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Oben auf der (Ander)Welt

Grace

»DESHALB NENNEN SIE ES WOHL STERNENFESTIVAL«, murmelt Hudson und schlingt seine Arme von hinten um mich.

Ich versteife mich ein wenig, weil es so neu ist, dass er mich so berührt – mich so hält –, aber von ihm so gehalten zu werden fühlt sich auch gut an. So gut. Ich habe keine Ahnung, was das heißt, aber es ist so.

Mit einem Seufzen sinke ich also gegen ihn, genieße seinen harten, warmen Körper an meinem.

Doch jetzt versteift er sich – ich kann die Spannung in ihm spüren, die ein paar Sekunden zuvor noch nicht da war. Ich kuschle mich also an ihn, will ihm mit meinem Körper zeigen, was ich noch nicht in Worte zu fassen weiß.

Doch das ist Hudson und er will die Worte. Klar.

»Okay?«, fragt er zum gefühlt zehnten Mal heute Abend.

Es macht mir nichts aus, dass er fragt, denn ich mag es. Mag noch mehr, dass er sichergehen will, dass ich mit allem einverstanden bin, was zwischen uns passiert.

Und ich bin einverstanden. Das bin ich wirklich. Verwirrt, ja. Besorgt, ein wenig. Aber dennoch einverstanden. Und zum ersten Mal, seit wir die Katmere verlassen haben, fange ich an zu glauben, dass vielleicht alles gut wird. Dass ich genau da bin, wo ich sein soll.

»Mir geht es gut«, erwidere ich, denn es stimmt.

»Ja?« Endlich – endlich – entspannt er sich und das fühlt sich so gut an. Mehr noch, es fühlt sich richtig an. Als hätte es schon immer so sein sollen zwischen uns.

Das ergibt zwar keinen Sinn, denn es gab eine Gefährtenbindung zwischen Jaxon und mir. Doch das bedeutet nicht, dass es nicht wahr ist. Zum ersten Mal frage ich mich, ob Magie sich irren kann. Ist die Gefährtenbindung zwischen Jaxon und mir deshalb verschwunden? Weil sie nie hatte sein sollen?

Der Gedanke macht mich traurig – an Jaxon zu denken macht mich jetzt immer traurig –, also schiebe ich ihn beiseite, in einen Ordner mit Dingen, um die ich mich kümmern werde, wenn die Welt mal nicht in Flammen zu stehen scheint.

Sicher wird diese Zeit doch kommen, oder? Ich weiß nur nicht, wann. Vielleicht gerade jetzt. Dieser eine Moment, in dem sich alles richtig anfühlt. Neu, ja. Und dennoch richtig.

»Was ist mit dir?«, frage ich, denn ich stecke hier nicht allein drin. Nicht nur meine Gefühle zählen hier. »Geht es dir gut?«

Ich kann ihn nicht sehen, aber ich kann tief in mir fühlen, wie Hudson lächelt.

»Mir geht’s verflixt fantastisch«, antwortet er.

Diese Worte, in diesem Tonfall, sorgen dafür, dass ich mich fühle, als könnte ich einfach von der Spitze dieses Uhrenturms fliegen. Was mir noch nie zuvor passiert ist. Nicht so, als stünde mein gesamter Körper kurz davor weit aufzubrechen und … mehr zu werden, aus Mangel eines besseren Worts.

Es verleiht mir einen ungekannten Mut. Vielleicht blicke ich deshalb zu Hudson auf und sage neckisch: »Ach ja? Und wie kommt das?«

Er lacht, aber seine blauen Augen brennen mit der Hitze von tausend Flammen. »Ich glaube, das weißt du.«

»Ach ja?« Ich tue so, als würde ich nachdenken. »Ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht solltest du …«

»Deine Erinnerungen auffrischen?«, fährt er für mich fort, die Augenbrauen hochgezogen und sein Blick noch intensiver.

»Das ist eine Option.« Ich zucke in vorgetäuschtem Desinteresse mit den Schultern.

»Ist es«, stimmt er zu und jetzt zeigt sich sein verdammtes Grübchen. Aber gerade als er sich herabbeugt, um mich wieder zu küssen, explodiert ein Feuerwerk überall um uns herum am Himmel.

Ich drehe mich um und sehe zu, wie Lichter in allen Rot- und Weiß- und Goldtönen den lila Nachthimmel erhellen. Unter uns klatschen die Leute und jubeln.

»Sie wissen wirklich, wie man feiert, oder?«

»Ja, total«, stimme ich zu. »Andererseits kannst du selbst ganz gut feiern.«

»Ach ja?« Seine Augen sind dunkel, sein Grinsen ein kleines bisschen verschmitzt.

»Ja.« Dieses Mal drehe ich mich ganz zu ihm um, schlinge die Arme um seine Taille und drücke meine Wange an seine Brust, damit ich seinen Herzschlag hören kann, der unter meinem Ohr hämmert.

»Was willst du jetzt machen?«, fragt er, während das Feuerwerk weiter um uns herum explodiert. »Wir können hier oben bleiben oder zurück zum Fest gehen …«

Er verstummt, als Flammen den Himmel überziehen.

»Was war das?« Mich durchzuckt Entsetzen.

Das gehört zum Festival , sage ich mir. Nur ein weiterer Teil der Feier. Was sieht man bei Nacht auch besser als Feuer?

Das ist keine große Sache , wiederhole ich. Das ist alles geplant. Es ergibt so viel Sinn, dass ich es fast glaube … bis die Leute anfangen zu schreien.