Vergeben, unser heutiges Thema, fällt den meisten Menschen schwer. Wir alle müssen lernen zu vergeben. Dies betrifft alle, die sich nicht selbst lieben können. Vergebung öffnet unser Herz für die Selbstliebe. Viele hegen über Jahre hinweg einen Groll. Aufgrund der Verletzungen, die wir erlitten haben, sind wir sehr selbstgerecht. Ich nenne es »im Gefängnis des selbstgerechten Grolls festsitzen«. Wir wollen immer im Recht sein. Wir sind nie glücklich.
Ich kann Sie beinah sagen hören: »Aber Sie wissen ja gar nicht, was man mir alles angetan hat; das ist unverzeihlich.« Wenn Sie nicht bereit sind zu vergeben, tun Sie sich selbst nichts Gutes. Verbitterung ist so, als würden Sie jeden Tag einen Teelöffel Gift schlucken. Es reichert sich in Ihnen an und schadet Ihnen. Sie können nicht gesund und frei sein, wenn Sie an der Vergangenheit festhalten. Das Ereignis ist längst vorbei. Ja, es stimmt, dass Sie schlecht behandelt wurden. Aber das liegt hinter Ihnen. Vielleicht haben Sie auch das Gefühl, Sie würden die Verletzung, die man Ihnen zugefügt hat, durch Vergebung gutheißen.
Zu unseren wichtigsten spirituellen Lektionen zählt die Überzeugung, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt das Beste tut, was ihm jeweils möglich ist. Jeder kann nur das tun, was sein Verständnis, sein Bewusstsein und sein Wissen ihm ermöglichen. Wer andere misshandelt, wurde in der Regel selbst als Kind misshandelt. Je mehr Gewalt diese Person erfahren hat, desto größer ist ihr innerer Schmerz und desto mehr schlägt sie um sich. Das soll nicht heißen, dass dieses Verhalten in Ordnung oder zu entschuldigen ist. Im Interesse unseres eigenen spirituellen Wachstums sollten wir uns aber dieses Schmerzes bewusst sein.
Ein Vorfall liegt schon lange hinter Ihnen. Vielleicht schon seit langer Zeit. Lassen Sie ihn los. Erlauben Sie sich, frei zu sein. Verlassen Sie Ihr Gefängnis und treten Sie in den Sonnenschein des Lebens. Sollte dieser Vorfall Sie aber immer noch beschäftigen, dann fragen Sie sich, warum Sie eigentlich so schlecht über sich selbst denken. Warum halten Sie an dieser Situation fest? Verschwenden Sie keine Zeit mit dem Versuch, sich »zu rächen«. Das klappt nicht. Denn was Sie aussenden, kehrt immer zu Ihnen zurück. Lassen Sie also die Vergangenheit ruhen und arbeiten Sie daran, sich selbst im Hier und Jetzt zu lieben. Dann steht Ihnen eine wunderbare Zukunft bevor.
Gerade der Mensch, dem Sie am schwersten vergeben können, erteilt Ihnen die wichtigsten Lektionen. Erst wenn Sie sich selbst genug lieben, um sich von der damaligen Situation zu lösen, fallen Ihnen Verständnis und Vergebung leicht. Und dann sind Sie frei. Macht Ihnen die Freiheit Angst? Fühlen Sie sich sicherer, wenn Sie in Ihrem alten Groll und in Ihrer Verbitterung bleiben?
Übung: Die Werte und Einstellungen Ihrer Familie
Es ist ein interessantes Phänomen, dass durch die eigene Vergebungsarbeit häufig Reaktionen bei den Betroffenen ausgelöst werden. Sie müssen ihnen gar nicht sagen, dass Sie ihnen verzeihen. Vielleicht würden Sie das gern tun, aber es ist nicht notwendig. Denn Vergebung findet in Ihrem Herzen statt.
Beim Vergeben geht es nur in den seltensten Fällen um die anderen – wir tun uns damit selbst etwas Gutes. Vielleicht ist der Mensch, dem Sie vergeben, sogar schon tot.
Ich kenne viele Fälle, in denen jemand einer bestimmten Person aufrichtig vergeben hat und ein oder zwei Monate später einen Anruf oder einen Brief von genau diesem Menschen erhielt mit der Bitte um Verzeihung. Dies scheint vor allem dann zuzutreffen, wenn Sie die Vergebungsübungen vor dem Spiegel praktizieren. Achten Sie also bei dieser Übung darauf, wie intensiv Ihre Gefühle sein können.
Übung: Spiegelarbeit
Die Spiegelübung wird häufig als unangenehm empfunden, und vielleicht möchten auch Sie lieber auf sie verzichten. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass Sie am meisten davon profitieren, wenn Sie diese Übung vor einem Spiegel durchführen. Ich persönlich nutze gern den großen Ankleidespiegel an der Rückseite meiner Schlafzimmertür. Dort mache ich es mir mit einer Packung Taschentücher gemütlich.
Nehmen Sie sich Zeit für diese Übung oder wiederholen Sie sie regelmäßig. Wahrscheinlich gibt es mehrere Menschen, denen Sie zu vergeben haben.
Setzen Sie sich vor Ihren Spiegel. Schließen Sie die Augen und atmen Sie ein paarmal tief durch. Denken Sie an all die Leute, von denen Sie im Laufe Ihres Lebens verletzt wurden. Dann lassen Sie sie in Gedanken an sich vorbeiziehen. Öffnen Sie jetzt die Augen und sprechen Sie mit einem von ihnen.
Etwa so: »Du hast mich tief verletzt. Aber ich will nicht länger an der Vergangenheit festhalten. Ich bin bereit, dir zu vergeben.« Atmen Sie durch und sagen Sie dann: »Ich vergebe dir und lass dich gehen.« Holen Sie noch einmal tief Luft und sagen Sie: »Du bist frei, und ich bin frei.«
Wie fühlen Sie sich dabei? Empfinden Sie Widerstand? Oder haben Sie das Gefühl, frei zu sein? Sollten Sie Widerstand wahrnehmen, atmen Sie durch und sagen Sie: »Ich bin bereit, allen Widerstand loszulassen.«
Vielleicht schaffen Sie es an einem Tag, mehreren Personen zu vergeben. Oder es gelingt nur mit einer. Das spielt keine Rolle. Diese Übung tut Ihnen auf jeden Fall gut. Stellen Sie sich Vergeben wie das Entfernen der verschiedenen Schichten einer Zwiebel vor. Falls es zu viele Schichten sind, legen Sie die Zwiebel für einen Tag beiseite. Sie können jederzeit weitermachen und die nächsten Schichten lösen. Loben Sie sich für Ihre Bereitschaft, diese Übung überhaupt zu machen.
Sie können die Liste der Personen, denen Sie vergeben möchten, jederzeit erweitern. Das können sein:
Vergeben Sie vor allem sich selbst. Gehen Sie nicht so hart mit sich ins Gericht. Selbstbestrafung ist nicht nötig. Sie haben das Beste getan, was Sie tun konnten.
Je öfter Sie diese Übung durchführen, desto mehr Lasten werden von Ihren Schultern abfallen. Vielleicht sind Sie überrascht, wie viel alten Ballast Sie mit sich herumtragen. Seien Sie sanft zu sich selbst, während Sie den Reinigungsprozess durchlaufen.