um dich«, beschloss meine Freundin, ohne meine Zustimmung abzuwarten. »Das musst du mir alles noch mal haarklein erzählen.«

Ich sah auf den Azaleenbusch, dann zum Backofen und dachte an die bevorstehende Aufgabe, die Spuren meiner Tat zu vertuschen.

»Das ist lieb von dir, aber ich muss mich noch ein bisschen von dem Schock erholen.«

»Ich könnte Suppe kochen«, schlug Nike vor. Neben ihren Tapetenmustern waren allerdings auch ihre Kochversuche legendär. Tatsächlich wirkte sich ihre Experimentierfreudigkeit beim Essen nicht unbedingt positiv aus.

Ich sah auf meine Küchenuhr. »Es ist neun Uhr morgens. Außerdem habe ich noch nicht mal gefrühstückt. Nein, ich brauche auch keine Brötchen.«

»Nun gut, aber melde dich sofort, wenn es dir nicht gut geht! So was kommt oft erst mit Verzögerung.« Man konnte Nike anhören, dass sie ein wenig auf diesen verspäteten Schockeintritt lauerte. Am liebsten wäre sie vermutlich mit einem Berg Kuchen und einem eigenartigen Eintopf voller Zutaten, die nicht zusammenpassten, hier angekommen und hätte mich stundenlang bemuttert.

Seitdem ihre beiden Kinder aus dem Haus waren, wusste sie nicht richtig, wohin sie ihre verbliebene mütterliche Energie abgeben sollte, da schien ich im Moment ein dankbares Opfer zu sein. An sich wäre das auch sehr nett gewesen, aber ich hatte an diesem Tag nun mal etwas Wichtiges zu erledigen.

»Vielleicht morgen«, vertröstete ich sie, versprach, mich auf jeden Fall zu melden, und ließ eine unzufriedene Freundin zurück.

Kaum hatte ich das Telefon zur Seite gelegt, klingelte es schon wieder. Wenn das so weiterging, würde ich an diesem Tag nicht zum Graben kommen.

»Mom! Du bist überfallen worden«, stellte mein Sohn ohne Begrüßungsformel fest. Seine Stimme klang sogar etwas besorgt, was mich Trottel gleich ein wenig rührte. Aber das Gefühl sollte nicht sehr lange anhalten.

»Nicht ich, sondern die Bank«, korrigierte ich. »Keine Sorge, es geht mir gut.«

»Cool. Konntest du denn noch Geld überweisen?«

Verwirrt stammelte ich in den Hörer. »Wie … Geld überweisen?«

Dann begriff ich ohne ein weiteres Wort von ihm. Ich hatte den Betrag noch nicht geschickt, den er bei unserem letzten Telefonat angefordert hatte, und nun befürchtete er, dass der Geldfluss womöglich ganz versiegen würde, weil mein Konto ebenfalls leer geräumt worden war. Diese Unverfrorenheit verschlug mir für einen Moment die Sprache.

»Bist du noch da?«, wollte er nach einer Weile wissen.

Nüchtern betrachtet kümmerte er sich nur um seinen Fortbestand als überwiegend liegendes Exemplar der Gattung Homo sapiens. Doch ich beschloss, anthropologische Gesetzmäßigkeiten nicht gelten zu lassen, sondern meinen Sohn endlich einem kleinen Realitätscheck zu unterziehen.

»Hör zu, Julian, es wird in der nächsten Zeit einige Änderungen geben. Ich habe die Galerie für ein Jahr abgegeben. Du wirst dir einen Nebenjob suchen müssen. Tut mir leid.«

Es tat mir überhaupt nicht leid, aber das musste er ja nicht wissen. Die Kunst war, es ihn nicht merken zu lassen, schließlich wollte ich mein Alter nicht einsam und ohne Verwandtenbesuche im Pflegeheim verbringen.

»Mom, das kannst du nicht machen! Ich schreibe in der nächsten Zeit drei Klausuren. Wie soll ich da denn noch zusätzlich arbeiten?«

»Ach, da fällt dir bestimmt was ein. Geh doch mal zur Jobvermittlung des Studierendenwerks. Die suchen immer Leute für Umzüge und so was.«

Seine Antwort war nur ein abgrundtiefes Stöhnen. Die bequeme Welt meines Sohnes war gerade wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. Und das Schlimmste war, ich war selbst schuld, dass er so ein verwöhntes Bürschchen war, schließlich hatte ich ihn nach der Scheidung vor lauter schlechtem Gewissen stellvertretend dafür, dass sein Vater sich kaum meldete, in Watte gepackt. Aber damit musste jetzt Schluss sein, wenn er ansatzweise ein lebensfähiges Geschöpf werden sollte. Falls es nicht ohnehin schon zu spät war.

