Z urück im Gesellschaftszimmer in Sandringham drängte sich die Familie vor dem Fernseher und verfolgte die Amtseinführung des fünfundvierzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er war siebzig Jahre alt, wie es die Kommentatoren hervorhoben – im gleichen Alter wie Ned, aber ganz offenbar mit noch viel mehr Leben und Aufgaben vor sich. Nicht unbedingt so populär, wenn das Fehlen vieler berühmter Gesichter unter den Gästen und die Proteste rund um die Welt etwas zu besagen hatten. Aber der Queen gefielen die Worte von Senator Blunt zur »gewohnt wunderbaren« Tradition eines friedvollen Machtwechsels.
Die Menschen hielten das heute für selbstverständlich, dachte sie und wusste doch, wie blutig und gefährlich derartige Wechsel in der Geschichte oft vonstattengegangen waren. Ihre Vorfahren lebten im sechzehnten Jahrhundert in ständiger Furcht davor. Ihr ferner Verwandter Nicholas II . hatte in der Revolution seine gesamte Familie verloren. Der Unabhängigkeitskrieg, die Teilungen … Die Liste war so brutal wie lang. Philips Familie in Griechenland hatte um ihr Leben rennen müssen. Das »gewohnte Wunder« eines friedlichen Machtwechsels musste geschätzt werden. Wenn der Eintrag zu ihr in den Geschichtsbüchern nur eine Sache hervorheben könnte, sollte es folgende sein: In den siebzig Jahren ihrer Regentschaft – so sie diese denn noch erreichte – sind die Machtwechsel in den Ländern ihres geliebten Commonwealth alle friedlich verlaufen. Weder waren sie immer ganz glücklich, noch führten sie zu Regierungen, die man für wirklich gut befand, aber man konnte nicht alles haben.
Die Queen hatte für den Rest des Tages keine Gelegenheit mehr, Rozie zu sprechen, und am nächsten Morgen hätte Sir Simon ihr die Schachteln bringen sollen. Da war sie erleichtert zu sehen, dass Rozie es hatte arrangieren können, dies statt seiner zu tun. Und sie hatte immer noch diese Körperhaltung.
»Haben Sie etwas Nützliches in Erfahrung gebracht?«, fragte die Queen, ohne auch nur so zu tun, als interessierte sie sich für die Schachteln.
»Ich denke, schon«, sagte Rozie. Sie erklärte, wie kalt und ausweichend sich Flora zu Chris Wallace geäußert hatte. »Sie sagte, seine Frau habe der Baronin sehr nahe gestanden und dass ihre Kinder zusammen aufgewachsen seien. Nichts davon, dass er hinausgeworfen werden sollte. Das hat sie rundweg abgestritten – und schien dann vom Giftgarten abgelenkt zu werden.«
»Ist der noch da?«
»Nein. Flora sagte, sie mussten ihn entfernen, wegen der Besucher. Was ich verstehen kann. Offenbar ist ihr Bruder, als er klein war, beinahe an einer Eisenhutvergiftung gestorben.«
»Oje.«
»Der Baron wollte ihn damals schon aus lauter Wut umgraben lassen, so sehr seine Frau den Garten auch mochte.«
Die Queen war überrascht. »Wie ungewöhnlich für Hugh.« Sie überlegte. »Wie äußerst ungewöhnlich. Und interessant.«
»Wie ging es bei Ihnen, Ma’am?«, getraute sich Rozie zu fragen.
Die Queen schürzte die Lippen, griff nach dem Füllfederhalter auf ihrem Tisch und tat mit der Kappe herum.
