36.

Nägeli bereitet, zurück in ihrer Villa, die beiden Schweizer 16-Millimeter-Bolex-Filmkameras vor sowie den Bell & Howell-Apparat, den er sich extra von der UFA per Flugzeug nach Tokio hat schicken lassen. Der Verschluß der Gehäuse klemmt etwas, aber nach einigem Drücken sind die Kameras mit ihren Filmkartuschen beladen. Er säubert die Kameras mit einem Staubtuch und plaudert erst davon, wie umgänglich und hochintelligent doch dieser Japaner sei, auch sein Deutsch sei ganz ausgezeichnet, und dann erzählt er, daß er, nach dem Tod seines Vaters, endlich frei sei, daß sein Geist und sein Schaffen jetzt durch nichts mehr belegt sein würden. Dieser unerträgliche Zustand der Apathie sei überwunden, Ida könne sich nicht vorstellen, welche Last von ihm abgefallen sei, wahrscheinlich, lügt er, habe er sich auch deshalb optisch so verjüngt.

Ida gähnt wie eine Löwin, klagt über Migräne und verzieht sich über eine Stunde lang ins Badezimmer. Als sie die Abendtoilette beendet hat, liegt Nägeli in Strumpfhaltern und schnarchend in Rückenlage auf dem Bett, wie ein träges, blondes Reptil. Die Perücke liegt neben ihm auf dem mit Schminke leicht befleckten Kissen. Sie hebt das haarige Ding hoch und läßt es durch die Finger gleiten, schüttelt sich unmerklich und legt es wieder hin, schleicht durchs Schlafzimmer die Treppe hinab in den Salon, raucht dort unten auf dem Sofa einige Zigaretten, trinkt ein abgestandenes Glas Champagner aus, zieht die Knie an die Brust und sehnt sich nach Amakasus geschickten, sanften Händen. Wenn es nicht so traurig wäre mit Emil, denkt sie, dann müßte man sich eigentlich permanent darüber amüsieren.

Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer stößt sie versehentlich mit dem Fuß an den auf Knöchelhöhe aus der Wand ragenden Saugrüsselkopf und aktiviert so das zentrale Staubsaugsystem des Hauses, dessen enervierendes, aus den Untiefen des Hauses emporquellendes mechanisches Rauschen, kombiniert mit Nägelis flatternden Schnarchgeräuschen, sie, es ist kaum auszuhalten, zwei volle weitere Stunden um den Schlaf betrügt.

Endlich frühmorgens eingenickt, betritt sie, nachdem sie eine lange blumenumrankte Straße hinabgewandert ist, an deren abruptem Ende sie unter einigen Mühen eine schwere, zisilierte Holztür aufgezogen hat, für ganz kurze Zeit etwas ängstlich das Totenreich, jene Zwischenwelt, in der Traum, Film und Erinnerung sich gegenseitig heimsuchen, und sie hört dort ein wesenloses Hauchen, es klingt wie ein langgezogenes hah.