Kapitel 19

I ch rieche Fisch«, bemerkte Augusto Zaza mit einer rauen Stimme, die kaum über ein Flüstern hinausging. »Ich habe Rigatoni bestellt. Da ist nie Fisch drin. Weiß der Chefkoch das nicht?«

Als er merkte, dass er vom Krankenhausbett aus sprach, ohne vorher den Schwesternrufknopf zu drücken, schaute er in die Ecke seines Zimmers, wo seine beiden Leibwächter Marco und Alphonse aufrecht in ihren Stühlen saßen, völlig reglos und mit geschlossenen Augen. Selbst wenn sein Sehvermögen getrübt war, hatte ihn ein Leben voller Gewalt gelehrt, den Tod zu erkennen und er wusste, dass er keine zwei toten Männer vor sich hatte. Er wusste auch, dass sie nicht beide beschlossen hatten, während des Dienstes ein Nickerchen zu machen.

Der Anführer der Camorra hatte eine angeborene Abneigung gegen Krankenhäuser – eine Eigenschaft, die er mit neunundneunzig Prozent der menschlichen Bevölkerung teilte. Die Krankenschwestern sollten ihm zu Diensten sein und wenn er den Rufknopf drückte und nicht schnell genug eine Antwort bekam, schickte er eine seiner Wachen los, um sie persönlich in sein Zimmer zu begleiten. Das war derzeit nicht möglich, also tastete er verzweifelt nach dem Knopf, aber er war nicht da, wo er sein sollte.

Selbst wenn es so gewesen wäre, hätte es immer noch fünf Minuten gedauert, bis eine Krankenschwester erschienen wäre. Er war es gewohnt, dass jemand innerhalb von Sekunden auftauchte, nachdem er ihn gerufen hatte. Und Ärzte? Pah! Überall hatten ihm die Ärzte, die er kannte, gesagt, dass er schon fünf Jahre früher hätte tot sein sollen. Was zum Teufel wissen die schon? Er schloss die Augen, stützte seinen Kopf auf die Kissen und fragte sich, ob er vielleicht nur träumte. Der beste Weg aus einem Traum herauszukommen, so hatte er längst gelernt, war, sich selbst aus dem Traum herauszuwünschen.

Aber der Sturz aus seinem Bürofenster hatte seinem Körper einiges abverlangt. Allerdings nicht so sehr wie bei dem Jungen, der als Erster auf dem Bürgersteig gelandet war und den Schlag abgefedert hatte, als Augusto auf ihm gelandet war. Er konnte sich nicht erinnern, ob er Blumen für die Beerdigung bestellt hatte oder nicht. Die Schmerzmittel, die ihm über die Infusion verabreicht wurden, hatten sein Gehirn vernebelt – was den Traum erklären könnte, den er gerade durchlebte.

Wenigstens funktionierte der Schmerzmittelknopf, als er ihn drückte. Er versuchte jedoch, ihn nicht zu sehr zu strapazieren. Das war das Einzige, was er sich nicht wegnehmen lassen wollte. Schmerzen in seinem Körper? Nun, das war etwas, von dem er gelernt hatte, sich abzugrenzen. Es war einfach nur Schmerz und konnte und sollte ignoriert werden.

Als er noch viel jünger war, hatte ihm ein Mentor bei ein paar Gläsern Rotwein gesagt: »Augusto, wenn du lange genug lebst, kommst du irgendwann in ein Alter, in dem du jeden Tag aufwachst und ein Körperteil mehr schmerzt als die anderen.«

»Und was soll ich dann tun?«, hatte er gefragt.

»Finde den Teil, der am meisten weh tut und tu dein Bestes, ihn für den Rest des Tages zu ignorieren.« Sein Mentor hatte gelächelt, als wäre es der einfachste Rat, den er je gegeben hatte.