»Ich bin daran erinnert worden, wie sehr Ned Ladybridge geliebt haben muss. Und dann hat ihm Hugh auch noch seine Freundin ausgespannt. Hätte Ned seinen Cousin vor Jahren umgebracht, es wäre verständlich gewesen.«
»Lord Mundy ist mit Ned weggefahren. Es hätte Streit geben können im Auto«, sprach Rozie aus, was sie gerade dachte. »Und dann … Hätte der Baron ihm nach London folgen können?«
»Nur, wenn ein Pächter, Flora, der Pfarrer und ein antiquarischer Buchhändler lügen.«
»Es ist ein sehr solides Alibi.« Rozie grinste. »Entschuldigen Sie, Ma’am. Ich erfinde hier wilde Geschichten über Bekannte von Ihnen.«
»Nein, nein. Es ist nützlich, alle Möglichkeiten zu durchdenken. Im Übrigen scheinen Hugh und sein Sohn nicht das beste Verhältnis zueinander zu haben, ganz gleich, was er mich glauben machen möchte.«
»Er war verzweifelt, als Valentine sich mit dem Eisenhut vergiftet hat«, sagte Rozie.
»Ja«, stimmte die Queen ihr zu. »Aber das ist lange her.«
»Aber Lord Mundy unterstützt seinen Sohn sehr. Mit der Heirat, ich meine, das ist schon was.«
Der Queen fiel auf, dass Rozie an Selbstvertrauen gewann, bis zu dem Punkt, dass sie die Annahmen ihrer Chefin infrage stellte. Das konnte in dieser Art Situation sehr nützlich sein.
»Er ist ein so ruhiger, scheuer Mann. Es kann nicht einfach für ihn sein«, fuhr Rozie fort.
»Vielleicht«, sagte die Queen. »Ich stimme Ihnen zu, es ist sehr ungewöhnlich für einen, sagen wir, so altmodischen Adligen wie Hugh, für so etwas so offen zu sein. Wenn so viel auf dem Spiel steht.«
»Auf dem Spiel, Ma’am?«, fragte Rozie.
»Fragen Sie Sir Simon«, antwortete die Queen kryptisch, um dann noch kryptischer fortzufahren: »Und dann sind da noch die Hunde.«
»Die Hunde?«, wiederholte Rozie und verlor immer mehr den Überblick.
»Genau«, sagte die Queen. »Die Hunde stehen im Zentrum von allem. Ich würde gern mehr über Valentine erfahren«, fügte sie nachdenklich an. »Mr Wallace’ Frau stand Lee nahe. Ich frage mich, ob sie etwas wusste. Können Sie da ein wenig tiefer graben?«
»In dem Fall …«, begann Rozie.
Die Queen schüttelte den Kopf. »Aber nicht so wie die Polizei. Ich hoffe, ich täusche mich. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Letztlich blieb ihr keine andere Wahl. Rozie und Katie Briggs hatten den Nachmittag damit verbracht, in Rozies Mini die Küste entlangzufahren, und nach Möglichkeiten gesucht, mehr über Laura Wallace herauszufinden, ohne im Morgengrauen aufzustehen und mit den Dix Dunkers in einen eiskalten Fluss steigen zu müssen.
Rozie dachte an die heißen Nächte in den Clubs von Lagos im letzten Frühling und die Sommerabende am Strand von St Barts. Das waren die Orte, die sie mochte. Aber jetzt hatte sie Mary Collathorn kennengelernt und war eingeladen, sich den Dunkers anzuschließen. Jede andere Vorgehensweise, tiefer in die Zusammenhänge von Ladybridge einzudringen, die ihr und Katie einfallen wollte, schien zu offensichtlich und würde womöglich Flora reportiert werden. Sie mussten davon ausgehen, dass irgendwer redete, denn so ging es nun mal auf dem Land zu.
Es gab wenig, was Rozie nicht für die Chefin tun würde, wobei das Schwimmen eindeutig auf den »Wenn es sich irgendwie verhindern ließe«-Stapel gehörte.
