Kapitel 13

E s war noch früh genug, dass sich die Nacht- und die Tagschicht gerade noch die Hände gereicht hatten, aber spät genug, dass die täglichen Aufgaben verteilt und die Streifen unterwegs waren.

Nach mehrmaligem Klingeln wurde Agonys Anruf entgegengenommen.

»Fünftes Revier.« Die knappe Begrüßung irritierte sie. Kein ›Wie kann ich Ihren Anruf weiterleiten?‹. Kein ›Wenn es sich um einen Notfall handelt, legen Sie bitte auf und rufen Sie neun-eins-eins an‹. Die Stimme der Frau klang so früh am Tag genauso klar wie acht Stunden später, wenn ihre Schicht zu Ende war, was bedeutete, dass sie sich bereits zu Tode langweilte.

»Ich möchte mit der Arrestabteilung sprechen, bitte.« Sie versuchte, bestimmt, aber sanft zu klingen: »Ich versuche, Sergeant Jeffries zu erreichen.«

»Privat oder geschäftlich?«

»Geschäftlich.«

»Name?«

»Herman Melville.« Pain warf ihr einen seltsamen Blick zu, der sich auch in der Stimme am anderen Ende des Telefons widerzuspiegeln schien.

»Komisch«, antwortete die Frau, »Sie klingen so gar nicht wie ein Herman.«

»Ich rufe für Herman Melville an«, erklärte sie mit der übertriebenen Geduld einer von ihrem Chef gestressten Sekretärin. »Er ist derjenige, der mit Sergeant Ishmael Jeffries sprechen muss.«

»Geschäftlich oder privat?« Es schien, als hätte die Verwirrung über den Namen die Frau aus der Fassung gebracht und sie musste ein paar Takte zurückspulen.

»Geschäftlich«, wiederholte Agony und unterdrückte einen Seufzer.

»Ich leite Sie jetzt weiter.«

»Arrestabteilung.« Ein Mann antwortete nach mehrmaligem Klingeln.

»Ich rufe für Jeffries an«, sagte sie zügig. »Ist der Sergeant da?«

»Wer soll ich sagen, möchte ihn sprechen?«

»Kapitän Ahab.«

»Hey, Sergeant!«, rief der Mann. »Ich habe einen deiner Schwachmaten auf Leitung zwei.«

Die Leitung wurde still, als Agony in die Warteschleife gelegt wurde.

»Nenn mich Ishmael«, übernahm eine erfahrene Stimme zügig. »Spreche ich mit Moby oder einem der Elritzen?«

»Eine Elritze.« Sie freute sich, die Stimme ihres alten Sergeants wieder zu hören. »Im Moment bin ich definitiv eine Elritze.«

Nach einer kurzen Pause antwortete der Detective: »Neun minus eins.«

Sie legte auf und erklärte Pain kurz, dass zwar jeder Anruf auf dem Revier in der Telefonanlage aufgezeichnet wurde, dass aber ein Detective, der sich mit Telefonleitungen auskannte, vor Jahren eine unbenutzte Ersatzleitung in einem Telefonschrank gefunden hatte. Er hatte diese Nummer direkt an ein altes Telefon mit nur einer Leitung angeschlossen, das in der Büronische Nummer Neun stand.

»Büronische Neun«, beendete sie, während sie eine Minute herunterzählte, »ist niemandem zugewiesen. Hier wird der nervige Papierkram erledigt. Das Telefon dort wird nur benutzt, wenn ein Polizist einen Informanten anruft. Kein Anruf in Büronische Neun kann aufgezeichnet oder zurückverfolgt werden. Dieses Telefon ist das Heiligste, was du auf dem ganzen Revier finden kannst.«

Als eine Minute vergangen war, wählte sie schnell die Durchwahl.

»Man kann Agony aus der Truppe nehmen.« Ihr alter Vorgesetzter antwortete gleich beim ersten Klingeln. »Aber man kann die Gewalt nicht aus Agony nehmen. Trödel nicht.«

Trödeln war das Letzte, was sie sich leisten konnte. Sie und der Sarge konnten ein anderes Mal plaudern. Mit einem Blick auf Pain gab sie ihren Bericht in der von Jeffries bevorzugten Kurzform ab.

