DINER

Also haben sie es aus dem Hotel geschafft, haben es aus dem Feuer geschafft, haben es an den Cops vorbei geschafft, haben es aus der Stadt geschafft, und dann haben sie es geschafft, Renny umzulegen.
Das ist keine große Überraschung. CK hatte mehr als nur einen Plan. Diese ganze Sache war von Anfang bis Ende bis ins Kleinste durchdacht. Schießen und Abhauen. Vielleicht haben sie so etwas Simples wie einen Wäscheschacht benutzt. Oder einen Dienstaufzug oder ein paar Treppen, die auf der Rückseite des Gebäudes versteckt waren. Vielleicht war es auch etwas komplizierter. Oder vielleicht haben sie auch einfach nur die Flügel ausgebreitet und sind aus dem Hotel geflogen wie die Vögel.
Diese ganzen Vielleichts spielen keine Rolle mehr. Jetzt nicht mehr. Nicht mit deinem besten Freund tot am Boden und ein paar neuen Kerben in deiner Kanone. Nicht, wenn du müde bist und dir alles wehtut und alle Welt nach dir sucht und du dich mit 'nem schwarzen Typen herumdrückst, den sie ebenfalls auf dem Kieker haben, und wenn du, kurz bevor du zurück an deinem Wagen bist, einen Crown Vic daneben parken siehst, mit zwei Anzügen und Schuhen mit dicken Sohlen darin, getragen von Typen mit Zehn-Dollar-Haarschnitten, die Dinge in kleinen Büchern notieren, in Sprechfunkgeräte sprechen und sich überhaupt genau wie Cops verhalten.
Jinx bleibt wie angewurzelt stehen, so wie ich.
Wir ziehen uns zurück und ducken uns hinter einen Busch.
Glaubst du, die haben uns gesehen?, fragt er mich.
Darüber muss ich nicht nachdenken. Allein die Möglichkeit reicht mir schon.
Lass uns verschwinden, sage ich und deute mit einem Kopfnicken nach links. Zwei oder drei Kilometer weiter die Straße runter steht ein Truck Stop, Bar & Grill, jede Menge großer Sattelschlepper und Wohnwagen und ganz, ganz viel Lärm und Durcheinander.
Also pirschen wir uns wieder geduckt durchs Unterholz, und das Ganze hat was von einer Vietnam-Rückblende, die Art, wie sie die Psychos in den Filmen immer kriegen, bevor sie ihre Waffen scharfmachen. Wir halten uns von der Straße fern, bewegen uns parallel zu dem Pfad, auch wenn der Pfad hier aus zwei Spuren Beton besteht und der einzige Charlie am anderen Ende ein dickbäuchiger Kerl ist, der einem den Wagen betankt oder ein Bier serviert.
Irgendwann mogeln wir uns schließlich unauffällig an den Straßenrand, und da ist das Basislager mit dem Namen Titos Truck Stop , und ich erinnere mich wieder an das Diner, ich erinnere mich an den Kaffee hier, erinnere mich an die fettigen Pommes, erinnere mich an den Grundriss. Der Laden ist nicht die Wucht, aber hey, es ist eben so wie bei der Kommunion, wenn man angewidert auf die trockene Hostie hinunterschaut und der Pfarrer einem erklärt: Was anderes haben wir nicht.
Ich geb meinem Kumpel Jinx die schnelle Dreißig-Sekunden-Tour, und dann erkläre ich ihm: Du gehörst der verdächtig aussehenden Minderheit an. Also gehst du zuerst. Such dir einen Platz ganz hinten und setze dich so, dass du direkt zurück zum Eingang sehen kannst. Ich geb dir fünf Minuten. Wenn du nicht wieder rauskommst, komme ich hinterher. Falls es ein Problem gibt, nennst du mich Jake, und ich latsche direkt wieder durch die Hintertür raus. Und wenn du weißt, was gut für dich ist, dann kommst du hinterher.
Leck mich, sagt er. Er nimmt meine Tasche, wirft sie sich über die Schulter, steckt sich die Hände in die Taschen und wandert aus dem Wäldchen auf den Truck Stop zu, als wäre er so eine Art Pfadfinder.