»Du wirst es lieben«, sagte Katie. »Glaube mir. Ich habe im Sommer damit angefangen, und es hat mein Leben verändert. Ehrlich, vorher hatte ich keinerlei Energie. Das kalte Wasser auf deiner Haut, das hat etwas, ich meine, was es mit deinem Puls macht … Es ist das schönste Gefühl.«
»Ich glaube, das wichtige Wort gerade war ›Sommer‹«, sagte Rozie. »Wenn wir Juli hätten, bitte. Aber es ist Januar, und gerade ist jemand dabei zu Tode gekommen.«
Katie schüttelte den Kopf. »Er ist zu lange dringeblieben, mit Absicht. Das wissen wir. Du bist nur ein paar Sekunden im Wasser.«
»Warum ich?«, fragte Rozie durchaus gerechtfertigt. »Du bist doch die Wildschwimmerin.«
»Ich kann nicht.«
»Du kennst dich besser aus als ich. Du hast es schon gemacht. Es wäre vermutlich sogar sicherer, wenn du gingest.«
Katie ließ einen genervten Seufzer hören. »Ich kann einfach nicht. Vielleicht wäre es okay, vielleicht auch nicht. Der Schock durch das eiskalte Wasser … Wenn ich es übertreibe, zahle ich tagelang dafür. Ich kann es nicht riskieren. Glaub mir, ich wünschte, es wäre anders. Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, macht es nur schlimmer.«
»Okay«, sagte Rozie.
Katie kniff kurz die Augen zu. Sie hatte eindeutig damit zu kämpfen, ob sie etwas sagen sollte oder nicht, was immer es auch war. Rozie war überrascht, weil Katie vor Gesundheit nur so strotzte.
»Es ist ME «, sagte Katie schließlich. »Myalgische Enzephalomyelitis. Ich habe das seit Jahren. Begriffen habe ich es erst, als ich deinen Job gemacht habe. Es hat mich praktisch umgehauen. Nein, komplett umgehauen.«
»Myalgisch …?«
»Das chronische Fatigue-Syndrom. Das, von dem die Leute sagen: ›Gibt es das wirklich?‹, und ja, das gibt es. Nicht alle haben mir geglaubt, aber so ist es.«
»Es tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Ich werde dann einfach so extrem müde, dass es mich regelrecht von den Beinen holt, kann einen ganzen Tag lang schlafen und fühle mich anschließend keinen Deut besser. Wie gesagt, ich habe das schon lange, hatte aber gleichzeitig meine Methoden, um damit umzugehen. Im Palast jedoch … das ist ein komplett anderes Level. Man kann sich nicht freinehmen, wenn die Queen einen braucht.«
»Das verstehe ich.«
»Du ziehst die Stirn kraus?«
Rozie schüttelte sich kurz. »Es ist nur, Sir Simon meinte, es seien psychische Probleme gewesen, die du hattest. Wenigstens glaube ich, dass er das meinte.«
Katie verdrehte die Augen. »Klar, dass er das denkt. Für ihn war ich einfach jemand, dem der Job zu viel wurde. Er hat versucht, Verständnis zu zeigen, aber man konnte sehen, wie frustriert er war. Was nicht unbedingt geholfen hat.«
»Darauf wette ich.«
»Ich erinnere mich, als wir zu Weihnachten hier waren, da gab es Tage, an denen ich einfach nicht hochkam. Mrs Maddox dachte, ich würde simulieren. Sie sagte, ihre Leute hätten Besseres zu tun, als mir das Frühstück ans Bett zu bringen. Am Ende fand Lady Caroline den richtigen Arzt für mich. Er hatte ihrer Großnichte geholfen, die es auch hat. Schon allein, dass sie mir geglaubt hat, war so eine Erleichterung, das sage ich dir. Jedenfalls hat der Arzt mich dann diesem neuen Programm zugewiesen. Ich musste meine Ernährung umstellen, regelmäßig Übungen machen, vor allem aber: kein Stress. Kein Druck. Ich musste aufhören, es ging nicht anders. Da hast du übernommen. Ich sollte bei meiner Mutter einziehen, aber die wusste nicht, wie sie sich um mich kümmern sollte. Also hat die Chefin gesagt, ich könnte herkommen.«
»Aber es wird besser, oder?«, fragte Rozie.
