Aber bevor Sie aus diesem Leben scheiden , hatte Yiv in einem Tonfall gesagt, der Che’ri eine Gänsehaut bescherte, werde ich Ihnen noch zeigen, welches Schicksal Ihre gesamte Spezies erwartet .
Sie wusste, dass er über sie und Thalias sprach. Thrawn hatte versprochen, dass ihnen nichts passieren würde, und Che’ri hatte sich während der letzten Stunden an dieses Versprechen geklammert.
Doch jetzt begann ihre Hoffnung zu zerbröckeln. Thrawn klang noch immer selbstsicher … aber er war da draußen, ganz allein, und Che’ri und Thalias waren hier, umgeben von Nikardun.
Und doch – irgendwie – hatte sie das Gefühl, dass Thrawn noch immer die Situation kontrollierte. Admiral Ar’alani war mit einer Flotte von Kriegsschiffen bei dem Planeten, und was immer sie taten, es machte Yiv so wütend oder nervös, dass er seine drei anderen Kreuzer losgeschickt hatte, um sie aufzuhalten. Das musste doch Teil des Plans sein, oder?
Sie blickte verstohlen zu Yiv hoch und schluckte hart. Nein, er war nicht nervös, ganz und gar nicht. Aber er war wütend. Wütend und voller Hass und siegessicher.
Die anderen Nikardun auf der Brücke unterhielten sich in einer Sprache, die Che’ri nicht verstehen konnte. Sie beugte sich ein kleines Stück zu Thalias hinüber, ganz vorsichtig und langsam, um nicht Yivs Aufmerksamkeit zu erregen. »Kannst du verstehen, was sie sagen?«, wisperte sie.
Thalias schüttelte den Kopf. »Es ist ihre Muttersprache«, flüsterte sie zurück. »Nur wenn sie mit uns oder Thrawn reden, wechseln sie zu Minnisiat …«
In diesem Moment stieß jemand einen wortlosen Schrei aus.
Che’ri zuckte zusammen, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals hoch. Der Schrei war hinter ihr erklungen, und er stammte aus der Kehle von Yiv selbst. Er hatte gehört, dass sie mit Thalias gesprochen hatte, und jetzt würde er sie bestrafen! Ein weiterer, wortloser Schrei, dann tauchte seine Hand in ihrem Blickfeld auf. Doch anstatt sie zu schlagen, deutete Yiv über ihren Kopf hinweg auf einen der anderen Nikardun. Der Offizier gab eine nervös klingende Antwort und berührte seine Kontrollen …
»Nikardunischer Kreuzer, hier ist das Kriegsschiff Springhawk von der Vorgelagerten Verteidigungsflotte der Chiss.« Die Stimme, die aus dem Lautsprecher drang, sprach Minnisiat, und Che’ri erkannte sie sofort.
Das war Mid-Captain Samakro. Sie runzelte die Stirn. Aber warum sprach er mit einem der nikardunischen Schiffe?
»Dies ist Senior-Captain Thrawns persönliches Schiff«, fuhr Samakro fort. »Darum hielt ich es für angebracht, dass wir Ihnen eine Chance geben, sich zu ergeben, bevor wir Sie vernichten.«
Ein weiterer Schrei drang aus Yivs Brust, und er gestikulierte erneut mit der Hand. Der Offizier an den Kommkontrollen unterbrach daraufhin hastig die Verbindung.
Hatte er etwa Angst?
Vorsichtig linste sie zu Thalias hinüber. Ihre Hüterin kniete vollkommen reglos, aber ihre Mundwinkel waren zu einem schmalen Lächeln verzerrt. Che’ri zog die Brauen zusammen.
Dann begriff sie. Die Nikardun auf der Brücke der Deathless hatten wirklich Angst – aber nicht vor Thrawn, sondern vor ihrem eigenen Anführer. Was immer Samakro mit seiner Nachricht hatte bewirken wollen, er hatte Yiv noch wütender gemacht, als der Wohlwollende es ohnehin schon gewesen war.
Doch das war nicht zwangsläufig etwas Gutes, wie sie mit einem erneuten Schauder erkannte. In den Geschichten über Thrawn, die Thalias ihr zu lesen gegeben hatte, hatte er seine Gegner immer wieder zur Weißglut getrieben, damit sie nicht mehr logisch denken konnten. Das Problem war nur, dass sie und Thalias Yivs Geiseln waren und dass der Nikardun bereits damit gedroht hatte, ihnen wehzutun. Wenn er vor Wut außer sich geriet, würde er vielleicht früher damit anfangen.
