N achdem sie die ersten drei, die die Treppe hinaufgeschickt worden waren, in kürzester Zeit ausgeschaltet hatten, fanden Pain und Agony ihr Gleichgewicht auf dem kippenden Boot wieder. Sie schafften es, gemeinsam zurückzukrabbeln, mehr auf Händen und Knien als mit festem Schritt.
Sie trafen sich in einem Trümmerhaufen und hielten ihn zwischen sich und der Treppe, die unter Deck führte, wo sie die nächste Widerstandslinie erwarteten.
»Sshhh«, flüsterte Pain und legte einen Finger an seine Lippen.
»Als wenn du mir sagen dürftest, ob ich sshhhe oder nicht«, schnauzte sie.
Er machte sich nicht die Mühe, ihr zu antworten, sondern ließ sie stehen und rutschte über das nasse und schiefe Deck, bis er über der Tür hing, die unter Deck führte.
Mit einem Finger in einem Ohr neigte er den Kopf, sodass sein anderes Ohr auf die Gespräche gerichtet war, die dort stattfanden. Sie wusste nicht, was er hörte und er selbst konnte nur einen Teil davon verstehen, aber er nahm genug wahr, um sie anzusehen und seine freie Hand viermal mit gespreizten Fingern in die Luft zu strecken.
Mindestens zwanzig sind noch da unten. Agony nickte, als sie die Information verstanden hatte.
Scheiße , dachte Pain, als er einen weiteren Teil des Gesprächs mitbekam. Es gibt eine hintere Fluchtluke? Alles andere wird nur eine Ablenkung sein.
Er rutschte über das stark kippende Deck zu ihr und fing sich im Krebsgang ab.
»Der Mann in Schwarz«, teilte er ihr mir, »soll durch eine Luke hinten am Schiff aussteigen …« Mehr konnte er nicht sagen, als der Kommandoturm beschloss, sich dem Unvermeidlichen zu beugen. Er stürzte ab und riss den Lexus mit sich. Leider nicht in Richtung Wasser.
Sie klammerten sich an jeden festen Gegenstand, den sie finden konnten und krabbelten rückwärts, als der Turm und der Lexus zwischen ihnen und der Treppe landeten. Das Deck der Budria nahm alles gelassen hin und setzte seinen gezeitenabhängigen Kurs fort, bis es mit dem Rand der Landzunge kollidierte.
Der erste der Terroristen erreichte das obere Ende der Treppe und Nathaniel Carrington Worthington III. rief ihm aufmunternde Worte zu, als er hinter ihm herlief, endlich bereit, seinen Wert zu beweisen. Vorsichtig trat der Mann an der Spitze heraus, bereit, auf jeden zu schießen, der sich ihnen entgegenstellte.
Feuer regnen zu lassen war eine Sache. Eineinhalb Tonnen Auto regnen zu lassen, ließ sie denken, dass sie ein wenig unterlegen sein könnten.
»Wenigstens war es kein Hummer!«, rief jemand. »Die haben einen Scheißdreck!«
»Die haben nicht so eine scheißgeile Ausrüstung wie wir«, rief eine andere Stimme und die fast zwei Dutzend Gläubigen – und Nathaniel Carrington Worthington III – kletterten die Leiter hinauf auf das Deck und stolperten und rutschten dabei aus.
»Man muss ihren Kampfgeist bewundern«, kommentierte Pain von der anderen Seite des zerstörten Turms und des armen, unschuldigen Lexus, der ihnen so gut gedient hatte.
»Ihren Geist, ja.« Agony versuchte immer noch, einen festen Stand zu finden. »Ihre Absichten, nein. Du hast mir zwanzig Leute signalisiert?«
»Es war eine grobe Schätzung«, räumte er ein. »Aber das ist nur ein Ablenkungsmanöver. Unser Ziel wird versuchen, hintenraus zu schlüpfen und ans Ufer zu schwimmen.«
»Na dann …« Sie überprüfte die Pistolen, die sie noch in ihrem Mantel hatte, ohne zu wissen, wie viele Patronen noch in den Magazinen waren. »Wir sollten versuchen, ihn dort zu begrüßen.«
»Ich zähle immer noch zwanzig gegen zwei«, bemerkte er ruhig.
