DIRTY CITY

QP Green lenkt den Lexus über die Highways und Nebenstraßen der Vororte von Maryland, bis alles zu einem Grau verblasst, das so schmutzig ist wie der Himmel selbst. Wir fliegen auf dem Autobahnring herein und fädeln uns zuerst auf die New York Avenue ein und dann wieder davon hinunter, in Richtung Süden, wie ich glaube. Die Geografie der Stadt ist total im Eimer, aber wir befinden uns im District of Columbia, so viel ist mal sicher, mit seinen kaputten Straßen und den eingefallenen Gebäuden, den zurückgelassenen Autos und den gleichermaßen zurückgelassenen Menschen und der Rauchsäule, die immer näherkommt, und irgendwann sagt QP Green: Hey hey hey hey hey, und mein Kumpel Jinx gibt mir den Tipp:
Nimm verdammt noch mal deinen Kopf runter.
Damit bringt er seine Homies zum Lachen. Und ich sehe die Kreuzung vor uns, und da ist eine Traube von Menschen auf der Straße, und eine Scheibe eines Schnapsladens geht zu Bruch, und Feuer steigt aus der Seite eines Backsteingebäudes daneben auf, und ich beschließe, wohl doch besser meinen Kopf runterzunehmen. Jinx beugt sich halb über mich, und QP Green nimmt mit dem Lex eine scharfe Kurve und fährt um Ecken und noch mehr Ecken, bis wir eine Brücke überqueren, vielleicht über den Anacostia River, und schließlich hält er an, keine Ahnung, wo wir sind, und Jinx sagt, dass ich hochkommen und aussteigen soll, und das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich an einer Straßenecke stehe und Jinx neben mir.
QP Green sagt irgendwas zu Jinx, und es ist eine Nummer, das ist alles, was ich raushören kann, eine Nummer, und dann wiederholt Jinx die Nummer, als wäre sie etwas, das man sich merken müsste, und QP Green nickt, genau, richtig. Dann gibt mir Jinx einen Klaps auf den Arm und sagt:
Okay, Bleichgesicht. Zeit für deinen Termin beim Doctor.
QP Green krakeelt noch etwas, das sich anhört wie jetzt oder nie, während er gleichzeitig die Lautstärke an seinem Autoradio voll aufdreht, und irgendein großmäuliger Rapper erzählt davon, wie er mit seinen großen schwarzen Stiefeln herumläuft, und dann prescht der Lex davon und man hört nur noch das verhallende Bumm Bumm Bumm.
Ich frage mich, ob das so sinnvoll ist, wir beide hier, in irgendeinem verlorenen Teil von Dirty City, aber Jinx scheint zu bemerken, was ich denke, und sagt:
Die Leute machen sich den Kopf über uns, die denken, wir wären Bullen. Polizei. Ist das zu fassen? Ich meine, überleg mal, wie viele Weiße man zusammen mit einem Schwarzen herumrennen sieht. Besonders hier.
Aber, hey, sagt er, und dann deutet er mit dem Kopf die Straße links von uns hinunter. Das hier ist 'ne gute Gegend, weißt du? Hier leben anständige Leute.
Und da hat er recht. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, aber es ist ein Wohnviertel. Eine schöne Gegend. Einfamilienhäuser stehen sauber aneinandergereiht dicht beieinander. Der perfekte Ort für ein Safe House oder um hier zu wohnen. Ich hatte ein halb verfallenes Crackhaus erwartet, irgendein Drecknest in den Slums im Südosten, aber das hier ist so ruhig und nett, dass es beinahe als Mittelklasse-Gegend durchgeht. Und das ist es auch, beinahe, an beinahe jedem anderen Tag, wenn heute nicht ein trauriger Tag wäre. Draußen spielen Kinder, fahren mit ihren Fahrrädern herum, werfen Körbe und spielen Gummitwist. Da sind Mütter und Tanten und Schwestern mit gequälten Gesichtern, die in den Himmel oder nach ihren Kindern sehen. Und Kerle sind da auch, Väter, die ihren Rasen wässern oder die Rabatte beschneiden und sich mit leisen Stimmen unterhalten. Ein Hund bellt, spurtet über die Straße und springt einem Teenager auf seiner Veranda in die Arme. Davor Gartenzäune, und natürlich sind sie weiß angemalt. Die Müllabfuhr fährt die Straße hinunter. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass sich da drüben, unter diesen grauen Wolken, dieser rastlose und heruntergekommene Ort namens Dirty City befinden soll.