»Das war ein guter Rat, General«, erklang nun wieder Thrawns Stimme aus dem Lautsprecher. »Sie sollten kapitulieren. Falls Sie so weitermachen wie bisher, werde ich nämlich nicht zögern, Sie zu zerstören.«
»Ihr Frachter gegen meinen Schlachtkreuzer?«, zischte Yiv verächtlich. »Ihre Dummheit wird nur durch Ihre Arroganz übertroffen, und beides wird den Weg zu Ihrem Untergang pflastern. Sie werden sterben, egal, was Sie tun. Sie – und all die Chiss.«
»Dann lassen Sie es uns zu Ende bringen«, erwiderte Thrawn. »Kommen Sie und holen Sie mich.«
Che’ris Atem verwandelte sich in ein schnelles, flaches Japsen, aber sie hatte noch immer das Gefühl, dass dies zu Thrawns Plan gehörte – wie immer er aussehen mochte.
Und Thalias neben ihr lächelte.
Qilori hatte keine Ahnung, was Thrawn vorhatte. Aber das Schmunzeln auf den Lippen des Chiss verwandelte sein Blut in Eiswasser.
Irgendwas führte er im Schilde. Wie seelenruhig er dasaß und nicht mal versuchte anzugreifen oder zu fliehen, sondern einfach nur darauf wartete, dass Yiv ihn holen kam … Doch welche List könnte ihn jetzt noch vor der sicheren Auslöschung retten?
Und dann, schlagartig, begriff Qilori.
Yiv war voll und ganz auf Thrawn konzentriert. Nichts anderes interessierte ihn.
Was die Deathless zu einem leichten Opfer für einen Angriff von hinten machte.
Qiloris Wangenlappen kräuselten sich. Er hatte nicht erwartet, dass er auf dieser Reise insgeheim mit dem Wohlwollenden kommunizieren müsste, darum hatte er sich auch nicht ins Kommsystem des Frachters eingeklinkt. Wie also könnte er Yiv warnen, dass Thrawn ihn nur provozieren wollte, während die eigentliche Gefahr von ganz anderer Seite drohte?
»Pfadfinder Qilori?«
Er schreckte hoch. »Ja?«
»Sie wirken beunruhigt«, sagte Thrawn. »Glauben Sie womöglich, dass ich eine weitere Streitkraft hier im System habe, die nur auf den richtigen Moment wartet, um einen Angriff zu starten?«
Er legte die Wangenlappen an. Wie bei den Sonnen hatte er das gewusst? »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, log er.
»Aber Sie wissen, dass es möglich wäre, nicht wahr?«, beharrte Thrawn. »Selbst hier, bei diesen neuen Koordinaten, mit denen Sie die aus Yivs ursprünglicher Nachricht überschrieben haben.«
»Ich habe nie …« Er verschluckte sich, als Thrawn ihn mit seinen rot glühenden Augen aufspießte. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Seien Sie nicht so bescheiden«, sagte Thrawn. »Sie und ich, wir wissen beide, dass Yiv die Pfadfinder benutzt, um seine Opfer im Chaos aufzuspüren und seine Angriffe zu koordinieren.«
»Nein!«, protestierte Qilori instinktiv. »Mit einer militärischen Macht zusammenzuarbeiten wäre ein direkter Verstoß gegen die Regeln der Navigatorengilde.«
»Und so etwas würde zu einer Ausschließung der Pfadfinder aus der Organisation führen, nicht wahr?«
Qilori schluckte hart. »Vielleicht«, gestand er.
»Nein, ganz sicher«, entgegnete Thrawn. »Und folglich wäre es Ihnen sicher lieber, ich behielte dieses Wissen für mich.«
Qilori starrte den Chiss an. »Natürlich«, presste er hervor. »Was wollen Sie?«
Thrawn wandte sich wieder dem Cockpitfenster zu. »Was ich will«, erklärte er leise, »ist, dass Sie alles vergessen, was ab jetzt geschieht.«
»In Ordnung«, sagte Qilori ohne Zögern.
Er hatte kein Problem damit, ein solches Versprechen abzugeben. Yiv würde sicher auch wollen, dass er Stillschweigen über die Ereignisse dieses Tages wahrte.