»Wette nie gegen den Außenseiter.« Sie lehnte sich hinter ihrer Deckung hervor, eröffnete das Feuer und er trat in Aktion.
Auch die Terroristen erwiderten ihrerseits das Feuer. Das Problem war, dass sie ihre Schießübungen bisher nur auf Schießständen gemacht hatten, wo sie immer festen Boden unter ihren Füßen hatten und die Ziele nichts weiter als Silhouetten waren, die sich an einer Leine oder an einem schussfesten Hintergrund befanden. Außerdem hatten sie nie auf bewegliche Ziele geschossen oder welche, die zurückgeschossen, daher war jetzt von ihrer Ausbildung nichts mehr relevant. Der Stand der Schützen war alles andere als solide, ihre Ziele schienen keine Lust zu haben, auch einmal stehenzubleiben und aus einem unerklärlichen wie unverschämten Grund feuerten sie auch noch gezielt zurück.
Agony war kurz davor, richtig angepisst zu sein. Sie hatte drei Gegner erwischt, aber das Schiff neigte sich jetzt in einem so starken Winkel, dass sie sich mit einer Hand an allem festhalten musste, was sie finden konnte, um nicht ins Wasser zu rutschen, während sie mit der anderen Hand schoss. Wenn die Waffe leer war, musste sie mit der freien Hand in ihren Taschen nach einer anderen Waffe suchen, um auf die Zielpersonen zu schießen, die auf dem schrägen Deck aus- und wegrutschten.
Sie warf einen Blick auf ihren Partner und erinnerte sich an das erste Mal, als er sie verärgert hatte. Jetzt schien er entschlossen, es wieder zu tun.
Kugeln flogen links, rechts und in der Mitte von den auftauchenden Terroristen weg, die blindlings schossen, während sie panisch auf dem Deck nach Deckung suchten. Es herrschte Chaos, aber er schien den Spaß seines Lebens zu haben. Er warf etwas, das wie ein wettergegerbter Bowling-Pin aussah, auf einen der Köpfe der Terroristen, traf diesen direkt und rutschte über das schräge Deck, um seine improvisierte Waffe aufzufangen, als sie der Schwerkraft folgte. Ohne eine Pause zu machen, schlug er damit auf die Kniescheiben von zwei weiteren Bewaffneten ein.
Dann besaß er die Dreistigkeit, Agony auch noch direkt anzustarren und zu rufen: »Worauf warten Sie, Miss Kampfkunst?«
Wäre sie ein Revolverheld aus dem alten Westen gewesen, hätte sie das als Aufforderung verstanden, wie in einem Duell die Waffe endlich zu ziehen, aber eine Scharfschützin war sie nicht. Die Kunstschützin Annie Oakley hatte Dinge mit einer Waffe tun können, die sie selbst nie hinbekommen würde. Aber Frau Oakley war nicht auf diesem kippenden, sinkenden Schiff – sondern sie, trainiert in Mixed Martial Arts, war es.
Alle Schüsse, die auf sie abgefeuert wurden, töteten mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Möwe als sie selbst oder Pain. Ihr Gegenfeuer führte zu ähnlichen Ergebnissen. Es war an der Zeit, auf Tuchfühlung zu gehen, bis die Budria auf Grund lief.
»Ich treffe dich an Land, Käpt’n Blackbeard«, rief sie.
»Ja, mit einer Buddel voll Rum«, antwortete er grinsend, »Königin der Tieflandmeere.«
Er warf einen weiteren seiner Bowlingpins und ein glücklicher Abpraller ließ ihn von einem Kopf zum anderen prallen. Beide Männer fielen auf die Knie, verloren den Halt und die Neigung der Budria ließ sie ins Wasser rutschen.
Wieder zwei weniger , dachte sie. Und dann waren es nur noch zwölf.
Agony fand genug Halt, um sich um die Trümmer des Kommandoturms und des Lexus herum und gegen die Reling auf der hohen Seite des Bootes zu katapultieren. Sie stieß sich von der Reling ab und drehte ihren Körper so, dass sie abrutschen und ihre Füße in die Knie der beiden Terroristen, die ihr am nächsten waren, treiben konnte. Die Gelenke beugten sich auf eine Art und Weise, für die Knie eigentlich nicht gedacht waren.