»Die Stadtverwaltung arbeitet an einem Deal mit einer kleinen Terrorzelle, um einen Gefangenen freizubekommen. Der einzige Name, den ich kenne, ist Budria. Ich kann nicht bestätigen, ob das der Name des Gefangenen ist oder nicht, aber die Stadt kann sich nicht darauf einlassen. Es könnte etwas Schlimmes passieren, wenn sie den Deal nicht machen, aber es wird auch etwas viel Fürchterliches geschehen, wenn sie diesen Handel abschließen.«

»Und woher weißt du das?«

»Es spielt keine Rolle, Sarge. Wichtig ist nur, dass ich es weiß.«

Sie wusste, dass Jeffries den Wahrheitsgehalt ihres Berichts nicht anzweifeln würde, aber er würde seinen Ruf und seinen Arsch ernsthaft aufs Spiel setzen, wenn er versuchte, die Nachricht in der Nahrungskette nach oben weiterzugeben.

»Eine terroristische Zelle und Budria? Das ist alles, was du mir als Anhaltspunkt geben kannst?«

Pain war pantomimisch dabei ein Glas Wasser in ihrem Blickfeld zu trinken.

»Und eine Drohung gegen die Wasserversorgung der Stadt. Wenn das nicht genug Informationen sind, um die Aufmerksamkeit von jemandem zu erregen, beweist das, dass sie nicht wollen, dass die Sache an die Öffentlichkeit kommt. Viele Leben sind in Gefahr.«

»Wie viele Leben?« Er musste wissen, wie stark er drücken musste. »Dutzende?«

»Mehr.«

»Hunderte?«

»Mehr.«

Das war nicht die Antwort, die ein einfacher Sergeant in der Polizeitruppe als seine Verantwortung haben wollte.

Er nahm sich einen Moment Zeit, um die Zahl auf eins zu reduzieren.

»Weißt du, meine Kleine, du bist eine Person von Interesse, die in den letzten Tagen eine Menge Scheiße gebaut hat. Es wäre vielleicht klug, wenn du dich stellst, damit wir das alles aufklären können.«

»Ich wünschte, ich könnte, aber ich habe im Moment ein kleines Vertrauensproblem mit allen. Außerdem muss ich erst noch etwas erledigen.«

»Du kannst nicht jedes Kätzchen retten, junge Dame.« Sogar Pain konnte den Hauch von Traurigkeit in seiner rauen Stimme hören. »Aber das konnte ich dir in der Ausbildung schon nicht klarmachen, also bezweifle ich, dass du jetzt auf mich hörst.«

»Weißt du noch, was ich als Neuling gesagt habe?« Agony lächelte bei der Erinnerung an ihr jüngeres Ich und den wettergegerbten Veteranen.

»Ja.« Jeffries lachte. »Ich erinnere mich an ein großes, dünnes, weißes Mädchen, das nur aus Knien und Ellbogen zu bestehen schien. Das mir direkt in die Augen sah und sagte: ›Ich kann es versuchen, Sarge. Ich kann es versuchen‹.«

»Meine Einstellung hat sich seither nicht geändert, Sarge. Ich hoffe, deine auch nicht. Ich habe schon oft gesehen, wie du mit deinem harten Kopf bürokratische Mauern durchbrochen hast. Darum hoffe ich, dass er in deinem Alter nicht weich geworden ist, denn diese Mauern müssen definitiv eingerissen werden.«

»Ich werde sehen, was ich tun kann, aber du solltest dich mit Thomapyrin eindecken. Ich vermute, du wirst sie mir am Ende durch einen Strohhalm einflößen müssen, um die Kopfschmerzen zu lindern, mit denen ich hier rauskomme.«

»Ich sorge für einen Tropf, wenn du dich für mich einsetzt.«

Es gab eine Pause, bevor er seine letzte Frage stellte.

»Mehr als Hunderte, sagtest du?«

»Viele mehr.«

»Scheiße!«

Die Leitung war mit einem Klicken tot.

»Also …« Pain schätzte ein, wie der Anruf gelaufen war. »Du hast mindestens eine unverbrannte Brücke in deinem Kielwasser hinterlassen. Ich bin beeindruckt.«

»Manche Brücken sind aus härterem Material als andere.« Sie schlängelte sich weiter durch die Straßen zur Fabrik. »Der Sergeant hat einen Freifahrschein, zynisch zu sein. Nach Jahrzehnten bei der Polizei hat er schon alles gesehen. Wenn ich so darüber nachdenke, ist er der Einzige, den ich je getroffen habe, der eine Beförderung abgelehnt hat.«

»Das macht ihn in der Tat zu einer seltsamen Spezies.« Sein Respekt für den Mann stieg um einige Stufen.

