DAS WARTEN
Womit wir es, nach langem Warten, eine Stunde vor Sonnenaufgang haben, als CK und ich uns die Nacht aus den Knochen schütteln und durch das Parkhaus laufen und die Jungs aufwecken, die nicht gerade Wache stehen oder in einem halbwegs annehmbaren Bett in einem der Hotels schlafen. Nach einer Nacht wie dieser wundert sich niemand mehr, warum ich auf der Fahrt nach Norden so viel geschlafen habe. Vor einem wichtigen Treffen kann ich nie schlafen, und selbst wenn ich es könnte, wäre ich ein Narr, wenn ich es versuchen würde.
Stattdessen verbrachte ich die Nacht hinter dem Steuer des Vans, starrte hinaus und machte mir Sorgen. Was für eine Art, acht Stunden totzuschlagen: mit genügend Schmuggelware unterm Arsch, um den nächsten Bürgerkrieg loszutreten oder ungefähr tausend gleichrangiger Schwerverbrechen angeklagt zu werden. Hängt immer ganz vom Standpunkt des Betrachters ab. Und neben mir sitzt der gelbe Nigger, mit einer .38er Ruger ohne Hahn und einer Tüte Schweineschwarten in seinem Schoß.
Während der Nacht haben CK's Leute Wagen an verschiedenen Punkten in der Stadt abgestellt. Renny und ich haben den Olds für die Heimfahrt gewonnen. Laut dem Parkschein steht er vor dem Warwick Hotel.
Am frühen Morgen führt Juan E dann seine Leute hinaus, und die sehen aus wie ein Rudel junger Löwen. Protzig prüfen sie ihre Waffen, und es besteht kein Zweifel: Das mögen noch Kids sein, aber die meinen es ernst. Ich denke, die werden sich als nützlich erweisen. Direkt nach ihnen kommt Renny Two Hand mit Donuts und noch mehr schwarzem Kaffee an. Ich kippe mir schnell den Rest meiner letzten Tasse hinunter, und in einem unbeobachteten Moment werfe ich noch ein paar Dexedrine ein.
Dann sind die Trupps verschwunden, und nur noch wir fünf sind übrig: Renny, Jeffers, Rose, der gelbe Nigger und ich. Und die ganzen Waffen.
Okay, sage ich zu Renny. Geh rüber in das Restaurant auf der anderen Straßenseite und kauf dir noch ein Frühstück. Und lass dir Zeit. Das wird ein langer Morgen werden. Nimm dir einen Sitzplatz am Fenster. Behalte die Tür im Auge. Und wenn jemand reinkommt oder selbst wenn dich jemand auch nur länger ansieht, dann ruf mich an.
Hey, sagt er. Ich hab ein gutes Gefühl bei der Sache. Und soll ich dir was sagen? Ich hab mich gestern Abend mit ein paar von den Jungs der U Street unterhalten.
Ja, sage ich. Hab ich gesehen.
Also, fährt er fort, die Jungs sind in Ordnung. Harte Typen. Aber die machen ihr Ding. Ein wenig wie wir, was? Die passen auf sich auf, weißt du?
Schon klar, antworte ich. Du solltest dir nur keine allzu großen Hoffnungen machen, deine neuen Kumpels nach der Sache hier in ihrer Nachbarschaft zu besuchen, okay?
Ja, verstehe, okay, sagt er. Es ist nur wie sonst, wenn du–
Seine Hand fährt zu seinem Gürtel hinunter und fördert sein Handy zutage.
Gib mir noch mal deine Nummer. Ich diktiere ihm die Nummer, er tippt sie ein, lächelt und sagt: Hab dich jetzt auf Schnellwahl. Rose und Jeffers und CK auch. Ich hatte überlegt, bei Pizza Hut
anzurufen, aber weißt du was? Ich glaube nicht, dass die hierhin liefern.
Er macht sich auf den Weg zur Treppe. Wenn du mehr Kaffee brauchst, dann klingle mich an, sagt er. Vielleicht liefere ich ja was.