Sie schrien und klammerten sich an ihre Knie, als sie hilflos das schräge Deck der Budria hinunterrutschten und unter der erbärmlichen Ausrede einer Seitenreling ins Wasser fielen. Die letzten beiden Männer, die das Deck erreichten, sahen sich die Situation an und beschlossen, dass ein Ausstieg durch die hintere Luke vielleicht gar keine so schlechte Idee wäre. Sie stießen ihren unersetzlichen Geldgeber wieder die Treppe hinunter und zogen ihn mit sich, während sie so vorsichtig wie möglich über den Boden eilten, der nun in einem Winkel von knapp über fünfundvierzig Grad geneigt war.
»Aber ich will kämpfend untergehen!«, rief NCW der III.
»Und wir wollen dich am Leben erhalten«, antwortete der Terrorist vorne, der nur Ricky genannt wurde.
Nathaniel Carrington Worthington III. war gerührt von ihrer Besorgnis, bis derjenige hinter ihm, von dem er dachte, dass er entweder Max, Mack oder Matt hieß, hinzufügte: »Wenn wir hier rauskommen, brauchen wir dein Geld, um die Mission fortzusetzen. Wenn wir nicht entkommen und gefangen genommen werden, können wir dich als Geisel nehmen. Auf jeden Fall kommst du mit uns.«
Obwohl diese Ankündigung alle warmen, wohligen Gefühle zerstörte, die er kurzzeitig empfunden hatte, weil er dachte, dass sich jemand um ihn sorgte, konnte er Schüsse und Schreie vom Deck aus hören und beschloss, jede Hilfe ohne Rückfrage in Anspruch zu nehmen, die gerade verfügbar war.
Die Terroristen an Deck feuerten weiter, obwohl die Hälfte von ihnen es blind tat, weil jetzt Rauch aus dem Motor des Lexus aufstieg und ihre Ziele verdeckte. Pain hatte eine Hand auf der Reling, die sich jetzt auf der hohen Seite des Bootes befand und studierte die Szene.
Agony hatte beschlossen, ihre Waffen und den Versuch, aufrecht zu stehen, aufzugeben. Stattdessen bewegte sie sich auf dem schiefen Deck wie eine Akrobatin und hüpfte von einem Terroristen zum anderen.
Kaum sichtbar durch den dichten Rauch, schlug sie mit den Beinen auf diejenigen ein, die noch halb aufrecht standen, um sie auf ihre Höhe zu bringen und setzte dann wütende Kombinationen aus Fäusten, Ellbogen und dem einen oder anderen Kopfstoß ein. Dann nutzte sie die Hebelwirkung ihres zuletzt besiegten Gegners, um sich abzustoßen und ihr nächstes Ziel anzuvisieren.
Pain sah etwas, das er nicht mochte und roch etwas, das er noch weniger mochte. Der Lexus hatte begonnen, langsam in Richtung der Reling zu rutschen, die seine Partnerin gerade benutzte, um ihr nächstes Opfer zu erreichen. Schlimmer noch, er konnte das brennende Gummi im Motor riechen und wusste, dass eine Treibstoffleitung freilag.
Nach einer Pause, in der er sich vergewisserte, welchen Winkel er einnehmen und in welche Richtung er nach seinem Angriff gehen wollte, stürzte er sich mit den Füßen voran auf die Brust der beiden Terroristen, die Seite an Seite hockten. Er spürte das befriedigende Knirschen der Rippen, als beide Füße festen Kontakt hatten und nutzte den Widerstand, um sich in Agonys Richtung zu stürzen.
Wie alle anderen hatte sie jetzt Schwierigkeiten, durch den Rauch etwas zu sehen und wischte sich die Augen, bevor sie versuchte, ihr nächstes Ziel zu lokalisieren. Das Einzige, womit sie nicht gerechnet hatte, war ein Angriff von oben. Das war der einzige Grund, warum er sie überraschen konnte, als er direkt hinter ihr auf dem Deck landete.
