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Einmal mehr verblassten die Sternstreifen, und die Vigilant war wieder im Normalraum.

»Lioaoi-Hauptwelt zwanzig Grad Steuerbord, Nadir zwölf«, verkündete Octrimo von der Steuerkonsole. »Ankunft präzise bei den Zielkoordinaten – eine weitere makellose Leistung der Himmelsläuferin.«

»Zur Kenntnis genommen«, sagte Ar’alani, wobei sie ein ­Lächeln unterdrücken musste. Man hatte der Brückenmannschaft ihre Empörung angesehen, als Ilparg Che’ris Fähigkeiten als Navigatorin kritisiert hatte – Flottenoffiziere und -krieger hegten größten Respekt vor ihren Himmelsläuferinnen –, aber die meisten von ihnen hatten ihre Gefühle für sich behalten. ­Octrimo hingegen, der als Steuermann am engsten mit dem Mädchen zusammenarbeitete, hatte offenbar beschlossen, dass ein Seitenhieb gegen den Botschafter eine offizielle Rüge wert wäre.

Die verbissene Rivalität zwischen seiner Familie, den Drocs, und Ilpargs Boadil-Familie spielte vermutlich auch eine Rolle.

Nicht dass Ilparg den stichelnden Kommentar registrierte. Der Botschafter war mit den Gedanken offensichtlich ganz woanders, während er neben Ar’alanis Kommandosessel stand und zu dem fernen Planeten hinausstarrte.

Ar’alani betrachtete die Hauptwelt ebenfalls, und der kurze Moment der Belustigung verblasste, als sie das dichte Netz von Schiffen um den Planeten sah. Die meisten von ihnen waren ­eindeutig lioaoischer Herkunft: Frachter, Patrouillenschiffe, außerdem zwei kleine Andockplattformen und ein oder zwei Schlachtschiffe. Die alten Aufzeichnungen legten den Schluss nahe, dass in einer höheren Umlaufbahn noch eine weitere, größere Reparaturplattform lag; das könnte bedeuten, dass sich auch ein größeres Schlachtschiff dort befand – selbst wenn es vermutlich keine Bedrohung darstellte, wenn es gerade repariert wurde.

Die Frage war: Mischten sich in dieses Gewimmel auch nikardunische Schiffe, die die Einheimischen im Auge behalten sollten?

»Scan abgeschlossen«, rief Senior-Commander Obbic’lia’nuf von der Sensorstation. »Keine der Signaturen entspricht den ­Nikardun-Schiffen, die wir bei Urch gesehen haben.«

Das war natürlich keine Garantie, wie Ar’alani wusste. Ab­gesehen von den überdimensionierten Brückenfenstern und der ungewöhnlichen Anordnung der vorderen Waffensysteme hatten sich alle Nikardun-Schiffe, denen sie und Thrawn bislang begegnet waren, stark voneinander unterschieden. Yiv schien keinen allzu großen Wert auf einen standardisierten Bautyp zu legen.

»Die Raumkontrolle ruft uns, Admiral«, meldete Wutroow.

»Ignorieren Sie sie«, befahl Ilparg, bevor Ar’alani reagieren konnte. »Kontaktieren Sie direkt das diplomatische Büro des Regimes. Falls sie irgendetwas mit dem Zwischenfall auf Urch zu tun hatten, dann möchte ich hier und jetzt klare Verhältnisse.«

»Einen Moment, Botschafter.« Ar’alani blickte über die Schulter zum Eingang der Brücke. Thrawn war spät dran. »Wir warten noch auf Senior-Captain Thrawn.«

»Wofür brauchen wir ihn denn?«

Er ist der Einzige, der erkennen kann, ob dort draußen nikardunische Schiffe sind , war nur eine von vielen Erwiderungen, die durch Ar’alanis Kopf hallte. Eine andere war: Wenn diese Sache nach hinten losgeht, werden wir sein taktisches Fingerspitzengefühl brauchen . Oder: Seine Erfolgsbilanz in Kampfsituationen würde die meisten Commodores oder Admirale der Chiss-Flotte vor Scham erröten lassen .

Doch sie hatte mehr Taktgefühl als Commander Octrimo – und sie wurde nicht durch irgendwelche Familienfehden beeinflusst. »Weil ich ihn dabeihaben möchte und weil ich der Admiral bin«, sagte sie stattdessen.

