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Samstag, 14. Dezember 1940

Dieser Samstag vor dem dritten Advent war für Paul Golzow wieder ein Glückstag, denn es ging zum Nachtdienst. Im Eisenbahnermantel stand er in seiner Diele, nahm seinen kleinen Robert in den Arm, übersah seine Tochter und gab seiner Frau einen Klaps auf den Po.

»Es ist kalt! Koch mir Kakao und mach mir Schmalzstullen, wenn ich am Morgen komme, Hertha! Aber vergiss nicht wieder die Salzgurken dabei!«, befahl er und ließ die Tür ins Schloss fallen.

Draußen sah er wieder Metzger Heidenreich, der auf einer Trittleiter stand. Er bemerkte Golzow nicht, da er zu beschäftigt war. Bewaffnet mit einem großen Kleisterpinsel überklebte er das alte Fahndungsplakat an seinem Laden diagonal mit einer schmalen Banderole. Auf dieser stand:

Suche nach dem Mörder aufgegeben!

Golzow las es mehrmals und konnte es kaum glauben. Wie der Führer neulich im Radio richtig gesagt hatte: Unsere Weltenordnung will den Siegertypen, der die Schwächeren jagt und vernichtet. Und wer sehen will, wie das Große entsteht, der schaut halt nach Berlin .

»Herr Obergruppenführer! Wenn Sie mal einen Blick in die Zeitung werfen würden?«, meldete sich Adjutant Schiller aus dem Hintergrund und legte schnell die neueste Ausgabe der Zeitung auf den Schreibtisch. »Das wird Sie bestimmt interessieren. Sieht nach guten Nachrichten aus.«

Völkischer Beobachter

Berliner Ausgabe

Berlin, Freitag, den 14. Dezember 1940

Suche eingestellt!

Berlin. Rummelsburg/Karlshorst. Die Ermittlung auf der S-Bahnlinie Ostkreuz-Erkner und im nahen Gebiet der Lauben wurde beendet. Die Taten konnten eindeutig den Machenschaften des englischen Geheimdienstes mit Unterstützung einer Gruppe Widersacher zugewiesen werden. Die Reichskriminalpolizei dankt den Hinweisen der Volksgemeinschaft.

»Perfekt, Schiller! Jetzt können wir uns endlich wieder den großen Themen widmen«, sprach Görnitz. »Widerstand tot, Quadriga tot und kein Triebtäter. Wir sind durch, ich sagte es ja: Die hätten sich das Theater sparen können. Nächstes Thema! Weihnachtsfeier!«

»Lüdke und seine Kollegen machten deutlich, dass er hier im Haus auf einer eigenen Feier besteht, ohne die Sipo

»Typisch! Aber es wird seine letzte sein. Die antiquierte Kripo wird sowieso nächstes Jahr aufgelöst. Die Polizei muss politischer werden. Dann machen wir es uns morgen hier mit unseren Freunden alleine gemütlich. Haben Sie alles organisiert? Kiste Fressalien, Kiste Alkohol? Und sagen Sie den anderen auf der Etage Bescheid!«

»Zu Befehl, Herr Obergruppenführer!«

»So, und nun Wochenende! Verlassen wir die heiligen Hallen!«

»Guten Abend, werte Rundfunkhörer! Hier ist der Großdeutsche Rundfunk. Die Deutsche Weihnacht steht vor der Tür! Eine wachsame, wehrhafte und trotz allem wundervolle Weihnacht. Gerade jetzt erkennen wir die Werte unserer Rasse, die im jubelnden und trotzigen Aufstand gegen die Dunkelheit, und gegen jeden unwürdigen Zustand sich zur befreienden Tat erhebt.«

»Ick kann ooch ohne die Sipo ’ne schöne Feier haben, Kinder!«, frotzelte der auf Kaffeetante getrimmte Kuttnik zu den zurechtgeschminkten Kollegen im S-Bahnhof Berlin-Ostkreuz. Die Eiseskälte des Abends war deutlich spürbar, da der Atem in der kalten Luft aus allen herausdampfte. »Hauptsache wir haben ’n schönen Abschluss. Ick hab noch ’ne Kiste Krimsekt im Keller. Die bring ick mit, Freunde!«

»Nu’ mal nich’ so euphorisch, Kuttnik!«, befahl Lüdke, bevor er alle wegschickte. »Außerdem müssen Sie los! Adler und Zach sind schon vor. Machen Sie sich auf! Wir starten!«

Alles wartete Gewehr bei Fuß, überall waren die Posten verstreut. Und auch Zach saß wieder im Nachbarwagen und tat, als ob er schliefe. Konnte der Täter heute endlich ins Netz gehen? Es war doch so dicht gespannt wie nie.