»Du, ich muss jetzt aufhören. Du weißt, ich bin überfallen worden und muss mich jetzt schonen. So was kommt oft erst mit Verzögerung.«

Zum Glück konnte Julian nicht sehen, dass ich über das ganze Gesicht grinste, als ich meine Freundin Nike zitierte.

Er presste noch ein paar Worte des Mitgefühls hervor, doch er war nicht recht bei der Sache. Zu groß war der Schock, dass er sich auf einmal selbst um sein Leben kümmern musste. Ich spürte, dass ich langsam, aber sicher wütend wurde. Also legten wir, aus unterschiedlichen Gründen missgestimmt, bald auf. Wir befanden uns gerade auf völlig entgegengesetzten Seiten des Planeten. Nordpol und Südpol. Oder womöglich sogar auf zwei komplett verschiedenen Planeten im Universum.

Um meinen aufkeimenden Frust niederzudrücken, beschloss ich, jetzt eine Runde Gartenarbeit einzulegen. Ich schlüpfte, endlich einmal für den richtigen Anlass, in meinen gelben Gartenoverall, zog Mantel, Schal und Mütze darüber, holte mir einen Spaten und eine Schaufel aus der Garage, steckte eine Zange und ein paar Kabelbinder in die Tasche und ging damit in den Garten, der zum Glück nach allen Seiten von den Nachbarn uneinsehbar war.

Der japanische Azaleenbusch hatte sich im Lauf der Jahre sehr stark ausgebreitet. Es würde sein letztes Jahr in meinem Garten werden. Wenngleich sein Blütenmeer im Frühjahr durchaus schön anzusehen war, konnte es nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Barts Lieblingspflanze gewesen war. Aber vorerst brauchte ich den Busch noch.

Ich band einige Zweige mit einem Kabelbinder hoch, damit der Busch die Aufbewahrungsstelle des Geldes später gut verbergen würde, und stach den Spaten beherzt in den Boden. Die Erde war noch ziemlich hart, und ich musste viel Kraft aufwenden, um mit dem Spatenblatt überhaupt in die Tiefe vorzudringen. Bald lief mir trotz der geringen Temperaturen der Schweiß über die Stirn.

Nach einer halben Stunde hatte ich endlich eine kleine Grube ausgehoben, die groß genug war, um die Beute darin verstecken zu können. Ich ging durch die Terrassentür ins Haus, holte das Geld aus dem Backofen, wickelte es zum Schutz vor Feuchtigkeit noch in zwei weitere Plastiktüten, sah mich draußen misstrauisch nach Beobachtern um, die ich zum Glück nicht entdecken konnte, und legte den Beutel schnell in das Erdloch. Dann schaufelte ich es mit Erde zu, deckte diese mit Brocken voller Grasnarben ab und löste nach getaner Arbeit den Kabelbinder mit einer Zange von den Zweigen. Sofort federten diese wieder nach unten.

Ich ging einige Schritte zurück und betrachtete mein Werk. Es war perfekt. Die Zweige überdeckten die Aushubstelle vollständig. Zur weiteren Tarnung holte ich noch etwas verwelktes Laub von anderen Büschen und streute es unter dem Busch aus. Danach war ich hochzufrieden mit meiner Arbeit.

Erleichtert verstaute ich das Werkzeug in der Garage, ging ins Haus zurück und machte mir ein richtiges Frühstück mit Obstsalat, aufgebackenem Croissant und einem weiteren Kaffee. Genüsslich verzehrte ich alles am Küchentisch und sah dabei in den Garten hinaus. Das Versteck war wirklich perfekt!

Als mein Blick erneut auf mein Bild in der Zeitung fiel, wurde mir auf einmal bewusst, dass meine fast achtzigjährige Mutter den Artikel vermutlich auch gelesen hatte. Bestimmt machte sie sich große Sorgen um mich. Ich beschloss, nach dem Frühstück direkt in ihre Seniorenresidenz zu fahren und sie mit dem Beweis meiner körperlichen Unversehrtheit zu beruhigen.

Bei dieser Gelegenheit konnte ich ihr auch gleich berichten, dass ich ab jetzt sehr viel mehr Zeit für sie haben würde. Sicherlich würde sie begeistert sein, hatte sie sich doch immer beklagt, dass ihre Tochter nie da war. Bestimmt würden wir gleich Pläne für gemeinsame Unternehmungen schmieden. Es war ein gutes Gefühl, einer gebrechlichen alten Dame, die zudem meine Mutter war, etwas Gutes tun zu können!