»Es ist ein anderes Leben«, gab Katie zu. »Ich bin immer noch dabei, mich zurechtzufinden. Ich vermisse mein altes Ich. Ich vermisse es, von Leuten in eleganten Büros und mit schicken Titeln für voll genommen zu werden. Gott, ich klinge so verwöhnt. Ich habe Daphne, und ich kann jetzt backen. Ich stehe auf Marie Kondo, kann stricken und mache eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin, um herauszufinden, was das Beste für mich ist. Schick mich nur nicht ins eiskalte Wasser, okay? Und du wirst es sowieso lieben, ich sage es dir.«
»Eins kann ich dir versprechen«, versicherte Rozie ihr. »Das werde ich nicht.«
Die Queen besuchte währenddessen zusammen mit Philip Wood Farm. Das kleine, bescheidene Farmhaus lag in Richtung Marschland, wo am zweiten Weihnachtstag die Treibjagd stattgefunden hatte. In weniger als einem Jahr würde sich Philip dort zur Ruhe setzen. Er freute sich bereits auf ein Leben mit Malen, Vogelbeobachtung und den Besuchen von Freunden. Die Queen liebte das kleine Haus ebenfalls, wo man ohne Bedienstete und Umstände ausspannen konnte, mit Rugby im Radio und einem unverstellten Blick auf das Meer.
Sie würde ihn so oft besuchen, wie es ging, wobei sie wusste, dass er sehr gut ohne sie zurechtkam, und noch besser ohne den Schwarm von Beratern und Bediensteten, den sie mit sich brachte. Heute waren sie in ihren Mänteln und mit Feldstechern unterwegs, zurück von der Beobachtungshütte, die Philip hatte errichten lassen, damit sie die Wasservögel gemeinsam studieren konnten.
»Du siehst nachdenklich aus, Lilibet«, sagte er. »Ist was?«
Sie war froh, dass er fragte. Sie wollte mit ihm über etwas reden. Er war einer der wenigen Menschen, der sie verstehen würde, ohne ihre Bedenken für mittelalterlich zu halten – was sie in vieler Hinsicht waren.
»Es geht um Hugh St Cyr«, sagte sie.
»Das wundert mich nicht. Er trauert zweifelsohne immer noch sehr um Lee. Es war gut, dass du ihn gestern besucht hast.«
»Das meine ist nicht.« Sie sah ihren Mann an, der wie immer seine langen Schritte ihren kürzeren anpasste und sich leicht zu ihr hinabbeugte, um zuzuhören. »Da war etwas, das er über Valentine gesagt hat. Hugh klang sehr fortschrittlich. Rozie war äußerst beeindruckt.«
Philip starrte sie an. »Fortschrittlich? Hugh? Bist du sicher?«
»Ich weiß. Es hat mich auch überrascht.«
»Für mich hat er immer geistig in der Renaissance festgesteckt. Ein zuverlässiger Mann, sehr vernünftig. Aber so oft, wenn ich ihm von einer meiner Neuerungen auf Wood Farm erzählt habe, sind seine Brauen einen guten Zentimeter in die Höhe gegangen. Ich meine, der Mann ist ein Experte für metaphysische Dichtung, Himmel noch mal.«
»Hmm«, stimmte ihm die Queen zu. »Und doch hinterlässt er Ladybridge in seinem Testament Flora.«
»Tatsächlich?«
»Und Valentine heiratet.«
»Was? Ernsthaft? Eine Frau? Ich dachte, er wäre mit dem Burschen zusammen, mit dem er zu Weihnachten bei uns war. Sein Geschäftspartner, was für ein Quatsch!«
»Genau den.«
Philip blieb jetzt stehen. »Er heiratet ihn?«
»Ja.«
»Und was hält Hugh von der Geschichte?«
»Es scheint ihm zu gefallen, dass die St Cyrs damit in die Geschichtsbücher eingehen.«
»Was?« Philip schüttelte den Kopf. »Aber … Aber sonst gibt es keine männlichen St-Cyr-Erben, oder?«
»Nein. Nicht in der engeren Familie. Die Linie wird aussterben.«
»Und das gefällt Hugh?«
Die Queen nickte ihm und sich selbst zu. Es war keineswegs absurd, dass sie das für ungewöhnlich hielt.