Ich begebe mich zu Jeffers und Rose, die ihre Waffen überprüfen und ihre CAR-15-Sturmgewehre mit ACOG-Reflexvisieren und Laserzielsuchern ausstatten. Die perfekte Ausrüstung für ein Feuergefecht innerhalb einer Stadt, was das Letzte ist, was ich erleben will. Ich sage ihnen, dass sie hoch aufs Dach sollen. Zu dem gelben Nigger sage ich nichts.
Nach einer Weile sitzen wir beide wieder im Van. Ich auf der Fahrerseite, er auf der Beifahrerseite. So wie sich das gehört.
Wir warten. Und dann warten wir weiter.
Er muss so um die fünfunddreißig sein, aber ich kann das Alter von Leuten nur schwer einschätzen. Könnte auch älter sein. Heute hat er sich seine Dreadlocks im Nacken zusammengebunden. Er ist nicht sonderlich groß, aber auch nicht klein, einfach nur Durchschnitt, mit jeder Menge Muskeln. Aber keine Knastmuskeln, die erkennt man sofort. Bestimmt saß er mal ein, die meisten von diesen Straßenkids landen zwei- oder dreimal im Bau, bevor sie einundzwanzig sind, aber nichts Großartiges. Er ist ein cleverer Kerl, der frühzeitig seine Lektion gelernt hat: Sich niemals erwischen lassen. Sein Gesicht, das so bleich ist wie Sand, ist ein einziges Rätsel. Seine blauen Augen verbirgt er hinter dieser gruseligen Sonnenbrille. Dazu seine leise Stimme, die jedes seiner wenigen Worte noch mit einer unterschwelligen Drohung versieht, und schon hat man jemanden, den man eigentlich nicht um sich haben will. Es sei denn, man muss einen Deal mit ihm abwickeln.
Tja, was soll ich sagen? Die Stille schlägt mir so langsam auf die Stimmung.
Hey, Mann, wie geht's?
Ich reiche ihm die Hand hinüber. Er bewegt sich nicht. Ich ziehe die Hand zurück.
Wie wär's, wenn du mir deinen Namen sagst?, versuche ich es, ernte aber nur diese dunklen Brillengläser und versiegelte Lippen.
Hey, sage ich, dieses Mal nicht als Frage.
Dein Name.
Er atmet langsam und geräuschvoll aus, wie ein Schulkind, dem man eine Geschichte erzählt hat, die es nicht glauben kann. Dann sagt er:
Jinx, du Blödmann.
Jinx, sage ich. Echt wahr? Jinx.
Ich sehe zum Fenster hinaus. Hammeraussicht in so einer Tiefgarage.
Ja, hast du ein Problem damit?
Pass mal auf, Jinx, sage ich. Die Jungs nennen mich manchmal Locker
. Weil ich den Leuten früher zu oft gesagt habe, dass sie locker bleiben sollen. Meine Freundin nennt mich hin und wieder ihren Hübschen
. Aber das ist auch nicht mein richtiger Name. Das sind Spitznamen, klar? Ich heiße Burdon. Burdon Lane. Und ich sitze hier, und du sitzt hier, und ich denke, dass du mir vielleicht sagen könntest, wie du heißt.
Er atmet noch einmal aus. Dann redet er mit mir, als wäre ich ein vollkommen fremder Mensch für ihn.
Mein Sklavenname ist Michael Sexton.
Und dann lächelt er. Zumindest glaube ich, dass das ein Lächeln sein soll.
Aber für dich, Weißbrot … bin ich Jinx.
Er zeigt zu viele Zähne für ein echtes Lächeln. Dieser Typ ist ein Jäger, ein Wolf unter jenen, die er für Schafe hält.
In dem Moment wird mir klar, dass ich ihn nicht aus den Augen verlieren darf. Nicht für eine Minute. Entweder ist er direkt bei mir oder tot unter der Erde.
Also, fragt er, was liest du da?
