Literatur, Musik, Malerei, Kino: Frankreichs reiches kulturelles Erbe gipfelt in der französischen Lebenskunst (art de vivre). Moderne französische Schriftsteller finden im Ausland nicht immer einen Verleger, aber Größen wie Voltaire, Victor Hugo, Marcel Proust und Simone de Beauvoir haben es in die Hall of Fame geschafft. Die Liebe zur Musik ist Franzosen in die Wiege gelegt. Aus Paris kommen Rap, Dance-Tunes und Electro von Weltformat. Die französische Malerei deckt alle Zeiten von prähistorischer Höhlenkunst bis zu provokativer Street Art ab und der französische Film erlebt mal wieder eine Renaissance.
Im Mittelalter dominierte der lyrische Minnesang der Troubadoure die französische Literatur. Die damaligen Romane orientierten sich an keltischen Sagen. Der aus 22 000 Versen bestehende Roman de la Rose (Rosenroman) von Guillaume de Lorris und Jean de Meun führte allegorische Figuren wie Wollust, Scham und Furcht ein.
Die französische Literatur der Renaissance war produktiv und vielseitig. Anteil daran hatte auch die Dichtergruppe La Pléiade, die zwischen 1550 und 1570 aktiv war. Der aus dem Loire-Tal stammende François Rabelais (1494–1553) verwob in seinen prallen Erzählungen deftigen Humor mit enzyklopädischem Wissen. In seinen Werken sind alle möglichen Charaktere, Berufe und Dialekte jener Zeit vertreten und so schuf er ein breit angelegtes Panorama des damaligen Frankreich. Michel de Montaigne (1533–1592) verhandelte in seinen Essays so breit gefächerte Themen wie Kannibalismus, Schlachtrösser, Trunkenheit oder die Ähnlichkeit von Kindern mit ihren Vätern.
Im grand siècle (17. Jh. in Frankreich) hatten die klassischen Oden und Tragödien ihren großen Auftritt. François de Malherbe (1555–1628) stellte für das Versmaß in der Dichtung neue Regeln auf und Marie de La Fayette (1634–1693) verfasste mit La Princesse de Clèves (Die Prinzessin von Clèves, 1678) den ersten psychologischen Roman der französischen Literatur.
Das 18. Jh. stand im Zeichen der philosophischen Werke Voltaires (1694–1778). 1802 wurde der französische Romantiker Victor Hugo (1802–1885) in Besançon geboren. Seine Gedichte und Romane – darunter Les Misérables (Die Elenden) und Notre-Dame de Paris (Der Glöckner von Notre-Dame) umfassen eine enorme Themenvielfalt und räumen technischen Neuerungen einen besonderen Platz ein.
1857 erschienen die literarischen Meilensteine Madame Bovary von Gustave Flaubert (1821–1880) und die Gedichtsammlung Les Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen) von Charles Baudelaire (1821–1867). Derweil übertrug Émile Zola (1840–1902) in seinem gewaltigen Zyklus Les Rougon-Macquart naturwissenschaftliche Methoden auf das Schreiben von Romanen.
Die Symbolisten Paul Verlaine (1844–1896) und Stéphane Mallarmé (1842–1898) strebten danach, seelische Zustände auszudrücken. Verlaine führte eine stürmische homosexuelle Beziehung mit dem Dichter Arthur Rimbaud (1854–1891): So nahm die moderne französische Lyrik ihren Anfang.
Das 20. Jh. wurde vom längsten Roman der Welt eingeläutet: Marcel Prousts À la Recherche du Temps perdu (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) ist ein siebenbändiges Werk mit 9 609 000 Buchstaben. Minutiös untersuchte Proust darin die wahre Bedeutung erlebter Erfahrungen, die das Unterbewusstsein als „unwillkürliche Erinnerungen“ abspeichert.