Da mein eigenes Auto noch bei der Spurensicherung war, buchte ich bei einer Autovermietung einen Wagen, der freundlicherweise direkt vor meine Tür gebracht wurde. Meine Mutter legte viel Wert auf das äußere Erscheinungsbild, also duschte ich ausgiebig, schlüpfte in Hose und Rollkragenpulli, tuschte mir die Wimpern und legte sogar etwas Lippenstift auf. Als das Auto geliefert worden war, verließ ich voller guter Absichten das Haus.

 

Die Seniorenresidenz »Am Rosengarten« war eines der besseren Häuser der Stadt. Alles war hell und geschmackvoll eingerichtet, im Eingangsbereich standen gepflegte Pflanzen, und eine Empfangsdame, die eher wie die Rezeptionistin eines Viersternehotels wirkte, begrüßte die Bewohner und Besucher so überschwänglich, als ob sie auf einer langen Reise gewesen wären.

Meine Mutter wohnte noch selbstständig in einer kleinen Zweizimmerwohnung und nahm mit Begeisterung an den zahlreichen Veranstaltungen im Haus teil. Da ich das einzige Kind war und sie nur halbtags als Modeberaterin in einem Kaufhaus gearbeitet hatte, kostete mich ihr Aufenthalt jeden Monat eine ziemliche Summe, doch das war mir ihr Altersglück bisher immer wert gewesen. Und dank meiner Beute konnte ich ihren Aufenthalt nun auch weiter finanzieren.

Meine Mutter öffnete mit einem auffällig strahlenden Lächeln die Tür und schien gar nicht überrascht zu sein, mich zu solch einer ungewöhnlichen Tageszeit zu sehen.

Wir hatten uns einige Wochen nicht getroffen, da wir beide sehr eingespannt gewesen waren. Bei mir lag es am zeitraubenden Elvis Esposito, bei meiner Mutter wusste ich nicht so recht, welche Termine sie in dieser Zeit gehabt hatte. Das sollte sich allerdings bald ändern. Denn kaum hatte ich auf ihrem Sofa Platz genommen und einen Schwarztee und ein Stück Kuchen vor mir stehen, eröffnete mir meine Mutter, dass es Neuigkeiten gab.

»Du sollst es als Erste erfahren, meine Liebe. Es gibt einen neuen Mann in meinem Leben.«

Vor Schreck prustete ich meinen Schluck Tee über den halben Couchtisch.

»Da staunst du, was?« Meine Mutter sprang nachsichtig lächelnd auf, um einen Lappen aus der Küche zu holen. Erst da bemerkte ich, dass sie ein sehr jugendliches, tief ausgeschnittenes Kleid mit großen dunkelroten Blüten darauf trug, das ich noch nie an ihr gesehen hatte und das für die Jahreszeit nicht ganz passend war.

»Aber du bist doch achtundsiebzig?« Das war ein ziemlich dämlicher Einwand, schließlich war ich an sich sehr dafür, dass man sich auch im Alter noch einmal verlieben durfte. Nur eben nicht meine eigene Mutter.

»Na und? Darf man mit achtundsiebzig nicht noch mal glücklich sein? Das letzte Mal?« Meine Mutter kräuselte gekränkt ihre tiefrot geschminkten Lippen. Mit ihrem immer noch blondierten, heute besonders steif hochtoupierten Haar bot sie den Anblick eines alternden Hollywoodstars. Es war ihr stets unbegreiflich gewesen, wie ich, dunkelhaarig und eher schlicht gestylt, so aus der Art hatte schlagen können.

Ich atmete tief durch. »Doch, natürlich darfst du glücklich sein. Ein Heiratsschwindler wird es ja nicht sein, schließlich hast du kein Geld.«

Nun war es meine Mutter, die sich fast an ihrem Tee verschluckte. »Musst du mich immer darauf hinweisen, dass du mein Appartement bezahlst?« Das Wort »Appartement« sprach meine Mutter stets betont nasal und mit französischem Ö in der Mitte aus. »Ich kann ja auch nichts dafür, dass ich dich alleinerziehend durchbringen musste und jetzt nur über eine kleine Rente verfüge.«

Tränen schossen ihr in die Augen, und ich bereute meine Worte sofort. Warum eskalierten diese Gespräche bloß immer so schnell, als wäre ich noch in der Pubertät und sie in den Wechseljahren? Hörte das denn niemals auf?