»Er hat mir einmal gesagt, er wisse nicht, ob sein Vorname ein Segen oder ein Fluch sei.« Pain hörte zu, während sie fuhr. Er konnte sehen, wie sie versuchte, sich an etwas zu erinnern.

»Es war in einem ruhigen Moment, als ich an seinem Schreibtisch vorbeikam, um ihm eine Frage zu einem Auftrag zu stellen, den ich bekommen hatte. Er hörte sich mein Anliegen an und erzählte mir dann, dass Ismael der Name des erstgeborenen Sohnes des Patriarchen Abraham ist, dessen Geburtsrecht ihm unter zweifelhaften Umständen entzogen wurde. Es war auch der Name des Erzählers im Roman Moby Dick . Er sagte, dass er sich lieber auf den Roman als auf die Bibel konzentrierte, um uns auf das vorzubereiten, womit wir es jeden Tag zu tun hatten.«

Verdammt , dachte Pain. Mit diesem Kerl würde ich gerne eine Nacht vor einem warmen Feuer verbringen.

»›Es gibt keinen großen, weißen Wal!‹ Mit diesen Worten begrüßte er uns, bevor er unsere täglichen Aufgaben verteilte. ›Diese Stadt ist nichts weiter als ein kleiner Teich, in dem die großen Fische versuchen, die kleinen Fische zu fressen. Lasst die großen Fische nicht gewinnen, ihr kleinen Elritzen. Ihr seid in der Unterzahl, also so lange ihr alle zusammenhaltet, kann der Gerechtigkeit Genüge getan werden. Jetzt geht und knabbert weiter‹.«

»Mmh«, sagte er schließlich, nachdem er ihre Worte verinnerlicht hatte. »Es sollte eine Gruppe namens Anonyme Knabberer geben. Ich würde bei jedem Treffen die Hand heben und sagen: ›Hallo, ich bin M. und ich bin ein Knabberer‹.«

Agony war froh, dass sie in diesem Moment keinen Schluck Kaffee getrunken hatte, denn sie hätte ihn durch die Nase rausgeprustet. Sie nahm eine Hand vom Lenkrad und hob sie, als sie dem imaginären Treffen gestand: »Hi. Ich bin A. und ich bin ein Knabberer.«

»Ich bin«, fuhr er als Teilnehmer des imaginären Treffens fort, »paranoid, gewaltbereit und für den Umgang mit zivilisierten Menschen nahezu ungeeignet.«

Sie blieb still, während er weiter erzählte.

»Aber ich habe meinem Land gedient und geknabbert. Einige Knabberer waren erfolgreicher als andere, aber eine große Anzahl böser Menschen ist jetzt nicht mehr unter den Lebenden und eine größere Menge unschuldiger Menschen lebt noch, um ihre Enkelkinder aufwachsen zu sehen. Ich bin ein Knabberer und stolz darauf.«

Agony machte da weiter, wo er aufgehört hatte.

»Ich war Teil der Truppe in Blau. Ich habe mein Bestes gegeben. Obwohl die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin und geschworen habe, sie zu schützen und ihr zu dienen, sich vielleicht nie an meinen Namen erinnern wird, werden die Unschuldigen, denen ich geholfen habe, lange genug leben, um ihre Enkelkinder küssen zu können.« Sie lächelte ihn entschuldigend an, weil sie diesen Satz gestohlen hatte.

»Es gibt wohl doch keine Ehre unter Dieben«, antwortete er lachend.

»Und«, fuhr sie fort, »auch wenn ich nicht mehr das Blau oder das Abzeichen trage, schwöre ich, weiterhin ein Knabberer zu sein.«

»Wie die Zeit wieder rennt!« Er brachte die Versammlung zu Ende. »Es ist Zeit für das Gelöbnis. Ich bin ein Knabberer.«

»Ich bin ein Knabberer«, wiederholte sie.

»Ich werde so gut es geht anonym bleiben.« Er hatte sich diesen Zusatz spontan ausgedacht.