Bis zum Zweiten Weltkrieg war der Surrealismus die treibende Kraft. In seinen autobiografischen Erzählungen fing André Breton (1896–1966) den Geist dieser Bewegung ein, die das Traumhafte, Unterbewusste und alle Erscheinungsformen des „Imaginären“ ins Zentrum rückte. In Paris schockierte und faszinierte die Lebenskünstlerin Colette (1873–1954) ihre Leser und Leserinnen mit pikanten Romanen, die die amourösen Abenteuer ihrer Heldinnen, z. B. die des Schulmädchens Claudine, bis ins kleinste Detail ausleuchten. 1943 wurde in New York jenes Buch veröffentlicht, das zu einem der meistverkauften französischen Werke aller Zeiten werden sollte: Le Petit Prince (Der kleine Prinz) von Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944), seines Zeichens Autor und Pilot, eroberte die Herzen von Millionen von Menschen mit einer zauberhaften, philosophischen Erzählung für Kinder, in der die Abenteuer eines Piloten und eines kleinen, blonden Prinzen vom Asteroiden B-612 beschrieben werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mündeten die Debatten zwischen Jean-Paul Sartre (1905–1980), Simone de Beauvoir (1908–1986) und Albert Camus (1913–1960) in den Pariser Cafés am linken Seine-Ufer in die Philosophie und Literatur des Existenzialismus.
In den 1950er-Jahren beschritten experimentelle junge Autoren mit dem Nouveau Roman neue Wege der Erzählkunst. Nathalie Sarraute gelang mit Les Fruits d’Or (Die goldenen Früchte) ein bestechendes Psychogramm der handelnden Figuren. Dominique Aury brachte 1954 unter einem Pseudonym Histoire d’O (Geschichte der O) heraus, einen sadomasochistischen Erotikroman, der im Ausland höhere Auflagen erzielte als irgendein anderer französischer Roman jener Zeit.
Für Aufsehen sorgte auch die radikale junge Schriftstellerin Françoise Sagan (1935–2004), die 1954 im Alter von nur 18 Jahren mit ihrem ersten Roman Bonjour Tristesse (übersetzt „Hallo Traurigkeit“) schlagartig berühmt wurde. Durch ihren stürmischen, von Hedonismus geprägten Lebensstil hielt sich die feierfreudige Schriftstellerin aus bürgerlichen Verhältnissen bis an ihr Lebensende 2004 im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit.
Marc Levy (www.marclevy.info) ist der meistverkaufte Schriftsteller Frankreichs. Die Filmrechte an seinem ersten Roman sicherte sich Steven Spielbergs Produktionsgesellschaft Dreamworks für den Kinohit Solange du da bist (Just like Heaven, 2005). Seitdem wurden seine Romane in 49 Sprachen übersetzt. Sein 16. Roman, Elle & Lui (2015), erschien 2017 in deutscher Übersetzung als Er & Sie. Eine Liebe in Paris (2017). Auch die Nachfolger La Dernière des Stanfield (2017) und Une Fille comme Elle (2018) dürften nicht lange auf sich warten lassen.
Kein französischer Schriftsteller schildert die Stimmung, Lebenseinstellungen und politische Situation der ethnischen Minderheiten Frankreichs besser als Faïza Guène (geb. 1985; http://faizaguene.fr). Die Sensation der französischen Literaturszene schreibt in einem bemerkenswerten städtischen Slangstil. Geboren und aufgewachsen ist sie in einem Pariser Vorstadtghetto. Sie überwältigte die Kritiker mit ihrem Debütroman Kiffe Kiffe Demain (2004), der in 27 Ländern verkauft wurde und in Deutschland unter dem Titel Paradiesische Aussichten (2006) erschien. Faïza Guènes Vater kam 1952 im Alter von 17 Jahren aus Westalgerien als Bergarbeiter nach Nordfrankreich. Ihr jüngstes Werk, Millénium Blues (2018), beginnt mit einem Unfall in Paris während des Hitzesommers 2003.