Philip wusste, was sie wusste – und was Sir Simon Rozie erklären würde, falls sie fragte: dass es für ein männliches Paar im britischen Adel unmöglich war, einen legitimen Erben hervorzubringen. Ein Angehöriger des britischen Hochadels konnte so viele Kinder haben, wie er wollte, ehelich oder unehelich, adoptiert oder wie immer – nur das genetische Kind eines verheirateten Paares konnte den Titel erben. Das war das Gesetz. Es gab zwar Kräfte, die das ändern wollten, zusammen mit der Klausel, dass die Person, die den Titel erbte, wenn eben möglich, männlichen Geschlechts sein sollte. Aber da bewegte sich kaum etwas.
Leihmutterschaft zählte nicht, weil die genetischen Eltern dann nicht verheiratet waren, so sehr es die gesetzlichen sein mochten. Deshalb war es für zwei Männer, oder zwei Frauen, unmöglich, einen legitimen Erben hervorzubringen. Gleichgeschlechtlich verheiratete Paare konnten ihren Titel nicht weitergeben. Was vielleicht erklärte, warum es bisher solch ein Paar noch nicht gegeben hatte. Ein Mann konnte später noch seinen schwulen Partner heiraten: Nachdem er seine Pflicht getan und in einer heterosexuellen Ehe einen Erben gezeugt hatte, aber auch das hatte es noch nicht gegeben. Und Valentine hatte es auch nicht vor, er würde gleich einen Mann heiraten. Wobei er bereits siebenundvierzig war und bislang allem Anschein nach keinerlei Eile verspürt hatte, sich überhaupt zu binden. Oder unter Druck von seinem Vater gestanden hatte. Hughs ganze Aufmerksamkeit galt seiner Tochter. Auch das war merkwürdig.
»Hugh schien es ziemlich gleichgültig zu sein, als er es erwähnte«, sagte die Queen.
Philip zog die Brauen zusammen, wusste er doch, was das bedeutete. Ein Adliger, dem es egal war, mit wem seine Kinder schliefen, war nichts Ungewöhnliches, aber einer, den es nicht scherte, wen sie heirateten und ob anschließend Besitz und Titel verloren gingen, der war so selten wie ein Einhorn.
Es entstand eine Pause. Sie blieben stehen, um ein paar dralle Rebhühner zu bewundern, die vor ihnen den Pfad zum Farmhaus hinaufstolzierten.
»Hast du je ein Gespür für Hughs Verhältnis zu Valentine bekommen?«, fragte sie. »Hugh hat ihn als Teenager zur Jagd mitgebracht, und du hast dich damals mit ihnen unterhalten, oder?«
»Richtig. Der Junge war ein erstklassiger Schütze. Sehr koordiniert, sehr ruhig. Ausgezeichnet im Feld, besser als sein Vater. Ich dachte immer, er würde sich da weiterentwickeln, aber dann ist er nach London und nicht wieder zurückgekommen.«
»Standen er und Hugh sich nahe?«
Philip schnaubte wegwerfend. »Nenne mir einen Teenager in einem Internat, der seinem Vater nahe steht.«
Die Queen hätte ihm einige nennen können, tat es aber nicht. »Sie waren sich nicht ungewöhnlich fremd?«, fragte sie.
Philip blickte zum Himmel hinauf, während er sich zu erinnern versuchte. »Wenn ich es mir recht überlege, doch, das schien so. Nicht fremd , aber ohne Verbindung. Ich erinnere mich nicht, dass sie miteinander gesprochen hätten, höchstens, wenn es um einen der Hunde ging. Ich habe das Hugh zugeschrieben, weil er so unglaublich schüchtern war.«
Ohne Verbindung , das war der passende Ausdruck. Absolut. Sie hatte sich gefragt, ob Hugh seine Gleichgültigkeit nur vorgab. Der Mann, der vor all den Jahren den Eisenhut aus dem Giftgarten hatte reißen lassen, war alles andere als gleichgültig gewesen. Aber seitdem hatte sich etwas geändert, und sie sah den Grund nicht in Valentines Homosexualität. Neds Onkel Patrick war ebenfalls schwul gewesen, und die St Cyrs hatten es als eine weitere Facette ihrer Exzentrizität behandelt – unter der Voraussetzung, dass er eine gute Frau heiratete. Nein, da gab es noch etwas anderes. Und Ned, das spürte sie, hatte direkt damit zu tun.