ERINNERUNG III

In ihren knapp vier Jahren an der Taharim-Akademie hatte sich Seniorkadettin Irizi’ar’alani einen makellosen Ruf erarbeitet. Sie hatte durchgehend erstklassige Leistungen erbracht, sie war auf dem besten Weg, Rang und Position eines Kommandanten zu übernehmen, und nicht der leiseste Hauch eines Skandals hatte je die Strahlkraft ihres Namens gedämpft.

Bis jetzt.

»Seniorkadettin Ziara«, sagte Colonel Wevary in dem Tonfall, der nur für die schlimmsten Verstöße gegen die Traditionen von Taharim reserviert war. »Ein Kadett unter Ihrer Aufsicht wurde des Betrugs beschuldigt. Haben Sie irgendetwas zu seiner Verteidigung vorzubringen?«

Unter Ihrer Aufsicht. Alles, was Ziara getan hatte, war, die Simulation zu beaufsichtigen, an der Kadett Thrawn teilgenommen hatte.

Trotzdem war ihr Name mit der Anklage verbunden, und darum saß sie nun hier.

Nicht dass sie ernste Konsequenzen befürchten musste. Der Repräsentant der Irizi-Familie, der neben dem Tisch der dreiköpfigen Untersuchungskommission saß, wirkte jedenfalls alles andere als besorgt. Der Platz auf der anderen Seite des Tisches war leer.

Ziara konnte nicht anders, als ein wenig Mitleid mit Thrawn zu haben. Seine Laufbahn stand hier auf dem Spiel, und der Vertreter der Mitth-Familie hatte sich nicht mal die Mühe gemacht zu erscheinen. Entweder er hatte die Anhörung vergessen, oder Thrawn war ihm einfach egal. So oder so, es verhieß nichts Gutes für die Zukunft des jungen Kadetten.

Und das war nicht mal das Seltsamste an diesem Fall. Nichts ergab Sinn. Ziara hatte sich Thrawns Akte angesehen, und er schien seinen Klassenkameraden um Lichtjahre voraus zu sein. Er hatte es ganz sicher nicht nötig, bei einer simplen Simulatorübung zu schummeln.

Aber die Fakten sprachen für sich. Seine Ergebnisse am Simulator waren konstant hoch, in der Regel auf gleichem Niveau oder leicht unter den Bestleistungen der Akademie. Bei dieser speziellen Übung hingegen hatte er eine Bewertung von fünfundneunzig erhalten. Niemand in der Geschichte von Taharim war je auch nur im Entferntesten an ein solches Ergebnis herangekommen. Folglich gab es nur eine logische Schlussfolgerung, und Colonel Wevary hatte sie gezogen.

Ziara verlagerte ihre Aufmerksamkeit auf den Angeklagten. Thrawn saß steif auf seinem Platz, sein Gesicht eine starre Maske. Er hatte jegliche Schuld von sich gewiesen und darauf bestanden, dass er keinen Betrug begangen, sondern lediglich die Rahmenbedingungen der Simulation zu seinem Vorteil ausgenutzt hatte.

Doch wie eines der Mitglieder der Kommission bereits erklärt hatte, war das genau die Art Rechtfertigung, die man von einem Betrüger erwarten würde. Unglücklicherweise hatten in der Vergangenheit zu viele Kadetten versucht, das System zu manipulieren, indem sie im Geheimen mit den anstehenden Testparametern übten. Um solchen Praktiken einen Riegel vorzuschieben, enthielten die Prüfungssimulationen inzwischen willkürlich generierte Elemente – Übungen ließen sich also nie exakt wiederholen. Und genau diese eingebaute Einschränkung verhinderte nun, dass Thrawn den Test wiederholen und seine Unschuld beweisen konnte.

Vermutlich könnten die Ausbilder die Programmierung ändern und versuchen, alles genau zu rekonstruieren. Doch so etwas würde Wochen oder Monate dauern, und augenscheinlich war niemand bereit, wegen eines einzelnen Kadetten solche Mühen auf sich zu nehmen.