Ilparg gab ein schnaubendes Geräusch von sich. »Na schön. Aber er sollte sich besser beeilen.«

Die Tür glitt auf, und Thrawn trat auf die Brücke. »Admiral, Botschafter, verzeihen Sie bitte«, sagte er, während er zu Ar’alani und Ilparg herüberkam. »Meine Nachforschungen haben länger gedauert, als ich dachte.«

»Und was waren das für Nachforschungen, Senior-Captain?«, fragte Ilparg misstrauisch.

»Taktische Daten«, antwortete Ar’alani an Thrawns Stelle.

»Taktische Daten?«, echote Ilparg abfällig. »Oder doch nur nutzlose Kunstwerke?«

Ar’alani biss die Zähne zusammen. »Die erste Regel der Strategie lautet: Kenne deinen Feind«, erklärte sie. »Dazu gehören seine Kampftaktiken, aber auch seine Geschichte, seine Philosophie und, ja, manchmal auch seine Kunst.«

»Geschichte und Philosophie kann ich ja noch akzeptieren«, entgegnete Ilparg mit hörbarer Verachtung in der Stimme. »Aber Kunst hat keinen strategischen Wert. Wie auch immer, Senior-Captain Thrawn ist nun hier, also können wir endlich das diplomatische Büro kontaktieren, wie ich es verlangt habe.«

»Gewiss doch, Botschafter.« Wutroow trat an Ilpargs Seite und führte ihn sanft, aber bestimmt von Ar’alani und Thrawn fort. »Am besten machen wir das direkt von der Kommkonsole aus. Hier entlang, bitte.«

»Danke, dass Sie versucht haben, meine Methoden zu verteidigen«, flüsterte Thrawn leise.

»Machen Sie sich nichts draus«, riet Ar’alani ihm. »Manchmal ist es von Vorteil, wenn man unterschätzt wird.« Aber nicht wenn die eigene Laufbahn beurteilt wird , fügte sie im Stillen hinzu. »Was konnten Sie herausfinden?«

»Unsere Daten über die Kunst der Lioaoi sind sehr begrenzt«, berichtete Thrawn. »Aber für unsere Bedürfnisse sollten sie ausreichen.«

»Freut mich, das zu hören.« Ar’alani deutete auf das Aussichtsfenster. »Da ist Ihre Leinwand. Malen Sie mir etwas.«

Einen Moment lang stand Thrawn wortlos da, während seine Augen über die Szenerie vor ihnen glitten. Ar’alani blickte zwischen ihm und dem taktischen Display hin und her, und sie wunderte sich, warum ihr Feind nicht schon längst zugeschlagen hatte. Falls die Nikardun hier waren, waren die Lioaoi sicher von dem Zwischenfall bei Urch in Kenntnis gesetzt worden.

Es sei denn, die Urchiv-Ki hatten die Vigilant vor ihrer Flucht nicht eindeutig identifizieren können. Nein, das war ausgeschlossen. Und die Möglichkeit, dass es auf der Hauptwelt der Urchiv-Ki keine Kommunikationstriade gab, die eine Botschaft bis hierher übertragen konnte? Das wäre sogar noch unwahrscheinlicher.

Also worauf warteten die Nikardun?

Könnte es sein, dass Thrawns Theorie nur auf Paranoia und falschen Rückschlüssen fußte? Die Völker hier draußen bekriegten sich ständig, wie Ar’alani wusste. Falls die Nikardun kein aufstrebendes Imperium waren, sondern nur eine weitere Spezies, die sich in lokale Konflikte verstrickt hatte …

»Diese neuen Jäger.« Thrawn deutete auf eine kleine Gruppe von Schiffen, die gerade hinter dem Rund des Planeten in Sicht kamen. »Das ist eine Variation lioaoischer Baumodelle, aber ihre Formation und ihr Flugmuster sind äußerst untypisch.«

»Vielleicht haben sie ihre Taktiken geändert, seit Sie das letzte Mal mit ihnen zu tun hatten«, überlegte Ar’alani.