Wir sind da, sagt Jinx. Wir bleiben vor einem weiteren Haus in dieser hübschen Straße dieser netten Nachbarschaft stehen. Er gibt mir einen Stoß, und seine Finger bohren sich in meinen ramponierten Rücken. Hoch mit dir. Und tue dir und mir einen Gefallen und halt die Klappe.
Ich hebe die Hände, folge dem kleinen Steinweg, betrete unsicher die Veranda des Hauses. Das Haus sieht wie jedes andere in der Straße aus, mit Ausnahme eines unerbittlichen Gesichts und des Laufs einer AK-47, die oben aus einem Fenster zu uns herunterstarren.
Jinx läuft um mich herum, öffnet die Vordertür und schiebt mich in den halbdunklen Innenbereich.
Scheiß drauf, lässt er mich wissen. Dann tritt er die Tür hinter sich zu.
Das Innere des Hauses trügt ebenfalls. Der Eingangsbereich und der Flur sind mit Tapeten verziert und auf spießige, feminine Art dekoriert, aber dann, hinter dem Flur, schließt sich ein größerer Raum an, der wie aus einem Industriegelände zu stammen scheint, schmutzig-weiß angestrichen und mit mehr Graffiti übersät als ein Bahnhofsklo. Der Raum wurde auseinandergenommen, die Möbel umgeworfen und beiseitegeschoben, um Platz für offene Kisten zu schaffen. In den Kisten befinden sich Waffen: Kalaschnikows und der Liebling von Onkel Sam, die M-16A. Kriegswaffen. An den Wänden hängen Poster von Martin Luther King und Malcom X, die wie gepeinigte Heilige auf diesen Wahnsinn hinunterblicken, und vielleicht sind sie ja auch genau das. An der Wand dürfte jetzt wohl auch ein Platz für Reverend Parks freigeworden sein.
Ein Typ mit einer Kangol-Kappe auf dem Kopf schiebt sich an uns vorbei. In jeder Hand hält er eine Sig .40. Die Jungs hier sind angepisst und wollen etwas zu tun bekommen. Im Kamin brennt ein Feuer, und eine Menge Papier wandert in seinen hungrigen Schlund. An einer Schulbank sitzt dieser dürre Zwerg, sein Kopf ist viel zu groß für seinen Körper, und seine Finger sind so dünn wie Bleistifte, und mit diesen hackt er wie wild in die Tastatur eines Laptops. Der Laptop hängt an der Telefonbuchse, und was immer der Kerl da macht, er macht es richtig.
So wie es aussieht, ist die U-Street-Crew dabei aufzubrechen, und zwar jeden Moment.
Das Ganze kriege ich mit einem Blick mit, denn mehr bekomme ich auch nicht, da Jinx mich wie einen räudigen Hund quer durchs Zimmer und in den nächsten Raum zieht, die Überreste eines Schlafzimmers.
Hey, Getto-Star.
Ein Typ mit einer Baskenmütze klatscht mit Jinx ab.
Hab gehört, dass du noch lebst, sagt der Typ mit der Baskenmütze zu Jinx. Niemand außer dir, Mann. Niemand außer dir.
Das stimmt, Bruder. Wo ist der Doctor?
In 'ner Beratung, sagt der Typ mit der Baskenmütze. Mit Ray-Ban und Cue Ball. Kommst gerade zum richtigen Moment. Sieht aus, als würde es Krieg geben, Mann. Als würde es Krieg geben.
Der Baskenmützen-Typ beschließt, mich nun in Augenschein zu nehmen. Grinst mich spöttisch an. Und das ist also das Weißbrot?
Ja, sagt Jinx. Und zu mir:
Du wartest hier. Und bleib' verdammt noch mal, wo du bist.
Dann folgt er dem Typ mit der Baskenmütze in den nächsten Raum.