Innerlich schüttelte Ziara den Kopf. Das zweite Problem bei diesem Fall war, dass die Aufzeichnungen der Übung auf die Blickwinkel der drei angreifenden Patrouillenschiffe beschränkt waren; drei virtuelle Kameras, von denen eine im falschen Moment einen Aussetzer gehabt und den kritischen Moment gar nicht erfasst hatte. Und die beiden anderen zeigten lediglich, dass Thrawns Schiff mehrere Sekunden lang außer Sicht verschwunden war.

Ein funktionierendes Tarnfeld war ein Traum, dem die Wissenschaftler des Verteidigungskommandos seit Generationen nachjagten. Dass einem Kadett während einer ­Simulation der entscheidende Durchbruch gelungen war, wirkte da höchst zweifelhaft. Nein, es musste das Ergebnis unerlaubter Manipulation sein.

Und dennoch …

Ziara studierte Thrawns Gesicht. Er hatte der Kommission seine Taktiken schon mindestens zweimal beschrieben, und noch immer glaubten sie ihm nicht. Jetzt gab es nichts mehr, was er zu seiner Verteidigung vorbringen könnte, und er saß schweigend und allein da, selbst von seiner eigenen Familie im Stich gelassen. Ziara hätte Trotz oder Wut erwartet, aber nichts davon war in seinen Zügen zu erkennen.

Sie riss den Blick von Thrawn los. Colonel Wevary hatte ihr eine Frage gestellt.

»Ich habe nichts zu sagen«, erklärte sie.

Plötzlich kam ihr ein seltsamer Gedanke. Da war etwas, was sie in Thrawns Akte gesehen hatte; die Geschichte seines Aufstiegs von einer obskuren Familie zu einem Platz an der Taharim-Akademie …

»Zumindest im Augenblick nicht«, fügte sie hastig hinzu. »Aber falls ich die Kommission um ein wenig Geduld bitten dürfte, würde ich gerne noch einmal über die Situation und die Beweislage nachdenken.«

»Unsinn«, schnaubte eines der Kommissionsmitglieder. »Sie haben die Beweise gesehen …«

»Angesichts der Uhrzeit«, unterbrach Wevary ihn ruhig, »sehe ich keinen Grund, warum unsere Entscheidung nicht bis nach dem Mittagessen warten kann. Wir kommen in anderthalb Stunden wieder hier zusammen.«

Er klopfte mit den Fingerspitzen auf die polierte Tischplatte und stand auf. Die anderen folgten seinem Beispiel und marschierten schweigend aus dem Raum. Keiner von ihnen blickte zurück, wie Ziara auffiel.

Keiner … bis auf Colonel Wevary. Er war der Letzte, der den Raum verließ, und er blieb kurz vor Ziaras Platz stehen.

»Ich hoffe, das ist nicht nur ein Hinhaltemanöver«, murmelte er mit hartem Blick. »Sie haben besser etwas zu sagen, wenn wir die Verhandlung fortsetzen.«

»Jawohl, Sir«, erwiderte sie.

Nach einem weiteren durchdringenden Blick und einem knappen Nicken folgte er den anderen.

Zurück blieben nur Ziara und Thrawn.

»Ich weiß Ihren Einsatz zu schätzen«, sagte Thrawn leise. Sein Blick war noch immer auf den Platz an dem großen Tisch gerichtet, wo eben noch der Colonel gesessen hatte. »Aber die Kommission hat ihre Entscheidung bereits getroffen. Alles, was Sie jetzt noch tun, könnte das Missfallen der Ausbilder herausfordern, womöglich sogar das Missfallen Ihrer Familie.«

»Ich an Ihrer Stelle würde mir mehr Sorgen um meine eigene Familie machen«, entgegnete Ziara gereizt. »Apropos: Warum ist kein Vertreter der Mitth hier?«

Thrawn zog die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht. Vermutlich gefällt ihnen nicht, dass einer ihrer Meriten-Adoptivlinge in einen Skandal verwickelt ist.«

»Das gefällt keiner Familie«, sagte Ziara mit zusammengezogenen Brauen. War das wirklich der einzige Grund?