»Nein«, sagte Thrawn gedehnt. »Die Lioaoi lieben vertikale Formationen, das spiegelt sich deutlich in ihrer Kunst wider. Normalerweise würden sie neun Schiffe zu einem dreischichtigen Keil formieren. Diese Formation hingegen ist flach und viel weiter aufgefächert.«

Ar’alani nickte. Die Jäger flogen ganz klar nicht in vertikaler Keilformation. »Sieht aus, als hätten sie sich für ein Flankenmanöver gruppiert.«

»Korrekt«, nickte Thrawn. »Offensiv, nicht defensiv. Auch das widerspricht der typischen lioaoischen Mentalität. Aber es geht nicht nur um die Formation. Die Piloten wirken … unsicher. Als wäre diese Formation neu für sie.«

»Vielleicht sind es neue Rekruten.«

»Alle neun?« Thrawn schüttelte den Kopf. »Nein. Das sind Ein-Mann-Kanonenboote. Die Lioaoi würden niemals so viele unerfahrene Piloten losschicken – nicht, ohne sie von erprobten Mannschaften begleiten zu lassen. Erst recht nicht so tief in einem Gravitationsfeld.«

»Ja, das widerspricht ihrer üblichen Strategie«, sagte Ar’alani. »Aber Flotten ändern ihre Methoden ständig, um sich an neue Technologien und Situationen anzupassen. Zugegeben, das hier wäre ein extremes Beispiel …«

»Hier spricht das Orbitalkommando«, dröhnte eine Stimme aus dem Lautsprecher.

Ar’alani blinzelte. Sie war so auf die fernen Schiffe und Thrawns Analyse konzentriert gewesen, dass sie den vordergründigen Zweck ihres Hierseins beinahe vergessen hatte.

»Sie sprechen mit Botschafter Boadil’par’gasoi von der Chiss-Aszendenz«, verkündete Ilparg mit all der Würde und Arroganz, die Ar’alani vom diplomatischen Korps im Allgemeinen und von Ilparg im Speziellen erwartete. »Ich möchte mit jemandem vom diplomatischen Büro über den aggressiven Übergriff sprechen, dem wir vor mehreren Tagen bei der Hauptwelt der Urchiv-Ki ausgesetzt waren.«

»Wie kommen Sie darauf, dass das Lioaoi-Regime irgendetwas mit den Urchiv-Ki zu tun hat?«, fragte die Stimme.

»Ein Schiff der Lioaoi war anwesend, als die Urchiv-Ki versuchten, unser Schiff festzusetzen«, antwortete Ilparg.

Ar’alani stieß den Atem aus. Was bei den Sonnen tat Ilparg da? Solche Informationen herauszurücken, wenn man selbst keinen Nutzen daraus ziehen konnte, war hochgradig töricht. »Botschafter …«

»Nein, lassen Sie ihn«, flüsterte Thrawn, wobei er ihr warnend die Hand auf den Arm legte. »Sehen wir mal, wie sie reagieren.«

Ar’alani verzog das Gesicht. Ja, das klang ganz nach Thrawn: dem Feind einen kleinen Stoß verpassen und dann seine Reaktion abwarten. Und das war auch schön und gut … Es sei denn, ihr Feind beschloss, ihnen seine gesamte Streitmacht entgegenzuwerfen.

Immerhin war die Vigilant ein voll bewaffneter Nightdragon, und sie waren noch nicht sehr tief ins Gravitationsfeld der Hauptwelt vorgedrungen. Ar’alani war sicher, dass sie ihr Schiff im Notfall mit minimalen Schäden aus dem System bringen könnte. Während ihr dieser Gedanke noch durch den Kopf ging, flackerte etwas auf der anderen Seite der kleinen Andockstationen …

Ihre Augen weiteten sich.

»Oh, oh«, keuchte jemand auf der Brücke.

Ar’alanis Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. Es war ein Schlachtschiff.

Ein riesiges Schlachtschiff, gut und gerne so groß wie eine Dreadnought und somit anderthalbmal größer als die Vigilant . Seine Flanken starrten nur so vor Waffensystemen, dunkle Linien zeichneten die Umrisse schwerer Panzerplatten nach; eng beieinanderliegende Kuppeln deuteten auf eine starke elektrostatische Barriere hin.

Und die Brückenfenster – die arrogant, geradezu einladend überdimensionierten Brückenfenster – wiesen es eindeutig als nikardunisches Schiff aus.

»Admiral?«, fragte Wutroow mit einem drängenden Ton in der Stimme.

Ar’alani betrachtete den Schlachtkreuzer und die Vektoren und Positionen der Schiffe darum herum, dann warf sie einen langen, gründlichen Blick auf das Taktikdisplay. »Kurs halten. Noch starten sie keine bedrohlichen Manöver.«

»Das könnte sich jede Sekunde ändern«, warnte Wutroow.