Er sieht nicht zurück, läuft einfach geradewegs zu dem Diner. Ich sehe auf die Uhr und gebe ihm fünf Minuten. Dann versuche ich mir den Staub aus dem Anzug zu klopfen und folge ihm nach.
Der Laden ist genau das, was man erwartet: Burger und Fritten, Keulen und Schenkel. Keine Cops. Ein Barkeeper, eine Bar, an beiden Enden der Bar hängt jeweils ein Fernseher von der Decke, und dazwischen lassen eine Menge durstiger Trucker ihre fetten Ärsche über die Barhocker quellen. Ein ausgeblichener Storch von Bedienung stakst mit Tassen, Tellern und noch mehr Tassen die lange, vornehmlich leere Reihe von Tischen auf und ab. Am letzten Tisch ganz hinten sitzt mein Kumpel Jinx, kümmert sich um seinen eigenen Kram und studiert die Speisekarte.
Die Bedienung schenkt mir ein Lächeln, ich lächle zurück, schüttele den Kopf und schlendere zu dem Tisch.
Ich setze mich. Die Bedienung schwirrt heran und ich bestelle mir einen Kaffee. Meine Hand nehme ich von der Glock und aus der Tasche heraus. Ich falte die Serviette auseinander, lege sie mir in den Schoß. Sehe in die Speisekarte. Finde, was ich suche. Lege die Speisekarte auf den Tisch. Schiebe das Besteck um. Lese mir die Etiketten auf dem Ketchup, dem Senf, dem Zucker und dem Süßungsmittel durch.
Ich warte darauf, dass Jinx mich ansieht und Na? sagt. Aber er sagt kein verdammtes Wort, für eine halbe Ewigkeit nicht; studiert die Speisekarte, die Speisekarte und immer nur die Speisekarte.
Dann kommt der Kaffee. Die Bedienung verzaubert uns, indem sie einen Bleistift hinter ihrem Ohr hervorholt, sich die Zunge in den Mundwinkel schiebt und fragt: Wasdarfsnsein?
Ich brauch noch 'ne Minute, sagt Jinx. Er wartet, bis sie sich in die Küche zurückzieht, und dann sieht er von der Speisekarte auf, aber er sieht nicht mich an, sondern sieht zu dem Fernseher am anderen Ende der Bar und dem Barkeeper, der den Ton aufdreht, weil CNN gerade von Mord und Totschlag überquillt. Künstlich klingende Musik schwillt über der Einblendung des geschmackvollen Logos und der Silhouette eines Kopfes im Fadenkreuz eines Gewehrs an, welches in eine Collage aus Standbildern mit Text mündet und schließlich von einer dauergewellten Nachrichtensprecherin abgelöst wird, die über den aktuellen Stand der Ermittlungen im Fall des ermordeten Bürgerrechtlers Gideon Parks informiert. Interviews mit einem weinenden Jesse Jackson und ein paar sich bedeckt haltenden U.S.-Senatoren wechseln sich mit Eindrücken von ein paar ziemlich angepissten Schwarzen vor irgendeinem Regierungsgebäude ab, die ihrerseits einer unermüdlichen Parade aus Bild- und Tonschnipseln weichen. Das typische Statement des Präsidenten ist zu hören, irgendwas von einer Tragödie, irgendwas davon, dass jetzt etwas heilen muss, irgendwas darüber, dass man die Verbrecher aufspüren und bestrafen wird, und dann sind die Live-Aufnahmen zu sehen, der feuchte Traum von einem Zapruder-Film, aufgenommen mit Netzwerkkameras aus drei verschiedenen Winkeln, in Farbe und Nahaufnahme, und es folgen Wiederholungen, als wäre das der verdammte Super Bowl, vom ersten Treffer, der den Kopf des Reverends auseinanderreißt, bis hin zu den anderen fünf kleinen Explosionen, die seinen Oberkörper in einen blutigen Fetzen aus Fleisch und gebrochenen Knochen verwandeln.
Ein kleiner Mann an der Bar fängt an zu lachen und klatscht in die Hände, und der Barkeeper sagt ihm, dass er die Klappe halten soll.