Eine weitere Pariser Autorin ist Delphine de Vigan (geb. 1966), die bislang acht Romane vorgelegt hat. Viele davon sind ins Deutsche übersetzt, so auch der Psychothriller D’après une Histoire vraie (Nach einer wahren Geschichte, dt. 2016) über eine Schriftstellerin namens Delphine, die mit ihren Kindern im Teenageralter und ihrem Mann, einem bekannten Journalisten, in Paris lebt.
Jean-Marie Gustave Le Clézio, der während des Zweiten Weltkriegs in Nizza geboren wurde (seine Mutter stammte aus Nizza, sein Vater von Mauritius), schreibt fesselnd über verschiedenste ethnische Themen. Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er in Nigeria; später studierte er in Bristol, Großbritannien und Aix-en-Provence. 2008 gewann er den Nobelpreis für Literatur.
2014 ging der Literaturnobelpreis dann an den Pariser Schriftsteller Patrick Modiano (geb. 1945). Sein berühmtestes Werk bleibt Rue des Boutiques obscures (1978; Die Gasse der dunklen Läden), für den er auch den Prix Goncourt erhielt. Sein jüngster Roman ist Souvenirs dormants (2017; Schlafende Erinnerungen).
Wer sichergehen will, dass die Strandlektüre topaktuell ist, kann sich an die jüngsten Gewinner des Prix Goncourt, des renommiertesten Literaturpreises Frankreichs, halten. Er wird seit 1903 jährlich verliehen. Die Werke der letzten Preisträger spiegeln die gegenwärtige Auseinandersetzung um die Themen Multikulturalität und Einwanderung wider.
Preisträger waren u. a. 1919 Marcel Proust für À l’Ombre des jeunes Filles en Fleurs (Im Schatten junger Mädchenblüte; 2. Band von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit; dt. 1954) und 1954 Simone de Beauvoir für Les Mandarins (Die Mandarins von Paris; dt. 1955). Marie NDiaye, die 2009 als erste schwarze Autorin den Preis gewann, verblüffte die Literaturwelt im Alter von 21 Jahren mit der Comédie Classique (1988), einem 200 Seiten langen Roman, der aus nur einem einzigen Satz besteht. 2017 ging der Preis an Eric Vuillard für L’Ordre du Jour (Die Tagesordnung), ein historisches Werk über den Aufstieg Hitlers und den „Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938.
Ins Reisegepäck gehören dann auch noch die Gewinner des anderen großen französischen Literaturpreises, des Grand Prix du Roman de l’Académie Française, der seit 1914 verliehen wird. 2017 errang Daniel Rondeau den begehrten Preis mit Mécaniques du Chaos, einem vielstimmigen Roman, der Dutzende verschiedener zeitgenössischer Welten nebeneinander stellt.
Der Jazz erreichte das Paris der 1920er-Jahre mit der im Bananenröckchen auftretenden Josephine Baker, einer afroamerikanischen Kabaretttänzerin. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verschlug es einen ganzen Trupp von US-amerikanischen Musikern nach Frankreich, vor allem Afroamerikaner, die es vorzogen, im Pariser Bohemeviertel Montmartre zu bleiben, anstatt in die USA zurückzukehren, wo Rassismus und Rassentrennung vorherrschten. Sidney Bechet ließ sich 1949 in Paris nieder, 1956 folgte der Jazzschlagzeuger Kenny „Klook“ Clarke, 1959 kam der Pianist Bud Powell und in den frühen 1960er-Jahren traf der Saxofonist Dexter Gordon ein.
1934 lief der Pariser Jazzgeiger Stéphane Grappelli in einem Nachtclub in Montparnasse zufällig dem Sinti-Musiker Django Reinhardt über den Weg, der trotz des Verlustes zweier Finger virtuos Gitarre spielte. Infolge dieser Begegnung gründeten die beiden das legendäre Quintette du Hot Club de France. In den 1950er-Jahren machte Claude Luter mit seiner Dixieland-Band Furore.