Meriten-Adoptivlinge gehörten trotz allem zur Familie, folglich wäre die natürliche Reaktion, sie zu schützen und zu verteidigen. Wenn die Mitth Thrawn in einem so kritischen Moment nicht den Rücken stärkten, musste noch ­etwas anderes im Busch sein. »Nun, ich werde jetzt erst mal Colonel Wevarys Beispiel folgen und etwas essen«, sagte sie, während sie aufstand. »Sie sollten das Gleiche tun.«

»Ich bin nicht hungrig.«

»Essen Sie trotzdem etwas.« Ziara zögerte kurz, aber die Chance war zu gut, um sie verstreichen zu lassen. »Dann hatten Sie zumindest eine letzte kostenlose Mahlzeit, falls man Sie von der Akademie wirft.«

Er starrte sie an, und einen Moment lang glaubte Ziara, dass er angesichts dieser vermeintlichen Gefühllosigkeit die Beherrschung verlieren würde. Doch dann lächelte er nur. »Ja«, sagte er. »Sie haben eine überaus taktische Sicht auf die Dinge, Seniorkadettin.«

»Dann lassen Sie es sich schmecken«, erwiderte Ziara. »Passen Sie nur auf, dass Sie pünktlich wieder hier sind.« Sie nickte ihm zu und verließ den Raum.

Aber sie ging nicht zum Speisesaal, sondern ein Stück den Korridor hinab in ein leeres Klassenzimmer.

Sie haben eine überaus taktische Sicht auf die Dinge. Thrawn war nicht der Erste, der so etwas zu ihr gesagt hatte, und Ziara hatte nie einen Grund gefunden, ihnen zu widersprechen.

Aber jetzt würde sich zeigen, wie taktisch ihre Sicht der Dinge wirklich war.

Der Rezeptionist meldete sich nach dem dritten Summen. »General Ba’kifs Büro«, sagte er.

»Mein Name ist Seniorkadettin Irizi’ar’alani«, erklärte Ziara. »Bitte, fragen Sie den General, ob er ein paar Minuten Zeit entbehren kann. Und sagen Sie ihm, es geht um Kadett Mitth’raw’nuru.«

Colonel Wevary und die anderen kehrten exakt anderthalb Stunden später in den kleinen Raum zurück. Weder die drei Offiziere noch der Repräsentant der Irizi würdigte die beiden Kadetten eines Blickes, während sie wieder ihre Plätze einnahmen.

Umso größer war die Überraschung auf ihren Gesichtern, als sie verspätet den Neuankömmling bemerkten, der nun an Ziaras Seite saß. »General Ba’kif?« Colonel Wevary schluckte hart. »Ich … Verzeihung, Sir. Ich wurde nicht über Ihr Kommen informiert.«

»Schon in Ordnung, Colonel«, erwiderte Ba’kif, wobei er die Männer einen nach dem anderen anblickte. Die beiden anderen Kommissionsmitglieder waren ebenso verdutzt wie Wevary, dass sie sich plötzlich in der Gegenwart eines hochrangigen Offiziers wiederfanden, aber ihre ­Verwirrung machte rasch dem angemessenen Respekt Platz.

Die Überraschung des Irizi hingegen verwandelte sich in sichtbare Skepsis. Offensichtlich hatte er einen Blick in Thrawns Akte geworfen, und nun vermutete er, dass Ba’kif hier war, um den Zwischenfall zu vertuschen.

»Ich wurde informiert, dass Kadett Mitth’raw’nuru im Verdacht steht, bei einer Übung betrogen zu haben«, fuhr Ba’kif fort, als sein Blick wieder zu Wevary zurückkehrte. »Aber ich glaube, Kadettin Ziara und ich können diese ­Sache vielleicht aufklären.«

»Bei allem gebotenen Respekt, General, wir haben die Beweise gründlich analysiert«, erklärte Wevary. Sein eben noch so achtungsvoller Ton wurde steifer. »Die Übung lässt sich nicht mit denselben Parametern replizieren, und er behauptet, dass er seinen Erfolg ohne diese Parameter nicht wiederholen kann.«

»Ich verstehe«, sagte Ba’kif. »Aber es gibt andere Möglichkeiten.«

»Ich hoffe, Sie schlagen nicht vor, dass wir den Simulator umprogrammieren«, meldete sich einer der anderen Offiziere zu Wort. »Es würde Wochen dauern, die entsprechenden Elemente zu entfernen – Elemente, die eigens eingeführt wurden, um Kadetten vom Betrügen abzuhalten.«

