Vier

Es war so, daß ein Dutzend farbiger Luftballons, an ihr rechtes Handgelenk gebunden, das allzu bereitwillige Sinken des Stifts zum Papier aufhielt.

Solange die Überzeugung herrschte, daß Mann und Frau das Spiel der Ergänzung erfanden — wieviel Vermochtes im Unvermochten brachte mit sich die glückliche Idee!

Es fiel kein Wort. Ich nahm die Hände vom Gesicht. Leonard löste die verschränkten Arme und verließ das Zimmer. Cordula setzte sich an den Tisch und klappte ihr Tablet auf. Das Schlimmste war überstanden.

Die Welt als Rodomontade. Aufschneiderei alles Irdischen.

Enthüllung eines Jahrhundert-Irrtums. Das Mahnmal Marxismus/Leninismus, errichtet an der Stelle der alten Heldengedenkstätte.

Man sagt sich: keine Sperenzchen mehr! Schon flattern unter der Hand hübscher denn je die Sperenzchen herauf.

Der Welt als Wille und Vorstellung schwinden die herakleischen Reserven, wenn sie keine Weltbilder mehr stürzen kann.

Die Vereinigung verschiedener Gesellschaftsnormen innerhalb eines disziplinierten Individuums erlaubte es Valéry zu sagen: »Beim Nachdenken werde ich aristokratisch und oligarchisch.« Oder Dávila: »Die Demokratie habe nur dann Bestand, wenn die Individuen genügend antidemokratische Elemente in sich vereinigen.«

Die Kimm-Linie — die Linie am Horizont, da Meer und Himmel sich zu berühren scheinen. Kimm-Linie der Zeit zwischen einst (damals) und einst (in Zukunft).

Die Gewalt des Gottes: daß er uns sein läßt. Das ist zuerst ein Kausativ: Er veranlaßt, er macht uns sein. Und dann wird’s permissiv … Er läßt uns sein bis zum Gehtnichtmehr.

O dies Weiterreden! Ohne Halt und Grenze … Immer aufs neue beginnend, irgendwann zum Ende kommend, dann wieder auflösend das Ende, nie das Endgültige! Nie ein Ende, das gilt.

Nur der wie ein langes Kleid geraffte Geist durchquert unbeschmutzt die Abwässer der Kommunikation.

Zuletzt möge man’s worfeln wie das Getreide, damit günstiger Wind dem Eingebrachten (Niedergeschriebenen) die Spreu austreibt.

Dichter, Restlichtverstärker.

Wenn alle ausruhen, wird der Poet, Sohn des Predigers, zu sprechen beginnen. Seine Stimme füllt die Lücke zwischen Gebet und Lustschrei.

Gelebt nach den Uhren meiner Toten, die ich aufhob; auf deren Ziffernblatt die Schatten der Zeiger die wahre Zeit markieren.

Mir ist kalt, sagt sie, und ihre Hand faßt immer noch kältere Dinge. Den Riegel der Pforte, das Blech des Spüleimers, das Eisen der Zwinge. Die Dinge mindern ihre Körper-Temperatur, schon leidet sie am ganzen Leib an Unterkühlung. »Mich friert’s sogar an meinem Schatten.«

Für den Vorgang, daß man unterwegs von einem Unbekannten leicht gestreift wird, bis zu dem Moment, da man selbst einen Unbekannten leicht gestreift hat, fehlt noch der Roman.

Vor seinem Haus sitzen und es immer schon gewußt haben.

Irgendwann in der Zeit haben Menschen eine neue Art der Berührung entdeckt: den Kuß — den Adam und Eva sich nie gaben.

Kaum je fällt die Bosheit mit der Tür ins Haus. Sie schleicht sich ein, ein Duft, der schmeichelt und gefällt. Unmerklich bereitet sie ihre Besitznahme vor, behutsam schwächt sie die Obacht ihres Opfers. Die Bosheit: immer feiner, immer schwebender, immer gehauchter und — wie jetzt alles auf der Welt! — wie eine Täuschung. Aber kann denn Bosheit ein fake sein?

Alles ist Sport auf Erden. Strenge ist eine Übung wie Tollheit eine Übung ist. Männlich- oder Weiblich-Sein verdankt sich jeweils tüchtiger Übung. Allenthalben sind auf dem Gelände des Lebens Hindernisläufe vorbereitet, auf daß man sich ertüchtige — um überhaupt etwas vom Dasein zu spüren. Man trainiert ohne ein anderes Ziel, als trainiert zu sein.

Sie erfreut sich ihrer ungebrochenen Rückenkraft: auf dem Rücken unter dem Himmel, auf dem Rücken unter den Decken-Fresken, auf dem Rücken unter dem Geliebten. Mit dem Rücken Erdhaftung. Bedeck mich jetzt mit dir und später einmal deck mich für immer zu.