I
ch wartete. Wartete. Und wartete.
Eigentlich wollte ich ihr Zeit geben. Ließ ihr sogar den Freiraum, den sie für die nächsten Tage nicht bekommen würde. Denn mein Plan lief und den würde ich sicher auch nicht aufhalten. Vor wenigen Minuten hatte mich Yumis Nachricht erreicht, dass Sokolov jeden Deal eingehen würde, sofern seiner Tochter nichts widerfuhr. Mit diesen Worten, Kit, hatte ich sicher nicht gerechnet und überlegte mir zeitgleich, inwieweit ich das ausnutzen könnte. Nur wäre es nicht möglich. Denn am Ende würde sie so oder so sterben müssen. Also war jeder Gedanke an einen weiteren Deal über meinen Plan hinaus verschwendete Liebesmüh. Dann erlosch auch meine Geduld und ich sah nach Poppy.
Die Tür war noch nicht geöffnet, da spürte ich den kalten
Windzug. Sie war geflohen. Das wusste ich sofort. Das offen stehende Fenster war nur noch die Bestätigung. Mein Weg führte direkt zu diesem.
»Dieses verfickte Mädchen!«, knurrte ich und schüttelte den Kopf, als ich hinabsah und das Regenrohr an der Wand bemerkte. Kit, diesen Plan hatte sie sicher mit deiner Schwester ausgeheckt. Niemals wäre sie allein darauf gekommen. Oder hätte den Mut dafür aufgebracht. Zu sehr war sie von mir eingeschüchtert. Mila hatte bestimmt schon unten gestanden und auf sie gewartet. Weshalb ich wusste, wo mein Weg mich nun hinführte. Ja, zu dir, Kit. Deine Schwester hörte nur auf dich. Du musstest mir meine Poppy zurückholen.
So schnell ich konnte, verließ ich den Raum mit dem Mantel dieser irren Blume und zog meine Jacke im Lauf an. Ich begegnete Greg und schüttelte nur den Kopf, da ich keine Zeit hatte, mit ihm zu diskutieren. Es war ohnehin schon später Vormittag. Daher hatte ich erst recht keine Zeit für Versteckspiele oder unnötige Diskussionen.
Im Eifer des Gefechts schaffte ich es jedoch, den Kofferraum zu inspizieren, bevor ich mich hinters Steuer setzte. Immerhin klappte eine Sache. Auf unsere Söldner war Verlass. Allerdings sah ich auf den ersten und durchaus kurzen Blick, dass der Wagen gereinigt werden musste. Dafür hatte ich gerade keine Zeit. Ich brauchte mein Auto. Ich brauchte deine Hilfe. Und ich brauchte diese kleine, nervige, viel zu reizend warme Person, die so schön in meinen Armen lag. Die mich mit ihrem Duft bezirzte und mit ihren Kurven reizte. Kit, sie entwaffnete mich und ich konnte mich nicht schützen. Nur ihr Tod würde mich befreien. Das würde jedoch noch dauern. Solange musste ich sie zumindest bei mir halten. Sie durfte mir nicht entkommen. Wer ahnte schon, was sie bei Calvin finden würde?
Ich parkte vor deinem Haus und eilte zur Tür. Im Handumdrehen stand ich im Hausflur und hörte eine bekannte
Stimme. Dani. Eine unserer Mitarbeiterinnen.
Ihr kurzes Quietschen ließ mich hadern und ich lauschte.
»Aus dir wird noch ein richtiger Softi, Colt.« Wie recht sie hatte, Kit. Das hattest du aus ihm gemacht. Er dachte wirklich, ihr könntet eine Familie werden. Eine von diesen normalen. Dabei wäre es, wenn überhaupt, mein Wunsch gewesen und nicht seiner oder deiner. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln und traute mich weiter in dein Heim hinein. Dabei wurde ich von weihnachtlicher Dekoration regelrecht erschlagen. Ich traute meinen Augen kaum, als ich den sadistischen, wirklich krankhaften Colt sah, wie er einen Weihnachtsbaum aufstellte, während Dani euer Haus dekorierte.