»Nein, das wollte ich auch gar nicht vorschlagen«, versicherte Ba’kif ihm. »Colonel, gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie alle relevanten Prüfungsparameter haben?«

»Natürlich, Sir«, antwortete Wevary. »Aber wie gesagt …«

»Einen Moment.« Ba’kif wandte sich zu Thrawn herum. »Kadett Thrawn, Sie haben mehr als zweihundert Stunden Übungszeit am Patrouillensimulator verbracht, richtig? Sind Sie bereit, es mit einem echten Patrouillenschiff zu probieren?«

Thrawns Blick huschte zu Ziara, dann wieder zurück zu Ba’kif. »Ja, Sir.«

»Einen Moment«, fuhr der Irizi dazwischen. »Was genau schlagen Sie vor?«

»Ich dachte, das wäre offensichtlich«, erwiderte Ba’kif. »Das Problem bei Simulationen ist, dass Unterschiede zwischen dem Programm und der Realität oft erst dann offensichtlich werden, wenn es zu spät ist.« Er deutete auf Thrawn. »Jetzt haben wir eine Gelegenheit, die Simulation mit der Realität zu vergleichen, und ich würde sie gerne ausnutzen.«

»Die Taharim-Akademie wird immer noch von Colonel Wevary geleitet«, protestierte der Irizi.

»Das fechte ich auch nicht an.« Ba’kif blickte Wevary erwartungsvoll an. »Colonel?«

»Ich stimme dem General zu«, sagte Wevary ohne Zögern. »Lassen Sie uns eine kleine Praxisprüfung machen.«

Der Irizi starrte ihn an, aber letztlich neigte auch er mit zusammengepressten Lippen den Kopf.

»Gut.« Ba’kif blickte einmal mehr in die Runde. »Meine Herren, ich habe vier Patrouillenschiffe vorbereiten lassen. Sie warten auf der Landeplattform, gemeinsam mit einem Beobachtungsschiff für den Rest von uns.« Er stand auf und deutete zur Tür. »Wollen wir?«

Die vier Patrouillenschiffe waren in Position; eines wurde von Thrawn bemannt, die anderen von General Ba’kifs ­Piloten. Das Testgebiet war geräumt worden, und sie hatten die Startpunkte für die Prüfung festgelegt. Das Beobachtungsschiff schwebte ein Stück außerhalb des Einsatzbereichs, aber nahe genug, damit sie alles beobachten und aufzeichnen konnten.

Ziara saß neben Ba’kif in der zweiten Sitzreihe und starrte an den Köpfen der drei Kommissionsmitglieder und des Irizi-Repräsentanten vorbei durch das Aussichtsfenster. Sie hatte dem General erklärt, dass die Vorwürfe gegen Thrawn ungerecht wären, hatte auf die hervorragenden Leistungen des jungen Kadetten verwiesen – aber wenn sie ehrlich sein sollte, musste Ba’kif nicht allzu lange überredet werden.

Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass sie sich weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Bevor sie Ba’kif kontaktiert hatte, hatte sie nur indirekt mit der Situation zu tun gehabt; eine Verurteilung Thrawns hätte keine negativen Auswirkungen auf sie oder auf den Namen Irizi gehabt. Aber jetzt hatte sie sich ein Zielkreuz auf die Stirn gemalt. Sollte Thrawn seine Behauptungen nicht beweisen können, würde sie direkt neben ihm am Abgrund stehen.

»Patrouillenschiffe Eins und Drei: Starten«, sagte Ba’kif in sein Komm. »Patrouille Vier: Los. Patrouille Zwei: starten. Überprüfen Sie Ihre Vektoren und halten Sie sich genau an Ihren Kurs.«

In der Ferne setzten sich die drei kleinen Patrouillenschiffe in Bewegung. Das vierte Schiff – Thrawns Schiff – flog von unten auf sie zu. »Zwei, Schubleistung um fünf Grad steigern«, instruierte Ba’kif. »Eins und Drei, Sie sind auf dem korrekten Vektor. Kadett Thrawn?«

»Bereit, Sir«, meldete eine beherrschte Stimme aus dem Komm.

