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Raumaufteilung mit Styles

Grace

»BIST DU ECHT SO KINDISCH?« , frage ich, denn wer reagiert so auf gerechtfertigte Empörung?

»Etwas Besseres hast du nicht drauf?«, sagt er mit hochgezogener Braue. »Ich hatte mich wirklich auf eine anständige Drohung gefreut.«

»Du willst eine anständige Drohung, du übergroßes Kind? Wie wäre es damit: Wenn du meine Pop-Tarts noch ein Mal anfasst, dann feile ich dir die Fänge, während du schläfst!«

Jetzt gehen beide Augenbrauen hoch. »Verdammt, Grace. Das ist hart.« In seinen Augen steht echt Überraschung – und auch Erheiterung. »Wer hat dir wehgetan?«

Während er auf meine Antwort wartet, reibt Hudson sich abwesend über den spitzen Teil eines Fangzahns. Und sieht dabei überraschend gut aus. So gut, dass ich einen Schritt zurückweiche. Und schnippisch sage: »Mach dir darüber keine Gedanken. Denk lieber daran, was ich dir antue, wenn du deine Finger nicht von meinem Zeug lässt.«

»Dein Zeug?« Sein Blick, der durch das Zimmer schweift, enthält genau null Anteile Reue und einhundert Prozent Schlossherr. »Wir leben da gerade in meinem Unterschlupf.«

»Ich weiß nicht, was das zur Sache tut.«

»Sicher doch.« Seine Lippen verziehen sich zu diesem überlegenen Grinsen, das mich in den Wahnsinn treibt. »Mein Unterschlupf, mein Zeug.«

»Unter normalen Umständen wäre ich vielleicht verlockt dem zuzustimmen. Aber, wie du mir bereits mehrfach gesagt hast, sind wir gar nicht wirklich in deinem Unterschlupf. Wir sind in meinem Kopf.«

»Und?«

»Und …« Ich zucke mit den Schultern, als wäre es das Offensichtlichste auf der ganzen Welt. »Mein Kopf, mein Zeug.«

»Wow, Grace. Ich wusste gar nicht, dass es dir so geht.« Da ist ein durchtriebenes Glitzern in seinen Augen, dem ich nicht traue, aber jetzt habe ich keine Wahl, als das hier auszusitzen. Was immer das hier ist.

Weshalb ich sage: »Sorry, Hudson , aber ein Mädchen muss tun, was ein Mädchen tun muss«, bevor ich wieder zurück in die Küche gehe.

»Weißt du, das ist ein sehr guter Punkt«, stimmt er zu und folgt mir. »Deshalb habe ich noch eine Frage.«

Ich bin dieses Katz-und-Maus-Spiels müde. Bin einfach nur müde, Punkt. Hudson immer einen Schritt voraus sein zu müssen ist ermüdend und ich weiß nicht, ob ich darauf Lust habe.

Vielleicht lautet meine Antwort deshalb: »Was ist deine Frage?«, ohne groß nachzudenken.

Das durchtriebene Glitzern hat sich in ein breites Grinsen verwandelt, mit dem er an der Küchenzeile lehnt und von seiner übertriebenen Höhe auf mich herabstarrt. »Jetzt, da ich dein bin, was willst du da mit mir anstellen?«

Ugh. In die Falle bin ich voll reingetappt. Und jetzt erröte ich, meine Wangen werden feuerrot, trotz aller Versuche, nicht auf die Anzüglichkeit in seinen Worten zu reagieren. Das ist nur ein weiterer Versuch seinerseits, mich aufzustacheln – wie die Musik und die Pop-Tarts –, aber die Genugtuung gebe ich ihm nicht.

Also ignoriere ich die Röte, die sich anfühlt, als stünde mein ganzes Gesicht in Flammen, und sehe Hudson in die Augen. »Ich dachte, das hätte ich dir bereits erklärt. Ich feile dir die Fänge.«

Er grinst. »Da ist ja wieder diese fiese Ader. Ich muss zugeben, daran finde ich langsam Gefallen.«

»Tja, schön, ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, dass ich nicht deinen Gefallen finden möchte«, blaffe ich.

»Hey, ich sag nur, wie es ist.« Er streckt sich und sein T-Shirt rutscht ein wenig hoch und zeigt einen breiten Streifen von einem ganz außerordentlichen Waschbrettbauch.

Nicht dass es mich schert, was für einen Waschbrettbauch er hat – außerordentlich hin oder her. Es ist einfach nur schwer zu ignorieren, da er direkt vor mir steht.

