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» D as kann nicht dein verschissener Ernst sein! Sie ist ein Kind!«, brüllte Greg weiter, was mich diesmal kalt ließ.
»Und dann noch–« Er raufte sich das dunkelbraune Haar und die Verzweiflung, die von seinen Fingern in sein Haar überging, belustigte mich. Allerdings kannte ich ihn gut genug, auch seine Schwachstellen und die kleinen Komplexe, die ihn quälten, weshalb ich mir das Lachen verkniff. So schwer es auch war.
»Du kannst ihr doch nicht auf die Brüste starren, Adam! Seit wann sind wir so?«
Vielleicht seit dem Moment, wo wir uns von Frauen an der Nase herumführen lassen. Angefangen bei dir, Kit. Du warst die Erste und es waren weitere gefolgt. Poppy war da keine Ausnahme. Unsere Mitarbeiterinnen, die uns sonst treu dienten, uns wohlgesonnen in den Armen lagen, verarschten uns auf einmal genauso. Ich spürte das. Und Mila. Ja, deine kleine Schwester, die ständig irgendwo auftauchte, Riley gleichermaßen den Kopf verdrehte wie Poppy, blieb da nicht außen vor. Hier spielte sich Übles ab und unsere Ziele rückten von uns weg.
»Beruhig dich, Greg.«
»Einen Scheiß! Halt deine Hose geschlossen und riskiere keinen Kopfschuss, du Schwanz!«
So aufgebracht erlebte ich ihn selten. Die Lage war für ihn kaum zu ertragen. Seine Angst, uns nicht mehr beschützen zu können, würde ihn noch ins Grab treiben. Seine größte Schwäche von allen. Die Furcht, uns unter seinen Händen wegsterben zu sehen. Greg, der alte Softi.
»Hör zu.« Ich legte die Hand auf seinen angespannten Oberarm und lächelte ihn mitfühlend an. »Setz dich eine Runde ins Auto, genieß die kühle Luft und wenn alle Stricke reißen, schau dir ein paar Welpenvideos an, die dich immer in Verzückung bringen.«
Er riss seinen Arm weg und schloss seine Pranke um meine Kehle, um mich im nächsten Moment gegen die Wand zu pressen.
»Das ist kein Spiel, Adam«, brummte er gefährlich. Mir war jedoch bewusst, dass er mich heute, hier und jetzt, sicher nicht umbringen würde. Ich biss mir auf die Innenwange, um mein Lachen zu unterdrücken.
»Ohne Scheiß, Adam. Ich spüre die Gefahr. Ich merke es sofort. Ich habe es bei Stiletto gewusst und auch bei Campino. Es war mein erster Freund und es wird mein letzter sein. Wenn ich dir also sage, dass sich hier etwas auftut, was mir nicht gefällt, dann verhalte dich auch so! Ich will euch nur beschützen!«
»Das weiß ich doch, Greg.« Ich tätschelte seinen Arm, während er mir noch immer die Luft abschnürte.
»Und wenn ich dir sage, dass du deinen Schwanz in Schach halten sollst, dann meine ich das verflucht noch mal genauso.«
»Jetzt hörst du dich an wie Kit.«
Knurrend ließ er mich los und wischte sich durchs Gesicht.
»Sei nicht so nervös, Greg. Alles läuft doch nach Plan.«
»Nichts läuft nach Plan. Die Frauen sind alle tot. Wir haben eine, die wir nicht zuordnen können und sonst was bedeuten kann, und die Deals gehen auch unter.«
»Ich habe Nadine schon neue Instruktionen zukommen lassen. Gibt ihr etwas Zeit. So viel Top kann man sich nicht aus den Rippen schneiden.«
»Wenn das scheitert, macht D dich dafür verantwortlich!« Was mir durchaus bewusst war, weshalb ich nickte.
»Was hat Alexander gesagt? Haben wir zumindest da neue Informationen?«
»Was für ein Alexander?«
»Der Dolmetscher, Adam. Er sollte doch mit Poppy reden.«
»Ja, keine Ahnung.«
»Wie? Du solltest sie doch zu ihm bringen.«
»Ich habe Poppy gesucht und gefunden, aber weit und breit war kein Kerl namens Alexander.«
Stirnrunzelnd betrachtete Greg mich und sah sich verwirrt auf dem Flur um, als könnte er hier irgendwo stehen. Lustig, denn selbst wenn ich ihn nicht abgeknallt hätte, würde er sicher nicht einen Tag später aus einer Ecke hüpfen und ›Hey, hier bin ich‹ rufen.
»Greg.«
»Ich habe ihn genau hier abgestellt?«
»Wie einen Schrank? Er hat Beine und kann sich selbständig bewegen.«
Entgeistert sah er mich an und begriff nicht, dass er wirklich nicht hier war.