»Und was Ihre Vermutung von eben angeht«, fuhr der Chiss fort. »Ich muss keinen Überraschungsangriff auf General Yiv starten. Die eigentliche Schlacht – die Schlacht um das Vak-Kombinat – wird über Primea geschlagen. Yiv hat nur zwei Optionen: Entweder er bleibt hier und versucht mich zu zerstören, aber dann sieht es für alle anderen so aus, als würde er sich vor der Schlacht drücken. Oder er unterstützt seine Truppen, und alle glauben, dass er vor mir davongerannt ist.« Er deutete auf die Deathless . »Sicher überlegt er gerade, welches dieser Szenarios seinem Ruf weniger Schaden zufügt.«
»Ich bin gespannt, wofür er sich entscheidet«, murmelte Qilori.
Aber er hatte einen ganz konkreten Verdacht. Seine Sorge, dass Thrawn der Galaxis die Wahrheit über die Pfadfinder verraten könnte, rückte in den Hintergrund. Schließlich konnte niemand Geheimnisse verraten, wenn er tot war …
Die nächste Spektrallaser-Salve klatschte gegen die Hülle der Springhawk . Sie überlud drei weitere Sektionen der elektrostatischen Barriere und brannte tiefe Krater in das Metall. Zumindest konnte Ar’alani ihm nicht vorwerfen, dass er nicht genug Einsatz zeigte, überlegte Samakro, während er seinen Offizieren Befehle zurief.
Sie hielten den Nikardun-Kreuzer definitiv beschäftigt.
»Achtung, Springhawk , zwei Kanonenboote nähern sich von unten«, hörte er die abgehackte Warnung von einem der anderen Chiss-Schiffe.
»Ich kümmere mich drum«, sagte Kharill, und einen Moment später lief eine doppelte Vibration durch das Deck, als sie den Angreifern zwei Plasmasphären entgegenschickten.
»Wir müssen in Bewegung bleiben«, erklärte Samakro mit einem Blick auf das taktische Display. Die beiden Kanonenboote versuchten, den Plasmasphären auszuweichen, aber es war zu spät.
Beide Schiffe flackerten, als sie getroffen wurden und ionisiertes Gas ihre Sensoren und externen Kontrollen lahmlegte. Elektrische Entladungen durchzuckten die Systeme unter der Hülle, und einen Moment später trieben die beiden Nikardun leblos über das Schlachtfeld, vorübergehend ihrer Triebwerke und Energie beraubt.
»Azmordi, wenden«, befahl Kharill dem Steuermann. »Bringen Sie uns hinter diese Schiffe, damit wir sie als Schild benutzen können.«
»Viel Zeit werden wir dadurch nicht gewinnen«, warnte Kharill leise.
Samakro verzog das Gesicht. Nein, viel Zeit würde ihnen dieses Manöver in der Tat nicht bringen. Er hatte es bereits mit Ausweichmanövern, Finten und einem offenen Schlagabtausch versucht, und auch wenn sie die Verteidigungssysteme des Schlachtkreuzers langsam dezimierten, steckte die Springhawk mindestens ebenso viel ein, wie sie austeilte. Ein paar andere Chiss-Schiffe gaben hin und wieder ein paar Schüsse auf den Kreuzer ab, um ihn abzulenken, aber der nikardunische Captain ließ nie länger als ein paar Augenblicke von der Springhawk ab.
Offenbar wollte Yiv nicht nur Thrawn tot sehen, sondern auch alle, die an seiner Seite kämpften.
Zwei weitere Salven trafen ihre Hülle, ehe Azmordi sie in den Schatten der beiden antriebslosen Kanonenboote manövriert hatte. »In Ordnung, hier können wir kurz durchatmen«, rief Kharill. »Wie sollen wir unsere Verschnaufpause nutzen?«
Samakro überlegte. Sie waren noch immer ein gutes Stück von dem Schlachtkreuzer entfernt – das war auch der Grund, warum der Feind sie noch nicht in tausend Teile zersprengt hatte –, aber ihr gegenwärtiger Vektor würde sie näher an die Nikardun heranführen.
Im Moment war das vielleicht noch kein Problem, doch es würde ganz schnell eines werden, wenn die Kanonenboote ihre Triebwerke wieder hochfahren konnten.