Sie drehte sich und stand ihm gegenüber, als er rief: »Dafür wirst du mir später danken.«
Er stützte sich mit den Füßen an einem der Geländerpfosten ab, stellte sich in einem merkwürdigen Winkel hin und packte sie an den Schultern ihres langen Mantels, um sie so hoch und weit wie möglich ins Wasser zu hieven, bevor er ihr hinterher sprang.
Als sie wild paddelnd und Wasser spuckend die Oberfläche durchstieß, schaute das Arschloch direkt vor ihr aus dem Wasser.
»Was zum Teufel sollte das denn?«, konnte sie gerade noch sagen, bevor der Benzintank des Lexus explodierte und er ihren Kopf unter Wasser drückte. Er zerrte sie von der Explosion weg.
Als sie schließlich wieder auftauchten, befand sich das Fahrzeug im Wasser und die Flammen stiegen immer noch empor, während sich ein Gemisch aus Öl und Treibstoff über die ruhige Wasserfläche des Hafens ausbreitete.
»Du hast doch gesagt, dass du schwimmen kannst, oder?«, fragte er, während sie langsam strampelte, um sich über Wasser zu halten.
»Nicht, während ich den Mantel trage, Arschloch.«
»Ich habe dich davor gewarnt, das ganze zusätzliche Gewicht in den Taschen zu tragen.«
»Schöner Zeitpunkt für einen Vortrag, Papa.«
»Dann tu es nicht!« Er lächelte.
»Was soll ich nicht tun?« Sie hasste es, wenn sein Lächeln so selbstgefällig wirkte.
»Versuch nicht zu schwimmen.«
»Du rätst mir echt, zu versinken und mir Kiemen wachsen zu lassen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich rate dir, dich hinzustellen. Der Grund ist anderthalb Meter unter uns und wir können von hier aus ans Ufer klettern.«
Agony stieß gegen seine Brust, die sich so fest anfühlte, als hätte sie gegen einen Berg gedrückt und nutzte den Schwung der Gegenkraft, um sich an den Rand der Böschung zu kämpfen und nach oben zu klettern. Sie stand auf und er schloss sich ihr Sekunden später an, um in Richtung der Budria zu schauen.
Das Wasser stand nun in Flammen und der Lexus sank langsam. Es war offensichtlich, dass das Boot nie wieder in See stechen würde, als die Flammen es zu verschlingen begannen. Sie konnten die Schreie einiger Terroristen hören, die sich noch im Wasser befanden, während eine Handvoll anderer es geschafft hatte, das Ufer der Landzunge zu erreichen und sich nun an der Seite hinaufschleppten.
»Gern geschehen«, sagte er, während sein Blick weiter die Landzunge entlang wanderte.
»Danke«, antwortete sie zähneknirschend und schüttelte das Wasser aus ihrem kurzen Haar.
Pain wich zurück und war sich nicht sicher, ob er lachen oder fragen sollte, was zum Teufel sie da tat.
Sie hüpfte auf einem Fuß auf und ab und legte den Kopf schräg nach rechts, während sie gleichzeitig auf die linke Seite ihres Kopfes schlug.
Einen Moment später wechselte sie die Füße, neigte den Kopf in den entgegengesetzten Winkel und wiederholte den gleichen Vorgang.
»Wenn das eine Art zeremonieller Tanz ist«, wagte er zu bemerken, »dann ist es einer, mit dem ich nicht vertraut bin.«
»Ich habe empfindliche Gehörgänge, okay?«, antwortete Agony, nachdem ihr Tanz beendet war. »Sie mögen kein Wasser.«
»Oh.« Er war ernsthaft in Gefahr, zu lachen. »Wenn du mir das nächste Mal ›Ich kann auch schwimmen, jetzt gib Gas, du Nervbolzen‹ sagst, solltest du vielleicht darauf achten, dass du deine Ohrstöpsel dabei hast.«
»Du kannst dich später über mich lustig machen, soviel du willst, aber wo ist Mister Silbergürtel?«
»Ich glaube, er und sein letzter Verteidiger kommen jetzt aus dem Wasser, etwa hundert Meter weiter unten.«
»Hast du noch mehr Witze auf meine Kosten oder können wir das jetzt beenden?«
»Blöde Sprüche gibt’s später.« Er lächelte. »Ich werde Zeit benötigen, um mir mehr einfallen zu lassen.« Sein Blick wurde ernst. »Lass uns mit diesem Arschloch fertig werden.«
Sie mussten sich durch ein Dutzend Terroristen kämpfen, die es vor ihnen an Land geschafft hatten und nun auf der flachen, gepflasterten Fläche oben auf der Böschung standen. Während die Männer nach ihren wassergetränkten Waffen griffen, machten sich die beiden Partner keine Gedanken darüber, wer auf sie schießen könnte oder nicht. Sie wollten auch niemanden im Hafenbecken zurücklassen, der von hinten auf sie schießen könnte.