Damit bin ich allein in dem leeren Zimmer. Nein, stimmt nicht, nicht allein, das Zimmer ist alles andere als leer. Ich höre sie, bevor ich sie sehe. Zusammengekauert zwischen einer Kommode und der hinteren Ecke sitzen zwei Frauen, eigentlich noch Mädchen, die sich Babys an ihre Brust drücken und mich mit argwöhnischen, zornigen Augen anstarren. Eines der Babys dreht sein kleines Köpfchen herum und gibt ein süßes Lachen von sich, das mir beinahe körperliche Schmerzen bereitet.
Dann sind laute Stimmen und schwere Schritte zu hören, und dann ist da wieder der Typ, immer noch die gleiche Kappe auf dem Kopf und das gleiche Grinsen im Gesicht, mit dem er verschwunden ist, und ein Typ mit Sonnenbrille, und dann noch Jinx, und dahinter ist dieser schwarze Buddha, ein massiges Schwergewicht mit glattrasiertem Kopf, weshalb er dann wohl Cue Ball sein dürfte, und der Kerl mit der Baskenmütze sagt zu Cue Ball:
Was für 'ne kranke Scheiße, Mann. Die machen Juan E und meinen Nigga Jinx zu Killern. Diese verdammten weißen Teufel. Ich hab's dir gesagt, aber du wolltest ja nich' hören. Hab dir gesagt, dass–
Seine Worte verhallen in plötzlicher Stille. Ein Schatten quillt herein, unter dem Türrahmen hindurch und auf mich zu, und ich höre, wie mir ein Kobold in meinem Ohr etwas flüstert, aber ich bleibe, wo ich bin, bewege mich keinen Zentimeter, als der Schatten das Zimmer betritt und zu einem Mann wird.
Das ist er, der einzig wahre Doctor D, der König der U Street, der König des südöstlichen Teils der Stadt, meinetwegen auch der König von Dirty City. Die Fotos in den Zeitungen werden ihm nicht gerecht. Dieser Typ gibt dem Wort tiefschwarz eine völlig neue Bedeutung. Er ist schwärzer als schwarz, dunkler als dunkel, und wirkt nicht nur kalt, nicht nur wie Eis, er ist die verdammte Antarktis.
Jinx sagt, was niemand laut aussprechen muss:
Das ist Doctor D.
Was macht man also in so einem Moment? Was soll man in so einem verdammten Moment tun?
Ich halte ihm die Hand hin und sage:
Burdon Lane. Schön, Sie kennenzulernen.
Doctor D sieht auf meine Hand hinunter, und dann sieht er mich an, als wäre ich eine Fliege, oder noch besser, ein Fliegenschiss, etwas, das so klein ist, dass man sich nicht einmal die Mühe machen würde, es von seinem Schuh zu kratzen.
Wer mich kennt, schuldet mir was, sagt er.
Seine Stimme hat absolute Macht. Damit kann er Tote wieder aufwecken.
Der Kerl mit der Sonnenbrille kommt auf mich zu, tastet mit seinen Händen die Innenseiten meiner Anzugsjacke ab, lässt die Glock in ihrem Bianchi-Holster stecken, aber zieht die andere unter meiner Armbeuge hervor.
Junge, sagt er zu mir, du bist wahrscheinlich das einzige Weißbrot innerhalb einer Meile, mal abgesehen von der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst. Bist du übergeschnappt?, fragt er mich. Dann presst er mir die Glock an den Hals. Oder bist du Jesus?
Er krümmt seinen Zeigefinger um den Abzug.
Bamm, sagt der Typ mit der Sonnenbrille, und dann fängt er wie ein Idiot an zu lachen. Er schiebt die Glock bis an mein Kinn hinauf, und dann nimmt er sie weg.
Dann sagt er:
Denn niemand, der so weiß ist wie du, besucht Doctor D.
Hey, Ray-Ban. Der Typ mit der Baskenmütze stößt den mit der Sonnenbrille am Ellenbogen an. Hey, Ray-Ban, Bruder, was erzählst du denn da? Jesus war ein Schwarzer . Ein schwarzer Mann. Das weißt du doch.
Doctor D wirft dem Typen mit der Baskenmütze einen Blick zu, bei dem er sich ohne Weiteres in die Hosen machen könnte. Er nimmt Ray-Ban die Glock ab und nickt Cue Ball zu, der zu mir sagt:
Du lebst, Teufel. Vielleicht nicht mehr lange, aber im Moment bist du am Leben. Wenn das so bleiben soll, hat der Doctor ein Rezept für dich: Tu, was der Doctor sagt.