Samakro blickte erneut zum Taktikdisplay, und nachdem er die Entfernung im Kopf abgeschätzt hatte, entschied er, dass sein Plan funktionieren könnte. Er wandte sich wieder dem Schlachtkreuzer zu, der bedrohlich jenseits der beiden Kanonenboote aufragte. »Wie viele Säureraketen haben wir noch?«
»Drei«, antwortete Kharill.
»Abschussbereit machen. Wir warten noch ein paar Sekunden, gehen so nahe ran, wie wir es wagen können, und feuern dann alle drei auf die Brückenfenster des Kreuzers ab.«
»Verstanden«, bestätigte Kharill ein wenig zögerlich. »Sie wissen , dass wir das bereits versucht haben, richtig?«
»Aber aus viel größerer Entfernung«, entgegnete Samakro. »Falls wir nahe genug herankommen, können die Nikardun ihr gesamtes Arsenal auf die Raketen abschießen, und die Säure wird die Aussichtsfenster trotzdem treffen, bevor die Wolke zu weit auseinandertreibt.«
»Einen Versuch ist es wert«, stimmte Kharill ihm zu. »Raketen bereit. Wir warten auf Ihr Kommando.«
Samakro zählte im Stillen die Sekunden, während er versuchte, den richtigen Moment abzuschätzen. Zu früh, und sie hätten ihre letzten Raketen für ein sinnloses Manöver vergeudet; zu spät, und die beiden Kanonenboote würden wieder zum Leben erwachen und die Springhawk aus nächster Nähe mit ihren Kanonen beharken. »Bereithalten. Drei, zwei, eins .«
Mit einem leichten dreifachen Ruckeln surrten die Raketen aus den Abschussrohren, vorbei an den Kanonenbooten und dann weiter auf den Schlachtkreuzer zu.
Einen Augenblick später – und früher, als Samakro gehofft hatte – spie das nikardunische Großkampfschiff sechs Laserstrahlen aus. Die Raketen explodierten zu winzigen Splittern.
Doch die Zerstörung der Raketen war nicht das Ende. Die freigesetzten Säureblasen waren noch immer in Bewegung, angetrieben von ihrem ursprünglichen Trägheitsmoment, und sie näherten sich wirbelnd und drehend dem Schlachtschiff. Die Nikardun hatten keine Zeit auszuweichen, die Frage war nur, würden die Blasen die Brückenfenster treffen. Samakro hielt den Atem an.
Doch dann, praktisch im letzten Moment, raste von der Seite ein weiteres Kanonenboot heran, um direkt im Pfad der heranwogenden Säurewolken abzubremsen.
»Das Schiff ist nicht groß genug«, murmelte Kharill hoffnungsvoll. »Es kann nicht alle drei Ladungen abfangen.« Die Worte hatten kaum seine Lippen verlassen, als der Schlachtkreuzer erneut das Feuer eröffnete.
Nur schoss er diesmal auf das nikardunische Kanonenboot direkt vor seinem Bug. Während Samakro noch fassungslos den Mund aufriss, explodierte das kleine Schiff, und die Bruchstücke trudelten in alle Richtungen davon.
Dieses Trümmerfeld war leider groß genug, um alle drei Säurewolken abzufangen.
»Verflucht«, presste Kharill hervor. »Diese Kerle sind verrückt.«
»Springhawk , Statusbericht«, meldete sich Ar’alanis Stimme aus den Lautsprechern.
»Wir kämpfen noch, Admiral«, meldete Samakro. »Aber falls Sie uns ein wenig Unterstützung schicken können, werden wir uns nicht beschweren.«
»Ich hatte gehofft, dass es nicht so weit kommen würde, aber wir haben wohl keine Wahl«, sagte Ar’alani grimmig. »Erinnern Sie sich noch an das Manöver, das Thrawn gegen die Paataatu angewandt hat, als er das erste Mal das Kommando über die Springhawk übernahm?«
Samakro blickte zu Kharill hinüber und entdeckte einen säuerlichen Ausdruck auf dem Gesicht des Offiziers. »Ja, Admiral«, antwortete er. »Und wann?«
»Bleiben Sie noch ein paar Sekunden hinter diesen Kanonenbooten und steuern Sie dann einen niedrigen Orbit an. Ich gebe Ihnen Bescheid, wann Sie die Systeme abschalten sollen.«
»Verstanden«, erwiderte Samakro, obwohl er nicht wirklich wusste, was dieses Manöver bewirken sollte. Die Nikardun hatten bereits bewiesen, dass sie keine Opfer scheuen würden – nicht mal ihre eigenen Leute –, um den Druck auf die Springhawk zu erhöhen. »Azmordi, bereit machen … jetzt.« Mit einem abrupten Ruck neigte sich die Springhawk von dem Schlachtkreuzer fort. Vor den Aussichtsfenstern tauchte der Planet auf. »Systemabschaltung vorbereiten.« Er zählte leise bis drei …
»Los«, befahl Ar’alani.