Die Lied-Tradition des chanson française, die auf die Troubadoure des Mittelalters zurückgeht, wurde Anfang des 20. Jhs. vom Varieté in den Schatten gestellt, erlebte mit Édith Piaf und Charles Trenet in den 1930er-Jahren aber ein glänzendes Comeback. 20 Jahre später sorgten die Cabarets der rive gauche (linkes Seine-Ufer in Paris) mit Chansonniers wie Léo Ferré, Georges Brassens, Claude Nougaro, Jacques Brel und – sehr charmant, sehr französisch und sehr sexy – Serge Gainsbourg für Nachwuchs. Vom Leben des Letzteren erzählt die gefeierte Filmbiografie Serge Gainsbourg: Une Vie héroïque (Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte), die 2010 in die Kinos kam.
In den 1980er-Jahren hauchten die mitreißenden Musiker Jean-Pierre Lang und Pierre Bachelet der Tradition des Chansons neues Leben ein – mit Klassikern wie „Les Corons“ (1982), einer leidenschaftlichen Hymne auf die nordfranzösischen Bergleute. Zeitgenössische Interpreten sind u. a. Vincent Delerm, Bénabar, Jeanne Cherhal, Camille, Soha, Les Têtes Raides und Arnaud Fleurent-Didier.
Ein Leckerbissen für Jazzliebhaber ist die Mischung aus Gipsy-Swing und Chanson-Jazz der französischen Popsängerin Zaz. Sie stammt aus Tours im Loire-Tal und wird aufgrund ihrer außergewöhnlichen Stimme häufig mit Édith Piaf verglichen. Mit ihrem Debut-Album Zaz (2010) stürmte sie die Charts. Ihr drittes Album, Paris (2014), ist eine Ode an die französische Hauptstadt. Die 13 Lieder sind eine tiefe Verneigung vor dem unwiderstehlichen Charme und romantischen Flair der Stadt. Zaz’ erstes Live-Album Sur la Route (2015) bestätigt einmal mehr ihren Status als eine der angesagtesten Sängerinnen Frankreichs.
Frankreich ist bekannt für seine Rapszene, die in den 1990er-Jahren aufkam, angeführt von Größen wie dem im Senegal geborenen und in Paris aufgewachsenen MC Solaar oder der Gruppe Suprême NTM (NTM ist die Abkürzung einer ziemlich derben französischen Aufforderung, auf die Fußballer gelegentlich mit Kopfstößen reagieren). Die meisten bekannten Rapper sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, haben arabische oder afrikanische Wurzeln und lassen den Frust und die Wut der in den banlieus lebenden Vorstädter mit Migrationshintergrund raus.
Ein Beispiel: Disiz La Peste, geb. 1978 in Amiens, Vater Senegalese, Mutter Belgierin. Bei seinem dritten Album Histoires extra-ordinaires d’un Jeune de Banlieue (Ungewöhnliche Geschichten eines Jugendlichen aus der Vorstadt, 2005) war der Titel ebenso Programm wie bei seinem „letzten“ Album Disiz the End (2009), denn danach verwandelte er sich in Peter Punk (www.disizpeterpunk.com) und schuf einen ganz anderen Sound Richtung Punk/Rock/Electro. Im Dezember 2011 kehrte der Rapper Disiz zurück und brachte eine ganze Reihe von Alben heraus, deren vorläufigen Höhepunkt 2017 sein 11. Album Pacifique bildete.
Die zweite große Rapsensation kommt aus Marseille: IAM (www.iam.tm.fr) gibt es schon seit 1989 und sie sind immer noch in Hochform. 2017 veröffentlichte die Gruppe ihr achtes Album, Révolution, und ging zum ersten Mal seit Jahren wieder auf Tournee. Als die Tickets in den Onlineverkauf gingen, waren die Konzerte in Paris und Marseille in Sekundenschnelle ausverkauft. Für 2018 war ein neuntes Album angekündigt, für 2019 eine Welttournee zur Feier des 30-jährigen Bestehens der Band. Djadja & Dinaz aus Meaux, 40 km nordöstlich von Paris, sind ein interessantes Hip-Hop-Duo; 2018 schoss ihr Album Le Revers de la Médaille an die Spitze der französischen Charts.