Im gleichen Moment zieht Kareem, oder wie sie den Kerl mit der Baskenmütze auch nennen mögen, seine eigene Pistole hervor, eine Walther P5, und das ist noch gute alte Wertarbeit, keine beidhändigen Kontrollen, nur acht Schuss, und damit wedelt er herum.
Lass mich ihn wegblasen, sagt er zu Doctor D. Wenn du mit dem Teufel fertig bist, dann überlass ihn mir D. Lass mich ihn umlegen. Ich will's machen.
Jinx schiebt Kareems P5 aus dem Weg und sagt zu seinen Spielkameraden:
Ich sage nur ein Wort über dieses weiße Stück Scheiße: Zeuge. Die haben uns reingelegt. Die ganze verdammte Crew. Morgen wird in den Zeitungen stehen, dass die U-Street-Crew Gideon Parks auf dem Gewissen hat. Ich meine, auf CNN sagen sie das bereits jetzt. Die sagen, wir hätten den Abzug gedrückt. Und er hier ist der einzige Mann, der bezeugen kann, dass es nicht so war.
Der gute Doctor sieht zuerst Jinx und dann mich an.
Das weiß ich, mein Freund, sagt er zu Jinx.
Was ich jedoch nicht weiß, ist, wieso dieser Mann so etwas zugeben sollte.
Sein Arm wickelt sich um Jinx' Schulter und zieht ihn zu sich heran.
Was ist mit Daddy Big und diesen 9 Bravos?
Die verfluchten Bravos sind alle tot, erklärt Jinx. Und Daddy Big? Der Mann hier sagt, dass sie ihn auch umgelegt haben, aber dann haben sie ihn rausgeschafft, haben ihn absichtlich verschwinden lassen. Damit sind die Bravos noch mehr am Arsch. Und wir auch.
Das dachte ich mir. Die 9 Bravos sind zu dumm, um sich etwas in der Größenordnung selbst auszudenken.
Hey, sage ich zu ihnen. Damit schrecke ich den Typen mit der Kappe, den mit der P5, wieder auf und handle mir wieder sein Rumgefuchtel mit der Waffe ein. Aber der Doctor und Jinx sind mit sich beschäftigt.
Hey, sage ich noch einmal.
Keine Reaktion, also rufe ich noch einmal:
Hey, sage ich, und dieses Mal etwas schärfer: Hey, Doctor D. Das sieht mir hier alles ein wenig durcheinander aus. Wo liegt das Problem? Sind die Sozialhilfeschecks spät dran?
Damit errege ich Doctor D's Aufmerksamkeit, und seine Augen schnellen zu mir herüber. Er ist erstaunt – und aufgebracht. Also, jetzt oder nie.
Hör zu, sage ich zu ihm. Das war ein Witz, okay? Ich meine, ich weiß, ihr Jungs habt zu tun und so, aber, hey, D. Kann ich dich D nennen? Okay, D, hör' zu, kann ich dich mal was fragen?
Doctor D's Blick wird kalt und leer. Kein schöner Anblick. Kareem tritt zwischen uns und presst mir die P5 wieder an den Hals.
Lass mich ihn umlegen, D. Auf einen weiteren toten weißen Klugscheißer mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an.
Aber der Doctor wird mir zuhören. Ich weiß, dass er mir zuhören wird.
Du hast mir doch schon eine Frage gestellt, sagt er. Zwei, um genau zu sein. Und niemand braucht eine Erlaubnis, um den Doctor etwas zu fragen.
Dann macht er eine Pause, und dann kommt's:
Aber die Antworten, mein Junge. Das ist ein anderes Thema.
Doctor D macht einen Schritt auf mich zu.
Weißt du, wie man betet, Junge? Weißt du, wie man betet? Denn das ist das Einzige, was du in diesem Leben noch tun wirst. Der Doctor gibt dir noch eine Minute, um zu beten – er zeigt mir sein Goldzahn-Lächeln – und eine Sekunde, um zu sterben.
Das zaubert ein Lächeln in Kareems Gesicht und handelt mir einen weiteren Stoß mit der P5 ein.