»Aber was ist mit den anderen Körperteilen, die wehtun?«, hatte er gefragt. »Was soll ich mit ihnen machen?«

»Feiere sie«, hatte der Mann geantwortet, nachdem er einen Schluck von dem warmen Rotwein genommen hatte. »Wenn du Schmerzen spürst, weißt du, was dir das sagt?«

»Nein, tue ich nicht.« Augusto erinnerte sich an die Antwort und fragte sich, ob es der Wein oder die Demenz war, die aus dem Mund seines Mentors sprach, obwohl der ältere Mann noch nie Anzeichen von Demenz oder gar Trunkenheit gezeigt hatte.

»Wenn du Schmerzen spürst« – der Mann stellte sein Weinglas ab und sah ihm in die Augen – »dann weißt du, dass du noch lebst. Tote Menschen fühlen keinen Schmerz.«

»Scheiß auf die Schmerzen.« Er griff nach dem Knopf, der zur Infusion führte. »Mit Schmerzen kann ich umgehen, aber friedlicher Schlaf? Den bekomme ich nicht sehr oft. Wer zum Teufel hat Fisch in mein Zimmer gebracht?«

»Das war ich.« Zaza runzelte die Stirn über die unerwartete Stimme. »Allerdings habe ich nicht die Fische mitgebracht, sondern eher ihren Gestank. Ich hoffe, du denkst nicht schlecht von mir, weil ich das getan habe.«

Pain wusste, dass die Stimme des alten Mannes nicht in der Lage war, etwas lauter als ein Flüstern zu rufen.

»Du?«, murmelte der Camorra-Anführer zu dem Dämon, der jetzt über ihm stand. Er war aus der Hölle selbst erschienen und hatte einen Körper nach ihm geworfen, der ihn durch ein Fenster hatte fallen lassen. Der Vorfall hatte dazu geführt, dass er jetzt in einem Krankenhausbett lag und der Gnade inkompetenter Ärzte und sadistischer Krankenschwestern ausgeliefert war.

Zaza machte das Zeichen des Kreuzes und rief: »Geh weg von mir, Satan!«

»Du rufst da gerade den falschen Engel an, Zaza«, antwortete Pain ruhig. »Ich bin der Erzengel Michael. Ich bin derjenige, der Luzifer in den Hintern getreten hat – so hat man mir gesagt.« Er zwinkerte Agony zu, als er sich an die Beschreibung des Predigers Doro über ihn erinnerte.

Sie stand in einer Ecke des Raumes, außer Sichtweite des Patienten und musste sich eine Faust in den Mund stecken, um sich das Lachen zu verkneifen, während sie darauf wartete, dass sie an der Reihe war.

Der alte Mann konnte an dem Teufel vorbei zu den beiden Männern blicken, die regungslos auf ihren Stühlen saßen und das Verständnis begann einzusickern. Aber er war Augusto Zaza und selbst mit einem ramponierten Körper und einem verwirrten Gehirn schaffte er es, seine Ängste herunterzuschlucken und dem Teufel in die Augen zu sehen.

»Wenn du es tun willst«, röchelte er durch einen Mund und eine Kehle, die sich durch die Medikamente immer zu trocken anfühlten, »dann tu es. Ich werde nicht um mein Leben betteln. Männer leben und Männer sterben, aber nur Feiglinge betteln.«

Der Mann, von dem Zaza jetzt wusste, dass er nur ein Mensch und kein Dämon war, lächelte. Es enthielt keine Wärme oder Sympathie und er wusste tief in seinem Inneren, dass der große Mann ihn in einen Feigling verwandeln konnte, der durchaus in der Lage war zu betteln, wenn er es wollte.

»Das stand heute nicht auf meiner Tagesordnung, Zaza«, antwortete sein unwillkommener Besucher. »Aber denk bei deinem nächsten Gespräch bitte daran, dass die Tagesordnung sehr flexibel sein kann. Oh, es scheint, du hast noch einen zweiten Besucher. Ich glaube, du kennst Miss Goni, auch bekannt als das Metzger-Miststück.«

Pain trat in den Hintergrund, aber immer noch in Zazas Sichtlinie, als Agony ins Licht trat.