Der französische Rap inspiriert immer wieder neue Talente. Der kongolesische Rapper Maître Gims (geb. 1986) kam mit zwei Jahren nach Frankreich, wuchs in besetzten Häusern in der Pariser Vorstadt auf und ist heute einer der bekanntesten Rapper Frankreichs. Die jüngere Rapszene ist im südwestfranzösischen Bordeaux besonders stark, wo talentierte Nachwuchsrapper wie der Mittzwanziger Joey Larsé – ursprünglich aus der Pariser Vorstadt Montreuil – ihre persönliche und musikalische Wahlheimat gefunden haben.
Wer denkt, dass der französische Pop eine Familienangelegenheit ist, liegt gar nicht so falsch. Der markante M (für Mathieu) ist der Sohn des Sängers Louis Chédid; Arthur H ist der Nachkomme des Pop-Rock-Musikers Jacques Higelin. Und Thomas Dutronc ist der Sprössling von Jacques und Françoise Hardy, die in den 1960er-Jahren Idole waren. Die Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin, Charlotte Gainsbourg (geb. 1971), hatte ihr musikalisches Debut 1984 mit der Single Lemon Incest und veröffentlichte ein paar Alben später eine bemerkenswerte Cover-Version von Hey Joe. Diese diente als Soundtrack für den Film Nymph()maniac (2013), in dem die Sängerin auch die Hauptrolle spielte. Für ihr neuestes Album, Rest (2017), hat sie u. a. mit Guy Man von Daft PunkFor und mit Paul McCartney zusammengearbeitet.
Die Indie-Rockband Phoenix aus Versailles ist ein Top-Act bei Festivals in den USA und Großbritannien. Die Band wurde Ende der 1990er-Jahre in einer Garage in der Pariser Vorstadt gegründet. Leadsänger Thomas Mars, sein Schulkumpel Chris Mazzalai (Gitarre), sein Bruder Laurent Brancowitz (Gitarre und Keyboard) und Deck d’Arcy (Keyboard/Bass) haben sechs äußerst erfolgreiche Alben vorzuweisen, u. a. Ti Amo (2017), und bereits einen Grammy abgestaubt.
Sehr hörenswert sind auch Louise Attaque, die 2016 nach zehnjähriger Pause ein neues Album herausgebracht haben (L’Anomalie), und Nosfell (www.nosfell.com), einer der kreativsten Musiker Frankreichs. Er singt in einer selbst entworfenen Sprache, le klokobetz. 2015 schrieb Nosfell die Musik zu Contact, einer Musical-Komödie des französischen Tänzers und Choreografen Philippe Decouflé. Sein fünftes Album, Echo Zulu (2017), verzaubert mit eindringlichen Texten auf Englisch und Französisch, die teils von dem französischen Klangpoeten Anne-James Chaton verfasst wurden.
Christophe Maé (www.christophe-mae.fr) mischt Akustik-Pop und Soul und ist wahnsinnig erfolgreich damit. Sein Jazz-lastiges drittes Album, Je veux du Bonheur (2013), ist geprägt von der Reise des gebürtig aus der Provence stammenden Musikers nach New Orleans. Auf seinem jüngsten Album L’Attrape-Rêves (2016) ist auch der Song „Ballerine“ zu finden, den er seiner heutigen Ehefrau als Heiratsantrag vorsang. Auslandsreisen dienten auch dem talentierten Singer-Songwriter Benjamin Biolay (geb. 1973) als Inspiration, als er sein Album Palermo Hollywood (2016) aufnahm.