»Los!«, wiederholte Samakro. Überall auf der Brücke deaktivierten die Offiziere ihre Systeme. Konsolen wurden dunkel, das Summen der Triebwerke verstummte, alles versank im dumpfen Schein der Notfallbeleuchtung …
Und schon war die Springhawk so hilflos, wie ein Schlachtschiff es nur sein konnte.
Zumindest fürs Erste war ihre drohende Zerstörung aber abgewandt, denn das Schussfeld des Schlachtkreuzers wurde durch den Schlagabtausch zwischen mehreren Chiss-Raketenbooten und einem nikardunischen Kreuzer versperrt. Leider würde ihr Flugvektor die Springhawk in ein paar Sekunden wieder hinter diesen Schiffen hervortragen.
»Captain?«, fragte Kharill.
»Ich weiß«, antwortete Samakro. »Mal sehen, was der Admiral vorhat.«
Sie mussten nicht lange warten. »Primea-Zentralkommando, auf einem unserer Schiffe gab es einen kritischen Ausfall der Lebenserhaltungssysteme«, rief Ar’alani. »Kein anderes Schiff der Aszendenz ist nahe genug, um ihnen zu helfen. Können Sie vielleicht eines Ihrer Patrouillenschiffe schicken?«
»Chiss-Kreuzer, wir können uns nicht in Ihren Krieg einmischen«, erwiderte eine Vak-Stimme. »Wir müssen unsere Neutralität wahren.«
Samakros Oberlippe zuckte. Ihr Krieg? Die Chiss waren hier, um die Heimatwelt der Vak zu verteidigen, verflucht noch mal! Und jetzt war es plötzlich ihr Krieg ?
»Das wissen und akzeptieren wir«, sagte Ar’alani, die sich offensichtlich nicht in eine politische Debatte verwickeln lassen wollte. »Aber unter den Umständen können Sie doch sicher humanitäre Hilfe leisten.«
»Ja, das können wir«, erwiderte der Vak nach einer langen Pause. Anschließend verkündete er auf einer offenen Frequenz: »Nikardunische Schlachtkreuzer, wir entsenden zwei unserer Patrouillenschiffe zu einem Rettungseinsatz. Nehmen Sie diese Schiffe nicht unter Beschuss. Ich wiederhole: Nehmen Sie diese Schiffe nicht unter Beschuss.«
»Ich bestätige das, Nikardun-Kommandanten«, fügte Ar’alani an. »Die Vak-Schiffe sind nicht auf einer Kampfmission, sie wollen lediglich humanitäre Hilfe leisten. Eröffnen Sie unter keinen Umständen das Feuer auf diese Schiffe.«
Sekunden später wurden die beiden Patrouillenschiffe auch schon vor dem Bug der Springhawk sichtbar; sie kamen direkt auf das vermeintlich angeschlagene Schiff zu. »Dann stellen wir uns also weiterhin tot?«, fragte Kharill. »Ich bezweifle nämlich, dass die Nikardun einfach von uns ablassen und höflich warten, während wir eine Verschnaufpause einlegen.«
»Ich glaube, genau darauf spekuliert Ar’alani …«
Einen Wimpernschlag später gleiste es im All, und eines der Vak-Schiffe barst in einem Hagel nikardunischen Laserfeuers auseinander. »Nikardun!«, schnappte Ar’alani. »Nicht angreifen! Nicht angreifen!«
Den Atem hätte sie sich ebenso gut sparen können. Der Schlachtkreuzer gab eine weitere Salve ab, und das andere Patrouillenschiff explodierte. »Nikardun, das waren keine feindlichen Kämpfer!«
»Bis jetzt vielleicht nicht«, murmelte Kharill mit einem seltsamen Ton in der Stimme. »Aber das dürfte sich gleich ändern.«
Er hatte recht. Samakro zog die Brauen zusammen und beobachtete, wie all die Vak-Patrouillenschiffe, die sich bislang von der Kampfzone ferngehalten hatten, aus dem Orbit ins All rasten. In Dreier- und Vierergruppen stürzten sie sich auf den Schlachtkreuzer, und ihre Raketen und Laser bohrten sich durch die elektrostatische Barriere tief in seine gepanzerte Hülle.
