20

Zehn Wachen erwarteten Thalias und Che’ri, als sie aus dem Sternjäger stiegen. »Ich grüße die Krieger des Vak-Kombinats«, rief Thalias nach einem kurzen Blick auf ihre Uniformen. Die Muster ähnelten denen, die sie an Thrawns Seite bei dem diplomatischen Empfang gesehen hatte, aber der Schnitt war schlichter, zweckmäßiger. Kein Zweifel, dies war keine förmliche Begrüßung, sondern ein militärischer Einsatz. »Ich bitte im Namen von Senior-Captain Thrawn um Verzeihung und biete Ihnen Wiedergutmachung für sein Handeln.«

»Sie sprachen von einer Nachricht«, sagte einer der Soldaten. »Geben Sie sie her.«

»Ich habe Anweisung, sie dem militärischen Anführer des Kombinats persönlich zu überreichen«, erklärte Thalias. »Ich warte gerne, bis er Zeit hat, und ich bin bereit, zu jedem Ort zu reisen, den er für unser Treffen auswählt.«

»Das glaube ich gern«, knurrte der Soldat. »Aber ich nehme das Schreiben.« Er streckte die Hand aus, die fünf Klauenspitzen nach oben gerichtet. »Her damit.«

Thalias zögerte. Thrawn hatte sie vor einem solchen Szenario gewarnt, aber es gab nichts, was sie tun konnte, also zog sie den Umschlag hervor und reichte ihn dem Soldaten. »Ich nehme an, Ihre Vorgesetzten möchten uns über die Umstände befragen, die zu der bedauerlichen Schiffsentführung geführt haben«, sagte sie, während der Vak den Brief in seine Jackentasche steckte. »Ich stehe Ihnen voll und ganz zur Verfügung.«

»Keine Fragen«, erklärte der Soldat. »Wir haben ein Schiff und einen Navigator, der Sie ins Territorium der Chiss-Aszendenz zurückbringen wird. Er sollte gleich hier sein.«

Thalias runzelte die Stirn. »Niemand möchte mit uns reden?«

Der Soldat antwortete nicht, salutierte nur flüchtig und gab seinen Kameraden dann ein Zeichen, woraufhin die gesamte Gruppe auf dem Absatz kehrtmachte und über die Andockplattform davonmarschierte.

»Folgen wir weiter dem Plan?«, fragte Che’ri.

Thalias zögerte. Es gab bestimmte Teile des Plans, die sie und Thrawn dem jungen Mädchen sicherheitshalber vorenthalten hatten. »Mal sehen«, sagte sie ausweichend.

»Ah! Thalias von der Chiss-Aszendenz«, ertönte eine fröhliche Stimme hinter ihnen.

Sie drehte sich um, und ihr Magen verknotete sich, als sie eine vertraute Gestalt mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf sich zukommen sah. »Sie erinnern sich vermutlich nicht an mich«, begann der Navigator, »aber wir sind uns schon mal begegnet …«

»Sie sind Qilori von Uandualon«, unterbrach sie ihn. »Sie waren mit General Yiv bei dem Empfang.«

»Ah, Sie erinnern sich also«, grinste Qilori. »Ausgezeichnet. Kommen Sie mit. Der Shuttle zu unserem Schiff ist gleich dahinten.«

Ein paar Minuten später saßen sie in der Passagierkabine des Shuttles, während sie durch die immer dünner werdende ­Atmosphäre zu einem der zahlreichen Schiffe im primeanischen ­Orbit hochflogen. »Ziemlich viel los hier«, bemerkte der Navi­gator mit einem Blick aus dem Fenster. »Ich bin wirklich froh, dass ich die Kontrolle erst übernehmen muss, wenn wir das ­Gravitationsfeld hinter uns haben und alles für den Hyperraumsprung bereit ist. Ihre Reise hierher war sicher sehr interessant.«

»Che’ri ist geflogen«, erklärte Thalias, wobei sie sich in der ansonsten verlassenen Kabine umsah. »Sie ist die Pilotin. Wo sind die anderen Passagiere?«