»Adam?«, hauchte Greg verwirrt. »Er war hier.«
»Schon gut, Großer.« Ich legte die Hand auf seine Schulter und drückte zu.
»Alles wird gut.«
»Scheiße, der muss doch irgendwo sein.«
»Jetzt nicht mehr. Er ist sicher gegangen, weil die Suche nach Poppy zu lange gedauert hatte. Die Russen haben keine Geduld.«
»Was laberst du für einen Scheiß? Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass er hier herumspionieren könnte? Dass das alles ein Vorsatz war und Poppy ein Teil davon?« Da wurde mein Freund glatt paranoider als D.
»Greg, fahr runter.«
»Du bleibst von Poppy weg.«
Das brachte mich zum Stocken. »Ehm, was?«
»Du schnappst dir Trick, der unten in der Küche hockt und Abstand von Kit braucht, und ich kümmere mich um Poppy.«
»Du?«
»Ja, ich, du Schwanz auf zwei Beinen. Als Nächstes vergreifst du dich noch an der Kleinen. Du bleibst vorerst von ihr weg!«
»Und was ist mit deiner Bonny, wenn du hier einen auf Babysitter machst? Lässt du Trick wohl doch den Vortritt.«
Greg knurrte auf und zeigte mit dem Finger zur Treppe.
»Verschwinde, Adam. Finde heraus, was mit Alexander passiert ist, und nimm Trick mit!« Wohl, damit er nicht bei Bonny vorbeischaute. Aber ich tat es. Es war sicher besser so.
Greg betrat das Zimmer und ich drehte mich um. Mir war es lieber, dass ich mit der Suche nach dem Toten beauftragt wurde, als wenn er es selbst übernahm und nachher herausfand, was wirklich passiert war.
Kurze Zeit später ging ich gemeinsam mit dem endlos tätowierten Kerl an meiner Rechten zum Sicherheitsmann. Anstatt unsere Zeit zu verschwenden, indem wir die Villa absuchten, wie ich es geplant hatte, kam Trick, hochmotiviert wie immer, auf die geniale Idee, direkt beim Sicherheitsmann anzuklopfen und sich die Überwachungsvideos anzusehen. Genau hatte ich vermeiden wollen. Yumi hatte zwar die Aufnahmen überschreiben sollen, aber ob sie es wirklich getan hatte, war fraglich.
Nervös saß ich da und schaute mir mit Trick die Bänder an. Zum Glück bemerkte er nicht, wie unruhig ich wurde. Denn sein Blick haftete fest auf den Bildschirmen. Zeitlich näherten wir uns dem Zeitpunkt, wo ich den Kerl raustrug. Zuvor sah man mich, wie ich in mein Zimmer verschwand. Die Luft zwischen mir und den Bildschirmen war zum Zerficken angespannt. Mein Herz pumpte und ich geriet fast in Panik, als …
Nichts geschah.
Die Dauerschleife trat geschätzt kurz vor Mitternacht ein und löste sich erst am Morgen wieder. Dann, als Mila über den Flur geisterte.
Erleichtert stellte ich fest, dass Yumi es geschafft und mir den Arsch gerettet hatte.
»Komisch.« Trick drehte sich auf dem Stuhl zu mir um. »Hast du nicht bei Pascha geschlafen?«
Verfickt! Man hatte nicht gesehen, wie ich zu Poppy gegangen war.
»Wie kommst du darauf?«
»Mila sagte heute Morgen, dass du bei ihr geschlafen hast.«
»Ich bin nach Mila ins Zimmer gegangen, willst du die Aufnahmen weiter ansehen?«, pokerte ich um mein Leben.
»Nein.« Er schüttelte seinen Kopf und stand auf. »Ich verschwende doch nicht meine Zeit mit deinem Schädel auf einem Video.«
Zum Glück war er so engagiert.
»Wieso? Mal ein hübsches Gesicht zu betrachten, kann dir nicht schaden. Dein hässliches Gesicht jeden Tag im Spiegel ist bestimmt hart!«
Er lachte nur, dabei lag ihm ein dummer Spruch auf der gespaltenen Zunge. Ich spürte es und er schluckte es runter, weil ich sein Boss war.
»Komm, sag schon, Trick. Was liegt unserem kleinen Bad Boy auf dem Herzen?« Ich ging voran aus dem Raum und er folgte mir.