»Und die Moral von der Geschichte«, murmelte Kharill. »Konzentrier dich nie so sehr auf einen Feind, dass du dir einen weiteren schaffst. Können wir die Systeme jetzt wieder hochfahren?«
»Noch nicht«, sagte Samakro. »Ar’alani hat durchgegeben, dass wir schwer angeschlagen sind. Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn wir jetzt weiterkämpfen, als wäre nichts gewesen.«
»Ja, die Vaks würden vermutlich nicht allzu verständnisvoll reagieren, wenn sie merken, dass man sie manipuliert hat.« Kharill zog die Brauen hoch. »Was dann?«
»Wir warten«, erklärte Samakro. »Wir versuchen, keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken … und genießen das Feuerwerk.«
»Was hat er vor?« Yiv beugte sich nach vorn und schlug Thalias mit der offenen Hand auf den Hinterkopf. »Was hat er vor?«
»Ich weiß es nicht«, ächzte sie.
»Er bringt Chiss-Kriegsschiffe her, um mich anzugreifen«, knurrte Yiv, als hätte sie nichts gesagt. »Dann bringt er die Vaks dazu, sich gegen mich zu wenden. Aber was ist sein Endziel? Was hat er vor?«
Erneut beugte er sich vor, und diesmal packte er ihr Haar und drehte grob ihren Kopf herum, bis sie ihm in die Augen sehen musste. »Was ist sein Plan ?«
»Ich …« Sie brach ab, als er ihr mit der anderen Hand eine Ohrfeige verpasste. Der Schlag ließ eine Woge aus Schmerz und Schwindel durch ihren Schädel rasen.
»Das ist nicht nötig, General«, erklang Thrawns ruhige Stimme aus dem Brückenlautsprecher. »Mein Plan war, Sie in die Ecke zu drängen. Und genau da sind Sie jetzt.«
»Ich kann Sie auslöschen, wann immer ich will«, tobte Yiv.
»Aber erst müssen Sie in Feuerreichweite kommen«, konterte Thrawn. »Ein Schritt, vor dem Sie bislang zurückzuschrecken scheinen.«
»Sie wollen gleich sterben? Fein.« Yiv drehte den Kopf. »Steuermann, beschleunigen.«
»Ich dachte, Sie wollten mich an Bord der Deathless bringen, um meinem Tod persönlich beizuwohnen.«
»Und gerade wollten Sie , dass ich Sie abschieße«, sagte Yiv. »Entscheiden Sie sich.«
»Ich bezweifle, dass es einen Unterschied macht«, erwiderte Thrawn. »Es ist bereits zu spät. Sie sind schon zu lange hier. Die Vaks müssen inzwischen glauben, dass Sie Angst haben, selbst an der Schlacht teilzunehmen. Und falls Sie doch noch nach Primea fliegen, wird man annehmen, dass Sie vor mir davongerannt wären. So oder so, Ihr Ruf hat unwiederbringlich Schaden genommen.«
Yivs Augen blitzten. »Es sei denn, ich fliege mit Ihnen nach Primea«, knurrte er.
»Ich verstehe. Ja, das könnte Ihre einzige Option sein, Ihren Namen und Ihre Position zumindest teilweise zu rehabilitieren. Wie wäre es damit: Sie ziehen mein Schiff mit Ihrem Traktorstrahl heran, ich komme freiwillig an Bord, und Sie lassen meine Begleiter gehen?«
Yiv schnaubte verächtlich. »Nach allem, was geschehen ist, sind wir jetzt wieder da, wo wir angefangen haben? Oh, ich werde es genießen, Sie sterben zu sehen.«
»Und meine Begleiterinnen?«
»Ich sagte doch, ich werde an ihnen demonstrieren, was ich mit dem Rest der Chiss vorhabe«, zischte Yiv. »Und Sie dürfen mit ansehen, wie ich sie in Stücke schneide.«
Che’ri wimmerte leise. Alles ist gut , dachte Thalias in der Hoffnung, dass das Mädchen es irgendwie spüren konnte. Alles ist gut. Du musst nur noch ein klein wenig länger durchhalten.