Ich sehe zu Jinx, doch der starrt nur auf den Fernseher, und nun schwenkt eine wackelige Kamera herum und zeigt das Hotel Excelsior, die Linse wandert zitternd an dem Gebäude hinauf, aber man kann nur Feuer und Rauch erkennen. Dann, aus einem anderen Blickwinkel und von einer stabileren Kamera weiter unten an der Straße aufgenommen, schwenkt das Bild wie ein Suchscheinwerfer über die Vorderseite des Hotels und das Appartementgebäude daneben, und es sieht aus wie in einem fremden Land, irgendein fremder Krieg, Bagdad, Beirut, Bosnien, und außer Flammen kann man nichts erkennen, und dann gibt es eine riesige Explosion, die ein paar Stockwerke aus dem Hotel drückt und Glas, Ziegel und Holzfragmente auf die Straße darunter regnen lässt–
Das ist nicht echt, das ist irgendwo anders, und ich kann mir im Moment überhaupt nicht vorstellen, da drin gewesen zu sein. Oder dass ich es herausgeschafft habe.
Aber das habe ich, und sie auch. Und ich weiß noch etwas, verdammt, ich weiß noch eine Sache. Ich hole die Neunmillimeter-Patrone aus meiner Jackentasche. Halte sie so lange, bis er sie und dann mich ansieht.
Ich weiß, was sie Renny gefragt haben, erkläre ich Jinx. Ich weiß, was sie wissen wollten. Sie wollten wissen, ob du tot bist.
Er rührt mit dem Löffel in seinem Kaffee herum und sieht wieder in die Speisekarte. Er versteht's nicht. Noch nicht.
Ich sollte dich umlegen, erkläre ich ihm.
Er legt die Speisekarte beiseite und rührt weiter in seinem Kaffee.
Ich sollte dich mit nach Süden nehmen und dich umbringen.
Er nippt an seinem Kaffee, als würden wir uns gerade über das Wetter von morgen unterhalten. Dann sagt er:
Wie sind die Panhas hier?
Was?
Die Panhas, sagt er. Du warst hier doch schon mal, oder? Also, wie sind die Panhas?
Und damit endet unsere kleine Unterhaltung, bis schließlich die Bedienung kommt und unsere Bestellung aufnimmt. Ich bestelle trockenen Toast und mehr Kaffee, und Jinx sagt, dass er gern ein paar Spiegeleier und die Panhas hätte.
Sie läuft davon, und ich versuche, die Unterhaltung wieder auf Kurs zu bringen.
Wir müssen nach Wilmington, sage ich. Aber er sieht nur durch mich hindurch und meint:
Ich muss mal für kleine Mädchen.
Dann mach das, sage ich, und er steht auf und ist weg, und ich sitze da und versuche, mich auf die Bierschilder zu konzentrieren. Ich sehe mir das Bud -Schild an und das Coors -Schild und das Lite und wünsche mir im Moment nichts sehnlicher, als mich so lange zu betrinken, bis ich wieder klar denken kann.
Dann gebe ich es auf, die Bierreklame anzustarren, und sehe für eine Weile fern, und nach einer kurzen Werbeeinblendung unseres Sponsors – so wie es aussieht, wurde uns dieses Attentat von Infiniti präsentiert – beginnt die Nachrichtenmaschine wieder von vorn, zurück zu Jesse Jackson, den Senatoren, dem Präsidenten, bevor es noch mehr Videos vom Tatort zu sehen gibt, und zeitlich springen die Berichte hin und her, zuvor und jetzt, die gelbschwarze Blüte der Explosion breitet sich aus dem zehnten Stockwerk dieses Hotels aus, und dann folgt eine Serie nervöser Aufnahmen, aus einem Nachrichtenhubschrauber heraus, der über dem brennenden Gebäude schwebt. Mit Polizei- und Feuerwehrhubschraubern, die darunter hin und her schwirren, Flammen, die seitlich aus dem Hotel und dem Appartementgebäude daneben lodern, und den ganzen Menschen, den ganzen armen, armen Leuten. Und dann wechselt der Blickwinkel zu dem Leiterwagen am Boden und dann zu den weißen, unbeschrifteten Helikoptern, die am Rand der Rauchwolke entlang kreisen und zur Landung auf dem Dach des Hotel Excelsior ansetzen. Die haben echt Eier, die Typen. Und dann steigt das FBI Hostage Rescue Team, eine SWAT-Einheit, in die Hubschrauber ein und wird weggeflogen, und die Typen sind angezogen, als würden nur noch Hakenkreuze auf den schwarzen Uniformen, Helmen und Masken fehlen, und ich will verdammt sein, wenn der Kommandeur der Truppe, der Kerl, der die anderen schwarz-uniformierten Typen in den Chopper winkt und dabei zusieht, wie sie ein paar Leichensäcke einladen, keine Smith & Wesson Model 29, sondern eine .44er Magnum in seiner rechten Hand hält.