»Ach so, wir reden jetzt über unsere Gefühle?«
»Wenn du das brauchst.«
»Ehrlich. Mann, heute schon.« Dabei klang er diesmal nicht belustigt und ich schaute rüber. »Was machen wir jetzt?«
»Bei den Nutten vorbeischauen, vielleicht ist er ja dort.« Ich zwinkerte ihm zu. »Und währenddessen erzählst du mir, was los ist.«
»Kit«, spuckte er bedeutungsvoll aus, als würde dein Name ausreichen, um alles Problematische zusammenzufassen. Tat es auch. Du warst eben nicht einfach. Du warst zwar auch nicht kompliziert, aber mit Sicherheit die anstrengendste Frau, die wir bisher kannten.
»Ja, du hast recht. Ich fühle mit dir, mein Freund.«
»Ich höre den Spott, Adam.«
»Nein, ich verstehe dich wirklich, dennoch solltest du mehr herauskriegen als ihren Namen. Denn das kann viel bedeuten. Von dummen Sprüchen bis zum kaltblütigen Mord.«
»Nein, das mag ich an der Süßen.«
»Süße solltest du nicht sagen.«
»Ich darf das, du nicht.« War das so, Kit? »Nein, ich meine, ich fahre sie durch die Gegend und höre ihren inneren Monolog durch den Wagen fliegen. Das ist anstrengend.«
»Du hörst ihre Gedanken?«
»Ich meine … Du weißt doch, wie angespannt sie dann immer ist, wenn sie was mit sich selbst ausmacht. Es macht mich wahnsinnig. Wenn die Süße zumindest quatschen würde, könnte man ihr helfen.«
»Glaubst du, zu wissen, worum es sich in ihr selbst dreht?«
»Das Übliche. Colt und seine Pläne, die Schildkröte, aber ich denke, da ich sie jeden Tag ins Revier gefahren habe …«
»Du hast sie in ihr altes Revier gefahren?«
»Jeden Tag.«
»Seit wann?« Was hecktest du wieder aus, Kit?
»Weiß nicht?«
»Vor oder nachdem ihr alter Mitarbeiter verschwunden ist?«
»Ach, davor!«, winkte er ab und gleichzeitig wurde ihm klar, was ich dachte.
»Du denkst, sie steckt dahinter?«
»Ja.« Ich wurde mir sogar immer sicherer. »Du nicht?«
»Ich schätze sie eher so ein, dass sie erbarmungslos genug ist, um kein Versteckspiel daraus zu machen.«
»Und wenn das Opfer rein zufällig noch immer ganz dicke mit Daddy ist?«
Trick blieb stehen und sah mich verwundert an.
»Scheiße.« Nervös glitten seine zwei Zungenspitzen über die Unterlippe. »Dann tippe ich darauf, dass sie es wirklich verschleiern würde.«
Ich nickte und wir waren uns beide einig.
»Gut, den einen Fall haben wir gelöst. Aber was ist mit dem Dolmetscher?«
Ich zuckte mit den Schultern und dachte nach, während wir uns den Flur mit den Frauen näherten. Überall hingen hier die Nutten herum, aber irgendwie musste ich Trick beschäftigen. Gleichzeitig überlegte ich mir, wie ich ihn auf eine andere Spur bringen konnte.
»Um ehrlich zu sein, ist der Typ mir egal. Der ist abgehauen, weil er keine Zeit hatte oder so. Er war ja noch nicht mal oben, wie Greg gesagt hat.«
»Stimmt.«
»Ich denke, wir müssen eher Kit helfen«, versuchte ich geschickt, seine Zuneigung zu dir auszunutzen.
»Wie meinst du das?«
»Na, was meinst du, was los ist, wenn herauskommt, dass sie hinter dem Verschwinden von Malcolms Freund steckt?«
Nachdenklich strich er sich über das Kinn. »Sie ist die Koksprinzessin.«
»Trick, das war sie einmal. Daddy wird ihr das nicht so schnell verzeihen, ganz zu schweigen von Calvin, der ausflippen wird. Die Pläne, die Colt anstrebt, könnten damit ins Wanken geraten und ehe wir uns versehen, kommt Kit mit der Nase daran und hier geht ein Gemetzel los.« Das typische Kit-Worst-Case-Szenario. Das verdiente eigentlich einen eigenen Namen, Kit. So brutal und undurchsichtig, wie du und dein Handeln waren.
»O Mann.«
»Du sagst es.«
»Scheiß auf den Kerl. Wir suchen einen neuen Dolmetscher. Ich fahr zu Kit.« Genau das wollte ich hören.
»Sprich sie aber nicht direkt an.«
»Bist du irre? Die Süße macht dann einen Aufriss, dem ich nicht gewachsen bin. Sie ist schwanger. Ich kann mich nicht wehren.«
Damit brachte er mich zum Lachen.
»Lach nicht. Sie ist anstrengend. Ich behalte sie einfach im Auge.« Er drehte sich um und schritt davon. Ich atmete erst mal durch. Zumindest die erste Gefahr war abgewendet.