Die aus Marseille stammende Marina Kaye (geb. 1998) gewann die Casting-Show La France a un incroyable Talent im zarten Alter von 13 Jahren. Ihre Debut-Single „Homeless“ erntete viel Lob und Aufmerksamkeit. 2015 kam ihr erstes Album heraus (Fearless). Nolwenn Leroy (geb. 1982) singt nicht nur auf Französisch, sondern auch auf Bretonisch, Englisch und Irisch. Die Pariserin Indila (geb. 1984) ist für ihren unangepassten Pop und Songs im rai-Stil (algerischer Folk) bekannt. Und dann ist da noch Louane (geb. 1996), ein Idol für viele junge Teenager in Frankreich.
Die Weltmusik ist in Frankreich ganz groß vertreten. Die Palette reicht vom algerischen rai über andere nordafrikanische Stilrichtungen (mit Interpreten wie Cheb Khaled, Natacha Atlas, Jamel oder Cheb Mami) und senegalesischen mbalax (Youssou N’Dour) bis hin zu karibischem zouk (Kassav’, Zouk Machine) und kubanischem Salsa. Ein Musiker, der all diese Stile virtuos kombiniert, ist Manu Chao (www.manuchao.net), in Paris geborener Sohn spanischer Einwanderer.
Magic System von der Elfenbeinküste haben mit ihrem Album Premier Gaou dazu beigetragen, zouglou (eine Art westafrikanische Rap- und Tanzmusik) um einiges populärer zu machen, und der Kongolese Koffi Olomide sorgt nach wie vor für volle Häuser. Ein weiterer Tipp sind das blinde Duo Amadou und Mariam, die Sängerin Rokia Traoré aus Mali und der Franko-Algerier Rachid Taha (www.rachidtaha.fr), der erst DJ war, dann Sänger; er fusioniert arabische und westliche Musikstile und kombiniert sie mit Texten auf Englisch, Berberisch und Französisch.
Kein Musiker hat den Ruf Frankreichs in Sachen Weltmusik so zementiert wie der in Paris geborene kongolesisch-französische Rapper, Slam-Poet und dreifache Gewinner der Victoires de la Musique Abd al Malik (geb. 1975). Seine Alben Gibraltar (2006), Dante (2008), Château rouge (2010) und Scarifications (2015) sind Klassiker.
Die ältesten bekannten Höhlenmalereien Frankreichs, entstanden vor 31 000 Jahren, zieren die Grotte Chauvet-Pont-d’Arc im Rhone-Tal (sowie ihre eindrucksvolle Nachbildung, die Caverne du Pont d’Arc) und die Unterwassergrotte Cosquer (bei Marseille). In der Dordogne sorgen die prähistorischen Malereien in der Höhle von Lascaux für staunende Gesichter.
Der gute alte Voltaire war der Meinung, die französische Malerei wäre erst seit Nicolas Poussin (1594–1665) und dessen in goldenes Licht getauchten mythologischen und biblischen Szenen erwähnenswert. Rund hundert Jahre nach dem Barockmaler setzte Jean Baptiste Chardin (1699–1779) mit seinen Stillleben einen neuen Meilenstein. Im folgenden Jahrhundert ließ sich Jacques Louis David (1748–1825) für seine monumentalen klassizistischen Historiengemälde feiern.
Romantiker wie Eugène Delacroix (1798–1863), der auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise begraben ist, reformierten in Abkehr vom Klassizismus die Darstellung von Personen und Situationen, während die Schule von Barbizon Ähnliches in der Landschaftsmalerei anstrebte. Ein weiterer prominenter Vertreter dieser Bewegung ist Jean-François Millet (1814–1875). Millet wuchs auf einem Bauernhof in der Normandie auf und verarbeitete bäuerliche Motive in seinen Bildern. Sein LʼAngélus (Das Angelusgebet; 1857) gehört – gleich nach der Mona Lisa – zu den Favoriten der Franzosen und hat in vielen Wohnzimmern auf dem Land einen Ehrenplatz auf dem Kaminsims. Das Original hängt im Pariser Musée d’Orsay.
Die Realisten verstanden ihre Arbeit vor allem als gesellschaftlichen Kommentar: Édouard Manet (1832–1883) porträtierte das Leben der Pariser Mittelschicht und Gustave Courbet (1819–1877) stellte die Plackerei des Proletariats dar.