Sie war hier allein. Das ganze Abteil klapperte und Funken blitzten draußen, als die Stromabnehmer an den Weichen gegen die Stromschienen schlugen. Adler, wieder herausgeputzt und schön geschminkt, fühlte sich heute in diesem dunklen, leeren Zug wie in einer Höhle des Löwen. Hing alles von ihr, hing alles von diesem Abend ab? Sie dachte an ihre Mutter und an die zahllosen Gräueltaten der letzten Zeit. Sie wollte, dass es heute passierte, sie wollte heute alles riskieren, alles auf die letzte und einzige Karte setzen.

Als die leere Bahn schließlich den leeren S-Bahnhof Wuhlheide erreichte, schaute sie zur Tür und ihr Puls schnellte plötzlich nach oben. Da! Tatsächlich! Da war er. Wie ein Geist zog der Mann in Uniform und Adlermütze an der Abteiltür des vorderen Teils des leeren Wagens. Adlers Nerven lagen blank. Er stieg zu und schaute sich um. Adler saß am Ende des Wagens, reckte sich erst hoch, damit er sie wahrnahm und tat danach so, als suche sie etwas in ihrer Handtasche. Sie sah hinein, griff mit der Hand fest zur Pistole und sah wieder in seine Richtung. Er war kaum größer als sie. Sein Gesicht war nicht richtig zu erkennen und er hatte sich den Schirm seiner Mütze tief ins Gesicht geschoben. Trotz Dunkelheit wusste sie, dass er zu ihr hinüberblickte. Ob aus Absicht oder Zufall konnte am Ende nie gelöst werden. Er lief Schritt für Schritt durch den Gang, bis in ihre Nähe, machte halt und setzte sich sofort. Es war er! Es war Paul Golzow, der Adler nicht erkannte, dazu war das Licht zu schlecht. Im Schneckentempo fuhr die S-Bahn ruckelnd an, schaltete sich metallisch hoch, erhöhte die Geschwindigkeit und zog immer schneller an den Bäumen und Telegrafenmasten in der Dunkelheit vorbei. Dadamm-dadamm. Dadamm-dadamm .

Plötzlich sprang er hoch und sah aus wie im Rausch. Adler zog sofort ihre Mauser aus der Handtasche und Golzow zog die Eisenstange aus dem Ärmel, mit der er sonst die Weichen umstellte. Sie sprang auf und lief schnell Richtung Wagenende, drehte sich um, hob die Pistole und schrie: »Stehen bleiben oder ich schieße!« Auch wenn so alles mit der Waffe herausgekommen wäre, sie hätte ihn mit Sicherheit aus Notwehr abgeknallt. Doch er fuchtelte vor ihr mit der Stange wie mit einem Degen und sie gab zwei Schüsse in die Luft ab. Er duckte sich instinktiv, nutzte seine Chance und schlug die Schusshand mit der Eisenstange weg. Badamm-Badamm. Badamm-Badamm . Ihre Mauser polterte auf den Boden und rutschte unter die Sitze. Ohne zu zögern, holte er noch mehr aus und schlug noch kräftiger, jedoch nur in die Luft. Adler konnte immer wieder ausweichen, sodass er beim letzten Schlag nur die Kante der Sitzlehne traf und ihm die Stange entglitt. Sofort kam er wieder näher, packte sie heftig an den Schultern, drehte sie, bog sie sich zurecht und rammte ihr seine Rechte in den Magen. Sie klappte zusammen, ein Schmerzensschrei, doch löste und wendete sie sich, befreite sich schließlich wieder aus seinem Schwitzkasten und lief zum Ende des Abteils. Dabei bemerkte sie aus den Augenwinkeln, dass ihr Verfolger ihr ganz nah auf den Fersen war und ihr hinterherlief, jedoch kam sie nicht weiter, denn es bremste sie die Übergangstür zum nächsten Wagen. Sie drückte sie, zog sie, rüttelte an ihr, doch war sie verriegelt und sie kam einfach nicht weiter – sie war in der Sackgasse und der Zug raste.