»Nein«, warf Thrawn ein. »Sie könnten offensive Position einnehmen, aber das würde länger dauern als nur ein paar Sekunden.«

»Richtig«, stimmte Ar’alani ihm zu. »Bei dieser Entfernung und Ausrichtung würden wir jedes Manöver frühzeitig erkennen.«

Wutroow schien tief durchzuatmen. »Ja, Ma’am.«

»Das diplomatische Büro hat keine Kenntnis von den Ereignissen, die Sie beschreiben«, meldete sich nun eine andere lioaoische Stimme aus den Lautsprechern. »Aber wir schätzen und erwidern die Freundschaft und den Respekt der Chiss-Aszendenz. Falls Sie landen möchten, können wir uns gerne weiter unterhalten. Oder sollen wir Ihnen einen Transporter schicken?«

Ilparg blickte zu Ar’alani herüber. »Admiral?«, fragte er.

»Nun, wir werden auf keinen Fall näher herangehen«, erklärte sie. »Und unter den gegebenen Umständen werden wir Sie auch nicht von Bord lassen.«

»Also fliegen wir wieder ab?«

»Warum nicht?«, erwiderte sie. »Wir haben, weswegen wir hergekommen sind.«

Ilparg runzelte die Stirn. »Und was soll das sein?«

»Den Beweis für eine nikardunische Präsenz«, sagte Thrawn.

»Ihr Schiff hat uns nicht angegriffen«, erinnerte der Botschafter ihn.

»Was ist mit der Tatsache, dass die Lioaoi nicht über Urch sprechen wollen?«, konterte Ar’alani.

Ilparg schnaubte. »Ich glaube, so etwas nennt man Negativinformationen.«

»Es sind trotzdem Informationen«, beharrte sie. »Und viel mehr werden wir hier nicht erfahren. Also bitten Sie das diplomatische Büro um Verzeihung, verabschieden Sie sich – auf so diplomatische Weise, wie Sie möchten –, und dann verschwinden wir von hier.«

»Einen Moment noch, Admiral«, sagte Thrawn nachdenklich. »Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne noch ein kleines Experiment durchführen. Diese neuen Kanonenboote scheinen großes Interesse an uns zu haben.«

Ar’alani richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gruppe kleiner Schiffe, die ihnen schon zuvor aufgefallen waren. Ihre Zangenformation hatte sich ein wenig geöffnet, aber davon abgesehen konnte sie keine Veränderung feststellen.

Dann wurden ihre Augen schmal, und sie erkannte, was Thrawn gemeint hatte. Die Formation war auseinandergeklappt, weil die Kanonenboote die Triebwerke deaktiviert hatten und die Gezeitenkraft des planetaren Gravitationsfeldes sie nun langsam voneinander fortzogen, während sie dahindrifteten. »Sieht aus, als wollten sie jederzeit losschlagen können«, sagte sie. »Und egal, in welche Richtung.«

»Exakt«, bestätigte Thrawn. »Und die Gegenwart der Vigilant scheint mir der einzige Grund, der ein solches Verhalten rechtfertigen könnte.«

Ar’alani kratzte sich an der Wange. Der Schlachtkreuzer der Nikardun rührte sich nicht, aber die Kanonenboote waren in ­Bereitschaftsposition. Wollten sie sich absichern? Oder gab es eine interessantere Erklärung? War es ein Anzeichen dafür, dass hier zwei unterschiedliche Befehlsketten am Werk waren?

Das wäre in der Tat eine Möglichkeit, die man weiter ausloten sollte. »Was immer Sie vorhaben, wir werden diese Schiffe nicht angreifen«, sagte sie.

»Natürlich nicht«, versicherte Thrawn ihr. »Ich möchte ihnen einfach nur mitteilen, dass ich hier bin.«

»Was erhoffen Sie sich davon?«

»Ich weiß nicht. Darum nannte ich es ja ein Experiment.«

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu – eine Warnung, nicht ihre Geduld überzustrapazieren –, aber sie wusste: Wenn Thrawn eine Vermutung hatte, dann lohnte es sich in der Regel, sie auszuloten. »Na schön. Steuermann, halten Sie sich bereit, zu wenden und uns von hier fortzubringen.«

»Wie schnell?«, fragte Octrimo.