»Oh, die sind alle schon an Bord des Transporters«, antwortete Qilori. »Sie beide wurden erst in letzter Minute auf die Passagierliste gesetzt. Die Regierung des Kombinats muss wirklich sehr zufrieden sein, dass sie ihren Jäger zurückhat.«

»Es war nie unsere Absicht, ihn zu behalten«, entgegnete Thalias. »Welches ist unser Schiff?«

»Das sehen Sie gleich«, versicherte Qilori ihr. »Es ist … das da.«

»Thalias?« Che’ris Stimme klang nervös. »Das sieht nicht aus wie ein Transporter.«

»Nun, wenn du mit Transporter ein Schiff meinst, das dich von einem Punkt zum anderen bringt, dann ist es natürlich ein Transporter«, entgegnete der Navigator. »Wenn du hingegen einen zivilen Transporter meinst? Nein, mit so einem fliegen wir heute nicht.«

Er deutete aus dem Seitenfenster. »Das, meine lieben Chiss-Geiseln, ist die Deathless , das Flaggschiff von General Yiv dem Wohlwollenden von der Nikardun-Dynastie.«

Thalias blickte ihn an und schätzte im Stillen die Entfernung zwischen ihnen ab. Sie waren beide festgeschnallt, aber falls sie ihre Gurte schnell genug lösen konnte …

»Versuchen Sie es bitte nicht«, sagte Qilori. »Der Wohlwollende möchte, dass Sie in unversehrtem Zustand sind, wenn er Sie Thrawn aushändigt.«

»Er wird uns zu Thrawn zurückbringen?«, fragte Che’ri hoffnungsvoll.

»Natürlich«, bestätigte Qilori. »Er wird Thrawn kontaktieren, Thrawn wird kommen, sie werden sich auf der Brücke dieses Schlachtschiffes treffen, und dann wird Yiv Sie an ihn aushändigen. Und danach wird Yiv ihn natürlich umbringen.«

Verrat .

Es gab wirklich nur dieses eine Wort dafür, dachte Thurfian wütend, während er durch den Versammlungskomplex zur Notsitzung des Syndicure hastete. Verrat .

Und trotz all der Vorkehrungen, die er getroffen hatte – den Treffen und den Absprachen mit Zistalmu, der gründlichen Analyse sämtlicher Akten über Thrawns Missionen und Aktivitäten … Trotz alledem kam die Sache für ihn vollkommen überraschend.

Er hatte mehrfach gesehen, wie der arrogante Krieger bis an die Grenze des Vertretbaren gegangen war und den Fuß auf die Grenze gesetzt hatte. Aber nie hätte er damit gerechnet, dass Thrawn eines Tages mit Anlauf über diese Linie springen würde.

Sie hatten ihn. Diesmal, bei allen Sternen des Chaos, hatten sie ihn!

Doch um welchen Preis? Um welchen schrecklichen, schrecklichen Preis?

Die Versammlungshalle schien bis auf den letzten Platz gefüllt zu sein, als Thurfian eintrat, und er sah sich gründlich um, während er zu den Sitzreihen der Mitth hinüberging. Die Sprecher aller Neun Familien waren anwesend, ebenso die meisten der hochrangigen Syndics und dazu Vertreter von einem Dutzend niederer Familien – vorrangig die, welche die engste Verbindung zu den Neun unterhielten oder davon träumten, eines Tages die Aszendenz mitzuregieren. Geraunte Unterhaltungen erfüllten den großen Saal, während diejenigen, die bereits teilweise über die Situation informiert waren, den Rest einweihten.

Die einzige Insel des Schweigens war der Zeugentisch, an dem Supreme General Ba’kif, Supreme Admiral Ja’fosk, Admiral Ar’alani und Thrawn saßen.

Thurfian hatte sich gerade zu seinem Platz durchgezwängt, als Ja’fosk aufstand.