»Zach öffnen, schnell öffnen!«, schrie sie, doch er las es nur von ihren Lippen durch die Scheibe ab, was sie sagte und reagierte, indem er ebenfalls wie ein Wahnsinniger an der Tür rüttelte. Golzow indes verlangsamte seine Schritte und schlich wie ein Panther auf sie zu. Er kam näher, immer näher und glaubte, sie wäre nun in seiner Falle.

»Wenn ich von ’ner Frau ’ne Knarre vor die Nase gehalten kriege, ist doch klar, dass ich mich da wehre!«, sprach er patzig. »Wie geht’s jetzt weiter, was ist jetzt?«

»Das fragen Sie mich? Was soll schon sein, Golzow!«, sprach sie zitternd und völlig außer Atem, war sie sichtlich angeschlagen von seinen vorherigen Angriffen. »Ihre lange Reise scheint hier jetzt zu Ende zu sein!«

»Das sehe ich ganz anders, Fräulein Adler!« Er starrte sie an und blickte durch die Scheibe zu Zach.

Adler stand weiter mit dem Rücken zur Tür und obwohl sie nicht durchkam, blieb sie nervenstark und wusste, was jetzt zu tun war. Es war ihre letzte Rettung und sie hatte es nicht vergessen. Es sollte Zachs kleines Geschenk sein, dass ihr wohl jetzt das Leben retten würde. Und so zog sie klammheimlich den Vierkantschlüssel aus ihrer Manteltasche heraus und steckte ihn unentdeckt hinter ihrem Rücken eilig in das würfelförmige Schloss in der Tür.

Johanna Schenk war eine junge Frau, die sich ihren eigenen Weg durch das Leben bahnte. Geprägt durch ihre Kindheit im Weidenhof, war sie mit harten Wahrheiten des Lebens konfrontiert worden. Dadurch hatte sich bei ihr moralischer Mut entwickelt. Sie war jetzt fest entschlossen und hätte nie damit gerechnet, in so eine Situation zu kommen. Trotzdem war etwas in ihr, das danach strebte, eine Heldin der Gerechtigkeit zu bleiben. Sie hatte keine Angst, sie wollte es tun und sie musste es tun, auch ohne ihn.

Im Dunkeln der Nacht stieg sie über das Geländer aus Stahl zu einem Notausgang von Block D und schlich sich von dort in das martialische Bauwerk mit Festungscharakter. Innen waren alle Lichter erloschen und die Tür des Amtszimmers war mit kleinem Werkzeug schnell zu öffnen. So konnte sie ziemlich leicht ins Büro des Bösen eindringen. Was für eine Idiotie, dachte sie. Ein Sicherheitsamt voller Unsicherheiten, es war ein Kinderspiel, hier leise und unauffällig einzubrechen, trotz Wachen in Uniformen und dem ganzen Zinnober.

Sie ließ den schwachen Lichtschimmer ihrer Taschenlampe über das riesige Führerbild sowie über den eleganten Schreibtisch schweben und begann sich zu orientieren. Etwas weiter hinten in der Wand entdeckte sie schließlich, wonach sie gesucht hatte: die kleine Metallklappe des Heizungsschachtes, dessen Schloss bereits von jemandem mit einem Vierkantschlüssel geöffnet worden war. Zügig, doch geräuschlos, klappte sie die Klappe auf und befestigte im Inneren des Schachtes das Päckchen mit den beiden Standardsprengkapseln und den Metallstiften der Säurezünder.

Darum sollten unsere Frauen sich als Teil der Volksfamilie fühlen, und beim Kriegsweihnachtsfest den Kopf hoch tragen sowie das nationale Glück spüren.