Sie wiederholte die zweite Zeile des Versprechens, bevor sie ihm half, die dritte Zeile hinzuzufügen. »Und ich schwöre, dass ich nie aufhören werde zu knabbern. Scheiß auf die großen Fische!«

»Scheiß auf die großen Fische!«, wiederholte er, bevor er hinzufügte: »Und möge Gott auf die Knabberer lächeln.«

»Da ist es.« Ihre Aussage bestätigte, dass ihr Treffen der Anonymen Knabberer offiziell zu Ende war. Sie hatte den Cadillac vor einer riesigen Anlage geparkt, von der er nur annehmen konnte, dass es sich um die ehemalige Fabrik der Flipples-Frühstücksflocken handelte.

»Können wir einmal den Block umkreisen?«, fragte er.

»Ein Block ist quadratisch.« Nun, sie konnte genauso wie er die Klugscheißerin spielen. »Wie kann man ein Quadrat einkreisen?«

»Fahr bis zum Ende der Straße«, antwortete er ruhig, bewunderte aber ihren Scharfsinn. »Biege links ab, dann wieder links und noch mal links, damit wir am Ende dort sind, wo wir angefangen haben.«

»Na, verdammt, warum hast du das nicht gleich gesagt?«

Agony fuhr den Caddie langsam wie eine Immobilieninvestorin, die die verlassene Fabrik, die den ganzen Block einnahm, begutachtete und sie beide studierten das Grundstück schweigend.

»Außer an der Südostecke sind keine Fahrzeuge zu sehen«, stellte er fest, als sie zu ihrer ursprünglichen Startposition zurückkehrten.

»Das ist mir auch aufgefallen.«

Sie wollten gerade darüber diskutieren, wie sie Doro am besten retten könnten, als es irgendwo in einer ihrer Manteltaschen klingelte. Sie kramte ihr Mobiltelefon heraus und als sie sah, dass der Anruf von Büronische Neun kam, stellte sie es auf Lautsprecher und vertraute darauf, dass Pain sein Schweigen beibehalten würde.

»Wenn du mich liebst«, begann sie, »leg bitte jetzt auf. Wenn du mich hasst, bleib bitte dran. Sobald ich mit meiner aktuellen Runde, den Hintern versohlt zu bekommen, fertig bin, bist du der Nächste in der Reihe. Dieser Anruf wird nicht aufgezeichnet, sondern auf Lautsprecher gestellt. Es gibt hier einen Mister, der dafür lebt, zu hören, wie ich gedemütigt werde.«

»Hat dieser Mister einen Namen?«, fragte Sergeant Jeffries misstrauisch.

»Der Name ist Pain«, gab Agonys Partner als Antwort zurück. »Manifest Pain.«

»Du Wichser«, schrie der Mann so laut er konnte, während er in Büronische Neun war. »Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst …«

»Er ist ein guter Kerl, Sarge.« Agony unterbrach die Vorstellungsrunde und runzelte die Stirn über den Psycho, der jetzt nicht mehr Macarena, sondern Manifest als Vornamen benutzt. Wie lange wird es dauern, bis er Margarita rausholt?

»Er ist auch eine große Nervensäge.« Sie beeilte sich, das Gespräch fortzusetzen. »Aber wir sitzen im selben Boot.«

»Das bestätigt mich in meiner Überzeugung, dass es einen Gott gibt und dass er einen verdammt guten Sinn für Humor hat«, bemerkte der Sergeant.

»Hey, Sergeant.« Pain dachte, es sei ein guter Zeitpunkt, um sich in das Gespräch einzuschalten. »Wenn du sie anpisst, pisst du mich an.«

»Dann erspart mir das einen Haufen Ärger«, erwiderte Jeffries, »denn ich bin gerade von ganz oben angepisst worden, weil ich eine terroristische Bedrohung, die Wasserversorgung und eine Gefangenenfreilassung im selben Satz erwähnt habe. Ich musste meinen Dickschädel durch mehr als eine Handvoll bürokratischer Mauern schlagen, um überhaupt an einen Ort zu gelangen, an dem mir die zweifelhafte Ehre dieses Gesprächs zuteilwurde.«

»Tut mir leid, Sarge«, warf Agony ein. »Ich hätte dich da nicht mit reinziehen sollen.«

»Zu spät.« Er wischte ihre Entschuldigung beiseite. »Ich musste auch einem Haufen Scheiße ausweichen, der von der gleichen Höhe den Berg hinunterrollte, weil ich vorgeschlagen hatte, wie sie die Situation handhaben sollten. Es hat mir nicht geholfen, als sie behaupteten, dass nirgendwo jemand namens Budria, Buddha oder gar Bootylicious als Gefangener bekannt war.«

»Ist schon gut, Sarge.« Sie versuchte, seinen Wutanfall zu unterbrechen, bevor er seine Stimme laut genug erhob, um die Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf Büronische Neun zu lenken.