Ich sehe zu meinem neuen Kumpel Jinx hinüber. Er nimmt seine Sonnenbrille ab, poliert sie eine Weile, dann steckt er sie sich in seine Jackentasche. Er deutet mit einem Kopfnicken auf meinen Schoß.
Das Buch, sagt er. Liest du die Bibel?
So, wie er das sagt, klingt es, als sei der Umstand, dass ich die Bibel lesen könnte, zugleich die lächerlichste und wichtigste Sache von allen.
Nein. Das ist nicht die Bibel, erkläre ich ihm. Ich hab mal versucht, sie zu lesen, aber ich bin nicht über die Stellen mit dem ganzen der zeugte den und der zeugte den
und so weiter hinausgekommen. Nein, ich lese das hier, Schuld und Sühne
.
Dann zeige ich ihm noch den Umschlag, falls er mir nicht glaubt.
Ah, sagt er. Nettes Buch.
Ein nettes Buch?, sage ich und ertappe mich gleichzeitig dabei, lehne mich zurück, und dann lache ich. Hast du es gelesen?
Und dann ist plötzlich er es, der lacht.
Gelesen? Verdammt, Mann, ich hab es geschrieben.
Und dann lachen wir beide, und dann passiert es irgendwie. Während sich der Morgen aus der Dunkelheit herauswindet und zu der Zeit wird, in der die Kinder aufwachen, wo die Wecker die Leute aus ihren Träumen und in die Albträume ihres Lebens reißen, während CK und Mackie und Juan E und die anderen die Treppenstufen in den zehnten Stock des Excelsior Hotels hinaufsteigen, erzähle ich meinem neuen Kumpel Jinx die Geschichte hinter diesem Buch, die ich noch niemandem zuvor, nicht Renny Two Hand und noch nicht einmal Fiona, erzählt habe.
Das Buch gehörte meiner Mutter, erkläre ich ihm. Eines von vielen. Meine Mutter hatte viele Bücher, ganze Regale voller Bücher, oben im Schlafzimmer in unserem alten Haus. In den letzten Jahren ihres Lebens hat sie nichts anderes mehr getan als gelesen. Das war alles, was sie noch tun konnte, während sie im Bett lag und darauf wartete, dass sie der Krebs von innen auffraß. Ich war bei ihr, als die Ärzte ihr die Nachricht von dem Krebs überbrachten und sagten, wie viel Zeit ihr noch bleiben würde, aber sie hätten ihr auch etwas über die neue Herbstkollektion erzählen können, so viel Beachtung, wie sie dem Ganzen widmete, so als wüsste sie das alles längst. Sie wartete darauf, dass sie sich nacheinander vom Acker machten, und dann las sie weiter ihre Bücher.
Einmal fragte ich sie, fragte ich sie frei heraus, was es mit den Büchern auf sich hatte. Ich besuchte sie ein paar Mal die Woche, oben in ihrem Schlafzimmer, und immer hielt sie ein Buch in den Händen, hatte eines in ihrem Schoß und auf dem Nachttisch, und ich musste sie einfach fragen:
Mom, wieso sitzt du hier und liest all diese Bücher?
Und sie sah mich mit Augen an, die so klar waren, dass ich durch sie hindurch und direkt in sie hineinsehen konnte. Sie faltete die Ecke der Seite um, auf der sie gerade war, dann klappte sie das Buch zu, und es war dieses Buch hier, Schuld und Sühne
, und sie drückte es mir in die Hand. Und nach einer ganzen Weile sagte sie zu mir:
Nimm dieses Buch, Burdon. Dann wirst du schon sehen.
Lies es, sagte sie. Nicht einfach nur ansehen, lies es wirklich. Wenn man ein Buch liest, erklärte sie mir, kommt man an das Ende einer Seite, und dann, na ja, dann blättert man weiter zur nächsten. Und zur nächsten. Dann kommt man an das Ende eines Kapitels, und dann folgt das nächste Kapitel. Es gibt immer eine nächste Seite, ein weiteres Kapitel, eine weitere Geschichte, ein anderes Buch. Es ist nie vorbei. Selbst wenn am Schluss das Wörtchen ENDE steht.