»Sie wollen also eine persönliche Konfrontation. Wie Sie wünschen, General«, sagte Thrawn ruhig. »Ziehen Sie mich mit Ihrem Traktorstrahl rein.«
Einen Moment lang schwieg der General. Zweifelsohne suchte er in Thrawns Worten nach einer Falle.
Doch Thrawn hatte Yivs Zorn und Frustration in solchem Maße geschürt, dass seine Rache ihm wichtiger war als alles andere. Die Chance, den verhassten Chiss lebend an Bord zu nehmen und ihn dann persönlich zu ermorden, wog schwerer als all seine Bedenken.
Yiv blaffte einen Befehl, woraufhin auf dem Hauptschirm eine dunstige blaue Linie erschien, die die Signatur der Deathless mit Thrawns Frachter verband. Mehrere Zahlen über den beiden Schiffen veränderten sich, und dann begann der Frachter, auf den mächtigen Kreuzer zuzugleiten.
Es war Zeit.
Thalias drehte leicht den Kopf, um Che’ris Blick auf sich zu lenken. »Keine Geisel mehr«, flüsterte sie, bevor sie sich wieder nach vorne wandte. Kurz beobachtete sie noch die Bewegung des Frachters auf dem Schirm, anschließend hob sie die Hände und grub ihre Finger unter die Ränder ihrer verhärteten Geiselschminke.
Kurz spürte sie Widerstand, aber Thalias versuchte es weiter und benutzte ihre Fingernägel wie Klauen. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Che’ri neben ihr das Gleiche tat. Dann gab die harte Kruste abrupt nach und zerbröckelte, sodass kleine Klümpchen auf den Boden vor ihr herabrieselten und pochende gerötete Stellen auf ihrer Haut zurückblieben.
Im selben Moment spürte Thalias einen kühlen, feuchten Hauch; der verdichtete Tava-Dunst, der in winzigen Hohlräumen in der dicken Schminkemaske verborgen gewesen war, entwich in die Luft.
Ihr erster Impuls war es, den Atem anzuhalten, aber das half nicht wirklich, und der Dunst drang trotzdem in ihre Nase. Anfangs roch er nach Honig, dann wie verbrannter Zucker, als die Droge begann, mit ihren Sinnen zu spielen, und schließlich veränderte sich das Aroma ein weiteres Mal, diesmal zu dem Geruch frischen Leders. Gleichzeitig schienen die fremdartigen Unterhaltungen ringsum lauter und tiefer zu werden. Die Brücke selbst versank in Schatten, obwohl die Positionsleuchten und die Sterne vor dem Aussichtsfenster paradoxerweise an Strahlkraft zunahmen.
Thalias spürte, wie ihr das Bewusstsein entglitt.
Es war nicht dasselbe Gefühl, das sie beim Einschlafen hatte, wenn willkürliche Gedanken und Erinnerungen um sie herumtanzten und sie langsam in die Schwärze eintauchte. Nein, hier stumpften ihre Sinne, ihre Gedanken und ihre Wahrnehmung viel schneller ab. Dennoch schaffte sie es, die Augen offen zu halten und zu beobachten, wie Thrawns Plan Wirklichkeit wurde.
Die Brücke war groß, und die Techniker hatten nur eine kleine Menge der Schlafdroge in die Lufttaschen unter der dicken Schminkekruste pumpen können. Doch selbst kleine Mengen Tava reichten, um Verwirrung und Desorientierung auszulösen, und mehr wollten sie gar nicht. Während sich das Gas auf der Brücke verteilte, sah Thalias – sowohl auf dem Schirm als auch durch das Aussichtsfenster –, dass Thrawns Frachter sich von einer Seite auf die andere warf. Sekunden später hatte er sich von dem Traktorstrahl losgerissen und raste mit voller Beschleunigung auf die Brücke der Deathless zu.
Die Nikardun waren natürlich alles andere als schutzlos. Yiv gab einen lallenden Befehl, und die Spektrallaser des Schlachtkreuzers entfesselten eine Kanonade greller Lichtblitze auf die herannahende Bedrohung. Die Waffenoffiziere konnten nicht mehr richtig zielen, und viele der Schüsse zuckten harmlos an dem Frachter vorbei, aber Yiv hatte genug Offiziere und genug Nahverteidigungskanonen, dass einige Laserstrahlen trotzdem ihr Ziel fanden.