Joseph Goebbels

Sie stellte die Uhr auf 19.00 Uhr ein, damit die Zünder pünktlich reagieren würden und schloss vorsichtig und leise die Klappe. Mit einer guten Sprengung, dachte sie, schafft man die Voraussetzung, damit sich überholtes Material einfach und schnell vernichten lässt.

Adler und Zach saßen im abgedunkelten Zimmer vor Golzow, der nichts sagte, sich höchstens mal zur Seite drehte, mal die Arme und Beine streckte oder nach hinten kippelte. Eine Atmosphäre, als sei man in einem schwarzen Loch gefangen.

Zach rauchte gemütlich Kette und Adler malte gelangweilt Kringel in ihre Akte. Beide bewegten sich wie in Zeitlupe und schafften es, dass Golzow die Stille irgendwann nicht mehr ertragen konnte.

Adler kritzelte noch einen weiteren unsinnigen Kringel in den Hefter und schmiss dann den Stift lässig beiseite. Sie war lange nicht so ruhig wie jetzt und nahm sich vor, besonnen anzufangen, bevor er ihr wieder wie ein glibberiger Fisch aus den Händen flutschen sollte und sich auf die Hinterbeine des sturen Leugnens stellen würde. Sie war klar im Kopf und konnte die Sache langsam zum Laufen bringen. Gemächlich stand sie auf und ging auf hörbaren Absätzen zu den Rolltafeln, die ihr Kuttnik freundlicherweise vom Sitzungssaal hierher gebrachte hatte. Sie zog die quadratmetergroßen Tafeln wie Vorhänge in seine Nähe, achtete aber genau darauf, dass Golzow die grauenvollen Aufnahmen von Gerichtsmedizin und Spurensicherung nicht zu Gesicht bekam – jedenfalls noch nicht.

Während Kollege Zach weiter auf seinem Platz verharrte, sich die Krawatte lockerte, genüsslich rauchte und nur in die Luft guckte, setzte sich Adler nun außerordentlich nah zu Golzow und beugte sich zu ihm. Sie zog den Schnellhefter zu sich, schlug ihn auf, strich die Seiten glatt und begann, leise und intensiv auf ihn einzureden.

»Da hätten wir also wieder einmal Herrn Paul Golzow. So schnell sieht man sich wieder. Meiner Meinung nach wären Sie früher oder später sowieso wieder hier gelandet.«

»So, Ihrer Meinung nach?«, entgegnete er starr.

»Fangen wir mal gemütlich von vorne an. Begonnen hatte alles im vergangenen Herbst, oder? Sie erinnern sich? Damals begannen Sie, Frauen auf Ihrem Heimweg in der Gartenkolonie Gutland Zwo mit der Taschenlampe anzuleuchten und sie im Dunkeln zu belästigen.«

»Kann sein, kann nich’ sein!«, fuhr er ihr ins Wort und zuckte mit den Achseln. »Kann sein, dass ich mal auf dem Nachhauseweg eine angeleuchtet habe. Kann sein, dass ich sie am Arm angefasst und was zu ihr gesagt habe. Kann nicht sein, dass ich sie belästigt habe. Das ist doch alles noch kein Verbrechen.«

»Im vergangenen Winter folgte dann die nächste Stufe«, ließ sie sich nicht ablenken. »Sie begannen, Ihre Opfer zu vergewaltigen und wurden immer brutaler. Sie würgten sie und verletzten Sie mit Ihrem scharfen Messer vor Tunneln und Eingängen. Nach einer längeren Sommerpause verschafften Sie sich dann auch irgendwann unerlaubten Zugang über Schienen, stiegen auf die S-Bahn um und verpassten Frauen schwere Schläge mit Ihrer Eisenstange. Sie blieben stets unerkannt. Aber jemand erinnerte sich an eine Uniform und an eine Kopfbedeckung mit Hoheitsadler, eine Adlermütze.« Sie deutete auf die Mütze auf dem Tisch und auf seine Uniform.