Das war das letzte Mal, dass ich Mom weinen sah, aber sie lächelte auch.
Es gibt immer eine weitere Seite, sagte sie. Ein weiteres Kapitel.
Es ist nie vorbei.
Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, und ich weiß auch nicht, was ich getan habe, bis mir Jinx das Buch zurückgibt und sagt:
Stimmt.
Dann klingelt das Motorola. Ich ziehe es aus meinem Gürtel.
Hallo?
Es ist CK: Du bist dran.
Alles klar, sage ich.
Klick.
Klick.
Und nachdem genug Zeit vergeht, klingelt das Motorola wieder.
Dieses Mal ist Renny Two Hand dran: Wir kriegen Gesellschaft, sagt er. Drei Typen. Und die gefallen mir nicht. Überhaupt nicht. Die sin–
Bleib locker, sage ich zu ihm. Bleib in dem Restaurant. Und bleib locker.
Ich lege auf und weiß, dass ich Jinx nichts erklären brauche. Denn da kommen sie auch schon die Treppe herunter, drei Anzugträger in knittrigen Regenmänteln, die für den Rest der Welt wie Wall-Street-Banker aussehen, die sich auf dem Weg zum Mittagessen hoffnungslos verirrt haben. Schweigsame Gesichter. Ernste Gesichter.
Weiße Gesichter.
Das ist sie also – die Zusammenkunft. Die Übergabe. Das Treffen. Ich hab Hunderte von Bezeichnungen für diesen Moment gehört, und keine davon passt, nicht in der echten Welt. So was passiert einfach, wie Unglücke. Man kann planen, alles bedenken, sich vorbereiten. Aber dann passiert es einfach.
Jedes Mal, wenn ein großer Deal ansteht, ist da dieses furchtbare Gefühl. Nicht dieser Rausch, nein, keiner von diesen nervenzerfetzenden Adrenalin-Momenten, den sie den Kaufrauschzombies in diesen billigen Gangsterfilmen vorsetzen. Es ist nur dieses kalte Etwas, das dir die Wirbelsäule hinaufkriecht. Ein kleiner Teufel, der irgendwo in deinem Hintern geboren wurde, schießt einfach hinauf in dein Gehirn, und dort bleibt er und flüstert dir zu, dass du weglaufen sollst, so schnell wie ein Wiesel, und vor dem Morgen nicht anhalten sollst.
Diese Botschaft ist von erstaunlicher Klarheit. Sie schmerzt in deinem Kopf. Manchmal tut es auch in deinem Bauch weh, und dann willst du nichts weiter tun, als die Hosen runter- und es rauslassen.
Und du willst auf die Stimme hören. Hin und wieder liegt sie richtig, aber das weiß man erst, wenn man es … weiß. Dann ist Schadensbegrenzung angesagt. Wenn man dieses Gefühl nicht kennt, ist man entweder ein Idiot oder tot. Wahrscheinlich sogar beides.
Und jetzt, in diesem Moment, lügt mich der Teufel wieder an.
Weiße Gesichter. Und es sind nicht nur die Gesichter, es sind ihre Frisuren, die Mäntel. Es ist die Art, wie diese Jungs auf den Van zulaufen, wie keiner von ihnen sich umsieht, sich über die Schulter sieht, sich Sorgen zu machen scheint, was vielleicht hinter ihnen lauert.
Weiße Gesichter.
Jinx sieht mir an, was ich denke.
Okay, sagt er. Wer zum Teufel sind diese Albinos? Aber, hey, weißt du was? Wenn eine Sache so sehr stinkt, muss sie sauber sein.
Er nimmt sich die Pistole aus dem Schoß.