Sofort verstummte das Gemurmel. »Sprecher und Syndics der Aszendenz«, rief er mit einem kurzen abschätzenden Blick ins Rund. »Wir haben eine Nachricht von General Yiv, dem Anführer der Nikardun-Dynastie, erhalten.« Er hob seinen Questis. »Ich zitiere: ›Ich habe die beiden Familiengeiseln von Senior-Captain Thrawn, die er nach Primea geschickt hat, um das Vak-Kombinat zum Verrat an den friedlichen Völkern der Nikardun-Dynastie aufzuhetzen. Falls er möchte, dass die Frauen unversehrt freigelassen werden, wird er sich allein bei den ­beigefügten Koordinaten einfinden, in einem unbewaffneten Frachter und mit dem Gegenwert von zweihunderttausend ­Univers.‹« Ja’fosk senkte den Questis wieder. »Die Koordinaten liegen in einem hohen Orbit über Primea.«

Normalerweise würde einer der Sprecher die erste Frage stellen oder die erste Einschätzung abgeben, aber im Augenblick interessierte Thurfian sich nicht für das Protokoll. Er musste dafür sorgen, dass jeder in dem großen Saal die ganze Tragweite dieser schrecklichen Situation begriff. »Lassen wir fürs Erste mal außer Acht, warum Yiv glaubt, dass die Chiss so etwas wie Familiengeiseln haben«, rief er, nachdem er sich mit dramatischem Gebaren erhoben hatte. »Die wichtigere Frage ist wohl, wer diese beiden Frauen sind.« Er zog die Brauen hoch. »Oder ist vielleicht nur eine von ihnen eine Frau … und die andere ein junges Mädchen?«

»Eine von ihnen ist eine Frau«, bestätigte Ja’fosk mit sorgsam modulierter Stimme. »Ihr Name ist Mitth’ali’astow. Die andere Geisel ist in der Tat ein Mädchen.« Ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Che’ri, eine unserer Himmelsläuferinnen.«

Ungläubige und empörte Stimmen wurden unter den versammelten Aristokra laut. Wie es schien, kannten nur die wenigsten von ihnen die ganze Geschichte. »Ich hoffe, Yiv weiß nichts von ihrem Status?«, rief Thurfian.

»Wir nehmen es an«, antwortete Ja’fosk. »Nichts deutet da­rauf hin, dass er überhaupt weiß, was das Himmelsläufer-Programm ist, von den Details ganz zu schweigen.«

»Aber es gibt auch keine gegenteiligen Beweise, oder?«, mischte sich der Sprecher der Plikh ein. »Ich würde gerne wissen, warum Senior-Captain Thrawn auf die unerhörte Idee kam, eine unsere Himmelsläuferinnen geradewegs zu einer feindlichen Macht zu schicken!«

»Die Nikardun sind nicht unsere Feinde«, warf Ja’fosk ein. »Was Captain Thrawns Gründe angeht …« Er blickte auffordernd zu dem Senior-Captain hinüber.

»Es war nie meine Absicht, Che’ri oder ihre Hüterin in Gefahr zu bringen«, sagte Thrawn. »Ihre Mission war es, den Vak-Jäger zurückzubringen, den ich mir ausgeliehen hatte, und die Regierung von Primea über Yivs Umgang mit den andren Spezies in der Region zu informieren. Thalias sollte die Botschaft überbringen und dann mit einem Transporter zur Navigator-Gildenstation Vier-Vier-Sieben fliegen, um von dort ins Territorium der Aszendenz zurückzukehren.«

»Warum war die Himmelsläuferin überhaupt bei ihr?«

»Che’ri konnte den Jäger fliegen, Thalias nicht.«

Thurfians Mundwinkel zuckten. Lügner . Thrawn musste gewusst – oder zumindest geahnt – haben, was Yiv tun würde, sobald Thalias und Che’ri in seine Reichweite kamen. Diese ganze Sache stank nach einem Trick, um die Aszendenz zu einem Vergeltungsschlag gegen die Nikardun zu zwingen.

Und falls die Stimmung im Versammlungssaal repräsentativ für den Rest des Syndicure war, dann würde er seinen Vergeltungsschlag bekommen. Es gab kaum etwas, was den Chiss so wichtig war wie ihre Himmelsläuferinnen.