Pain wollte den Angriff anführen, da sein Körperanzug Kugeln besser abwehren konnte als Agonys ungeschützter Körper, aber sie entschied sich für den Ansatz ›Ladies first‹. Deshalb folgte er ihr, als sie Handflächenschläge und Hiebe auf Köpfe und harte Oberflächen sowie Faustschläge auf weicheres Gewebe verpasste. Er musste ihre Technik wirklich bewundern.
»Nicht schlecht für ein Mädchen«, rief Pain, als er die Körper, die sie zusammengeschlagen hatte, von der Landzunge wieder ins Wasser warf. Sie nahm sich einen Moment Zeit, um sich zu ihm umzudrehen, um ihn einen doppelten Mittelfingergruß zu zeigen.
Ihre Frechheit rührte zum Teil daher, dass sie einen kleinen, dürren Terroristen erledigt hatte, indem sie ihm einfach tief in die Augen schaute. Der Kerl warf ihr einen zweifelnden Blick zu, dann auf die Schneise der Verwüstung, bevor er freiwillig ins Wasser sprang. Als sie sich umdrehte, stand sie einem Terroristen gegenüber, der größer war als Pain und breit wie eine Schrankwand.
Er hatte ein sehr hässliches Lächeln und einen noch unattraktiveren Blick in den Augen, als er sie zu sich heranwinkte.
»Du hast es diesmal nicht mit einem Amateur zu tun, Schlampe«, knurrte er seine Herausforderung.
»Du auch nicht.«
Agony setzte zu einem Tritt mit dem rechten Fuß gegen seinen Kopf an, dem er mühelos auswich, aber ihr linker Fuß schlug in sein hässliches Lächeln und machte Hackfleisch aus seiner Nase. Sie landete in einem trainierten Sturz flach auf dem Rücken und riss ihm mit einem schwungvollen Tritt gegen die Knöchel die Beine unter dem Körper weg.
Sie sprang auf und wandte sich an ihren Partner. »Ich glaube, ich habe ihn jetzt so weit weichgeklopft, dass du ihm den Rest geben kannst.«
»Ich bin fast beeindruckt«, bemerkte Pain, als er sich zu ihr gesellte und sich über den Mann beugte, der gerade ächzend versuchte aufzustehen. Er packte das Hemd des Riesen am Rücken, um ihn ins Wasser zu schleudern. Das Kleidungsstück gab nach, bevor er dem Körper des Riesen den nötigen Schwung geben konnte und er hatte nur noch eine Handvoll Polyester in der Hand.
»Scheiße!«, murmelte er. »Billige Terroristen und noch billigere Klamotten.«
Er verpasste dem Riesen einen schnellen Tritt ins Gesicht, falls Agony etwas an der Nase übersehen haben sollte und trat dann zum Schwungholen ein wenig zurück, um dem Arschloch einen Stiefel in die Rippen zu rammen und ihn mit der Wucht nicht gerade sanft ins Wasser zu stoßen.
»Nicht schlecht für ein Mädchen, oder?« Sie stellte sich ihm gegenüber.
Pain zuckte mit den Schultern: »Was soll ich sagen? Ich war noch nie gut darin, aufmunternde Worte zu finden.«
Sie drehten sich um, um dem Mann mit dem silbernen Gürtel nachzurennen und standen plötzlich drei Männern gegenüber. Zwei von ihnen hatten einen harten Gesichtsausdruck und der dritte, der viel weicher dreinschaute, wurde von einem der anderen, die hinter ihm standen, mit einem Messer an der Kehle bedroht.