»Oh, Gus, Gus, Gus.« Ihr Tonfall war ausgesprochen amüsiert »Was ist mit dir passiert? Hat dir nie jemand gesagt, dass man einen Streit mit dem Boden nie gewinnen kann? Egal, wie hoch du bist, wenn du dich auf ihn wirfst, der Boden spürt nichts davon.«

Sie wackelte mit einem seiner Zehen, der am Ende eines Fußgipses frei lag. »War das der Zeh, der am Wackeln Spaß hat?«

Der alte Mann stieß einen kurzen Aufschrei aus, seine Gedanken gar nicht bei den Fußreimen aus seiner frühesten Kindheit.

»Ich denke, vielleicht nicht.« Sie wackelte noch einmal leicht mit ihm und rümpfte dann die Nase. »Das muss der sein, der nach Stinkekäse riecht.«

Zaza hielt mühsam einen weiteren Schrei zurück und biss für einen Moment die Zähne zusammen. »Ich glaube, der Teufel da drüben ist mir lieber als du und dein Sadismus. Es war einer der Jungspunde, nicht ich, der dich als ›Metzger-Miststück‹ bezeichnet hat. Obwohl ich langsam glaube, dass seine Beschreibung zutreffender war als meine eigene Einschätzung von dir.«

»Dann lass uns so tun, als ob.« Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich darauf, nun nicht mehr in Reichweite seiner Zappelzehen. »Lass uns so tun, als ob deine Einschätzung von mir die genauere ist.«

»Das wollte ich mir schon immer mal durch den Kopf gehen lassen.« Er lehnte sich resigniert zurück und starrte an die Decke. »Ich nehme an, du hast die Kontrolle über meinen Schwesternrufknopf und meine Schmerzpumpe?«

Als Antwort hielt sie beide Knöpfe hoch. »Ich bin zu dir gekommen, Gus, um dir in aller Höflichkeit und mit dem größten Respekt mitzuteilen, dass ich in deinem Gebiet herumschnüffeln werde und um dir zu versichern, dass es nichts mit deinen Operationen zu tun hat. Was eigentlich ein kurzes, unkompliziertes Gespräch hätte sein sollen, endete damit, dass ich vor ein Erschießungskommando gestellt wurde. So behandelt man keine Dame.«

»Nein«, stimmte Zaza zu. »Das war sehr unhöflich von mir.«

»Um es vorsichtig auszudrücken.« Sie konnte ihm nicht widersprechen.

Er senkte seinen Blick von der Decke, konzentrierte sich auf sie und entschuldigte sich bei ihr, wie er es in letzter Zeit bei niemandem getan hatte. »Es war eine geschäftliche Entscheidung, aber vielleicht hätte ich diese Gelegenheit ausschlagen sollen. Die Realität ist, Miss Goni, dass, wenn ich die Chance nicht ergriffen hätte, einige andere hinter mir in der Schlange gestanden hätten.«

»Und deshalb bin ich hier, Augusto Zaza.« Sie benutzte seinen vollen Namen, um ihm den Respekt zu erweisen, den er seiner Meinung nach verdiente. »Zwischen der Camorra mit ihren Schlägern und mir wird es wahrscheinlich nie Frieden geben. Es ist schon zu viel Schaden angerichtet worden, als dass sie das auf sich beruhen lassen könnten. Aber ich bin bereit, meinen Frieden mit dir zu machen, eins zu eins, wenn du mir sagen kannst, wer hinter dem Plan steckt, ein Todesurteil gegen mich auszustellen.«

Zaza seufzte. »Wenn ich sage, dass ich es nicht weiß, wackelst du dann mit meinen Zehen herum, bis ich mir einen Namen ausgedacht habe?«

»Wenn ich glaube, dass du mir die Wahrheit sagst, dann nicht. Deine Zehen werden vor mir sicher sein.«

