Nachdem Willi gegangen ist, fühlt Gott sich plötzlich sehr einsam. Von dem vielen Bier ist ihm schwindelig. Er sitzt allein am Tisch, betrachtet das leere Glas, das Willi zurückgelassen hat, und hat noch immer Willis fröhliche Stimme im Ohr. Was für ein wundervolles Gefühl, wenn es jemanden gibt, der sich darüber freut, dass man da ist! Gott wird ein wenig wehmütig. Schließlich galt Willis Freude nicht ihm, sondern Erwin … Er merkt, dass Er drauf und dran ist, in Tränen auszubrechen. Jetzt reiß dich aber zusammen!, ermahnt Er sich selbst. Das muss an dem verflixten Bier liegen. Ihm fällt auf, dass Er den ganzen Tag noch nichts Richtiges gegessen hat. Kein Wunder also, wenn Er sich seltsam fühlt. Um Abhilfe zu schaffen, bestellt Gott bei Rita ein Glas Wasser und eine Frikadelle. Das Wasser erfrischt ihn, und die Frikadelle schmeckt so gut, dass Er gleich eine zweite bestellt. Wenn auch mit einem leicht schlechten Gewissen Willi gegenüber, der schließlich alles zahlen muss …
Nach dem Essen fühlt Gott sich besser. Er vertreibt sich die Zeit damit, die anderen Gäste zu beobachten. Viele sind es nicht, die dort um den Tresen herum stehen. Aber sie benehmen sich, als wären sie hier zu Hause. Und Rita nennt alle beim Vornamen. Nur Er selbst gehört nicht dazu. Gott seufzt und versucht, diesen trüben Gedanken zu verjagen – vergeblich. Er muss an sein Zuhause denken, an Jesus und an den Chor der Engel. Selbst den Heiligen Geist vermisst Er. Ob dort oben wohl alles gut läuft? Ohne ihn?! Wie lange war Er nun schon weg? Viel zu lange …
Um nicht ganz in Trübsal zu versinken, steht Gott vom Tisch auf und begibt sich zum Tresen. Mittlerweile sind die meisten Gäste gegangen, und Er lässt sich auf einem der frei gewordenen Barhocker nieder. Rita, die hinter der Theke steht und Gläser poliert, lächelt ihm zu. Gott lächelt zurück. Das tut gut.
»Wie fühlst du dich eigentlich so als Mensch hier auf der Erde?«, fragt Er Rita mit schwerer Zunge. Sie lacht und streicht dabei eine blonde Haarsträhne zurück, die ihr immer wieder ins Gesicht fällt. »Wunderbar. Trinkst du noch eins?« Gott schüttelt den Kopf, versucht es noch einmal: »Im Ernst … Ist das Leben gut so, wie es ist? Was würdest du anders machen?« Rita überlegt, beißt sich kurz auf die Lippen, ehe sie antwortet: »Das Leben …
Das Leben ist wie eine Hand voll Dreck. Aber wenn du ein bisschen drin Unterhaltung entstehen lassen, nicht so spät am Abend. Aber Gott nimmt erneut Anlauf: »Stell dir vor, ich wäre der liebe Gott. Und ich sitze hier und sage: Rita, was soll ich tun?« Rita schenkt ihr Glas voll, rückt einen Barhocker zurecht und setzt sich Gott gegenüber an die Theke. »Lieber Gott«, sie lächelt, »bitte mach doch, dass die Menschen alle ein bisschen netter zueinander sind. Dass sie mehr Zeit und Verständnis füreinander haben. Dass etwas mehr Liebe auf der Welt ist. Und wo du schon dabei bist, könntest du bei dieser Gelegenheit vielleicht auch meine Kaffeemaschine reparieren?« Mit einem Grinsen weist sie hinter sich auf einen unförmigen Apparat, auf dem das Schild »defekt« prangt. »Wird gemacht«, sagt Gott. Augenblicklich leuchtet an der Maschine ein rotes Lämpchen auf, sie surrt und brummt, dann hört man ein Knacken. Das rote Licht erlischt und ein grünes erscheint. Rita sitzt da wie erstarrt, schaut auf die Maschine, dann dreht sie sich mit vor Staunen offenem Mund zu Gott um: »Wahnsinn!«
Gott winkt ab: »Kinderspiel. Könnte ich jetzt vielleicht doch noch ein Bier haben?«