G
reg bemühte sich freundlich zu sein, doch seine Körpersprache war kalt und distanziert. Er achtete darauf, mir nicht zu nahezukommen. Wahrscheinlich ahnte er, dass die Kreatur das für ihn übernahm.
Noch immer war ich geschockt über das Verhalten von Adam. Und über meines. Seine stechenden Augen verfolgten mich, während mir Greg Frühstück einflößte und mich zu seinem Wagen führte. Kein Wort sprach er mit mir, was eine willkommene Abwechslung war, da meine Gedanken laut genug waren.
Allerdings änderte sich das schnell, als er den Wagen
bestieg und einen Blick auf den Rücksitz warf. Ich verkniff mir das Lachen, als er fluchend Mila dafür verantwortlich machte.
»Diese Göre pennt immer in meinem Wagen und hinterlässt jedes Mal eine ganze Mülldeponie.« Sie schlief hier? Sie machte das öfter? Für einen Augenblick bildete ich mir ein, dass sie dies nur mit mir teilte. Es war jedoch naiv, so etwas zu glauben. Dafür hatte sie den Wagen zu geschickt und zügig aufgebrochen. Sie war gekonnt, geübt, gerade weil sie es offenbar schon mehrmals gemacht hatte. Gleichzeitig stellte sich mir die Frage, warum sie in Gregs Auto schlafen sollte. Sie hatte doch sicher ein Zimmer in Calvins Villa, oder nicht? Meine Gedanken wurden von Gregs Geschimpfe neben mir überschattet. Dem schenkte ich dann aber keine Beachtung mehr und nahm die Umgebung ins Augenmerk. Fest konzentrierte ich mich darauf. Schließlich fuhr er auf einen Trailerpark zu und steuerte uns durch die umgebauten Wohnwagen, die vereinzelt wie kleine Häuser aussahen. Neugierig und verwundert betrachtete ich sie eingehend. Dort, wo er zum Halten kam, stand der Trailer noch im Originalzustand und glänzte im Metallic-Look.
Die ganze Gegend schrie nach Kriminalität und mich wunderte es, dass gerade jemand wie Greg, der zu einer unsichtbar agierenden Vereinigung gehörte, hier Geschäfte durchführte.
Er stieg aus und deutete mir mit einem knappen Nicken an, dasselbe zu tun. Stumm gehorchte ich dem Befehl, während mich die Neugier weiter packte. Er klopfte an der Tür und eine weibliche, trällernde Stimme bat herein. Nervös folgte ich ihm in den engen Raum.
»Hey, Greg!« Stürmisch wurde er von einer hübschen, sehr schlanken Blondine empfangen. Sie schlang die Arme um ihn und schockiert sah ich dabei zu, wie sie ihm ihre Lippen auf den Mund presste und er sie ebenfalls küsste. Beschämt schaute ich weg, als mir klar wurde, dass sich ein liebendes
Paar vor mir befand. Greg hatte eine Freundin. Meine Augen wanderten durch den kleinen Raum und durch die Enge fühlte ich mich fehl am Platz. Mit leisen, nicht störenden Schritten wich ich zurück und verließ den Wohnwagen.
Genau in dem Moment erweckte eine mir bekannte Stimme meine Aufmerksamkeit, eine weibliche, die rau und dunkel war. Dann sah ich sie mit mehreren Männern am Straßenrand. Auf eine Krücke gestemmt spannten sich ihre Muskeln an. Neben ihr stand ein Latino und vor ihr zwei andere Kerle dunkler Hautfarbe. Kits Körpersprache schrie trotz der Jacke ihren Unmut heraus. Da ich ihre Worte nicht verstand, näherte ich mich schleichend und versteckte mich zwischen zwei Mülltonnen.
»Sehe ich etwa so aus, als würde mich das interessieren?«
»Kit, wir wissen wirklich nichts.«
»Oh, du willst es lieber dem Lauf meiner Glock erzählen, stimmt’s?«
Da zog der Nebenmann seine Waffe und hielt sie dem anderen umgehend an den Kopf. »Oder du erzählst es seiner Knarre … wie du willst.« Sie zuckte gelassen die Schulter.
»Ohne Scheiß, Kit. Wir wissen nichts.«
»Drei«, sprach sie nur und verwunderte mich.
»Kit, ich schwöre dir. Wir wissen nichts!«
»Zwei«, kam es noch gelangweilter von ihr, während beide Männer nervös die Hände hochhielten.