In einem blühenden Garten in einem Dorf in der Normandie erging sich Claude Monet (1840–1926) im Impressionismus. Ihre Bezeichnung verdankt die Stilrichtung einem Spottkommentar, der auf den Titel eines experimentellen Gemäldes von Monet zurückgeht – Impression: Soleil levant (Impression: Sonnenaufgang; 1874). Im Musée d’Orsay begegnen einem viele weitere Künstler dieser Schule wie Boudin, Sisley, Pissarro, Renoir, Degas und mehr.
Seine letzten Impressionen pinselte der von Arthritis geplagte Renoir in einer Villa an der Côte d’Azur. Dieser Teil Frankreichs inspirierte auch Dutzende von Künstler nach ihm: Paul Cézanne (1839–1906) hat seine bezaubernden postimpressionistischen Stillleben und Landschaften in seinem Geburtsort Aix-en-Provence gemalt; Paul Gauguin (1848–1903) malte in Arles und sein niederländischer Freund Vincent van Gogh (1853–1890) hat Arles und St-Rémy-de-Provence auf Bildern verewigt. St-Tropez gilt als Keimzelle des Pointillismus; Georges Seurat (1859–1891) war der Erste, der reine, unvermischte Farben in kleinen Tupfern oder gleichmäßigen Pinselstrichen auftrug. Der berühmteste Vertreter der Pünktchengeneration war jedoch sein Schüler Paul Signac (1863–1935).
Die französische Malerei des 20. Jhs. zeichnet sich durch eine ungemeine Vielfalt von Stilrichtungen aus, zu denen u. a. der Kubismus und der Fauvismus gehören. Letzterer verdankt seinen Namen dem abfälligen Kommentar eines Kunstkritikers, der die Aussteller des Pariser Herbstsalons von 1905 als fauves (wilde Tiere) bezeichnete, weil sie sich in hemmungslosen Farborgien ergingen. Den kubistischen Stil prägte das spanische Ausnahmetalent Pablo Picasso (1881–1973), den Fauvismus Henri Matisse (1869–1954). Beide hatten ihr Atelier in Südfrankreich: Matisse lebte in Nizza, Picasso in Antibes.
Anfang des 20. Jhs. machte auch der Dadaismus Furore. Marcel Duchamps Verfremdung der Mona Lisa (samt Schnauzer und Ziegenbärtchen) mit dem Titel L.H.O.O.Q. ist das französische Paradebeispiel schlechthin für den rebellischen Geist der Bewegung. 1922 zog Max Ernst von Deutschland nach Paris, wo er den Dadaismus in Richtung Surrealismus weiterentwickelte. Ganz im Sinne von Freud verband er das Bewusste und Unbewusste und durchsetzte das Alltägliche mit Phantasien und Träumen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich Paris nicht mehr als Welthauptstadt der Kunst behaupten. In den 1960er-Jahren verzeichnete Südfrankreich mit Vertretern des Nouveau Réalisme wie Arman (1928–2005) und Yves Klein (1928–1962) einen neuen Boom. Beide stammten aus Nizza. Klein schuf 1960 seinen berühmten Zyklus Anthropométrie de lʼÉpoque bleue, für den sich nackte, in blaue Farbe getauchte Frauen zu den Klängen eines Streichorchesters auf einer weißen Leinwand wälzten – das Ganze vor einem Publikum in Frack und Abendkleid.
Dann wandten sich die Künstler dem urbanen Alltag mit seinen sozialen und politischen Problemen zu. Der Konzeptkünstler Daniel Buren (geb. 1938) beschränkt sich auf die inzwischen zu seinem Markenzeichen gewordenen 8,7 cm breiten, senkrechten Streifen, die er auf jeder möglichen und unmöglichen Oberfläche anbringt – z. B. auch auf den weißen Marmorsäulen im Hof des Pariser Palais Royal. Buren (der 1967 als Mitglied der radikalen groupe BMPT ein Manifest unterzeichnet hatte, mit dem er ausdrücklich erklärte, kein Maler zu sein) galt in den 1980er-Jahren als enfant terrible der französischen Kunstszene. Sein Genosse Michel Parmentier (1938–2000) verlegte sich auf monochrome Gemälde: 1966 stand er auf Blau, 1967 auf Grau und 1968 auf Rot.