Mit einem Anflug von Zweifel und Angst sah er an ihr vorbei zu dem großen Mann. »Was passiert, wenn ich dich überzeuge, aber ihn nicht?«

Agony sah Pain an, der gerade mit einem Fingernagel zu versuchen schien, etwas von seinen Vorderzähnen zu entfernen und wandte sich wieder dem alten Mann zu. »Wenn du ihn nicht überzeugst, wird er dir wahrscheinlich jeden deiner Zehen abbeißen, was wahrscheinlich unerträgliche Schmerzen verursachen wird.«

»Daran zweifle ich nicht.« Der Anführer der Camorra war nicht mehr in der Lage zu schimpfen. »Aber so sehr ich mir auch Frieden zwischen uns beiden wünschen würde und so sehr ich jeden meiner Zehen mag, weiß ich leider keine Antwort auf deine Frage. Ich habe nur kurz mit ihm gesprochen und auch nur einmal am Telefon, als er mich fragte, ob wir interessiert wären. Sie würden sehr gut zahlen und die Auszahlung würde über einen toten Briefkasten geregelt.«

»Du hast mir gesagt«, erinnerte sie sich, »dass die Person oder die Gruppe, die das Kopfgeld auf mich ausgesetzt hat, von meiner Seite kommt, nicht von deiner. Warum hast du das gedacht?«

»Glaubst du, ich erkenne die Stimme eines Polizisten nicht, wenn ich sie höre?«, erkundigte sich Zaza mit spöttischem Ton. »Außerdem bist du keine Polizistin mehr und damit auch keine Bedrohung mehr für meine Leute. Jeder, der sich für deine früheren Taten rächen wollte, hätte das lieber persönlich getan, als es in der Unterwelt zu verbreiten.«

Agony schaute Pain an, der gehört hatte, was sie gesagt hatte. »Seine Zehen sind vor mir sicher«, war seine kurze Antwort auf ihren Blick.

Sie wandte sich an Zaza und sagte: »La pace.«

Zaza nickte. »La pace.«

»Für jetzt«, fügte sie hinzu. »Das nächste Mal? Keine Garantie.«

»Ich bete dafür, dass wir kein nächstes Mal haben. Kann ich jetzt meine Knöpfe wiederhaben?«

Agony drückte dreimal kurz auf den Schmerzmittelknopf und wartete, bis das Morphium wirkte. Sie glaubte, dass er die Wahrheit gesagt hatte, aber sie wollte sichergehen, dass er so friedlich schlief, wie ein Mann mit so viel Blut an den Händen nur schlafen konnte, bevor sie losfuhren. Er würde in einer Stunde aufwachen und das würde ihnen genug Zeit geben, um etwas Abstand zwischen sie und das Krankenhaus zu bringen, bevor er einen Alarm auslösen konnte.

* * *

Pain schlenderte zu den Leibwächtern von Gus, die immer noch saßen. Er muss etwas gesehen haben, das ihm nicht gefiel, denn er verpasste jedem von ihnen einen Handkantenhieb auf die untere Seite des Halses. Für sie sah das wie das Karate-Äquivalent zum vulkanischen Nervenkniff aus und sie beobachtete, wie jeder Körper in seinem Stuhl noch ein wenig tiefer sank.

»Bringst du mir das auch mal bei?«, fragte sie, als sie zur Tür gingen.

»Darf ich fragen, warum?«

»Ich hatte schon das eine oder andere Date, bei dem ich mich entschuldigen musste, um die Mädchentoilette zu benutzen. Dann hätte ich genug Zeit gehabt, der Langeweile zu entfliehen, bevor ich zurückkommen und versuchen musste, mich nicht zu übergeben, während ich höflich meine Vorspeise beendete.«

»Verstanden.« Er öffnete die Tür zu Zazas Zimmer und sah sich auf dem Flur um.

