27

Meeresnebel treibt in der Nachtluft und leuchtet orange und gelb. Griff und Hero laufen voraus und verschwinden in der Dunkelheit. Alice und Frank folgen ihnen langsam. Oben auf der Promenade ziehen Nachtschwärmer von Pub zu Pub. Sie singen und albern mit lauten Stimmen. Derry und Daniel sind vor einer Stunde nach Hause gegangen, und vor zehn Minuten sind Kai und seine Freunde zu ihrer Party aufgebrochen. Romaine ist mit Jasmine und Sadie zu Hause geblieben, während sie beide mit den jüngeren Hunden einen kurzen Spaziergang machen. Nach der drückenden Hitze und der klaustrophobischen Enge im Cottage – die vielen Menschen im Haus, der Backofen, die rot glühenden Holzscheite im Kamin – wirkt die frische, feuchte Luft belebend.

Seit sie aus dem Haus getreten sind, ist Frank sehr schweigsam, genau genommen war er das schon beim Essen.

»Tut mir leid, was Jasmine vorhin gesagt hat«, sagt Alice. »Das war gar nicht ihre Art.«

Frank sieht sie verwirrt an, dann schüttelt er den Kopf. »Nein, ehrlich, das war nicht schlimm. Ich habe mich danach sogar etwas besser gefühlt, weil ich ein paar Dinge aussprechen konnte, die mir auf dem Herzen lagen. Das ist viel besser, als wenn sich alle über dich ärgern, aber zu höflich sind, es zu sagen.«

»Niemand nimmt dir übel, dass du bei uns bist.«

»Na ja, du vielleicht nicht.«

Dann ist er wieder still, und sie gehen schweigend weiter.

Die Hunde haben etwas an der Küste entdeckt. Sie rasen los und sind schon bald außer Sichtweite.

»Verdammt noch mal«, sagt Alice. »Was machen sie da schon wieder? Griff!«, ruft sie. »Hero!«

Sie beschleunigt ihren Schritt, und dann rennen sie und Frank über den Strand. Als sie die Bucht erreichen, erkennen sie sofort, was die Hunde abgelenkt hat. Ein kleiner Fuchs steht auf der obersten Stufe der Steintreppe, die zur Promenade hinaufführt. Triumphierend und verächtlich blickt er auf die Hunde herab. Griff und Hero starren das Tier keuchend an, dann werfen sie sich einen fragenden Blick zu.

»Ihr Dummköpfe«, sagt Alice und geht mit den Hundeleinen in der Hand auf sie zu. Aber jetzt sind sie nicht mehr zu halten. Der Mond steht hoch am Himmel, es ist fast Vollmond. Einige Möwen sind herabgestoßen und picken zwischen den Felsen im Wasser. Die Hunde preschen los. Alice dreht sich zu Frank um und ruft: »Das tut mir wirklich leid. Du kannst zum Cottage zurückgehen, wenn du magst.«

Er lächelt und folgt ihr. Die Möwen bemerken, dass sich zwei Hunde nähern, und ergreifen die Flucht. Der Mond lässt ihre weißen Bäuche leuchten, als sie davonfliegen. Die Hunde rennen immer noch. Alice brüllt ihnen hinterher und pfeift auf zwei Fingern, so wie sie es von ihrem Vater gelernt hat. Endlich bleiben Griff und Hero am äußersten Ende der Bucht stehen, da, wo im Sommer die Steam Fair stattfindet und die Touristen gern in der Sonne liegen. Das Café in der Kaimauer hat geschlossen, die Fahrgeschäfte sind abgedeckt und angeschlossen. Von der Promenade oben dringt der Lärm der Spielhalle zu ihnen. Dort hat Frank den ganzen Donnerstag lang gesessen und sich an das Mädchen auf dem Karussell und den Mann, der ins Meer sprang, erinnert.

Die Hunde hocken keuchend zu Alices Füßen, während sie sie anleint. »Also«, sagt sie. »Ich schätze, wir haben einiges von dem mächtigen Abendessen abtrainiert.« Sie dreht sich lächelnd zu Frank um, aber er schaut sie gar nicht an. Er starrt auf das Kliff, das hinter dem Ende der Bucht liegt. Es ist wieder derselbe Blick, das kann sie inzwischen erkennen. Instinktiv stellt sie sich neben ihn. »Was ist los?«

Frank starrt immer noch in die Ferne. »Das Haus dort«, sagt er und zeigt auf eine von Eiben umgebene Villa an der äußersten Felsspitze. »Wem gehört dieses Haus?«

Schwer lehnt er sich gegen sie; sie stützt ihn, so gut sie kann. »Das große Haus? Ganz am Ende?«

»Das dort.« Er zeigt mit dem Finger in die Richtung.

»Ich weiß nicht, wer dort jetzt wohnt, aber Derry hat mal erzählt, dass es früher einer berühmten Schriftstellerin gehört hat. Allerdings ist das schon lange her.«

Er schüttelt den Kopf, als würde er denken, sie habe unrecht. »Dort gibt es einen Pfau«, sagt er.

Alice lächelt. »Ja, das könnte sein.«

Er dreht sich um und sieht sie an. Das milchige Mondlicht taucht sein Gesicht in ein gespenstisches Licht. »Nein, ganz sicher gibt es dort einen Pfau. Ich erinnere mich daran. Und ich glaube …« Er legt sich beide Hände auf den Mund und beginnt, sich geistesabwesend in die Fingerknöchel zu beißen. Als er ihr wieder ins Gesicht blickt, sind seine Augen voller Tränen. »Als wir zu Abend gegessen haben – ich glaube, ich habe einen Menschen verletzt, Alice. Vielleicht habe ich ihn sogar umgebracht.«

Sie spürt, wie sein ganzer Körper an ihrer Seite zittert.

»Ich halte das nicht mehr aus, Alice. Wirklich nicht. Und dieses Haus dort.« Ängstlich hebt er den Blick. »Ich kenne dieses Haus. Ich kenne dieses Haus besser als sonst irgendwas. Ich glaube, früher habe ich da gewohnt.«