Keine Chance, dass das als Dienstwaffe durchgeht. Keine verdammte Chance.
Zumindest weiß ich jetzt, wie sie herausgekommen sind. Die sind nicht einfach rausspaziert, nein, nein, die wurden ausgeflogen. Mit Stil. Mit freundlicher Unterstützung von irgendeiner Bundeseinheit.
Das ist jetzt nicht mehr nur zwei plus zwei. Jetzt sind wir bei chinesischer Arithmetik angekommen.
Tja, was passiert jetzt? Wenn ich sie wäre, würde ich ihnen raten, sich zu verteilen. Eine Auszeit nehmen. Eine Kreuzfahrt buchen. Tequilas in mich reinstürzen, den Hula-Tänzerinnen zusehen und mir die Eichel polieren lassen.
Andererseits, wenn ich sie wäre, würde ich mir wegen eines kleinen Problems Sorgen machen, und das wäre ich.
Oder machen wir zwei kleine Probleme daraus, denn das andere kommt gerade wieder vom Klo zurück, welches wahrscheinlich nicht weit vom nächsten Telefon entfernt ist und weshalb er auch wesentlich länger weg war, als man braucht, um einen Strahl in die Ecke zu stellen.
Nettes Gespräch mit deinen Jungs gehabt?, frage ich ihn, nur um ihn daran zu erinnern, wer hier das Sagen hat.
Oh, klar, antwortet er.
Tja, dann hoffe ich, dass sie gute Anwälte haben. An ihrer Stelle würde ich sehen, dass ich aus Dirty City rauskomme.
Kann gut sein, sagt er. Aber du bist keiner von denen. Zumindest noch nicht. Und du bist nicht dort.
Hey, sage ich, dann hab ich Neuigkeiten für dich. Alles, worum es geht, ist, von hier nach dort zu kommen.
Er will etwas antworten, aber ich schneide ihm das Wort ab: Auf meine Art. Und ohne jede Diskussion.
Ich denke eine Sekunde lang nach, und es dauert nicht lange, weil die Antwort quasi auf der Hand liegt.
Ich stehe auf und gehe nach hinten zu den Toiletten, und natürlich hängt ein Telefon neben der Tür zum Herrenklo. Ich werfe ein paar Vierteldollar ein und rufe Lauren an, meine Freundin in Philadelphia. Es klingelt. Ich warte und hoffe, dass jemand anderes als der Anrufbeantworter rangeht. Dann klingelt es das zweite Mal. Ich tue so, als wäre ich absolut entspannt.
Das dritte Klingeln, dann ein:
Hallo?
Hey, Lauren.
Hey, Burdon. Was liegt an?
Nicht viel. Also, eigentlich 'ne Menge.
Kommst du nach Philadelphia? Ich bin nicht mehr verlobt.
Ich weiß.
Ach ja, und wie willst–
Ich hab's an deiner Stimme gehört, Lauren. Und weißt du was? Du warst sowieso zu gut für ihn.
Oh, Burdon, wann ziehst du endlich her und heiratest mich?
Dafür liebe ich dich viel zu sehr, Lauren.
Wow, sagt sie. Wow, der war neu. Dachte, ich kenne sie mittlerweile alle, Burdon. Aber der war neu für mich. Wie geht's deiner Freundin?
Fiona geht's gut, Lauren. Aber–
Ich weiß, ich weiß. Es gibt einen Grund, warum du mich anrufst, und der ist sicher nicht, weil du dich einfach mal melden wolltest. Also, was ist los?
Du musst mir einen Gefallen tun, Lauren. Einen großen Gefallen. Einen riesigen Mann-geht-der-mir-auf-den-Sack-Gefallen.
Also, das braucht es, damit du an mich denkst?