Alles cool, sagt er. Niemand wird umgelegt. Die Bravos sind Nigga, aber ganz sicher keine dummen Nigga. Also haben sie sich ein paar weiße Bwanas angeheuert, damit die die Drecksarbeit für sie machen. So wie ihr ein paar von hier für eure benutzt habt. Macht so viel Sinn wie der Rest bei diesem Deal auch. Dann los, lassen wir's krachen.
Warte noch 'ne Sekunde, sage ich und wähle Roses Nummer, der auf dem Dach steht.
Ja?
Was hast du gesehen?
Drei sind rein, noch keiner wieder raus.
Okay, sage ich. Bleib in Bereitschaft.
Ich rufe Jeffers an.
Was?
Irgendwas zu sehen?
Gar nichts. Sag einfach Bescheid, wenn's losgeht.
Okay, sage ich. Halt dich bereit.
Jinx?
Er ist schon halb zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umdreht: Ja?
Halt die Klappe und lass die Finger vom Abzug. Und merk dir nur eines: Wenn du mich irgendwas Ausgefallenes sagen hörst, so was wie oh, leg sie um, also, dann ist das der Moment, wo du sie umlegst, okay? Aber fürs Erste kümmere ich mich um Mr. Filialleiter. Du kannst dich in der Zwischenzeit mit seinen Arschkriechern anfreunden.
Jinx schnaubt verächtlich, dann ist er aus dem Van, und sein leicht angewinkelter rechter Arm verbirgt die Ruger hinter seinem Rücken.
Ich stecke mir die Glock vorn in meinen Gürtel, wo man sie sehen kann.
Mr. Filialleiter bleibt etwa zehn Meter vor dem Transporter stehen, streckt seine weiße Hand aus und sagt:
's klar?
Genau so sagt er es, als wäre es nur eine Silbe, nur ein Wort.
Alles bestens, antworte ich. Aber ich gebe ihm nicht die Hand. Dann frage ich: Haben Sie die Papiere dabei?
Oh, na klar, sagt er. Ich hab die Papiere da. Dann eine Pause. Haben Sie die Schlüssel? Seine Augen huschen zu dem Van, dann wieder zurück zu mir.
Sicher doch, sage ich. Ich habe die Schlüssel.
Großartig, sagt er. Dann geben Sie mir doch die Schlüssel, und dann gebe ich Ihnen die Papiere.
Nein, Sir, antworte ich ihm. So läuft das nicht.
Hören Sie, sagt er, vielleicht liegt hier ja ein Missverständnis vor, aber mein Job ist es, in dieses Parkhaus zu kommen. Und Ihr Job ist es, mir die Schlüssel zu geben.
Nein, Sir, entgegne ich. Ihr Job ist es vielleicht, in dieses Parkhaus zu kommen. Aber wenn Sie die Schlüssel wollen, müssen Sie sie mir abnehmen. Denn freiwillig rücke ich die erst dann raus, wenn ich tot bin. Es sei denn natürlich, Sie wollen mir zuerst die Papiere übergeben.
Er verliert die Fassung. Sieht sich hilfesuchend nach seinen Freunden um, die jetzt, wo sie meinen neuen Kumpel Jinx kennengelernt haben, ein wenig besorgt wirken. Zuerst zeigt er ihnen seine Pistole und dann den Weg zurück zu den Treppen. Die Show läuft nur auf eine Art ab – oder gar nicht.
Hey, sage ich zu Mr. Filialleiter. Hey. Beim zweiten Mal habe ich seine Aufmerksamkeit. Hören Sie zu, Kumpel, wieso fangen wir nicht noch einmal ganz von vorn an? Wir tun einfach so, als wären Sie gerade hier hereinspaziert, okay, und sagen zu mir: 's klar? Und darauf sage ich: Hey, alles bestens. Dann sagen Sie zu mir: Hier sind die Papiere, die ich Ihnen geben soll. Mit Betonung auf dem Wörtchen geben
, denn das hier ist kein Handel. Es ist alles andere als das, okay? Also, bereit? Dann sage ich jetzt …
He, alles bestens.