Die in Paris geborene Konzeptkünstlerin Sophie Calle (geb. 1953) enthüllt mit plakativen Installationen mutig ihr Privatleben in der Öffentlichkeit, etwa mit Prenez Soin de Vous (Passen Sie auf sich auf; 2007): Das faszinierende Kunstwerk in Buchform veröffentlicht die Reaktionen von 107 Frauen auf eine E-Mail, in der ihr französischer Geliebter sich von Calle trennt. Ihre Arbeit Rachel, Monique (2010) beschwört die Erinnerung an ihre Mutter und deren Tod mit einer Fotoausstellung herauf, die zuerst 2010 im Pariser Palais de Tokyo gezeigt wurde. Außerdem trat die Künstlerin beim Festival d’Avignon mit einer live übertragenen Leseperformance auf, unlängst auch in einer Kapelle in New York. 2015 kam eine wunderschöne gebundene Ausgabe von Suite Vénitienne auf den Markt, gedruckt auf japanischem Papier mit Goldrand. Es handelt sich dabei um Calles erstes Kunstbuch aus dem Jahr 1988. Damals folgte sie Henri B. zwei Wochen lang durch Venedig und fotografierte den rätselhaften Fremden heimlich. 2017 veröffentlichte sie Sophie Calle: My All, ein Fotobuch, das alle ihre bisherigen 54 Kunstwerke dokumentiert und ihr Renommee als Frankreichs berühmteste Konzeptkünstlerin zementiert.
Die Street-Art hat einen großen Stellenwert in Frankreich, was unter anderem dem bahnbrechenden Werk von Blek Le Rat (http://bleklerat.free.fr) in den 1980ern geschuldet ist. Der Pariser Künstler, gebürtig Xavier Prou, sprühte zunächst winzige Ratten an Wände und Mauern in versteckten Winkeln von Paris und entwickelte dann die Stencil-(Schablonen-)Technik, die u. a. den legendären Graffiti-Künstler Banksy aus Großbritannien inspirierte. Weitere Stars der Szene sind z. B. Gregos (geb. 1972), dessen 3D-Gesichtsmasken überall in Frankreich aus Wänden ragen oder an anderen unerwarteten Stellen auftauchen, Jérôme Mesnager (geb. 1961), der für seine weiß schablonierten Figuren bekannt ist, und Monsieur Chat (alias Thoma Vuille), der allenthalben seine breit grinsenden Comic-Katzen hinterlässt.
Dann wäre da noch die Digitalkunst. 2013 eröffnete die größte Street-Art-Ausstellung der Welt, La Tour Paris 13 (www.tourparis13.fr), in einem aufgegebenen Apartmentblock im 13. Arrondissement von Paris: In 36 Wohnungen auf 13 Etagen waren die Arbeiten von 100 internationalen Künstlern ausgestellt. Das Projekt lief einen Monat. Danach wurde der Turm geschlossen und eingeebnet. Auch der Abriss ist ein Stück Kunst: Er dauerte drei Tage und wurde gefilmt – das Ganze war im Livestream im Internet zu sehen (dort werden auch die Straßenkunstwerke „verwahrt“). Auf diesen ersten Vorstoß in Sachen Digitalkunst folgte 2018 in Paris die Eröffnung des EP7 – eines Kulturcafés mit einem riesigen interaktiven Pixel-Bildschirm als Hauptfassade – und des Atelier des Lumières, des ersten Digitalkunst-Zentrums der Hauptstadt in einer Gießerei aus dem 19. Jh.