»Aufzug oder Treppe?«

»Treppe.« Ihre Antwort kam ohne ein Zögern. »Fahrstühle sind zu eng und ich mag es nicht, wenn man nur die Etage oder den Notrufknopf drücken kann.«

Er nahm ihre Hand, als wären sie ein Paar, das einen Verwandten besuchte, ging ruhig an der Schwesternstation vorbei und schenkte ihnen allen sein schönstes Lächeln, als er sich in Richtung Treppenhaus bewegte.

»Komisch«, sagte er, als das glückliche, aber besorgt scheinende Paar den Flur hinunterging. »Als wir auf dem Weg hierher waren, hattest du nicht so große Bedenken, den Aufzug zu benutzen.«

Agony schwenkte spielerisch ihren Arm und antwortete mit leiser Stimme. »Das liegt daran, dass wir gerade erst angekommen waren und Gus’ Zimmer im sechsten Stock liegt. Aber wir sind jetzt schon seit über zwei Stunden hier und wer weiß, wie viele Augen auf wie viele Kameras gerichtet waren, seit unserem kleinen Zwischenfall am Hafen … mein Liebster.«

Das glückliche Paar betrat das Treppenhaus und eilte ins Erdgeschoss und durch die Lobby hinaus auf die Straße. Das vierstöckige Parkhaus, in dem der Jeep auf der dritten Ebene stand, war nur einen Fußgängerüberweg entfernt.

»Wir hätten einen Straßenparkplatz finden können«, murmelte Pain, beinahe vorwurfsvoll, »wenn einer von uns bereit gewesen wäre, mit unserem kürzlich organisierten Jeep ein oder zwei Blocks zu fahren.«

»Und was dann?«, entgegnete Agony. »Hast du Bock nach zwei Stunden wieder zurückzukommen, um die Parkuhr zu füttern? Wie viele Münzen hast du denn in deinen Taschen?«

»Der Jeep bekommt also einen Strafzettel«, erklärte er ihr. »Es ist ja nicht so, dass er auf deinen Namen läuft.«

Sie benutzten den Fußgängerüberweg so ruhig wie jedes andere Paar auch.

»Wann ist das letzte Mal«, fragte er sie, »dass etwas Gutes in einem Parkhaus passiert ist?«

»Einer von uns beiden«, erwiderte sie, »hat definitiv zu viele Filme gesehen.«

Sie ging zum Aufzug und drückte den Knopf für die dritte Ebene.

»Aha.« Pain schloss sich ihr in dem geschlossenen Raum an. »Wenn es ums Treppensteigen geht, sind Aufzüge plötzlich in Ordnung?«

»Kannst du nicht ein einziges Mal in deinem Leben ein bisschen lockerer sein, verdammt?«

»Und wirst du«, antwortete er, »einmal in deinem Leben etwas Konsequenz zeigen?«

»Gut!« Agony drückte auf den Knopf der Ebene zwei, der den Aufzug zum Stehen brachte. Die Türen öffneten sich und sie gab ihm ein Zeichen, dass er zuerst gehen sollte.

Er gehorchte und führte den Weg zum Treppenhaus zu Ebene drei an.

»Und du denkst, ich bin die Paranoikerin«, murmelte sie, als sie ihm die Treppe hinauf folgte.

Die Treppenhaustüren in Parkhäusern hatten keine Fenster, also beschloss Pain, sich zurückzuhalten, bevor er sie öffnete. Er wollte sie gerade die Treppe hinunter ins Erdgeschoss scheuchen, wo sie ein anderes Fahrzeug finden konnten, auch wenn es nur ein Stadtbus war, als sie sich an ihm vorbeidrängte und die Tür öffnete.

Sie trat ruhig hindurch und er atmete tief durch und legte seine Paranoia beiseite, als er ihr auf das Parkdeck folgte.

Scheiße , dachte er, wenn ich jemals eine Tochter habe, werde ich sie Paranoi-a nennen. Sollte ich jemals einen Sohn haben, werde ich ihn Paranoi-o nennen und hoffen, dass ihre Namen ihnen gute Dienste erweisen.