Eine elektrostatische Barriere wäre von diesen Treffern in Sekundenschnelle überladen worden, doch von dem Energieschild der Republik, den Thrawn und Che’ri von Mokivj mitgebracht hatten, prallten die Schüsse wirkungslos ab. Der Frachter kam näher … näher … Das Feuer der Nahverteidigungslaser intensivierte sich …
Und dann, gefühlt in letzter Sekunde, bremste Thrawns Schiff ab. Nichtsdestotrotz war der Aufprall heftig genug, dass der gesamte Kreuzer erbebte und das übergroße Brückenfenster zerbarst. Der Bug des Frachters pflügte durch Konsolen und Offiziere, die sich nicht rechtzeitig in Deckung geworfen hatten. Thalias fühlte sich noch immer wie in einem Traum, aber selbst sie spürte, wie die Luft durch das zerschmetterte Fenster ins All zu entweichen begann. Doch nur kurz, dann brach der Sog ab. Thrawn hatte das Energiefeld um den modifizierten Frachter aktiviert und das Loch in der Brücke so mit einer luftdichten Blase versiegelt.
Che’ri sagte etwas, das seltsam drängend klang. Thalias blickte benommen hinüber und stellte fest, dass das Mädchen aufgesprungen war und sich an Yivs Arm festklammerte, um die Waffe nach unten zu drücken, die der Wohlwollende in der Hand hielt. Yiv schlug seinerseits nach dem Kopf des Mädchens, um es abzuschütteln. Thalias brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass das nicht richtig war. Also packte sie den Arm, der das Mädchen schlug, und versuchte, ihn nach hinten zu drehen. Die ganze Zeit über hatte sie das dumpfe Gefühl, dass es noch etwas gab, was sie tun sollte, aber sie konnte sich einfach nicht daran erinnern, was.
Und dann war plötzlich Thrawn bei ihr. Er riss Yiv die Pistole aus der Hand und stülpte Thalias eine Atemmaske über das Gesicht. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er, die Worte durch seine eigene Maske verzerrt.
»M-hm«, machte Thalias, als Yiv halbherzig nach vorne sprang. Thrawn wich dem Angriff mühelos aus, sodass der Nikardun auf allen vieren auf dem Deck landete. Anschließend nahm Thrawn einen Tava-Kanister von seinem Gürtel und sprühte Yiv den Inhalt ins Gesicht. Die Tentakelsymbionten des Wohlwollenden zuckten kurz wie wild, dann erschlafften sie. Nun wandte Thrawn sich Che’ri zu, um ihr ebenfalls eine Maske überzustülpen. Als er fertig war, fühlte sich Thalias’ Kopf sich schon viel klarer an. »Die Datenbibliothek?«, fragte Thrawn, während er Yivs Arme hinter seinen Rücken drehte und ihn an den Handgelenken fesselte.
»Ich glaube, es ist die Konsole da drüben«, sagte Thalias. Sie konnte noch immer kaum glauben, wie schnell sie sich von der Wirkung des Gases erholte. »Er hat außerdem eine Art Questis, den er in einem Fach in der linken Armlehne seines Sessels aufbewahrt.«
»Ausgezeichnet«, sagte Thrawn. »Sie holen den Questis. Ich bringe Yiv an Bord des Frachters, dann kopieren wir möglichst viele Daten aus den Speicherbänken, bevor der Rest der Mannschaft durch die Brückentür bricht.«
»Wollen Sie sein Schiff nicht zerstören?«
»Es war nie meine Absicht, irgendein Schiff zu zerstören«, stellte Thrawn klar. Er zog Yiv an den Armen vom Boden hoch und warf ihn sich über die Schulter. »Nur seinen Ruf.«
»Und was ist mit denen?«, beharrte Thalias, wobei sie auf die Brückenmannschaft deutete, die zuckend und brabbelnd auf dem Deck lag. »Wenn wir mit dem Frachter zurücksetzen, werden sie doch trotzdem alle sterben.«
Thrawns Miene wurde hart. »Yiv wollte keine Zeugen«, sagte er leise. »Und wir wollen auch keine.«