Ziaras Lippe zuckte. Ihr eigener Magen hatte sich zu einem harten Klumpen verknotet, aber Thrawn schien die Ruhe in Person zu sein. Konnte es sein, dass er sich in einer Kampfsituation wohler fühlte als in einem Gerichtszimmer voller Offiziere, Vorschriften und Familienpolitik?

»Bereithalten«, sagte Ba’kif. »Die Übung beginnt … jetzt.«

Die vier Patrouillenschiffe näherten sich einander in exakt dem Winkel und mit exakt der Geschwindigkeit, die in den ursprünglichen Parametern der Übung vorgegeben waren. Thrawn scherte nach Steuerbord aus, auf Drei zu. Eins und Zwei passten ihren Kurs an und näherten sich ihm. Thrawn eröffnete das Feuer und traf Eins und Drei mit einer Salve von energiearmen Spektrallaserschüssen, wie sie bei solchen Übungen üblich waren. Die beiden Schiffe teilten sich auf, während Zwei aus der anderen Richtung auf Thrawns Flanke zuhielt. Alle drei Schiffe hatten ihren Gegner nun im Visier. Ein paar Sekunden lang ignorierte Thrawn die drohende, theoretische Zerstörung und raste weiter auf Eins und Drei zu. Dann riss er das Steuer plötzlich in einem 180-Grad-Manöver herum, sodass seine Düsen auf Eins und Drei gerichtet waren. Es sah aus, als wollte er die Flucht ergreifen.

Doch anstatt seine hinteren Düsen zu zünden, gab er vollen Schub auf die vorderen Düsen und katapultierte sich rückwärts weiter auf die beiden Patrouillenschiffe zu.

Mit diesem Manöver hatte keiner seiner drei Gegner gerechnet. Eins und Drei zogen sich sogar zurück, eine reflexartige Reaktion, um eine Kollision zu vermeiden. Zwei war in Position gewesen, Thrawns Flanke zu beharken, aber die Schüsse sausten nun harmlos unterhalb seines Bugs hindurch.

Einen Moment später war Thrawn auf gleicher Höhe mit Zwei. Er feuerte seine Laser auf das Schiff ab, dann zündete er seine hinteren Triebwerksdüsen, die weiterhin in Richtung von Eins und Drei zeigten.

Jemand fluchte. Thrawns Salve deaktivierte den Angriff von Zwei, sodass das Schiff langsam in die Tiefe trudelte. Die Zündung der eigenen Heckdüsen ließ Thrawn an dem getroffenen Feind vorbeirasen, und einmal mehr sah es aus, als wollte er die Flucht ergreifen.

Doch zu Ziaras Verblüffung deaktivierte er die Düsen wieder und passte Tempo und Rotation seiner eigenen Maschine an das davontrudelnde Patrouillenschiff an – so präzise, dass es schützend zwischen ihm und seinen beiden anderen, weiter entfernten Gegnern blieb.

Ziara stieß ein Geräusch aus, halb Keuchen, halb Lachen. »Er hat es geschafft«, wisperte sie. »Er ist verschwunden.«

»Wovon reden Sie?«, fragte der Irizi verwirrt. »Er ist genau dort.«

»Noch sind wir nicht fertig«, warnte Ba’kif.

Eine Sekunde später richtete Thrawn sein Schiff wieder auf, und als Zwei an ihm vorbeischlingerte, feuerte er seine Backbord- und Steuerbordkanonen ab. Die Schüsse trafen Eins und Drei direkt in den Bug.

»Und stopp!«, rief Ba’kif. »Die Übung ist beendet. Danke an alle Piloten; kehren Sie zur Landeplattform zurück. Kadett Thrawn, glauben Sie, Sie können Ihr Schiff selbst andocken?«

»Ja, Sir.«

»Dann sehen wir uns drinnen. Oh, und gut gemacht, Kadett.« Er deaktivierte das Komm.