»Wir sind noch nicht fertig mit diesem Thema«, warnte der Sprecher der Irizi. »Wir wollen die Details über die Situation – alle Details. Und sollten wir Hinweise auf Fahrlässigkeit oder böswilligen Betrug finden, dann wird das Syndicure die entsprechenden Konsequenzen ziehen.«

»Gewiss«, dröhnte Ja’fosk. »Aber jetzt ist erst einmal schnelles Handeln gefragt. Wir müssen alle nötigen Mittel ergreifen, um diese beiden Frauen zurückzuholen.«

»Ich nehme an, damit meinen Sie einen Militärschlag«, ergriff Zistalmu das Wort.

Thurfian beeilte sich hinzuzufügen: »Gegen eine Welt, die – wie Supreme Admiral Ja’fosk ganz richtig sagte – nicht unser Feind ist.«

»Sie haben eine Himmelsläuferin in ihrer Gewalt«, erinnerte Thrawn ihn. »Ich glaube, das kommt einem Angriff auf die Aszendenz gleich.«

»Auch wenn sie nicht mal von ihrem Verbrechen wissen?«

»Sie haben eine Himmelsläuferin«, beharrte Thrawn.

Thurfian warf Zistalmu quer durch den großen Saal einen Blick zu. Die Miene des Irizi spiegelte denselben Zynismus wider, den auch er empfand. Diese Krise war von vorne bis hinten geplant. Ja’fosk und Ba’kif waren vielleicht nicht im Bilde gewesen, aber Ar’alani und Thrawn ganz bestimmt.

Der Tag der Abrechnung würde kommen, das schwor Thurfian sich. Fürs Erste würde die Bestrafung aber warten müssen. Yiv hatte eine Himmelsläuferin, und es war offensichtlich, dass die Aristokra falls nötig dem gesamten Chaos den Krieg erklären würde, um sie zurückzubekommen.

Trotzdem konnte er eine gewisse Genugtuung nicht unterdrücken. Thrawn hatte sein eigenes Grab geschaufelt, und Thurfian würde es genießen, gemeinsam mit dem Rest der Mitth-Familie ihren in Ungnade gefallenen Helden ans Kreuz zu nageln.

»Ich glaube, was ich am meisten an Thrawn vermissen werde«, sagte Yiv vom Kommandosessel der Brücke, »ist sein Talent, einen Feind einzuschätzen und dementsprechend zu planen. Das mentale Kräftemessen mit ihm war eine erfrischende Herausforderung.«

Thalias schwieg und konzentrierte sich stattdessen darauf, nicht an ihren Armen zu kratzen; die formlosen Roben, die die Nikardun ihr und Che’ri zum Anziehen gegeben hatten, waren schrecklich rau. Sie vermutete, dass es sich dabei um Sträflingskleidung handelte und dass sie unbequem sein sollte , aber wie war entschlossen, Yiv keine noch so kleine Genugtuung zu gönnen.

»Nehmen wir zum Beispiel diese Phiole.« Yiv zog den kleinen flachen Behälter hervor, der in Thalias Gürtelschnalle verborgen gewesen war. »Ihr Inhalt lässt sich nicht genau bestimmen, ohne dass wir sie öffnen, aber eine Tiefen-Spektralanalyse deutet auf eine Form von Sporen hin. Ich nehme an, eine tödliche Form.«

»Sie sind nicht tödlich«, erklärte Thalias. »Es ist eine Schlafdroge namens Tava. Mein Meister hat damit die Mannschaft des Vak-Jägers betäubt, als wir von Primea flohen.«

»Und Sie hatten rein zufällig eine weitere Dosis bei sich?«

»Er hat immer gern einen Plan B«, sagte sie. »Ich glaube, er hat die Phiole in meinem Gürtel platziert, damit er im Notfall darauf zurückgreifen kann.«

»Sie wussten also nicht, dass es dort war?«

Thalias ließ die Schultern hängen. »Nein. Aber würde es wirklich einen Unterschied machen? Solange wir Familiengeiseln sind, sind wir sein Eigentum. Mit Herz, Seele und Leben. Er kann mit uns verfahren, wie immer er will.«