Fassungslos stand ich da und schaute mir den Tatort an. Dann gab es selbst für mich kein Zurück mehr. Ich steuerte auf D zu und konnte meinen Mund nicht halten.
»Hier sieht es ja aus wie in einem schlechten Kinderfilm.« Sofort spannten sich seine Muskeln an, als wäre ich der Staatsfeind oder zumindest ein ungern gesehener Gast und nicht sein bester Freund.
»Was machst du hier? Du sollst auf sie aufpassen.«
Ich öffnete meinen Mund und im selben Augenblick konnte ich D nicht erklären, dass ich Poppy ein weiteres Mal verloren hatte. Wie er mich anstierte. Es ging nicht. Ich würde mich lächerlich machen, weil sie mir wieder abgehauen war. Also tat ich das Einzige, was mir spontan eingefallen war.
»Ich bin kein Babysitter und für so etwas hast du Trick.« Und sah zu Dani. »Hey, Hübsche!« Lächelnd zwinkerte ich ihr noch zu, was sie komplett vereinnahmte. Das erkannte ich an ihrer sofortigen Röte. Sie stammelte noch etwas, bevor sie sich beschämt abwandte. Diese Wirkung mochte ich, Kit. Ich brauchte es sogar. Ich könnte mit den Fingern schnipsen und sie würde sich umgehend auf meinen Schoß setzen. Mein Blick wanderte wie von selbst über ihre schmale Taille zu dem
festen Arsch, der geradezu danach schrie, angefasst zu werden.
»Hör auf damit!«, holte sich D meine Aufmerksamkeit und ich verstand nicht, was er wollte. Kit, dein Liebster wusste, wie ich war. Auch, dass die meisten unserer Mitarbeiterinnen in meinem Bett landeten.
»Womit?«
»Ins Haus zu marschieren, als würde es dir gehören. Du bist hier nicht zu Hause! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du gefälligst klingeln kannst? Und lass endlich deine nächtlichen Besuche!«
»Ich war seit Tagen nicht mehr in der Nacht hier«, klärte ich ihn auf. Denn durch deine Schwester und Poppy war ich nicht mehr dazu gekommen, dich jeden Tag mehrfach aufzusuchen.
»Pass auf das Ding auf.«
»Poppy. Ich nenne das Ding ›Poppy‹. Und wie soll ich bitte auf sie aufpassen? Sie versteht kein Wort. Sie passt nicht in deinen Plan und sie ist mir auch egal. Riley kann doch aufpassen«, kriegte ich noch die Kurve.
»Riley muss Mila von ihr fernhalten. Trick kümmert sich schon um Jenny.«
»Stiletto«, berichtigte ich ihn, was ihm scheinbar egal war.
»Jenny.« Dabei hasstest du es, wenn er dich so nannte. »Und Greg würde sie einfach umbringen.« D wusste scheinbar nicht, dass er schon längst auf sie aufgepasst hatte, womit ich meine Tarnung aufrechterhalten konnte.
»Was natürlich auch so verkehrt wäre.« Eine lockere Handbewegung hinterher und er kaufte mir die Gleichgültigkeit ab. So einfach, Kit. Von mir konntest du noch etwas lernen. Dennoch sah ich, wie die komische Ader an seinem Hals anschwoll.
»Du musst dafür sorgen, dass sie so wenig Aufmerksamkeit auf sich lenkt wie möglich. Dass sie die Villa nicht verlässt, bis wir mehr wissen.« Warum die Villa, Kit? Warum nicht in einem
unserer Verstecke, von wo aus wir operierten?
»Ist dann nicht die Villa genau der falsche Ort?«
»Es wäre dann Calvins Problem und nicht unseres.« Bedeutungsvoll sah er mich an, setzte sich mir gegenüber und ich fragte mich, was ihn ihm vorging. Diese Worte und wie er es sagte. Ahnte er, wer sie war? Wusste er, dass vermutlich die Russen hinter Calvin her waren? Was plante er verfickt noch mal?
Ohne aber selbst ins Visier zu geraten, blieb mir nichts anderes übrig, als sein Spiel mitzuspielen, und ich verwies auf das Wesentliche. Nicht für mich, aber für ihn und dich.