»Was soll das heißen, gut gemacht?«, schnappte der Irizi. »Was hat er schon bewiesen? Zugegeben, es war ein beeindruckendes Manöver, aber wir haben es alle gesehen. Er ist nicht so verschwunden wie in den Aufzeichnungen der Simulatorübung.«

»Ach, wirklich?« Eine Mischung aus Bewunderung und Belustigung schwang in Ba’kifs Stimme mit. »Wir haben ihn nur gesehen, weil wir über dem Schlachtfeld positioniert waren und weil diese energiearmen Spektrallaser nicht dieselbe Wirkung haben wie echte Kanonen. In der Simulation gab es keine derartigen Einschränkungen.« Er blickte Wevary an. »Colonel?«

»Ja«, murmelte Wevary. Er klang nicht so amüsiert wie Ba’kif, aber Ziara glaubte, auch in seinen Worten einen bewundernden Tonfall zu hören. »Das war in der Tat gut gemacht.«

»General …«, setzte der Irizi an.

»Geduld, Aristokra«, unterbrach ihn Ba’kif.

Dann wandte sich der General überraschend zu Ziara herum. »Seniorkadettin, wären Sie vielleicht so freundlich, dem Repräsentanten Ihrer Familie alles zu erklären?«

»Ja, Sir.« Sie fühlte sich wie ein Kind, das nach der ersten Schwimmstunde in ein tiefes Becken gestoßen wurde. Sie hatte von allen Anwesenden am wenigsten Erfahrung, und trotzdem sollte sie dem Aristokra einen Vortrag halten?

Aber da sie beide zur selben Familie gehörten, war es politisch gesehen vermutlich das Schlaueste, was Ba’kif hatte tun können.

»Der erste Angriff auf Thrawn hätte seine Sauerstoffreserven und seinen Treibstofftank getroffen. Er hätte also eine Spur aus Gasen hinter sich hergezogen«, begann Ziara. »Als er wendete und Eins und Drei sein Heck präsentierte, hätten seine Düsen diese ausgetretenen Gase entzündet und die Sensoren der Angreifer geblendet.«

Der Irizi schnaubte. »Reine Spekulation.«

»Im Gegenteil«, warf Wevary ein. »Genau dasselbe ist in der Simulation passiert und aus genau demselben Grund. Fahren Sie fort, Seniorkadettin.«

Ziara nickte. »Gleichzeitig hat Thrawn auf die hinteren Düsen von Patrouillenschiff Zwei gefeuert. Er hat sie mit einem präzisen Feuermuster ausgeschaltet, sodass er die Bewegungen des davonschlingernden Feindes berechnen konnte. Danach musste er diese Bewegungen nur noch imitieren und sich unter dem Schiff halten, während Eins und Drei versuchten, ihn zu lokalisieren. Sobald die beiden in einer geeigneten Position waren, konnte er aus der Deckung kommen und sie ausschalten.«

Der Irizi dachte kurz darüber nach. »Na schön«, sagte er widerwillig. »Aber was ist mit den Sensoren von Patrouillenschiff Zwei? Die Simulation zeigte keine Bilder dieses Schiffes, während der Kadett sich dahinter versteckte.«

»Die Mannschaft hätte versucht, das Schiff zu stabilisieren«, sagte Ziara erleichtert. Der Irizi wirkte noch immer unzufrieden, aber er schien erkannt zu haben, dass es keinen Sinn hatte, die Sache weiterzuverfolgen. Sie und ihre Familie würden also wohl doch nicht in einen Skandal verstrickt werden. »Das Zünden ihrer eigenen Düsen hätte Thrawn auf ihren Sensoren unsichtbar gemacht.«

»Ich hoffe, Sie können Ihre Untersuchung nun guten Gewissens beenden, Colonel«, sagte Ba’kif.

»In der Tat, General«, erwiderte Wevary. »Danke für Ihre Unterstützung. Das war überaus lehrreich.«

»Gerne doch.« Ba’kif lächelte. »Pilot, bringen Sie uns wieder auf die Oberfläche.«

Während das Beobachtungsschiff wendete und in Richtung Landeplattform losflog, warf der General Ziara einen kurzen Seitenblick zu. »Ich hoffe, für Sie war es auch lehrreich, Kadettin«, flüsterte er gerade laut genug, dass sie es hören konnte. »Sie haben einen guten Instinkt. Vertrauen Sie weiter darauf.«

»Danke, Sir«, sagte Ziara. »Ich werde mein Bestes tun.«