»Hoffentlich ganz gemütlich«, erwiderte Ar’alani. »So, wie es aussieht, wollen sie die Unschuldigen spielen, und wir wollen sie glauben machen, dass wir ihnen die Farce abkaufen. Aber sollte es nötig werden, brauche ich volle Beschleunigung und Energie. Himmelsläuferin Che’ri?«

»Ich bin bereit«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme zitterte ein wenig, aber die Worte klangen entschlossen.

Ar’alani wandte sich wieder zu Thrawn um. »Bereit?«

»Ja.« Er machte einen Schritt auf ihren Kommandosessel zu. »Behalten Sie die Kanonenboote im Auge.«

Mit einem Nicken drückte sie den Kommknopf. »Bitte.«

»Hier spricht Senior-Captain Thrawn«, erklärte er. »Danke für Ihr Interesse, aber der Botschafter fühlt sich zu diesem Zeitpunkt für eine diplomatische Unterhaltung nicht ausreichend vorbereitet. Die Chiss-Aszendenz wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen, um zu einem späteren Zeitpunkt ein Treffen zu vereinbaren.«

Der Lioaoi erging sich in einer wortreichen, aber größtenteils nichtssagenden Antwort, doch Ar’alani hörte kaum hin. Nur einen Moment nachdem Thrawn seinen Namen genannt hatte, hatten sieben der Kanonenboote ihre Triebwerke aktiviert, sich aus der Formation gelöst und ihren Bug auf die Vigilant ausgerichtet.

Doch kaum dass sie das Manöver eingeleitet hatten, fuhren sie ihre Triebwerke wieder herunter, und sie verharrten mehrere Augenblicke in ihrer neuen Position, ehe sie sich langsam wieder zu den beiden anderen Kanonenbooten zurückzogen. Das Ganze dauerte nicht länger als zehn Sekunden, und alle neun Schiffe waren wieder in ihrer ursprünglichen Formation, noch bevor Thrawn seine Durchsage beendet hatte.

Die Hälfte von Ar’alanis Gehirn, die die Unterhaltung verfolgte, erkannte, dass die Verbindung getrennt worden war. Sie nickte Octrimo zu. »Bringen Sie uns aus dem System, Steuermann«, befahl sie. »Schön ruhig und langsam. Himmelsläuferin, bereithalten.«

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Schlachtkreuzer und wartete darauf, dass der Kommandant aus der Deckung kam. Doch das Nikardun-Schiff blieb auf seiner trägen Umlaufbahn, während die Vigilant wendete und das Gravitationsfeld verließ. Dann beugte Che’ri sich über ihre Konsole, und sie sprangen mit einem Aufblitzen von Sternlinien in die Sicherheit des Hyperraums.

Wutroow durchquerte die Brücke und trat an Ar’alanis Seite. »Was genau haben wir nun herausgefunden?«, wollte sie wissen.

»Haben Sie denn nicht die Kanonenboote beobachtet?«, fragte Ar’alani.

»Sie und Thrawn konzentrierten sich bereits auf die Schiffe, da dachte ich mir, jemand sollte vielleicht auch den Schlachtkreuzer im Auge behalten.«

»Gut mitgedacht«, lobte Ar’alani. Sie blickte zu Thrawn hoch. »Es war Ihre Idee, Senior-Captain. Erklären Sie es.«

»Sieben der neun Kanonenboote sind näher gekommen, als ich meinen Namen nannte«, sagte Thrawn. »Das lässt darauf schließen, dass meine Person den Nikardun bekannt ist und dass es eine Art Dauerbefehl gibt, was mich anbelangt. Aber einen Moment später sind die sieben Schiffe wieder in ihre Formation zurückgekehrt.«

»Wer die Jäger kommandiert hat, wollte also sofort losstürmen und die schändliche Niederlage von Rapacc rächen«, murmelte Wutroow gedehnt. »Und dann hat jemand weiter oben in der Befehlskette sie zurückgepfiffen.«

»So habe ich es auch interpretiert«, nickte Ar’alani. »Das deckt sich mit meiner Vermutung von vorhin. Sie mögen Dauerbefehle haben, sie mögen sich provoziert fühlen, aber das Wichtigste für sie ist im Augenblick, den Eindruck zu erwecken, dass sie keine Bedrohung für uns darstellen.«

»Ein kleines Problem gibt es da aber.« Wutroow hielt einen Finger in die Höhe. »Hatten wir nicht vermutet, dass die Kanonenboote lioaoischer Herkunft sind? Warum sollten sie sich um Thrawn scheren? Ich meine, abgesehen von den offensichtlichen Gründen?«

