Herbst

Das Auto

Alles war nur Feuersbrunst.

Die Flammen schlugen über dem Balken zusammen, der den Dachfirst getragen hatte und der noch immer zwischen den Querseiten verlief. Es würde nicht mehr lange dauern, bis auch er zusammenbräche. Die Seitenwände waren längst schon eingestürzt und durch ein gewaltig tosendes Feuer ersetzt worden. Kamin und Schornstein standen schwarz und drohend mitten in allem, umgeben von einem Flammenmeer.

Selma blieb fünf Meter vor dem Auto stehen.

Brennende Teile der Wand waren auf die Motorhaube gefallen. Sogar der schwere Klumpen aus Grassoden, der jetzt das Wagendach fast ganz bedeckte, brannte. Der Rauch wurde ihr beißend und düster entgegengetragen.

Es war aber trotzdem noch möglich, das Auto zu retten.

Doch die Luft war so heiß, dass ihr Körper das Weitergehen verweigerte.

Aber sie musste.

Selma lief weiter vom Brand weg. Mit beiden Fäusten, ohne daran zu denken, wie weh das tat, riss sie vereistes Heidekraut aus dem Boden. Sie rieb sich damit das Gesicht ein, die Brust, die Oberschenkel, den ganzen Leib. Ihr wurde kühler, und sie wurde nass von dem Nachtfrost, der auf ihrer Haut zerstob. Die war schon wieder getrocknet und unerträglich heiß, noch ehe Selma drei Meter weiter gekommen war. Sie holte das Laken, dessen Stoff feucht war, und sie hielt es vor sich wie einen riesigen Schild, als sie abermals versuchte, sich dem Auto zu nähern.

Noch ehe sie dort angekommen war, fing das Laken Feuer.

Sie wich eilig zurück, stolperte, rutschte aus, stürzte. Die Hitze verfolgte sie, ihre Haut brannte. Ihr Mund tat weh, der Hals ebenfalls. Sie hatte sich offenbar allein durch das Atmen verbrannt. Selma rappelte sich wieder auf. Halbwegs kroch und halbwegs lief sie weiter. Erst hundert Meter von Auto und Hütte entfernt drehte sie sich um und schaute zur Katastrophe hinüber.

Das Auto war von den Flammen verschlungen worden.

Selma hatte keinen Knall gehört, keine dramatische Explosion, wie im Film, wenn das Benzin Feuer fing und der Tank barst. Sie hörte nur Knistern und Knacken, den leisen Aufprall brennenden Holzes. Die Querwand hatte jetzt ebenfalls nachgegeben, und das Auto war nicht mehr zu sehen.

Plötzlich knallte es dann doch.

Selma fuhr zusammen, sie taumelte rückwärts gegen einen riesigen Stein. Ein scharfer Schmerz schoss von ihrem Kreuz hoch und ließ sie aufschreien.

Die Windschutzscheibe war zerborsten, das Autoinnere fing sofort Feuer. Wieder verdichtete sich der Rauch zu einem fast undurchsichtigen Nebel, und nach einigen Sekunden nahm sie den Gestank verbrannten Kunststoffs wahr.

Langsam, während alle Schmerzen beschlossen, sich zusammenzurotten, um ihr das Leben ganz und gar unerträglich zu machen, richtete sie sich auf und sah sich um. Nichts Neues war wie ein Wunder aufgetaucht. Keine Menschen. Kein Fahrzeug, das ihr einen Funken Hoffnung hätte geben können, hier wegzukommen.

Nach Hause.

Sagene, fiel ihr plötzlich ein.

Sie wohnte in Sagene.

Und mit einem Mal konnte sie sich an eine Hochzeit erinnern.