»Schon gut, entschuldige bitte. Was hat dein neuer Lover denn beruflich gemacht?«

Meine Güte! Bald würde ich auch noch fragen, wer seine Eltern waren und ob er überhaupt eine Familie ernähren konnte. Aber aus irgendeinem Grund konnte ich nicht anders.

»Er war … selbstständig«, antwortete meine Mutter ausweichend. »Aber was tut das schon zur Sache? Wichtig ist doch, dass Hartmut ein ganz reizender Mensch ist!«

»Du hast ja recht. Hauptsache, du bist glücklich«, lenkte ich ein und probierte zur Ablenkung ein Stück von dem Zitronenkuchen. Er stammte aus einer Fertigpackung und schmeckte nach Sand.

Mühsam kaute ich darauf herum und wechselte das Thema: »Ich wollte dir erzählen, dass ich demnächst endlich mehr Zeit für dich haben werde. Ich mache ein Sabbatjahr.«

Die Augen meiner Mutter leuchteten auf. »Oh, schön.« Im nächsten Moment verdüsterte sich ihr Blick wieder. »Schade nur, dass ich nicht da bin. Ich mache mit Hartmut nämlich eine Kreuzfahrt durch die Karibik. Drei Monate oder vielleicht sogar ein halbes Jahr.«

Ich rechnete im Kopf durch, was das Ganze wohl kosten würde, und lehnte mich ermattet zurück.

Meine Mutter hatte mir wohl angesehen, was ich dachte, und versicherte: »Es war ein Sonderangebot. Ein absolutes Schnäppchen!«

»Ihr habt schon gebucht?« Mir wurde übel. Selbst mit dem Geld aus den Bankraub würde es knapp werden.

»Ich wusste ja nicht, dass du einfach deine Arbeit hinwirfst. Du hättest mich ja vorher mal fragen können. Die Wohnung muss natürlich auch weiterlaufen, schließlich wollen wir ja wieder zurückkommen.« Sie bleckte beleidigt ihre Zähne, und ich bemerkte, dass etwas Lippenstift auf ihrem Schneidezahn klebte.

»Von Hinwerfen kann ja wohl …«, setzte ich an, doch dann überlegte ich es mir anders. »Hast du heute schon Zeitung gelesen?«

»Zeitung, nein. Ich lebe ja nicht hinterm Mond, sondern benutze ein Tablett.« Sie deutete auf das Tablet, das neben ihr auf dem Tisch lag.

»Dann weißt du ja schon Bescheid wegen des Bankraubs.«

»Ja, natürlich.«

»Und was sagst du dazu?«, wollte ich wissen. Bestimmt hatte sie sich Sorgen um mich gemacht, versuchte nun aber, mich zu schonen.

»Was hast du dir bloß dabei gedacht?« Entsetzt sah sie mich an und schüttelte den Kopf.

Ich erschrak. Vermutete sie etwa, dass ich selbst irgendwie in den Bankraub verwickelt war? War es so etwas wie mütterliche Intuition? Oder wusste sie aus dem Internet womöglich mehr als ich?

»Für ein Gespräch mit der Bank sollte man sich schon besser kleiden«, fuhr sie fort. »Ein Overall! Und dann auch noch in dieser Farbe! Gelb steht dir doch überhaupt nicht!«

Ich sah sie verdutzt an. Ein ganzer Steinbruch fiel innerlich von meinem Herzen. Sie hatte also keine Ahnung von der Beute, sondern interessierte sich wie immer nur für das Äußere.

»Hör mal, Mama! Ich bin gestern überfallen worden und habe wirklich gerade andere Sorgen als irgendwelche Modefragen. Außerdem ist Gelb immer noch besser als Pink.«

Meine Mutter nickte beflissen, rückte näher und tätschelte besänftigend meine Hand. Doch was sie dann verkündete, war alles andere als beruhigend. »Mach dir keine Gedanken, sie haben ihn ja.«

»Was?« Ich sprang vom Sofa auf. »Wen haben sie?«

Mein Mutter zuckte zurück und sah mich verwundert an. »Na, den Bankräuber. Was schreist du denn so herum?«

Ich riss ihr Tablet an mich, auf dem noch immer die Onlineausgabe der Lokalzeitung geöffnet war. Tatsächlich wurde dort als Eilmeldung verkündet, dass in den frühen Morgenstunden einer der Bankräuber in den Niederlanden gefasst worden sei, als er gerade dabei war, ein Bordell zu verlassen. Welcher von den beiden es war, stand dort allerdings nicht.

Ich sollte wirklich anfangen, die Zeitung online zu lesen.