Das oder ein Essen, Lauren.
Sie schweigt einen Moment. Und dann fragt sie: Also, was ist das für ein Gefallen?
Du musst dir ein Auto mieten. Quasi sofort. Dir fällt wieder ein, dass dein Auto zur Reparatur muss oder so etwas und dass du dir ein Auto mieten musst. Von jemand Anständigem, wie Hertz oder so. Mittelgroß, einen Taurus oder einen Capri vielleicht, nichts Auffälliges. Sieh zu, dass du dir die Versicherung geben lässt. Dann musst du den Mietwagen für mich nach Wilmington fahren. Du musst den Wagen auf dem Parkplatz der Amtrak-Station abstellen und die Schlüssel unter den Fahrersitz legen. Den Parkschein und den Mietvertrag packst du ins Handschuhfach. Dann legst du den Sportteil aus dem heutigen Inquirer oben auf das Armaturenbrett, direkt hinter die Windschutzscheibe, damit ich weiß, dass das unser Auto ist. Dann unternimmst du irgendwas, isst ein spätes Mittagessen oder gehst shoppen, ist mir egal, aber sperr das Auto nicht ab, und egal was du tust, du darfst nicht vor 20 Uhr zurückkommen. Wenn das Auto dann noch da steht, hey, dann gehört es dir. Wenn nicht, rufst du die Polizei, denn dann hast du herausgefunden, dass unser Wagen gestohlen wurde. Danach nimmst du den Zug zurück nach Hause. Verstanden?
Burdon–
Sie setzt an, unterbricht sich, seufzt und fängt dann noch einmal von vorn an.
Burdon, sagt sie, steckst du grad in irgendwelchen Schwierigkeiten?
Ja, sage ich, und mehr nicht, das ist alles, was sie wissen muss, denn sie sagt:
Ja, klar. Immer noch der alte Burdon. Okay, der Sportteil des Inquirer , richtig?
Richtig. Und du fährst sofort los, okay?
Okay, Burdon. Schon erledigt. Aber merk dir eines.
Was denn?
Du schuldest mir mehr als nur ein Abendessen.
Mehr, als du dir vorstellen kannst, sage ich zu dem schweigenden Telefon mit der Hand auf der Gabel. Mehr, als du dir vorstellen kannst.
Ich füttere das Telefon mit weiteren Vierteldollarstücken und versuche mein Glück auf Trey Costas Handy, bekomme aber nur eine Roboterstimme dran, die sagt, dass die Nummer nicht mehr vergeben ist.
Also kehre ich zu unserem Tisch zurück, zurück zum Kaffee und meinem Kumpel Jinx, und ich sage zu ihm: Okay, wir müssen ein wenig Zeit totschlagen, nicht viel, eine Stunde vielleicht. Wenn wir Wilmington erreichen, sind wir in Sicherheit. Aber dazu müssen wir erst mal nach Wilmington kommen, und das sind wie viel … fünfundvierzig Minuten … mindestens. Schon mal ein Auto gestohlen?
Scheiße, Mann, ich knacke schon länger Autos, als du dir einen von der Palme wedelst.
Also?
Also was?
Dann los.
Trink deinen Kaffee aus, sagt er. Ist längst erledigt.
Seine linke Hand kommt aus seinem Schoß geschwebt, und er hält einen Schlüsselbund in die Luft.
Der Pick-up-Truck da draußen, sagt er. Muss dem Barkeeper oder dem Koch gehören. Hat die Schlüssel in der Tasche seiner Jacke gelassen, die hinten an dem Haken neben der Küchentür hängt. Und, hey, heute ist ein geschäftiger Tag, viel los. Dürfte für eine ganze Weile keinem auffallen.
Dann kommt unser Essen. Er sticht seinen Spiegeleiern die Augen aus, bis die gelbe Flüssigkeit aus ihnen heraus und über das Stück Fleisch fließt, und er schneidet die Sauerei in kleine Quadrate und fängt an, sie in sich hineinzuschaufeln.
Was für eine Scheiße ist das?, frage ich ihn.
Es kommt nicht darauf an, was man isst, sagt er. Sondern wie man es kaut.
Okay, sage ich. Aber du zahlst die verdammte Rechnung.