»Ich würde das ja barbarisch nennen«, erwiderte Yiv, wobei sich die seltsamen Tentakel auf seinen Schultern hin und her wiegten. »Aber im Grunde ist es dasselbe Arrangement, das ich mit meinen unterworfenen Völkern getroffen habe. Vielleicht sind wir beide uns ähnlicher, als ich gedacht hatte. Hat er Ihnen die Nachricht gezeigt, die Sie überbringen sollten?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Sie war überaus interessant«, erklärte Yiv. Er legte die Tava-Phiole auf die Armlehne seines Sessels und nahm stattdessen den Umschlag in die Hand, den Thalias dem Soldaten auf der Andockplattform gegeben hatte. »Er bietet den Vak eine Allianz mit der Chiss-Aszendenz an, und im Gegenzug will er die Erlaubnis, nach Primea zu kommen und mich herauszufordern.« Mit einem Schnauben platzierte er den Umschlag neben der Phiole. »Wie unglaublich naiv! Glaubt er wirklich, die Vaks würden eine so schwerwiegende Entscheidung treffen, ohne erst ­jeden Aspekt und jede Nuance zu studieren?«

»Mein Meister ist sehr gut darin, andere Kulturen einzuschätzen«, murmelte Thalias.

»So?«, sagte Yiv. »Wenn Sie nach Csilla zurückkehren, sollten Sie unbedingt die Berichte über seinen Kontakt mit den Garwia und den Lioaoi lesen. Die geheimen Berichte, nicht die Geschichte, die man der Öffentlichkeit erzählt hat.«

»Wieso?«, fragte Thalias. »Gibt es einen Unterschied zwischen den beiden?«

»Ich habe nicht vor, Ihnen die Überraschung zu verderben«, erwiderte Yiv gut gelaunt. »Aber die Lioaoi haben mir die ganze Wahrheit erzählt. Sagen wir einfach, Ihr Meister ist nicht so brillant, wie er vielleicht glaubt.« Er dachte einen Moment nach. »Nicht dass es in diesem Fall einen Unterschied macht. Niemand im Kombinat wird je sein Angebot zu Gesicht bekommen. Nein, der Brief, den die Vaks erhalten, wird lediglich eine Entschuldigung und den aufrichtigen Wunsch enthalten, dass dieser Zwischenfall nicht die Meinung der Vaks über die Chiss beeinträchtigt. Etwas Schönes, Schlichtes, was keine endlosen Debatten auslösen wird.«

Thalias sah zu Che’ri hinüber. Das Mädchen versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber man konnte sehen, dass Yivs Enthüllungen – erst die Phiole, dann die falsche Nachricht für die Vaks – sie tief erschüttert hatten.

Sogar Yiv schien es zu bemerken. »Oh, ich fürchte, ich habe Ihre junge Begleiterin beunruhigt«, sagte er mit gespielter Sorge. »Oder vielleicht ist sie auch nur nicht so gut darin, ihre Emotionen zu verbergen.«

»Wir sind Geiseln«, entgegnete Thalias. »Sogar unsere Gefühle gehören unserem Meister und seiner Familie.«

»Ich bin sicher, sie wird mit dem Alter besser darin werden«, fuhr der Wohlwollende fort. »Vielleicht kann ja Ihr nächster Meister ihre Ausbildung weiterführen. Möchten Sie sich jetzt ein wenig in den Ruhebereich zurückziehen? Es wird noch mehrere Stunden dauern, bis Thrawn hier eintrifft und ich Sie wieder brauche.«

»Wohl eher mehrere Tage«, entgegnete Thalias. »Primea ist weit von der Aszendenz entfernt, vor allem, wenn man sich mit Mikrosprüngen durch das Chaos hangeln muss.«

»Das sollte kein Problem sein«, versicherte Yiv ihr mit einem breiten Lächeln. »Für ein so wichtiges Treffen wird er gewiss einen Navigator anheuern. Vermutlich ist dieser Navigator – mein Navigator – bereits an Bord seines Frachters, während wir uns hier unterhalten. Ein paar Stunden noch, dann wird alles vorbei sein.«

»Ich bin froh, dass Sie für diese Reise zur Verfügung standen«, sagte Thrawn, bevor er Qilori eine dampfende Tasse reichte.

