24
Meine letzten Tage am Bodensee verbrachte ich hauptsächlich mit den Besuchen bei Adèle sowie unzähligen Telefonaten, die sich fast ausschließlich um die Organisation ihres zukünftigen Lebens drehten. Das war gar nicht so einfach, zumal ich ja nicht vor Ort sein konnte. Außerdem gab es diverse Schwierigkeiten, jemanden aufzutreiben, der bereit war, sich rund um die Uhr um eine alte Dame in Grenoble zu kümmern. Frau Dr. Kling-Hofer gab mir schließlich die Adresse einer Pflegeorganisation, die Pflegekräfte aus Ungarn, Rumänien und Polen vermittelte. Mit einiger Anstrengung gelang es mir, mehrere Vorstellungsgespräche zu organisieren, die gleich nach unserer Rückkehr nach Frankreich stattfinden sollten.
Der ganze Trubel nahm mich so in Anspruch, dass ich erst am dritten Tag nach unserer letzten Begegnung dazu kam, mich bei Valerie zu melden. Ich hoffte, der kleine zeitliche Abstand hatte auch bei ihr bewirkt, dass sie wieder bereit war, sich mit mir zu versöhnen. Ich hatte längst eingesehen, wie unsinnig unser Streit gewesen war, und wollte mich für meine unfreundliche Reaktion entschuldigen. Doch ich erreichte nur ihre Mailbox. Also beschloss ich, sie in ihrer Wohnung aufzusuchen. Wir mussten uns unbedingt aussprechen, bevor ich mit Adèle zurück nach Grenoble fuhr. Da ich wusste, dass Valerie normalerweise ihre Abende zu Hause verbrachte, war ich umso erstaunter, sie nicht anzutreffen. Kurz entschlossen rief ich bei Werner in der Segelschule an und erfuhr von ihm, dass sie für eine Woche auf einem Segeltörn war. Leider kehrte sie erst nach unserer nun nicht mehr aufschiebbaren Abreise zurück. Frustriert überlegte ich, ob ich Valerie irgendwo in einem Hafen am Bodensee abfangen konnte, den sie anliefen. Doch da selbst Werner nicht wusste, wo das Schiff am Abend vor Anker ging, musste ich auch diese Option aufgeben.
Und dann kamen mir plötzlich Zweifel. Vielleicht wollte Valerie mich ja gar nicht mehr sehen? Wieso hatte sie nicht auf meine Anrufe reagiert? Wenn ihr an einer Aussöhnung gelegen wäre, hätte sie mich doch zurückrufen müssen oder gar selbst einen Versuch unternommen, mich zu treffen. Wollte sie mir damit vielleicht zeigen, dass für sie unsere Affäre beendet war? Alles in mir weigerte sich, das zu glauben. Das passte nicht zu Valerie, oder? Da ich unbedingt Klarheit darüber haben wollte, beschloss ich, ihr einen persönlichen Brief zu schreiben.
Noch am selben Abend setzte ich mich hin und erklärte ihr meine Situation. Ich schrieb, dass ich bei ihr zu Hause gewesen war, um mich mit ihr auszusöhnen. Außerdem versicherte ich ihr, wie leid es mir tue, ihr das Gefühl vermittelt zu haben, sie geringzuschätzen. Das sei nie meine Absicht gewesen. Dann erwähnte ich, dass Adèle zu einem Pflegefall geworden sei und ich mich um sie kümmern müsse. Mein Brief endete mit der dringenden Bitte, sich doch möglichst bald bei mir zu melden.
Ich unterschrieb mit: In Liebe, Dein Rick.