»Aber sie weiß nun, wo du und Stiletto wohnen.«
»Und deswegen sollst du dafür sorgen, dass sie niemanden anrufen kann oder auf eine andere Art Informationen über uns ausplaudert. Es war kein Zufall, dass der LKW ausgerechnet an der Stelle unter Beschuss geriet.«
»Und dass es überhaupt passiert ist. Niemand wusste davon.«
»Genau. Sie ist die Einzige, die überlebt hat.«
»Und wir glauben nicht an Zufälle«, quatsche ich seine gewohnten Worte nach und als er nickte, wurde mir klar, dass er wirklich die Vermutung hatte, wer sie war. Er wusste es nicht genau, sonst hätte er es mit uns besprochen. Aber er machte sich scheinbar auch seine Gedanken und handelte. D hatte alles im Griff und ich war dabei, alles auf den Kopf zu stellen. Nein, ich hatte längst alles verdreht. Das wusste er jedoch noch nicht. Und das musste auch so bleiben. Egal was für einen Fick er geplant hatte. Er konnte diesen fortsetzen, sobald der Deal erstmal gelaufen war. Bloß ratterte sein Kopf, das hörte ich förmlich. Er schaute durch mich hindurch und grübelte vor sich hin. Suchte er etwa die Bestätigung für seine Vermutung? Falls ja, hätte ich ein größeres Problem, da er sehr verbissen war, insofern er etwas fand, was seine Aufmerksamkeit weckte. So wie bei dir, Kit.
»Worüber denkst du nach, D?«
»Wie sie ins Bild passt.« Er ahnte es nicht. Kit, er hatte einen ganz anderen Plan. Allerdings war ich auch der Letzte, der ihn in die richtige Richtung weisen würde. Nicht, solange nicht alles in trockenen Tüchern war.
»Gar nicht. Du siehst wieder etwas, was nicht da ist. Sie ist zu jung, um für die Regierung zu arbeiten. Und für Feinde ist sie zu verunsichert. Du wirst von Jahr zu Jahr paranoider.«
»Was du Paranoia nennst, verstehe ich unter Lebensversicherung. Lass sie einfach nicht aus den Augen, also verschwinde!«
Er hatte recht – und gleichzeitig würde er dir den Plan verraten müssen. Du würdest uns sonst alle als Verräter sehen. Das wurde mir bewusst, als ich beim Aufstehen dein lächelndes Gesicht an der Wand entdeckte. Du liebst ihn, Kit. Du würdest es nie zugeben, aber du liebst D. »Du musst es Stiletto sagen.«
Dein Mann knirschte mit den Zähnen und knurrte: »Besser verbannst du Jenny aus deinem Kopf. Sie ist nicht dein Heiliger Gral.« Dabei war das so noch nicht einmal gemeint gewesen. Wir würden dich verlieren, wenn du wüsstest, was auf dich zukam. Keinem würdest du das verzeihen. Dennoch lächelte ich und gab nicht zu, wie viel du mir wert warst. Stattdessen provozierte ich ihn.
»Wieder eifersüchtig?« Sogleich bemerkte ich den Fehler an seinem Gesichtsausdruck. »Schon gut. Ich lasse Poppy nicht aus den Augen.« Weil sie zu wichtig war, nicht weil er es verlangte.
»Falls nötig, schleppst du sie mit aufs Klo. Sie darf nicht zu einer Gefahr werden.« Ich nickte zur Bestätigung und er ergänzte befehlend:
»Ich will dich hier vorerst nicht mehr sehen, nicht ohne sie und erst recht nicht vor übermorgen. Sag das auch Riley und Greg.« Übermorgen. Verfickt!
»Familienzeit?«
»Ja.«
»Wer hätte das gedacht?« Ich drehte mich zum Gehen um. Weihnachten. Dein Geburtstag. Es stand alles gleichzeitig vor der Tür. Genauso wie die letzten Vorkehrungen. D beschäftigte dich mit dem Weihnachtsfamilienfick und während Riley sich um deine Schwester kümmerte, erledigten Greg und ich alles weitere. Ein Problem. Denn ich hatte mich bislang nur um meine Geschäfte außerhalb der Staaten gekümmert. Zudem hatte ich Poppy am Hals und die vielen Schluchten, die ich mit weiteren Unannehmlichkeiten hatte schließen müssen.