Vielleicht ist das so, D, vielleicht ist das so, sage ich. Aber bevor ich Gott um etwas bitte, will ich dich noch etwas fragen. Nur eine Frage. Sieh es als letzten Wunsch an, okay?
Dafür ernte ich beinahe ein Lächeln.
Okay, meinetwegen. Eine Frage. Schieß los, Teufel.
Also, fange ich an, wie ich sehe, habt ihr hier eine nette Nachbarschaft. Schöne Häuser, nette Leute, nette Kinder. Vielleicht nicht die Cosby Show , aber trotzdem … nett. Aber eines frage ich mich, weißt du, eines frage ich mich immer wieder, und das ist die Frage, die ich dir stellen will:
Holen die hier immer sonntags den Müll ab?
Kareem rammt mir die verdammte Walter an die Seite meiner Nase, und ich spüre, wie sie mir den Knorpel zudrückt.
Ich leg ihn um, D. Lass mich ihn kaltmachen, lass mich–
Doctor D's Augen ziehen sich zu kleinen Schlitzen zusammen, und ich weiß, dass ich diesen Blick nie wieder sehen will. Und für einen Moment glaube ich, dass ich dazu auch nie mehr die Chance bekomme.
Er schiebt Kareem aus dem Weg und geht ans Fenster. Schiebt die Vorhänge zur Seite und schaut hinaus. Sieht zurück zu mir. Wirbelt auf mich zu, hebt die Glock, meine Glock, hebt sie in die Luft und … drückt sie mir in die Hand.
Doctor D dreht mir und meiner Pistole den Rücken zu und sagt an seine U-Street-Crew gewandt nur ein Wort, das Wort des Tages:
Fuck.
Dann wird er ernst, eine Stimme, die stahlhart ist und das Sagen hat.
Yo. Alle mal herhören, sagt er, und mehr braucht es nicht, damit sofort Stille herrscht und er die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Crew hat. In ein paar Minuten haben wir die Bullen im Haus. Ihr wisst alle, was zu tun ist. Also los.
Dann sagt er: Yoda. Damit ist der dürre Zwerg mit dem Laptop gemeint. Das Kid nimmt seinen Kopf vom Bildschirm, aber er ist gar kein Jugendlicher, sondern geht stark auf die dreißig zu.
Du bist dran, sagt der Doctor.
Yoda lässt ein verrücktes Grinsen aufblitzen und zieht irgendeine Art von metallener Kiste aus dem Gerümpel, das auf dem Boden verteilt liegt. Aus der Kiste ragen Drähte, und die Drähte führen an dem Tischbein hinab und in ein kleines Paket, das unter das nächstgelegene Fenster geklebt wurde, und dann wieder hinunter auf den Boden und dann wieder hinauf zum nächsten Fenster, die sind alle miteinander verkabelt, muss Plastiksprengstoff sein, und ich denke noch so bei mir: Oh … Scheiße.
Kareem wippt auf seinen Füßen vor und zurück und sagt zu mir: Damit lassen wir Waco aussehen wie Unsere kleine Farm .
Und ich denke immer noch. Oh, Scheiße. Ich bin den ganzen Weg von Manhattan nach D.C. gekommen, um eine Gastrolle als Grillwürstchen zu spielen.
Außer einer Sache natürlich, sagt Kareem. Wir werden nicht so wie die draufgehen. Wir gehen gar nicht drauf.
Cue Ball. Dieser riesige schwarze Buddha checkt seine Handfeuerwaffe, ein Riesending von einer Automag V. Trommle die Frauen zusammen, weist ihn Doctor D an.
Blondie. Jeff.
Zwei Typen in Skimasken treten auf den Plan und laden ihre AK's mit Banana-Clip-Magazinen.
Ihr zählt bis dreißig, erklärt ihnen der Doctor. Dann bewegt ihr eure Ärsche vorn raus und haut auf den Putz. Zwei Müllwagen kommen von Osten. Das sind Cops. Aber schießt vorbei, verstanden? Haltet sie einfach nur auf. Und lasst euch nicht über den Haufen schießen. Dann bewegt ihr eure Ärsche wieder hier rein und verschwindet.
Verschwinden?
Jinx, sagt D, bring den weißen Teufel hier weg. Und lass ihn am Leben. Auch wenn du ihn dafür umlegen musst.