»Nichts davon ist in Ordnung«, beharrte er und machte ein zischendes Geräusch, um das zu bekräftigen. Sie hatte ihn noch nie zischen hören. »Irgendjemand tut etwas, von dem er nicht will, dass die Presse davon erfährt – oder irgendjemand anderes, was das betrifft. In dem Wasser, in dem du gerade badest, gibt es eine große Anzahl von Haien.«

»Aber wir Elritzen sind den Haien zahlenmäßig überlegen.« Sie versuchte, zuversichtlich zu klingen.

»Die Mathematik mag auf der Seite der Elritzen sein«, antwortete ihr ehemaliger Ausbilder, »aber da draußen ist ein Moby und ich habe keine Kapitän Ahabs mehr. Die Harpunen werden bald auf mich gerichtet sein, wenn sie sich fragen, woher ich weiß, was ich glaube zu wissen und von wem ich es gehört habe.«

»Dann sag dem Harpunen haltenden Beamten für Innere Angelegenheiten nichts als die Wahrheit.« Es war das erste Mal, dass sie ihm einen Ratschlag gab. Sie hatte nicht erwartet, dass er darüber lachen würde, aber er lachte.

»Ja, ich spiele nett mit der Rattenbande. Träum weiter. Ich kann mich um meinen Arsch kümmern, wenn sie hier drin sind. Pass auf dich auf und versuch, lange genug zu überleben, um mich zu informieren, bevor ich alles hinschmeiße und mich Merk und seinem Freund in Belize anschließe.«

»Wird gemacht, Sarge«, fügte sie hinzu, bevor die Leitung unterbrochen wurde.

»Kein Budria?« Agony wandte sich an Pain, als sie die riesige verlassene Fabrik betrachteten. »Könnte das bedeuten, dass die Pläne der Terroristen vielleicht schon vereitelt worden sind?«

»Das bezweifle ich.« Er schüttelte den Kopf. »Der Name hat sich für mich nie richtig angehört. Er klang eher wie ein Codename und er kam mir auch bekannt vor, aber ich kann mich ums Verrecken nicht erinnern, warum.«

»In Ordnung.« Sie versuchte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre aktuelle Situation zu lenken: Sie saßen vor einem riesigen Komplex, in den sie einen Weg finden mussten, um einzudringen. »Scheiß auf Budria.« Nach kurzem Überlegen traf sie ihre Entscheidung. »Die Stadt wird sich entweder auf einen Deal einlassen oder nicht. Irgendwo da drin gibt es einen unschuldigen Priester und ich werde ihn da rausholen.«

»Roll leise vorwärts.« Er nickte nach vorne zur Windschutzscheibe und konzentrierte sich auf das, was zu tun war. »Und versuch, einen unverfänglichen Parkplatz zu finden. Wir sind dabei, rechtschaffen zu bleiben.«

Sie sah ihn einen langen Moment lang ernst an. »Das ist das dritte Mal, dass ich höre, dass du den Ausdruck ›bleib rechtschaffen‹ benutzt. Es war ein Spruch von Chaz, nicht wahr?«

»Ja.« Er lächelte sie traurig an. »Genau wie ›Iss niemals den gelben Schnee‹, aber wenigstens hatte er den Anstand, zuzugeben, dass er es von Zappa geklaut hatte. Ich habe nie erfahren, von wem er sich ›bleib rechtschaffen‹ geborgt hat, aber er hat es jeden Tag gelebt und das ist alles, was man von einem Sterblichen verlangen kann.«

Agony näherte sich der südöstlichen Ecke, wo eine Handvoll Fahrzeuge geparkt waren. Sie wählte einen Parkplatz, der von der Fabrik nicht direkt einsehbar war und sie stiegen aus. Sie sahen nicht den Wal von Kapitän Ahab oder Jona oder gar den von Pinocchio, aber das Gebäude war ein Ungetüm und sie waren dabei, in seinen Bauch einzudringen und zu versuchen, ihm einen schweren Fall von Verdauungsstörungen zu bereiten.