»Es gibt gar keinen Grund, so schüchtern zu sein, Grace«, fährt er fort und als er sich zurücklehnt, zeigt sein Shirt noch mehr Haut. Und ein winziges bisschen von seinem Glückspfad, der hinab unter den tief sitzenden Bund seiner Trainingshose führt. »Eine Frau muss schon wissen, wie sie bekommt, was sie will.«

Ich lasse den Blick stur auf sein Gesicht gerichtet. »Ich weiß genau, was ich will.«

»Ach ja?«, antwortet er mit einer Stimme, die klingt wie ein Geheimnis. »Und was ist das?«

»Endlich von dir wegzukommen.« Ich beschließe, dass ich heute kein Essen mehr benötige, dränge mich an ihm vorbei und gehe zurück zu der Couch, auf der ich letzte Nacht geschlafen habe.

Er folgt mir, na klar folgt er mir.

Und ganz plötzlich reicht es mir. Ich habe seine Attitüde satt, seine Halbwüchsigentricks und dass er sich andauernd gegen mich durchsetzen will. Und ich bin es so was von leid, dass er immer nur drei Schritte Abstand hält. Dieser Raum ist riesig. Warum muss er ständig genau da sein, wo ich bin?

Wie um meinen Gedanken zu verdeutlichen, setzt er sich auf die Couch und legt die Füße auf den Couchtisch. Und das war es. Das war es verdammt noch mal.

»Nein!«, schreie ich.

Er sieht verblüfft drein. »Was nein?«

»Steh auf!«

Als er mich nur anstarrt, als würde er die Worte, die aus meinem Mund kommen, nicht verstehen, packe ich seinen Arm und ziehe daran. »Steh auf! Steh auf, steh auf, steh auf! Diese Couch gehört mir!«

»Sind wir jetzt wieder bei dir gehört alles hier drin?«, fragt er. »Wenn dem so ist, dann …«

»Nein!«, schneide ich ihm das Wort ab, denn damit fange ich nicht wieder an. »Nein, nein, nein!«

»Geht’s dir gut?«, fragt er mit hochgezogenen Brauen. »Denn du wirkst ein wenig erhitzt …«

»Die Couch gehört mir. Das Bett dir.« Ich deute auf das Bett am Ende des Raums, nur für den Fall, dass er wieder so tun will, als würde er mich nicht verstehen. »Du kannst sogar die ganze Seite des Raums haben.«

»Wie bitte?« Er wirkt sehr viel weniger selbstsicher und dafür sehr viel verwirrter. Gut. Es ist an der Zeit, dass er sich so aus dem Gleichgewicht gebracht fühlt wie ich, an der Zeit, dass ich wieder die Oberhand gewinne.

»Du hast mich verstanden«, sage ich und endlich kommt mir eine Idee. »Du kannst diese ganze Seite des Raums haben – das Bett, den Teil mit den Äxten, die Stereoanlage, den Fernseher.«

Ich sehe mich nach einer Rolle Klebeband um und bin schockiert, als ich sie plötzlich in der Hand halte. Und nicht irgendein Klebeband – nein, das hier ist ein Limited-Edition-One-Direction-Klebeband, wie mein Dad es mir gekauft hat, als ich noch ein Kind war. Harry, Louis, Niall, Zayn und Liam blicken mich alle fröhlich an, während ich zum anderen Ende des Raums gehe.

»Und ich bekomme alles auf dieser Seite. Couch, Bücher, Küche …«

»Und das Bad?«, fragt er, die Brauen hochgezogen, während ich das Klebeband durch die Mitte des Raums verlege.

»Das Bad ist der einzige neutrale Boden«, sage ich und rolle das Band direkt an meiner Couch vorbei. »Alles andere hier drin gehört entweder dir oder mir. Und keiner von uns darf diese Linie überschreiten.«

Ich ziehe die Linie bis ganz an die Wand am anderen Ende des Lofts und reiße das Band dann ab. Als ich mich umdrehe, lehnt Hudson mit einer Schulter an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt. Das Glitzern ist aus seinen Augen verschwunden, ersetzt von der leeren Miene von vorhin.

Das bedeutet ziemlich sicher, ich habe ihn getroffen.

Ich will mir gerade auf die Schulter klopfen, weil ich ihm endlich unter die Haut gegangen bin, als das Universum mir noch ein weiteres Geschenk macht. »Alle Bücher sind auf deiner Seite des Raums«, murmelt er.

»Ja. Ja, das sind sie.« Ich bedenke ihn mit meinem besten bösen Grinsen und gehe dann auf das Bücherregal zu, in dem alle seine Tagebücher stehen. »Und ich weiß genau, was ich zuerst lese.«