»Eins.« Ein Schuss ertönte, ließ mich zusammenzucken und der Mann, auf den die Waffe gerichtet gewesen war, fiel umgehend zu Boden. Unverzüglich hielt der Lateinamerikaner den Lauf auf den anderen.
»Drei«, begann Kit erneut, während das nächste Opfer zitterte.
»Hier war jemand, der sich nach den Routen erkundigt hatte.«
»Wer?«, brüllte sie ihm entgegen. »Und jetzt komm mir nicht
mit ›Ich weiß es nicht, ich schwöre!‹«, äffte sie ihn schrill nach. »Dafür habe ich jetzt keine Zeit.«
»Es ist aber so, Kit. Wir haben nichts verraten.«
»Wie sah er aus?«
»Ich weiß es nicht mehr.«
»Zwei.«
»Weiß, groß, dunkle Haare, Anzug und ein dicker Mantel.«
»Geht doch.« Sie sah ihren Kumpanen an und er zog die Waffe zurück. »Mach hier sauber, ich will keinen Dreck auf der Straße liegen sehen!«, wies sie ihr ängstliches Opfer zurecht und nickte zu ihrem Begleiter. Ich schluckte und war gleichzeitig erleichtert, dass sie keinen weiteren tötete, obwohl ich die Männer nicht einmal kannte. Mein Herz pochte wild und noch stärker, als sie sich abwandte. Kit und ihre Kaltblütigkeit waren eingehend bekannt. Sie jedoch so in Action zu sehen, jagte mir einen eiskalten Schauer den Rücken hinab. Versteckt hoffte ich, dass sie mich und mein auffälliges Haar nicht erkennen würde, und belauschte sie weiterhin.
»Du weißt, nach wem das klingt?«
»Ja, Saltos, ich weiß, nach wem das klingt. Wundert uns das?« Die zwei gingen die Straße zu einem schwarzen Wagen entlang, der mir bekannt vorkam.
»Was wirst du Calvin sagen?«
»Dem Boss sagen wir nichts. Er ist eh nicht da. Es gibt Probleme mit den Geschäften, weshalb er verreist ist.« Calvin war nicht da? Das erklärte, warum ich ihn nicht mehr gesehen hatte.
»Probleme? Wahrscheinlich welche von der Sorte, die wir unseren Gästen zu verdanken haben.«
»Sie sind nicht mehr unsere Gäste.« Sie stieg ins Auto. Saltos schüttelte den Kopf, stieg ebenfalls ein und als sie endlich davonfuhren, atmete ich aus.
Noch immer konnte ich mich nicht bewegen, war wie erstarrt und beobachtete gleichzeitig, wie der Überlebende
seinen Freund von der Straße hob, auf eine Schulter hievte und ihn wegtrug.
»Poppy?« Gregs Stimme erschreckte mich und ich stolperte gegen die Tonnen. Die Geräusche brachten ihn direkt zu mir. »Hast du dich versteckt? Vor mir?« Er runzelte die Stirn und prüfte meine Reaktion auf ihn eingehend. Dann schlug er sich gegen die Stirn. »Ach, die kann mich ja gar nicht verstehen«, sprach er scheinbar mit sich selbst und kam auf mich zu. Er bot mir eine Hand an, um mir aufzuhelfen, da ich vor Schreck mehr auf den Tonnen lag, als auf den Beinen stand. Doch schnell richtete ich mich ohne Hilfestellung auf. Er nickte zum Trailer, dass ich ihm folgen sollte.
Dort empfing mich die Blondine mit einer herzlichen Umarmung, als wären wir alte Freunde. Ich hatte sicher nichts gegen freundliche Zuneigung, nur sollte diese ehrlich sein. Das konnte sie niemals sein, denn wir kannten einander nicht. Es war merkwürdig, in ihren Armen gefangen zu sein und ihren Duft einzuatmen. Ich wusste nicht einmal, wie sie hieß, nur, dass sie scheinbar die Freundin von Greg war. Als sie sich löste und es kaum merkwürdiger sein konnte, zeigte sie mit ihren roten Fingernägeln erst auf mich, sagte: »Poppy«, und dann auf sich und sagte: »Bonny«. Ich nickte und fand sie doch irgendwie niedlich, wie sie mich nun betrachtete, so wehleidig und mitfühlend, als hätten wir dasselbe Schicksal erlebt. Sie bedeutete mir, neben Greg auf der schmalen Bank am Tisch Platz zu nehmen, wo alles im Vergleich zu dem großen, breiten Mann wie ein kukol'nyy domik wirkte. Der große Mann, gefangen im Puppenhaus.