Mr. Filialleiter stiert wieder zu seinen Freunden zurück, und Jinx, der mich noch ungeduldiger ansieht als ein Junkie, der auf seinen nächsten Schuss wartet, hat sie schon fast wieder zurück zur Treppe gescheucht.
Also frage ich Mr. Filialleiter: Geben Sie mir jetzt die verdammten Papiere oder was?
Er knickt ein, hat kleine Schweißperlen auf der Stirn, die Angst ist ihm immer mehr anzumerken, und dann sagt er: Hören Sie, Sie müssen mir die Schlüssel geben.
Ich muss Ihnen einen Scheiß geben, Kumpel, und wissen Sie wieso?
Ich greife an meinen Gürtel, und der Typ zuckt zurück, kein Witz, er zuckt wirklich zurück, aber ich hole nur mein Handy hervor und wähle Two Hands Nummer.
Ja?
Wie sieht's aus?
Alles ruhig.
Cool.
Ich lege auf, und dann halte ich meine Ansprache an Mr. Filialleiter:
Ich sage Ihnen, wieso. Sie latschen hier mit den Papieren rein, nicht wahr? Sie, er und er, nur drei von euch und die Dokumente. Die Sie wo versteckt haben? Wahrscheinlich in Ihrer Hemdtasche. Also habe ich Sie und die Dokumente, und mein Kumpel hier hat Ihre beiden Verabredungen zum Essen im Auge, und mein anderer Kumpel am anderen Ende der Stadt hat Ihre Bravos und die anderen Dokumente und … na ja, vielleicht übersehe ich hier ja auch einfach etwas, aber sagen Sie mir doch, okay, verraten Sie mir doch eines: Warum sollte ich Ihnen die Schlüssel für den Van geben?
Er schluckt, und jetzt will er sich nicht mehr zu seinen Freunden umdrehen, aus Angst vor dem, was er da vielleicht zu Gesicht bekommt. Aber zumindest bekommt er noch eine Antwort herausgepresst:
Weil wir einen Deal hatten?
Wie war das?, frage ich. Ich hab Sie nicht verstanden.
Weil … wir einen Deal hatten?
Bingo, sage ich. Und jetzt geben Sie mir die verdammten Papiere.
Ich hatte recht, er hatte sie zusammengefaltet in seiner Hemdtasche, und sie sehen echt aus, und ich nehme die Dokumente, überprüfe sie, die CUSIP-Nummern stimmen, und ich falte sie wieder zusammen, stecke sie in meine Hemdtasche und sage:
Die Schlüssel stecken im Wagen.
Jinx steckt sich seine Pistole in seine Tasche und verschwindet mit den anderen zwei Typen die Treppe hinauf.
Dann sagt Mr. Filialleiter sein letztes Wort zu mir. Er fragt:
Und?
Und ich laufe zurück zu dem Van, schnappe mir meine Reisetasche, und dann lasse ich ihn stehen. Ich zücke mein Handy und rufe CK an und lasse ihn wissen, dass wir hier fertig sind. Und wissen Sie, was CK zu mir sagt? Er sagt:
Bleib dran.
Dann ist es lange still am anderen Ende der Leitung, und dann ist er wieder da und sagt:
Ich musste mir schnell etwas Privatsphäre verschaffen. Bist du noch dran?
Ja, sage ich, und er sagt:
Verschwinde so schnell wie möglich aus New York.
Seine Stimme hört sich über die Leitung wie ein tiefgefrorenes Flüstern an.
Geh zum zweiten Treffpunkt oder vielleicht nach Wilmington, zum Bahnhof. Verschwinde, in Richtung Heimat. Such dir einen abgeschiedenen Flecken Erde abseits der Straßen und ruh dich aus. Verschwinde dorthin und zieh den Kopf ein.
Seine Stimme kommt von weit her, so leise und doch plötzlich so deutlich:
Und sobald du die Chance dafür bekommst, bringst du den Nigger um.