»So offensichtlich sind diese Gründe gar nicht mehr«, erwiderte Ar’alani. »Nach all den Jahren gibt es sicher keine Dauerbefehle mehr, ihn anzugreifen. Zumindest nicht auf Seiten der Lioaoi.«

»Vermutlich nicht«, murmelte Wutroow. »Was dann?«

»Unsere erste Vermutung war falsch«, erklärte Ar’alani mit einem Gefühl drohenden Unheils. »Wir glaubten, die Lioaoi würden vielleicht nur neue Taktiken erproben. Das tun sie auch, ja, aber sie tun es unter Führung der Nikardun.«

»Die Lioaoi in den Kanonenbooten wussten, dass ich ein Feind der Nikardun bin«, sagte Thrawn. »Das ist die einzige Erklärung, warum die sieben Piloten so schnell reagierten. Dauerbefehle dieser Art werden normalerweise nicht mit unterworfenen Völkern geteilt. Außerdem waren die Kanonenboote bewaffnet – man konnte ihre vorderen Laserkanonen erkennen, ebenso ihre Abschussrohre. Von den Paccosh wissen wir aber, dass die Nikardun jede Spezies, die sie besiegen, entwaffnen.«

»Mit anderen Worten, die Lioaoi wurden nicht unterworfen«, murmelte Ar’alani leise. Ihr Blick schweifte in den brodelnden Hyperraumtunnel hinaus. »Sie sind Verbündete.«

Einen Moment lang sagte niemand etwas, dann blies Wutroow die Backen auf. »Na wundervoll«, brummte sie. »Was jetzt?«

»Wir brauchen mehr Informationen«, erklärte Thrawn. »Admiral, können Sie Solitair anfliegen, bevor wir zur Aszendenz zurückkehren?«

»Auf keinen Fall«, platzte Ilparg dazwischen, der mit weiten Schritten auf sie zumarschiert war. »Erst das Lioaoi-Regime, und jetzt wollen Sie zur Garwia-Einheit? Hatten Sie nicht schon genug Ärger?« Er richtete den Blick seiner funkelnden Augen auf Thrawn. »Mir hat es jedenfalls gereicht, und ich sage Ihnen mit aller Autorität meines Mandats, wir fliegen zurück.«

»Ihre Autorität und Ihr Mandat stehen hier nicht zur Debatte, Botschafter«, sagte Ar’alani, wobei sie Thrawns Züge studierte. »Die Vigilant ist mein Schiff, und sollte ich entscheiden, dass wir weitere Daten sammeln müssen, dann tun wir das auch.«

»Nicht, falls das Syndicure die Entscheidung für unvertretbar erklärt«, drohte Ilparg.

»Dem mag so sein«, entgegnete Ar’alani. »Aber selbst das Syndicure hat nur eingeschränkte Autorität über einen ranghohen Flottenoffizier.«

»Ich denke, es gibt eine einfachere Lösung«, meldete sich Thrawn zu Wort. »Ich nehme einen Shuttle, während Sie mit der Vigilant zur Aszendenz zurückkehren. Auf diese Weise sollte sich Ihre Rückkehr nur um ein paar Stunden verzögern.«

»Sie wollen nicht, dass wir warten?« Ar’alani zog die Brauen zusammen. »Was, falls die Garwia nicht mit Ihnen reden wollen?«

»Das bezweifle ich«, sagte Thrawn nur. »Falls ich Sie um einen Gefallen bitten dürfte, Admiral: Könnten Sie mir ein oder zwei Stunden lang Ihr Büro überlassen?«

»Natürlich«, erwiderte sie. »Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen. Hüterin Thalias, holen Sie Himmelsläuferin Che’ri aus der Trance, sobald es sicher ist. Anschließend soll sie uns zum garwianischen Hauptplaneten Solitair bringen.«

»Ja, Admiral«, bestätigte Thalias. Man konnte ihr ansehen, dass sie jedes Wort der Unterhaltung mitgehört hatte, aber immerhin stellte sie ihren Befehl nicht infrage. »Es wird noch ein paar Minuten dauern, ehe ich Che’ri stören kann.«

»Ich verlasse mich auf Ihr Urteil, Hüterin«, versicherte Ar’alani ihr. »Captain Thrawn, mein Büro gehört Ihnen.«