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»Jetzt, wo du deine neue Frisur ausgeführt hast, muss Wasser von der Zisterne geholt werden. Zwei große Eimer brauchen wir fürs Essen und die kleineren zum Wäschewaschen. Lass dir von Francesco beim Tragen helfen. Außerdem müssen die schon ziemlich angelaufenen Kupfertöpfe poliert und die Bleche für die focacce eingefettet werden. Du hast noch zwei Pullover und ein paar Unterhemden fertig zu machen, die die Frau vom Polsterer für ihre Enkel aus Amerika bestellt hat.«

Diese Liste mit Aufträgen war die Rache der Margiala für meine paar Stunden Auszeit.

Domenico Occhi bianchi saß auf den Stufen zu seinem Haus und ließ eine ausgegangene Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen wandern. Er genoss seine Mittagspause, bevor er in die Schmiede zurückkehren musste. Er trug ein unter den Achseln zerschlissenes Unterhemd und eine braune Hose, die bis zu den Knien hochgekrempelt war. Die dürren Arme hingen schlaff herab; manchmal verschränkte er die Hände oder hob sie, um eine Fliege zu verscheuchen. Er begrüßte mich mit einem stummen Nicken.

Francesco schlug ihm einfach so auf den Arm.

»Da war eine Fliege. Eine von diesen dicken Schmeißfliegen.«

Er reagierte auf den Schlag, indem er lächelte und ihm einen liebevollen Klaps auf die Wange gab.

»Los, Bürschchen, halt diesen Eimer!«, bat ich ihn und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

Der Tisch war noch gedeckt. Brotkrümel lagen herum, und die fast leere Weinflasche stand da. Für mich gab es keinen Teller. Mama hatte das Mittagessen zur üblichen Zeit aufgetragen, sie hatte ihren Söhnen und vielleicht auch Rosetta, Vincenzo und Domenico etwas zu essen gemacht, doch auf mich hatte sie nicht gewartet.

Mir das Mittagessen vorzuenthalten war eine ihrer Methoden, mich für meine Abwesenheit zu bestrafen. Kein Wort des Vorwurfs, aber dafür viele kleine Gesten, die sich zu einer schallenden Ohrfeige addierten. Doch ich würde bei diesen Spielchen nicht mitmachen, mir nicht anmerken lassen, dass ich Hunger hatte – nicht an diesem wunderschönen Tag. Es würde der Margiala nicht gelingen, mir diesen Moment kaputtzumachen.

»Mama hat Schmorbraten mit Kartoffeln und Tomaten gekocht«, sagte Francesco, indem er sich die Lippen leckte. Ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Auch dieser kleine Mistkerl würde es nicht schaffen, mir die Laune zu verderben. Ich betätigte pfeifend die Pumpe, so wie es sich für eine echte Betty Boop gehörte, und ging nicht weiter auf seine Provokationen ein.

»Das Fleisch war köstlich.« Er konnte es einfach nicht lassen. »Ich hab zwei Portionen gegessen.«

»Na klar, die zweite war meine«, erwiderte ich lachend. Die Margiala räumte im Zeitlupentempo ab, als trödelte sie absichtlich, damit die Zeit knapp und meine Pflichten immer mehr wurden. Sie war in einer seltsamen Stimmung, weder wütend noch streng, stattdessen irgendwie distanziert, als wäre sie in Gedanken ganz weit weg, völlig in Gedanken versunken. Dann schien sie sich wieder an ihre Rolle zu erinnern und näherte sich der Zisterne, verstohlen wie eine Katze und stets bereit, mich zu kritisieren.

»Pump langsam, sonst verschüttest du das Wasser noch. Vergiss nicht, die Pfannen mit Zitronensaft zu säubern. Und richtig schrubben, sonst geht das schwarz Angebrannte nicht weg!« Ich protestierte nicht und reagierte auch nicht genervt – so sehr ging ich darin auf, eine erfundene Melodie zu pfeifen. Ich wollte sie nicht ärgern, aber dass ich mich zum ersten Mal im Leben als Frau gefühlt hatte, gab mir ein Gefühl von Stärke. Der erbärmliche Privatkrieg zwischen uns war lästig wie ein störendes Insekt, mehr aber auch nicht.

Ich ließ immer noch jede Sekunde dieser Begegnung Revue passieren, versuchte die Details heraufzubeschwören, die diesen Moment so magisch gemacht hatten. Es war nicht etwa so, dass er besonders gut ausgesehen hätte, nicht besser als viele andere. Es lag auch nicht am Klang seiner Stimme, genauso wenig an seiner Augenfarbe. In Wahrheit gab es schlichtweg keinen konkreten Grund, warum er solchen Eindruck auf mich gemacht hatte.

»Ich bin jeden Tag hier«, hatte er gesagt. War das vielleicht eine Einladung? Seine Art, mir zu sagen, dass er auf mich warten würde, während er auf diesen fernen Punkt am Horizont starrte?

Immer wenn diese Gedanken wieder hochkamen, versuchte ich, sie durch ein energisches Kopfschütteln zu verscheuchen, in der Hoffnung, meine innere Aufruhr so beruhigen zu können. Doch gleichzeitig war ich machtlos dagegen.