»Sag ihnen deinen Namen«, befahl der Mann mit dem Messer.
»Ich bin … ich bin …«, stotterte der Sanfte.
»Dein Name, reicher Junge. Nur deinen Namen.« Der Messerstecher schien ernsthaft verzweifelt und sauer zu sein.
»Ich bin Nathaniel Covington Worthington der Dritte.« Es kam nur stotternd heraus, wahrscheinlich aus Angst.
»Wir wollen einen sicheren Fluchtweg«, informierte der erste Mann sie, »oder der reiche Junge stirbt.«
»Ich übernehme das.« Pain übernahm die Führung und Agony hielt sich zurück, denn zu diesem Zeitpunkt wusste keiner von ihnen, was Wahrheit und was Fiktion war. Alles, was sie wussten, war, dass sich ihre Beute mit dem silbernen Gürtel auf der anderen Seite der drei befand und dieser zweifellos die Zeit nutzte, um ein Fluchtfahrzeug aufzutreiben.
»Also«, fasste ihr Partner die Situation zusammen, »entweder wir arrangieren einen Ausweg für dich oder du schneidest ihm die Kehle durch?«
»Genau.« Der Mann lächelte und war sich sicher, dass seine Forderungen erfüllt werden würden.
»Aber was ist, wenn es keine Kehle gibt, die du aufschlitzen kannst?«
Er ließ dem Terroristen keine Zeit, über die komische Frage nachzudenken und ein zehnzackiger Stern flog aus seiner Hand und stach dem reichen Jungen in die Kniescheibe. Dieser fiel mit einem Schrei zu Boden.
Der Messerstecher schaute zu seiner Geisel, die sich krümmte und das Knie festhielt und dann zu dem großen Mann, der gerade noch rechtzeitig einen weiteren zehnzackigen Stern in seiner Kehle platzieren konnte.
Mit einem Aufschrei traf der dritte Terrorist eine vernünftige Entscheidung: Er drehte sich um und rannte um sein Leben.
Agony durchsuchte den gefallenen Mann und fand eine Pistole, die sie ins Wasser warf. Er umklammerte immer noch sein Knie, aus dem der Stern herausragte.
»Mein Name ist Nathaniel Covington Worthington der Dritte«, jammerte er.
»Habe ich dich nach deinem Scheißnamen gefragt?« Sie riss den Stern heraus und er kreischte, bevor er fortfuhr. »Nein, aber meine Eltern sind die Worthingtons. Sie werden viel Geld für meine sichere Rückkehr zahlen.«
»Du meinst die Worthingtons? Die Nachfahren der Worthingtons von der Mayflower?«
Er nickte energisch, Hoffnung glomm in seinem Gesicht. »Ja! Diese Worthingtons.«
»Ich habe noch nie von ihnen gehört.« Sie rollte den Körper des nutzlosen Trottels in Richtung Wasser und ließ ihn für sich selbst kämpfen, bevor sie sich umdrehte und sah, wie Pain dem anderen Mann einen Stern aus dem Hals riss. Er wischte ihn an der Kleidung des Terroristen ab und schob ihn in seinen Ärmel.
»Ich glaube, das ist einer von deinen?« Sie reichte ihm den Worthington-Stern.
»Danke«, sagte er, wischte den zweiten Stern ebenfalls ab und schob auch ihn in seinen Ärmel, wo er sich zu den vielen anderen gesellte, die dort verborgen waren. Er nickte die Böschung hinunter.
»Mister Silbergürtel und sein Freund, hundert Meter entfernt und in Bewegung.«
Ohne weitere Terroristen, die sie aufhalten könnten, rannten sie weiter. Wenn ihre Beute es bis zum Parkplatz schaffte, würden er und sein Komplize zweifellos ein Auto finden. Zum Glück war ihr mutmaßliches Ziel noch über dreihundert Meter entfernt und der Mann war pummelig und körperliche Anstrengung nicht gewohnt. Sie holten die beiden nach 250 Metern ein.