Der Typ mit der Baskenmütze, Kareem oder so, ruft Jinx zu: Mach schon. Und Jinx schiebt mich in Kareems Richtung, durch die Tür und in die Küche und auf eine andere Tür zu, und dort führen Stufen in einen Keller hinunter, und die steigen wir hinab.
Ich packe meine Glock fester und halte den Kopf oben.
Das wird nicht funktionieren, sage ich zu Jinx.
Beweg dich, lautet seine Antwort. Beweg dich einfach. Nicht zurücksehen. Denk nicht einmal dran zurückzusehen. Lauf einfach weiter.
Diese Typen mit den AK's müssen eiskalte Burschen sein, denn ich kann hören, wie sie draußen den Vorgarten aufmischen.
In dem Keller ist es stockdunkel, ich sehe überhaupt nichts. Der Typ mit der Baskenmütze holt uns ein, er hat eine Taschenlampe dabei und geht voraus, und jetzt kann ich etwas erkennen, einen silbernen Lichtschein, und der Kerl mit der Kappe zieht eine andere Tür auf, und das ist ein Schrank oder so was. Eine schmucklose Glühbirne gibt gerade so viel Licht ab, dass man die Steinwände und die Umrisse eines grob in die Erde getriebenen Korridors sehen kann. Ein Tunnel. Ein beschissener Tunnel.
Der Tunnel sieht aus wie in diesen alten Westernfilmen, ein Minenschacht, der durch Dreck und Lehm gehauen und alle paar Meter mit Holzbalken abgestützt wurde. Der Typ mit der Kappe leuchtet voraus, und wir laufen für vielleicht hundert oder mehr Meter weiter, dann biegt der Gang nach rechts ab und wir stolpern in einen Raum aus Beton, nicht sehr groß, zweieinhalb Quadratmeter, mit einer Öffnung am anderen Ende, die wie ein Tunnel aus Beton aussieht. Ich denke, dass es ein Luftschutzkeller sein könnte, die Kanalisation oder der Keller des Nachbarhauses, wer weiß, aber es spielt ja auch keine Rolle, und ich laufe einfach weiter, Jinx schiebt mich mit der Hand immer wieder voran, und ich sehe Leute in dem Raum, viele Frauen, ein paar Kinder und noch ein paar Typen mit Sturmgewehren.
Was geht?, fragt einer der Typen, und der Kerl mit der Kappe sagt:
Bullen.
Und ich sage zu dem Typen, der noch ein Kind ist, wirklich, sechzehn oder siebzehn Jahre alt, ich sage:
Nicht nur Cops. Auch die Feds. Und das FBI. ATF.
Denen werden wir einheizen, sagt er mit lodernden Augen, lässt mit einem Schlag gegen deren Unterseite das Magazin in seine AK hineinschnappen und macht sich auf den Weg zurück zu dem Haus.
MJ!, ruft hinter ihm eine Frau und springt auf. MJ!, ruft sie und rennt ihm hinterher.
Scheiße, sagt Jinx.
Gehen wir, sagt der Typ mit der Baskenmütze zu den restlichen Frauen. Vorwärts.
Jinx und ich betreten den Betontunnel, und der Tunnel windet sich hin und her, und es scheint, als würden wir ewig hindurchlaufen, unsere Schritte hallen von den Wänden, zusammen mit den Schritten hinter uns, vielen Schritten, und schließlich dröhnt eine Stimme über alles hinweg, und die Stimme ruft. Los, los, los!
Die Stimme lässt Jinx wie einen Hund anspringen, der etwas gewittert hat. Los!, brüllt er mich an. Er stößt mich nach vorn, und ich stolpere und falle beinahe hin, als der Tunnel auf einmal weiß wird, und ich spüre, wie von hinten eine Hitzewelle über mich hinwegrollt. Und dann sehe ich ein Licht. Und dann ist der Tunnel verschwunden und ich sehe Sonnenlicht und inmitten des Sonnenlichts einen anderen Schatten.
Ich sehe mir den Typen an, und es ist einer von den Doublemint-Zwillingen aus dem Lexus. Die gleichen Goldketten, das gleiche breite Grinsen, die gleiche MAC-10.
Willkommen in der Hölle, begrüßt mich QP Green.