»Ich auch.« Qilori blähte die Nasenschlitze. Galara-Tee – sein Lieblingsgetränk. »Ich war gerade erst zur Gildenstation zurückgekehrt und sah mir die Liste der offenen Aufträge an, als Ihre Anfrage eintraf.«

»Danke, dass Sie bereit waren, auf meine Ankunft zu warten.«

»Habe ich doch gern gemacht«, erwiderte Qilori. »Ich weiß inzwischen, dass Reisen mit Ihnen nie langweilig werden. Außerdem …« Er hob die Tasse.

»Der Tee?«

»Ja. Nur die wenigsten unserer Auftraggeber merken sich die Vorlieben ihrer Navigatoren. Die meisten merken sich ja nicht mal unsere Namen.«

»Es schien mir angemessen«, erklärte Thrawn. »Dies wird nämlich höchstwahrscheinlich unsere letzte gemeinsame Reise werden.«

»Wirklich?«, fragte Qilori, während er über dem Rand seiner Tasse die Stirn runzelte. »Wieso?«

»Ich fliege nach Primea, um meine zwei Geiseln von General Yiv freizukaufen«, informierte ihn Thrawn. »Und ich bezweifle, dass der Austausch reibungslos ablaufen wird.«

»Oh«, machte Qilori. Er versuchte, die richtige Mischung aus Überraschung und Sorge zum Ausdruck zu bringen. »Rechnen Sie etwa mit einem Hinterhalt? Yiv der Wohlwollende hat immer einen aufrichtigen und ehrenhaften Eindruck auf mich gemacht. Zumindest wenn seine Geschäftspartner ebenfalls ehrenhaft waren. Sie planen doch nicht selbst eine List, oder?«

»Er wollte, dass ich allein in einem unbewaffneten Transporter komme.« Thrawn breitete die Arme aus. »Ich bin allein. Und ich bin unbewaffnet.«

»Na ja, so sieht es jedenfalls aus«, sagte Qilori mit einem Schulterzucken. Tatsächlich war er aber ziemlich sicher, dass Thrawn die Wahrheit sagte; er hatte die Außenhülle des Frachters genau in Augenschein genommen, bevor er an Bord gekommen war, außerdem hatte er seine Pausen damit verbracht, sich unauffällig im Cockpit umzusehen.

Trotzdem kam ihm die Form des Frachters irgendwie seltsam vor. Es gab keine großen Unterschiede zum normalen Baumuster dieser Schiffsklasse, und wenn er ehrlich sein sollte, konnte er nicht mal genau benennen, was ihm so seltsam erschien – aber er wurde das Gefühl einfach nicht los. Selbst jetzt, Stunden später, nagte es noch an ihm.

»Wie Sie also bezeugen können, habe ich mich genau an seine Instruktionen gehalten«, erklärte Thrawn.

»In dem Fall haben Sie bestimmt nichts zu befürchten«, erwiderte Qilori.

»Hoffen wir es.« Thrawn hob den Kopf. »Sind Sie bereit für die letzte Etappe?«

»Sicher.« Qilori trank den letzten Schluck Tee und stellte die Tasse beiseite. Der Chiss hatte recht: Dies würde ihre letzte gemeinsame Reise sein. Qilori nahm sich vor, dem Wohlwollenden später dafür zu danken, dass er dabei sein durfte, wenn dieser arrogante blauhäutige Pfadfinder-Mörder seinen letzten Atemzug tat. »Noch eine halbe Stunde, und wir sind da.«

»Gut.« Thrawn setzte sich in den Sessel neben ihm. »Bringen wir die Sache zu Ende, Qilori von Uandualon. Wie immer dieses Ende auch aussehen mag.«