Ein Olympionike trainiert jahrelang für ein paar Minuten, oft auch nur Sekunden, in denen sich alles entscheidet. Wird er schnell genug laufen, hoch genug springen, weit genug werfen, um eine Medaille, möglichst eine goldene, zu gewinnen, oder wird er es knapp verfehlen und als ein Niemand die Heimreise antreten?
Der Wächter hatte weit mehr getan. Sein ganzes Leben lang – vielleicht abgesehen von Kindheit und Jugend, aber selbst darüber war er sich nicht mehr ganz sicher – hatte er sich auf jenen einen Moment vorbereitet. Allerdings ging es auch um unendlich viel mehr als eine belanglose Medaille. Für einige Augenblicke würde alles in seiner Hand liegen. Wenige Sekunden lang würde er in das Rad der Geschichte greifen, wie es ein Cäsar, ein Napoleon, ein Lenin getan hatten. Doch persönliche Macht würde er nicht dabei gewinnen. Ganz im Gegenteil, sein Handeln würde der Demut entspringen.
Die Demut war wichtig. Und die Urteilskraft.
Wenn es so weit war, würde er binnen Sekunden entscheiden müssen. Aber dies war nicht Mathematik, es würde kein eindeutiges Richtig oder Falsch geben. Es war eine Ermessensentscheidung. Die Folgen, falls er sich irrte, lagen außerhalb alles Vorstellbaren.