Als Sledge die heraneilenden Schritte hörte und es leid war, den pummeligen Mann mitzuschleppen, beschloss er, dass er genug hatte. Er ließ den Ärmel seines Fluchtgefährten los und war nicht überrascht, als der Mann zu Boden fiel und nach Luft rang. Der Terrorist drehte sich um und stellte sich seinen Verfolgern.
»Zwei von euch auf eurer Seite«, sagte er, »und nur« – er sah den Mann an, der nach Luft schnappte und machte ein angewidertes Gesicht – »und nur eineinhalb auf meiner Seite. Aber ihr müsst an mir vorbei, um zu ihm zu gelangen.«
Trotz der vielen Toten, die die Terroristen verursacht hatten und der vielen weiteren, die er und Agony verhindern wollten, nahm sich Pain einen Moment Zeit, seinen Gegner zu begutachten. Sie waren fast gleich groß und weniger als fünf Kilo trennten sie. Die Haltung des Mannes bestätigte, dass er ein Ex-Militär war. Er stellte Augenkontakt her und nickte. Keine Waffen, nur ein Kampf Mann gegen Mann.
»Behalte den anderen im Auge«, sagte er zu Agony. »Er ist unser eigentliches Ziel.«
Sie hatte keine Zeit zu argumentieren, als er und der Mann, der ihm ebenbürtig zu sein schien, sich einander näherten, die Hände an den Seiten erhoben, als wollten sie sagen, dass keiner von ihnen bewaffnet war. Das hieß aber nicht, dass sie nicht ausgerüstet und bereit war, ihre Waffe zu benutzen, wenn ihr Partner zu Boden ging.
Die beiden großen Männer ignorierten alles außer sich selbst und standen beide seitlich, um direkte Schläge zu vermeiden. Sie umkreisten sich im Uhrzeigersinn und sprachen, bevor der Kampf begann, obwohl sie nicht hören konnte, was sie sagten.
»Pain.« Er stellte sich seinem Gegner vor. »Ex-Allesmögliche.«
»Sledge«, antwortete der Mann. »Ex-Marine.«
»Ich glaube, wir sind beide irgendwo falsch abgebogen«, bemerkte er, als sie weiter im Kreis gingen.
»Wenigstens einer von uns«, bestätigte sein Gegner und griff zuerst mit einem linken Fußtritt gegen Pains Rippen an. Dieser hob seinen rechten Arm, anstatt zu versuchen, den Schlag abzublocken und ließ seinen Körperpanzer den Schlag absorbieren, aber die Wucht des Schlags ließ ihn trotzdem nach links taumeln.
Sledge ist ein Linkshänder. Sein Gehirn registrierte den Gedanken, erinnerte ihn aber sofort daran, dass der Mann wahrscheinlich in der Lage war, beidhändig zu agieren, wenn es die Situation erforderte. Er änderte die Richtung des Kreises gegen den Uhrzeigersinn und landete zwei harte linke Hiebe, die das Kinn seines Gegners trafen. Der Mann taumelte einen halben Schritt zurück, aber er fiel nicht einmal annähernd von den Schlägen.
Der Ex-Marine lächelte ihn an. »Ist das alles, was du drauf hast?«
»Deine Eröffnungssalve war auch ein wenig schwach, Bruder.« Pain erwiderte das Lächeln. »Die Kraft eines Kicks kommt aus den Hüften. Du bist ein bisschen aus der Übung, Marine.«
Agony war sowohl fasziniert als auch abgelenkt. Sie hatte eine Pistole aus einer ihrer Manteltaschen gezogen, die einen Schnappverschluss hatte und hoffte, dass die Mechanik ihr den Badeausflug verziehen hatte, damit sie schießen konnte, falls Pains Plan nicht aufging.
Gleichzeitig musste sie den pummeligen Mann im Auge behalten, falls er es schaffte, genug Luft in seine Lungen zu ziehen, um zu fliehen. Er blieb einfach sitzen und vertraute seinem Beschützer. Außerdem , dachte sie ironisch, hast du keine Ahnung, zu welchem Auto du laufen sollst. Derjenige, der dich hierhergebracht hat, ist so schnell wie möglich weggefahren, nachdem er deinen Arsch abgesetzt hatte. Glaube nie, dass die Feds deine Freunde sind.