Und dann lassen wir uns Zeit und trinken unseren Kaffee zu Ende, und nachdem Jinx die Rechnung bezahlt hat, spazieren wir vorn raus, gehen einmal um das Gebäude nach hinten herum und sind einfach nur zwei Typen, die sich in einen Pick-up-Truck setzen. Er fährt immer noch, ich sitze immer noch daneben und die Tasche steht genau zwischen uns, und er setzt zurück und dann fährt er schnurgerade auf die Ausfahrt an der Westseite zu, dann biegt er nach einer langen Reihe geparkter Sattelzüge rechts ab, dann fährt er aus Titos Truck Stop , und dann biegt er nach links ab, was uns zurück zum Turnpike bringt, und dann hören wir, wie die Sirenen von dem Polizeiwagen losplärren. Bliep, bliep, bliep. Und ich greife nach meiner Glock, und Jinx sagt: Verflucht. Und ich sage ihm, er soll langsamer werden, langsamer, und er sagt, ich soll die Klappe halten, meine verdammte Klappe halten und die Waffe runternehmen und ihm das Reden überlassen, und jetzt bremst er ab und setzt den Blinker und lässt den Truck an den Straßenrand gleiten, schön langsam, und bringt ihn sanft zum Stehen und sieht in den Rückspiegel, stellt den Ganghebel auf Parken, schaltet den Motor aus und sagt zu mir:
Ich regele das. Nimm die Waffe runter. Nimm sie runter.
Und dann traue ich meinen Augen kaum. Denn er zwinkert mir zu.
Ich sehe zum Rückfenster hinaus und beobachte den Cop – es ist ein State Trooper, der auf die typisch lässige State-Trooper-Art auf uns zugelaufen kommt – und ich denke so bei mir, dass mein Tag schon beschissen genug war. Ich will das nicht tun, einen Bundespolizisten umlegen, einen echten Cop, aber ich hebe die Glock an den Rand meiner Rückenlehne und weiß, dass ich tun werde, was nötig ist.
Jinx ist aus dem Pick-up gestiegen. Er wartet nicht auf den Cop, und er hat die Hände von sich gestreckt wie ein Basketballtrainer, der sich über diesen blinden Schiedsrichter aufregt, und so läuft er auf den Cop zu und ich bemerke, dass der Cop ein Schwarzer ist und der schwarze Cop die Hände vor sich ausgestreckt hat, um ihn zurückzuhalten, langsam, Junge. Und Jinx macht langsam, kratzt sich irgendwie mit der rechten Hand am Kopf und sagt irgendwas zu dem Cop und nickt sogar zu mir zurück, und der Cop schaut etwas unsicher, und dann springt er drauf an, schluckt Jinx' Köder so schnell, wie der ihn auswerfen kann, und dann deutet der Cop auf etwas hinten am Truck, und Jinx beugt sich vor, und der Cop beugt sich mit ihm zusammen hinunter, überprüfen irgendwas am Kotflügel, das Schlusslicht vielleicht, und ich spüre, wie sich meine Finger am Griff entspannen, und dann richtet sich Jinx wieder auf und der Cop ebenfalls. Und Jinx greift in seine Tasche, schön langsam, und kramt eine Brieftasche hervor und wühlt darin nach dem Führerschein oder so herum und händigt ihn dem Cop aus, und der Cop prüft ihn gründlich und schüttelt den Kopf, als würde er eine traurige Geschichte hören, und dann nickt er einmal, dann noch einmal, gibt Jinx den Kram zurück, und ich traue meinen Ohren nicht, aber dieser Typ überredet gerade einen Bundespolizisten des Staates New Jersey, ihm keinen Strafzettel zu verpassen, aber genau das tut er, und der Trooper schaut noch einmal zu mir, als wäre ich irgendein Zootier in einem Käfig von General Motors, und dann geht er zurück zu seinem Wagen, und Jinx stolziert zu dem Truck zurück, springt hinter das Lenkrad und grinst mich an.
Klappt jedes Mal, sagt er.
Lass mich raten, sage ich. So ein Ding unter Schwarzen, richtig?
Nein, sagt er. Ein Ding unter Grünen. Hat mich hundert Steine gekostet.
Er zerrt an dem Ganghebel, und dann sind wir auf und davon.