Agony hielt ihre Hände an der Seite, aber sie streckte ihm eine davon entgegen. Er nahm sie und trat vor, um sich neben sie zu stellen.

»Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt!«, flüsterte sie ihm zu.

»Und warum ist das so, mein Schatz?«, flüsterte er zurück, während er versuchte, sein Adrenalin so weit zu senken, dass einige der Knochen in ihrer Hand noch an Knochen und nicht an Sägemehl erinnern würden.

»Weil«, antwortete sie ruhig, »diese Leute alle Freunde von dir zu sein scheinen und sie uns im Moment waffentechnisch überlegen sind.«

»Und du fragst dich, warum ich lieber auf der Straße parke.«

Er wollte ihre Hand loslassen und sehr viel ernsthaften Schaden zufügen, vorrangig der SISTER-Agentin, deren Nase noch nicht ganz von Agonies Schlag verheilt war, als sie ihnen ein paar Tage zuvor in ihrer alten, von ihrer Dienststelle gestellten beigen Limousine gefolgt war.

Die junge Frau stand jetzt am Ende der Gruppe. Ein Dutzend Agenten befand sich vor ihr und auch zwischen dem Pärchen und dem Jeep, in den sie nach ihrem Gespräch mit Augusto Gaza einsteigen und abhauen wollten.

Agony hatte recht gehabt. Sie waren zu lange an einem Ort geblieben.

Pain hatte recht gehabt. Parkhäuser waren zum Kotzen.

»Es ist deine Entscheidung.« Er überließ ihr die Wahl des nächsten Schrittes und war zuversichtlich, dass sie sich zu zweit aus der Situation herauskämpfen konnten, mit der sie jetzt konfrontiert waren.

»Es gibt mehr als eine Art zu kämpfen«, erinnerte sie ihn. Sie hielt seinen Arm fest, holte ihr Handy heraus und drückte die Wahlwiederholung.

»Harry T. Verschwende nicht meine Zeit«, kam als Begrüßung.

Sie nannte ihm ihren Standort und die Parkhausebene, bevor sie hinzufügte: »Verschwende auch nicht meine Zeit, Arschloch. Du hast fünf Minuten Zeit, um mit jemandem aus deinem Zeitungsteam hierherzukommen, der weiß, wie man eine Kamera bedient oder du verlierst deinen Exklusivvertrag.«

»Gib mir sechs«, bettelte er.

»Ich gebe dir vier.« Sie beendete die Verhandlung und legte auf.

»Was zum Teufel sollte das denn?« Pain hatte nicht gedacht, dass es der beste Zeitpunkt war, um ein Handy als Waffe zu benutzen.

»Das«, informierte sie ihn, »war, dass Geduld manchmal eine sehr wertvolle Waffe sein kann und dass die Feder manchmal mächtiger ist als das Schwert, vor allem, wenn hinter der Feder ein Fotograf steht.«

»Wovon zum Teufel redest du?«

»Wir haben zwei Möglichkeiten. Ein Feuergefecht, das unter einem Mantel des Schweigens begraben werden kann oder eine friedliche Kapitulation von zwei Menschen, die nichts falsch gemacht haben. Oder zumindest nichts, was beweisbar wäre.« Sie nickte in Richtung des Dutzends Agenten, die mit zittrigen Fingern darauf warteten, dass die beiden eine falsche Bewegung machten, bevor sie das Feuer eröffnen würden. »Wenn deine Freunde da drüben uns in Gewahrsam nehmen – tot oder lebendig – ohne Zeugen … nun, dann denke ich, haben sie gewonnen.«

Er betrachtete die Bundesagenten, die ihnen gegenüberstanden. »Und wenn ich keine plötzlichen Bewegungen mache?«

»Dann müssen wir nur noch ein paar Minuten hinauszögern«, riet sie ihm, »bis ein dritter Zeuge auftaucht. Bist du zu so einer einfachen Aufgabe in der Lage oder nicht?«