Nachdem sie beschlossen hatte, dass er in nächster Zeit nirgendwo hingehen würde, richtete Agony ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf, der gerade stattfand. Die beiden ausgebildeten Profis waren jetzt in etwas verwickelt, das man nur als Zwei-Mann-Straßenschlacht bezeichnen konnte.
Enge Ellbogenkontakte, Kopfstöße und Armschläge hielten kurz inne, als jeder von ihnen zurücktrat und sich das Blut aus den Augen wischte. Sie streckten und beugten sich, um zu überprüfen, welche Gelenke noch funktionierten, bevor sie weitermachten. Sledge bewegte seine linke Hand zu seiner rechten Schulter.
Pain bemerkte die Aktion. Bei der letzten Rauferei hatte er den Arm hart weggerissen und hatte zu spüren geglaubt, wie die Schulter aus dem Gelenk sprang. Sofort wich er aus, rollte sich ab und packte die nun nutzlose rechte Hand seines Gegners oberhalb des Handgelenks.
Es gab keinen Grund, daran zu zerren, denn eine Schulter kann nur einmal aus dem Gelenk springen, aber er hielt sie fest und drehte sich, als wäre er ein Olympionike im Hammerwurf.
Sledges Körper, der immer noch an seiner Schulter hing, hatte keine andere Wahl, als dem Drehmoment zu folgen und platschte drei Meter entfernt ins Wasser. Der Wurf hätte zwar keine Medaille für die Weite verdient, aber eine Ehrenurkunde für die Effektivität.
Pain, geprellt und verletzt, nahm sich keine Zeit, seinen Sieg über den Marine zu feiern. Stattdessen eilte er zu ihrer Beute und ignorierte seinen Partner, als er sich über den pummeligen Mann beugte und forderte: »Was weißt du über Treble Hook? Sag es mir oder ich hebe dich hoch, springe mit dir ins Wasser und ertränke dich selbst!«
»Dann werden wir beide sterben«, erwiderte der Bombenbauer. »Ich im Wasser und du im Gefängnis. Wenn wir jetzt beide sterben, wird nur einer von uns mit der Wahrheit über Treble Hook sterben und das wirst nicht du sein.«
»Was zum Teufel ist Treble Hook?«, fragte Agony, die von diesem zufälligen Thema verblüfft war, während die schmutzige Bombe in ihren Gedanken ganz oben stand.
»Ist doch egal«, schnauzte ihr Partner, weigerte sich aber, ihr in die Augen zu sehen. »Das geht dich nichts an.«
Die Sirenen heulten jetzt aus kurzer Entfernung.
»Pain! Pain!« Sie zerrte an ihm und rief: »Sirenen! Wir stehen gerade bei allen auf der Abschussliste. Wir haben die Schlacht gewonnen. Jetzt lass uns lange genug leben, um den Krieg zu gewinnen.«
Er wollte ihre Hand abschütteln und den pummeligen Mann erwürgen, von den unmittelbaren Folgen ganz zu schweigen, aber sie sagte das Zauberwort. »Dies ist nicht der richtige Ort, um deine Quest zu beenden.«
Trotzdem wollte er den übergewichtigen Mann über seine Schulter werfen und die Landzunge hinunterlaufen, vorbei an den Büros der Marina und zu dem Jeep, der immer noch im Eingangsbereich geparkt war. Am liebsten hätte er ihn weiter ausgefragt, aber die starken Hände von Agony hielten ihn zurück.
»Sirenen und wir«, rief sie, »waren noch nie ein Erfolgsrezept.«
Pain stand auf, verpasste dem Bombenbauer einen kräftigen Tritt unter die Gürtelschnalle und eilte seiner Partnerin auf ihrem Weg zum Parkplatz der Marina nach.
Sekunden später, als die Streifenwagen mit ihren lauten Sirenen in den Hafen einbogen, fuhr sie vom Parkplatz und entfernte sich so weit wie möglich vom Tatort, bevor eine Straßensperre errichtet werden konnte.