»Ich sehe immer noch nicht ein, warum ich die Assistentin spielen muss.« Jacqueline hatte während der gesamten Fahrt in Pauls Blumenlaster über die Rollenverteilung bei ihrer kleinen Tour lamentiert, doch Guillaume war hart geblieben. »Klar, dass Paul den Bodyguard gibt, leuchtet mir ein, aber …«
»Aha, nur weil ich ein bisschen stärker gebaut bin, traut man mir nichts anderes zu, oder wie?«, maulte der Belgier vom Steuer seines Lieferwagens aus, worauf Guillaume der jungen Frau einen Blick zuwarf, der so viel heißen sollte wie: Siehst du, wohin das führt?
Das schien nun auch sie einzusehen, denn sie holte ein Klemmbrett aus ihrer Tasche. »Na schön. Womit kann ich dienen, Chef?«
Guillaume warf einen kritischen Blick auf ihr Requisit. »Ein Klemmbrett? Wirklich?«
»Wenn schon Assistentin, dann richtig.«
Als sie das Gelände der Sicherheitsfirma in dem kleinen Industriegebiet zwischen Port Grimaud und Cogolin betraten, deutete Lipaire mit dem Finger auf den Zaun, der es von dem danebenliegenden Betrieb abgrenzte.
»Schaut mal, der Schrottplatz da drüben könnte uns womöglich nützlich sein.«
Die beiden anderen nickten, auch wenn Guillaume ihnen anmerkte, dass sie nicht so recht wussten, was er meinte.
Dann betraten sie das Büro, das in einem kleinen Flachdachbau untergebracht war. Neben der Eingangstür hing ein verstaubtes Schild mit der Aufschrift Sécurité Grimaldine . Der kleine Raum, der sie empfing, bestand aus mehreren Stühlen, die vor einem monströsen Schreibtisch standen, an dem eine Frau mit Hornbrille und dicken Gläsern saß, die ihre Augen riesig erscheinen ließen.
Guillaume lächelte den anderen zu. Eine Frau, es hätte nicht besser laufen können. Jacqueline hingegen verdrehte bei seinem siegessicheren Blick die Augen.
»Bonjour, Mademoiselle« , begann er süßlich, »was für einen tollen Betrieb Sie doch haben. Ich denke, bei Ihnen sind wir genau richtig.«
Die riesigen Augen blickten ungerührt zurück. »Aha. Was suchen Sie denn?«
Lipaire setzte sich und bedeutete Jacqueline, es ihm gleichzutun. Paul baute sich wie vereinbart hinter ihnen auf. »Bitte beachten Sie Vitali gar nicht«, fuhr Lipaire fort, weil die Dame nicht wie erwartet gefragt hatte. »Aber auch meine eigene Sicherheit ist mir wichtig.« Keine Reaktion. »Wie auch immer, wir benötigen einen Transport für ein wertvolles Gemälde, das in Kürze in meinen Privatbesitz übergehen wird. Eine Auktion, falls es Sie interessiert.«
Die Frau sah gelangweilt aus, notierte sich aber etwas auf einem Block.
»Ich habe viel Gutes über Ihre Firma gehört, wie auch über die Diskretion, die Sie solch heiklen Transporten angedeihen lassen. Uns würde nun interessieren, welche Fahrzeuge Sie einsetzen und wie Sie das Bild zu verpacken gedenken. Geld spielt in diesem Fall keine Rolle, falls ich das noch nicht erwähnt hatte.«
Nun endlich schien das Eis gebrochen, denn die Frau zeigte ihnen stolz Fotos von ihrer Fahrzeugflotte in einer Broschüre. Guillaume fragte jedes Mal nach, ob der jeweilige Sicherheitstransporter am Samstag noch verfügbar sei, was die Frau stets bejahte – mit einer Ausnahme. »Nein, der ist an diesem Tag leider verplant. Unser neuestes Modell.«
»C’est dommage , aber das kann man wohl nicht ändern«, erwiderte Guillaume und machte sich im Geiste eine Notiz, was allerdings gar nicht nötig gewesen wäre, denn Jacqueline schrieb die ganze Zeit schon eifrig auf ihrem Klemmbrett mit. »Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie das Gemälde nicht einfach so in den Transporter legen, nicht wahr?«
»Natürlich nicht, wo denken Sie hin?« Die Frau erhob sich und ging zu der Wand hinter dem Schreibtisch. Daran lehnte ein hüfthohes Gebilde, das mit einem dunkelgrünen Samtüberwurf verhangen war. Sie zog den Stoff hoch, und zum Vorschein kam eine quadratische Kiste aus dunkelbraunen Holzplatten und Metallprofilen als Kanten.
»Normalerweise haben unsere Transportbehälter keine so repräsentative Umverpackung. Aber wir brauchen diese für eine besondere Veranstaltung kommenden Samstag. Natürlich können wir auch für Sie eine solche Spezialanfertigung produzieren lassen.«
Guillaume winkte ab. »Das wird nicht nötig sein. Isabelle, kannst du dir draußen ein Bild von den Fahrern machen, während ich hier die Details kläre?«
Jacqueline erhob sich und säuselte: »Aber mit dem allergrößten Vergnügen, Chef.«
Zehn Minuten später traf er mit Paul am Wellblechtransporter ein, den sie sicherheitshalber einen halben Kilometer entfernt am Heliport geparkt hatten.
»Und, warst du erfolgreich?«, fragte Lipaire, als Jacqueline ebenfalls zurückkehrte.
»Kann man so sagen.« Sie zog eine Uniformmütze aus ihrer Handtasche und setzte sie Quenot auf. »Passt wie angegossen. Gut, dass du im Verhältnis zu deinem Körper so einen kleinen Kopf hast.«
»Aber ich …«
»War als Kompliment gemeint, Paul. Jedenfalls tragen das die Mitarbeiter der Firma bei ihren Einsätzen.«
Lipaire nahm die Mütze vom Kopf des Belgiers und betrachtete sie. »Und die haben sie dir einfach so gegeben?«
»Ach, die Details würden jetzt zu weit führen«, antwortete Jacqueline. »Das sind so Assistentinnen-Aufgaben, nichts, womit du dich als Chef rumschlagen musst.«