Eine Art schleichende Angst, ein Kribbeln im Bauch, ein ganz neues, intensives Gefühl, ließ mich alles andere vergessen. Wie sollte ich das bloß nennen?

Ich fürchtete mich davor, das Wort auszusprechen, das es am besten traf. Schwärmerei? Erotische Anziehung? Mir wurde ganz schwindlig davon. Je stärker und schmerzhafter dieses ungewohnte Verlangen wurde, desto öfter musste ich alles wieder heraufbeschwören. Ich litt darunter und genoss mein Leiden zugleich.

Ich beschloss, dass ich ihn dringend wiedersehen musste. Ich belog mich selbst, redete mir ein, dass das Ganze nur ein Test war: Ich wollte bloß prüfen, was ich fühlen würde, wenn ich wieder in diese pechschwarzen Augen schaute.

In Wahrheit verging ich fast vor Sehnsucht, aber es war schwer, sehr schwer, mir das einzugestehen.

Es vergingen einige Tage, bevor mir erneut die Flucht gelang. Ich war schon ganz reizbar und nervös, weil ich Angst hatte, Antonio könnte es irgendwann leid werden, auf mich zu warten.

An diesem Morgen hatte mir Mama aufgetragen, focacce für uns und Comare Nenna zu machen, die diese dann am Nachmittag abholen würde. Ich heizte den alten Kohlenofen ein, doch anscheinend hatte ich zu viel Kohle genommen oder nicht lange genug gewartet, bis die Flamme heruntergebrannt war, da einige focacce unten schwarz wurden und die Küche mit einem Gestank erfüllten, der schlimmer wirkte, als es eigentlich war.

»Du hast nicht aufgepasst!«, schimpfte die Margiala, die schwarze, verkohlte Fragmente entfernte. »Wie willst du eines Tages eine gute Ehefrau sein, wenn du nicht kochen kannst?«

»Ganz einfach: Ich will sowieso keine werden.« Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Hätte ich auch nur kurz nachgedacht, hätte ich sie vielleicht lieber für mich behalten, um die Margiala nicht noch wütender zu machen.

Doch die sah mich nur verwundert an, ein seltsames Funkeln in den Augen. Dann hob sie die Hand, als wollte sie mich schlagen. Sie hielt kurz inne, wie um die Geste dramatisch aufzuladen. Kurz glaubte ich schon, dass sie es doch nicht tun würde. Sie hatte noch nie die Hand gegen mich erhoben. Doch dann wurde meine Wange von ihrer rauen, schwieligen Hand getroffen, so knochig wie die einer Toten.

»Das soll dich lehren, deiner Mutter keine Widerworte zu geben.«

Ihre Stimme bebte vor Empörung, doch ich starrte ihr ungerührt in die eiskalten Augen und machte sie erst recht wütend.

»Vergiss nicht, dass hier meine Regeln gelten.« Sie senkte den Blick, um die verbrannten Teigstückchen zu zerkrümeln, damit zu spielen, als konzentrierte sie sich ausschließlich darauf. Da begriff ich, dass ich immer noch für meine Abwesenheit vor ein paar Tagen bestraft wurde. Dass die Margiala nichts vergaß, sondern sich ihren Groll genauso aufsparte wie die Marmeladen für den Winter. Dass dieser Zorn viel mehr mit einschloss als nur meine Abwesenheit. Sie bestrafte mich, weil auch ich zur Frau geworden war!

»Das hier ist mein Haus, und hier bestimme ich!«, fuhr sie fort, den Blick nach wie vor auf die focacce gerichtet, woraufhin mehrere empörte Ausrufe folgten. Ihre schmalen Finger verharrten über den verkohlten Krümeln.

Keine Ahnung, was das sollte. Ich massierte mir das Gesicht, wo der Abdruck ihrer kalten Hand noch immer zu spüren war. Wenige Sekunden später hob sie den Blick und sah mich an. Fast hätte sie etwas gesagt, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Wir starrten uns eine Weile an, sahen einander tief in die Augen wie zwei streunende Katzen, die sich aufmerksam beobachten. Dann ging sie erneut zu den focacce auf dem Holzbrett und warf mit zusammengekniffenem Mund alles in den Müll.

Vielleicht hatte die Margiala ja etwas gespürt. Sie war schließlich nicht umsonst eine Hexe. Sie musste eins und eins zusammengezählt und das seltsame Glänzen in meinen Augen richtig gedeutet haben.

Störte sie der Gedanke, dass ich glücklich war, denn so sehr?

Ich verstand, dass wieder Krieg herrschte. Den Rest des Tages schwieg sie, und über den Vorfall wurde kein Wort mehr verloren. Sie machte neuen Teig für die focacce, die natürlich perfekt wurden.

Währenddessen wartete ich nervös auf den nächsten Morgen: Eine Frau musste von hohem Fieber und Bauchkrämpfen geheilt werden, und die Margiala würde bestimmt stundenlang fort sein.

Ich genoss bereits den Vorgeschmack auf die Freiheit.