Das morgendliche Konklave des achten Tages hatte mit Verspätung begonnen. Der Vorschlag des Kardinaldekans, fünfzehn Minuten abzuwarten, ob Kardinal Monti noch erscheinen würde – normalerweise ein undenkbarer Vorgang –, war einstimmig angenommen worden. Elf Hände waren später in die Höhe gegangen als die anderen. Erst als erkennbar war, dass dieser Vorschlag eine deutliche Mehrheit bekommen würde, hatte Kardinal Rubino gravitätisch nickend die Hand gehoben, und zehn weitere waren ihm schnell gefolgt, doch keiner der anderen Kardinäle hatte daraus irgendeine Schlussfolgerung gezogen.
Das Verstreichen dieser fünfzehn Minuten war von den Kardinälen sehr unterschiedlich erlebt worden. Für die meisten war es viel zu schnell gegangen, denn nun würde man sich erneut dem zuwenden müssen, woran man seit Tagen immer wieder aufs Neue gescheitert war. Für Rubino hingegen war das Warten qualvoll lang geworden. Allzu groß war seine Angst, dass Kardinal Monti in letzter Sekunde doch noch erscheinen würde. Sicher, er hatte vorgesorgt mit seiner Erklärung, dass Monti unter Verwirrung litt, dennoch konnte dieser noch alles verderben, sollte er vor dem versammelten Kollegium Anschuldigungen erheben.
Doch Monti erschien nicht. Rubino atmete tief durch und warf einen Blick in die Gesichter um sich herum. War es jetzt so weit? Absolute Sicherheit konnte es nicht geben, aber so viel stand fest: Dieses Konklave war an seinem Tiefpunkt angelangt. Selbst die allgemeine Verzweiflung war nicht mehr zu spüren, sondern nur noch ein kollektives Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Dieses Konklave lag vor ihm wie ein angeschossenes Reh, das nur noch auf den Gnadenschuss wartete. Ja, nun war es so weit. Der Kardinaldekan war soeben dabei, ein Gebet zu sprechen, in dem er den Herrn bat, dieses Konklave zu segnen, als die Kardinäle Rubino und Sangalli einen Blick wechselten und Rubino fast unmerklich nickte. Sangalli wartete, bis der Kardinaldekan sein Gebet beendet hatte, dann erhob er sich langsam und sprach in der feierlichen Art, die er auf seinem Zimmer geübt hatte: »Ich schlage für das Amt des Pontifex Maximus vor«, hier machte er eine dramatische Pause, »Kardinal Rubino!« Wie ein Schauspieler versuchte er, einen Hauch von Endgültigkeit in seine Worte zu legen. Dies war kein weiterer Vorschlag, kein weiterer Versuch, der auch wieder scheitern konnte, nein, dies war der letzte, alle Probleme lösende, der alles abschließende Vorschlag. Dabei kam Sangalli auch sein Aussehen zugute, mit dem er in jeder Neuverfilmung von Ben Hur erste Wahl für die Rolle als würdiger römischer Senator gewesen wäre. Die vollen weißen Haare, die gebogene Patriziernase, das kräftige Kinn, die hohe Stirn, all das strahlte Klugheit und Entschlusskraft aus. Ein Anführer, dessen Worte Gewicht hatten. Er sah langsam um sich, dann setzte er sich. Auch dies hatte er vorher geprobt, ein Weiser hatte gesprochen. Beifallsbekundungen jeder Art hatten im Konklave zu unterbleiben, doch es blieb nicht unbemerkt, dass ein nachdenklich-beifälliges Nicken auf den Gesichtern einiger Kardinäle erschien. Was allerdings unbemerkt blieb, war der Umstand, dass es sich um dieselben Kardinäle handelte, die erst im letzten Moment für das Warten auf Kardinal Monti gestimmt hatten. Dennoch verfehlte es nicht seine Wirkung.