Golzow schwieg, sah auf die Tischplatte und tat so, als ob er es überhörte. Sein kurzes Seufzen verriet ihr jedoch, dass es in ihm arbeitete. Sie war sich absolut sicher, dass er sich heute im Gegensatz zu neulich in einer Sackgasse befand. Er war jetzt nicht mehr der freche Fuchs im Hühnerstall, er war überführt und umzingelt, von ihr, seinem Lockvogel, seiner Jägerin.

Zach spielte heute nicht mehr den Kumpel, sondern den bösen Bullen und feuerte plötzlich lauthals wie aus einer Schusswaffe auf Golzow los.

»Mensch, Golzow! Machen Sie gefälligst den Mund auf! Sie allein waren der Täter! Na, sagen Sie es schon! Sie haben die Frauen gequält und getötet! Und zwar alle! Auch die Kollegin hätten Sie heute fast auf dem Gewissen!«

Golzow schreckte vom Geschrei zwar kurz hoch, antwortete aber darauf nicht.

Adler sprach weiter ruhig, fast hypnotisch auf ihn ein.

»Können Sie Ihre Morde eigentlich noch auseinanderhalten, Golzow? Nein? Ich werde Ihnen mal auf die Sprünge helfen!«

Adler erhob sich, schritt zur ersten Tafel und drehte sie um. Ein wahrer Schock für schwache Nerven, denn auf der Vorderseite offenbarten sich drei riesige Fotos, auf die ein Lichtschein fiel. Alle bildeten das schreckliche Ende der ersten Toten ab, die dort mit ihren grausamen Verletzungen am Unterleib und mit eckigen Löchern am Kopf zu sehen war. Golzow hob den Kopf und erschrak.

»Sehen Sie sich die Frau genau an, Golzow!«, sagte Adler. »Sehen Sie sich Karin Borchert an. Eine junge Frau, die müde von der Arbeit kam und eigentlich nur nach Hause wollte, nachdem sie zehn Stunden für Volk und Führer an der Stanze geschuftet hatte.«

Golzow sah, was er sehen sollte und war von seiner eigenen Brutalität angeekelt und eingeschüchtert. Adler wartete nicht, gab der zweiten Tafel einen Stoß, damit auch die sich drehte und sich das Schreckliche darauf offenbarte.

»Kommen wir zu Nummer zwei, kommen wir zu Marianne Finck! Eine Krankenschwester, die auf dem Weg zur Arbeit war.« Sie zeigte auf den geöffneten Mund der Toten. »Wenn Tote reden könnten, nicht wahr, Herr Golzow? Sicher fragt sie sich hier, warum man ihr das angetan hat? Und warum so?« Sofort schwang sie dann die dritte Stellwand geräuschvoll um.

»Renate Bangel. Skalpiert und massakriert mit einem SA-Messer! Haben Sie ihre Brustwarzen vielleicht noch in Ihrem Poesiealbum, Herr Golzow? Oder vielleicht in der Brieftasche?«

»Nehmen Sie das weg! Nehmen Sie die Bilder weg!«, schrie er.

»Oh nein, Golzow! Noch nicht! Ich bin noch nicht fertig! Denn da wären noch …« Sie offenbarte alle restlichen Flächen zügig und hintereinander weg, wie Theaterkulissen in einem Horrorkabinett. »… Nummer vier: Waltraud Irmscher, Nummer fünf: die Kriegswitwe Rosmarie Benkhoff und Ihr letztes Opfer, Nummer sechs: Anneliese Schildritz.«

»Was soll das?«, schrie er verzweifelt und nahm die Hände vor das Gesicht.

Im Namen des Deutschen Volkes!

Der Angeklagte, Paul Golzow, geboren am 29. September 1911 in Muntau bei Allenstein/Ostpreußen, wohnhaft zuletzt in Berlin-Karlshorst, Dorotheastr. 24, wird als Gewaltverbrecher und Volksschädling wegen Mordes in sechs Fällen und wegen Versuchen in mehreren Fällen zum Tode verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm aberkannt. Er hat die Kosten zu tragen. Der Angeklagte wurde am 15.12.1940 um 5.30 Uhr überführt ins Strafgefängnis Plötzensee.

Der Vorsitzende Wilmhoff und seine Beisitzer