EIN LETZTER DEAL

Ist das zu fassen, sagt Mackie the Lackey. Wir werden reich.
Wir haben die Ausfahrt 15 A auf dem New Jersey Turnpike hinter uns gelassen und kommen gut voran. Vor uns zeichnet sich die Skyline von Manhattan als graues Nadelkissen ab. Ich war schon beinahe wieder im Traumland, aber dieser Mackie-Typ kann einfach seine Klappe nicht halten.
Wie viel springt dieses Mal für uns raus, CK?
So ist das immer. Jedes Mal das Gleiche.
Wir werden reich.
Immer wieder hört man diese Gespräche darüber, dass wir reich werden oder was zumindest für uns abfällt. Der große Wurf. Das schnelle Geld. Der letzte Deal.
Dann sieht man sich um und sieht die immer gleichen Typen da sitzen, immer wieder auf Tour, immer das gleiche Spiel. Die einzigen, die aussteigen, sind die, die Fehler begehen. Auf jeden Abednego Jones mit einem Häuschen im sonnigen Nirgendwo kommen fünf, die im Knast sitzen, fünf weitere sind tot, und dann sind da noch wir. Immer noch unterwegs. Immer noch am Waffenverschieben.
Also, Mackie sitzt am Steuer und träumt davon, reich zu werden. Zumindest kann er fahren, das muss ich ihm lassen. Wenn er nur seine Klappe halten könnte.
CK fummelt am Lautstärkeregler des Autoradios herum und dreht die Led-Zeppelin -Kassette auf volle Pulle. Immer wieder die gleiche Led-Zeppelin -Kassette. Die einzige Led-Zeppelin -Kassette. Die, die wir schon die ganze Zeit auf der Fahrt nach New York hörten und die wir auf jeder anderen Fahrt mit diesem Typen anhören müssen.
Renny Two Hand sitzt auf der Rückbank, schräg hinter mir, und blättert durch die USA Today , die er sich an der Raststätte gekauft hat. Ich kenne sein System. Zuerst sieht er nach, wie die Orioles gespielt haben, und egal, ob sie gewonnen oder verloren haben oder das Spiel wegen Regen abgesagt wurde oder gar keine Saison ist, findet er was zu meckern. Nur Cal Ripken ist davon ausgenommen. Dann geht es weiter mit dem Wetter. Heute vereinzelte Schauer, morgen sonnig und heiter. Zuerst für D.C. Dann weiter nach New York. Dann Denver. Dann Los Angeles. Dann Honolulu. Er erzählt einem auch, wie das Wetter in Helsinki wird, wenn ihn jemand danach fragt. Früher oder später sind dann aber die Nachrichten dran. Es dauert also zehn bis fünfzehn Minuten, bis man erfährt, dass ein Atomkrieg ausgebrochen ist.
Renny ist anders. Das ist eine Art, es auszudrücken – anders. Er ist noch nicht einmal dreißig, und in so einem Job ist er damit beinahe noch ein Kind, wirklich wahr. So wie ich, als ich anfing. Also komme ich mit seinen Spleens klar und er mit meinen.
Sie nennen ihn Two Hand, weil er einmal draußen auf der Schießanlage versucht hatte, zwei Pistolen gleichzeitig abzufeuern. Hat er mal in einem Film gesehen. Als ob eine Pistole abzufeuern nicht schon schwer genug wäre – zumindest dann, wenn man vorhat, damit auch jemanden umzunieten. Jedenfalls lässt er die beiden .45er losdonnern, und der Rückstoß reißt ihm beide Hände in die Luft, als würde er rufen: Ich ergebe mich! Irgendwann nimmt er Vernunft an und feuert sie nacheinander ab. Rechts. Links. Rechts. Links. Und ich will verdammt sein, wenn er nicht mit allen mitten ins Schwarze getroffen hat. Treffer, versenkt. Deshalb ist er jetzt der legendäre Renny Two Hand.
Burdon, sagt er und blättert die Titelseite mit der Schlagzeile über eine Bürgerrechtsversammlung von niemand Geringerem als unserem Reverend Gideon Parks nach hinten, um an die Unterhaltungsseite zu kommen. Er zeigt mir ein kleines Farbfoto von Dana Delany, dieser Schauspielerin aus dem M.A.S.H.-Rip-Off, und die fett gedruckten Überschriften darunter krakeelen was von Alzheimer-Erkrankungen, Waisenkindern, die entführt wurden, und solchen Kram.
Renny sieht sich das Bild von Dana Delany an, als wäre sie hier im Wagen, auf der Rückbank, zusammen mit uns. Die Mädchen würden auf Renny nur so fliegen, das kann man in ihren Augen sehen, wenn sie ihn ansehen. Das ist mehr als offensichtlich. Das Problem ist nur, dass Renny nicht weiß, wie er das mit den Mädchen anstellen soll. Er ist noch nicht hinter das Geheimnis gekommen, das da lautet, dass es eben ein Geheimnis ist und man damit aufhören muss, sich darüber Gedanken zu machen, eine andere Lösung für dieses Problem zu finden, weil es nämlich keine gibt.
Sieh sie dir an, sagt Two Hand. Ist sie nicht süß? Also, nicht auf die Art wie in Filmen, aber–
Er kann den Satz nicht beenden, denn das macht CK für ihn, der die Musik runtergedreht hat und sich wie ein entnervter Vater zu uns nach hinten dreht.
Süß, nicht wahr? Wirklich süß. Zuckersüß.
Er grinst, und das ist ein Grinsen von ganz unten aus seiner Trickkiste.
Stehst du auf sie, Two Hand? Ich wette, du stehst ziemlich auf sie. Jede Wette, dass du hin und wieder an sie denkst, hab ich recht? Du weißt schon, auf ganz bestimmte Art. Du denkst auf ganz bestimmte Art an sie. Hab ich recht? Also verrate mir eines, Kid, was denkst du wirklich, jetzt gerade?
CK dreht sich wieder nach vorn und sieht zur Windschutzscheibe hinaus.
Ich meine, glaubst du, sie mag es, wenn man es ihr in den Arsch besorgt?
Renny starrt zuerst CK's Hinterkopf an, dann sieht er ihm über den Rückspiegel in die Augen. Er fängt an, die Zeitung wieder zusammenzufalten. Irgendein Bericht über Late-Night-Shows verdeckt ihr Bild. Rennys Hände zittern, und während er sie langsam in die Zeitung krallt, beginnt das Papier zu zerknüllen.
CK's Gelächter ist das reinste Gift. Als sich Mackie the Lackey ihm anschließt, schneidet ihm CK das Wort ab, dreht sich zu Renny und fährt fort:
Ich hab nur ein Problem mit dir, Reynold James.
Leckt sich über die Lippen. Lächelt.
Und das Problem ist, dass ich dich verdammt noch mal nicht leiden kann.
Mackie prustet.
Hast du ein Problem damit?
Renny knüllt einfach nur weiter die Zeitung zwischen seinen Händen zusammen und sagt dann schließlich:
Nein, Mr. Kruikshank. Kein Problem. Damit hab ich überhaupt kein Problem. Und weißt du, warum? Weil ich dich verdammt noch mal auch nicht leiden kann.
CK versucht, wieder zu lächeln, und es sieht so aus, als ob es ihm nicht gelingen will, bis er laut loslacht, zuerst nur wenig, dann aber immer mehr, und dann stimmt Mackie the Lackie mit ein, und dann – kann mir einer verraten, was hier los ist? – lacht selbst Two Hand, und damit bin ich wohl der Einzige in dem Wagen, der nicht den Verstand verloren hat. Ich brauche mehr Schlaf.