Knietief hing ich in der Scheiße. Jetzt war es Zeit zum Handeln.
Ich fickte auf die kleine Rothaarige und setzte mich in Bewegung. Während der Fahrt rief ich Nicole an, die längst nicht mit den Dokumenten fertig war. Kit, wenn ich das jetzt versaute, würde mir D wirklich den Kopf abreißen. Wir hatten es exzessiv geplant. Umfangreich und eingehend. Es war von Anfang an das Ziel, noch bevor du in unser Leben getreten warst. Und nun hing alles von meinem scheiß Schwanz ab, der das Ganze vermasselte.
Wie schon vor Wochen vereinbart fuhr ich nun endlich in dein Revier. Wobei ganz Detroit dir gehörte. Dort suchte ich unmittelbar unseren Verbindungsmann, von dem du nichts wusstest. Poppy geriet in den Hintergrund. In den Schatten, weil kein Russe der Welt so grausam sein könnte wie D, wenn man seine Pläne durchkreuzte. Nur fand ich diesen nicht. Bei sich zu Hause war nicht einmal seine Frau, die ich zur Not bedroht hätte, falls er nicht parierte. Nur lag das kleine Haus, welches einmal ein Wohnwagen gewesen war, im Stillen. Sorgenvoll entschloss ich mich, die Tür aufzuknacken und mich umzusehen.
Irgendetwas stimmte nicht. Alles war durcheinander. Nach einer Unordnung schrie es nicht. Vielmehr so, als hätte sich
jemand entschieden, was er hatte mitnehmen wollen und was er hatte zurücklassen können. Weshalb mein Weg ins Schlafzimmer führte. Dort traf ich auf offene Schränke. Eine Hälfte komplett leer. Beim näheren Hinsehen erkannte ich dort nur noch Männerkleidung. Hatte seine Frau ihn verlassen? War er deswegen nicht hier und suchte sie? Das wäre das nächste Problem. Ohne die richtigen Informationen, ohne das richtige Vorgehen, würdest du zu schnell Wind bekommen. Erst mussten jedoch die Geschäfte beendet sein. D hatte sich die Übernahme reibungslos vorgestellt. Shit.
»Bleib stehen und Hände so, dass ich sie sehen kann.« Ein Knacken und ich hörte, wie sich jemand genau hinter mir anschlich. Fatal. Mein Blick wanderte durch den Raum, ich suchte ein Ablenkungsmanöver, während ich die Hände hochhielt, wie der Eindringling es verlangt hatte.
»Jetzt langsam umdrehen.« Was ich auch tat. Natürlich wusste der arme Kerl nicht, wen er da vor sich stehen hatte, weshalb ich mein Lächeln unmöglich verbergen konnte. Ich hingegen erkannte ihn. Er war ein Freund unseres Vermittlungsmanns. Bei der Informationssuche, ob wir deinen Verräter auch ausreichend in der Hand hatten, war uns dieser Spinner durchaus aufgefallen.
»Wer bist du und was hast du hier zu suchen?«
»Ich bin der Lover von Shelly.« Die Frau, die eigentlich hier wohnte und scheinbar geflüchtet war. Der Mann vor mir sah mich misstrauisch an.
»Ein Grund mehr, dich zu erschießen.« Noch immer hielt er die Waffe auf mich gerichtet. Schien aber nicht abdrücken zu wollen, sonst hätte er es längst getan.
»Bitte, nur zu. Aber verrate mir, wo meine kleine Hexe hin ist.«
»Einen Scheiß …«, regte er sich auf und im selben Augenblick trat ich einen Schritt vor und nahm ihm die Knarre aus der Hand, um diese auf ihn zu richten.
»Also?« Ich hob eine Braue und er sah mich entgeistert an. »Wobei mich vielmehr interessiert, wo Parvez ist.«
»Er … er …«, stottere er und ich verstand, warum du immer so ungeduldig warst. Sollten wirklich alle so reagieren, würde mich das auch so zerficken. Also lächelte ich und dachte an dich.
»Drei.«
Er riss die Augen auf, als käme ihm das bekannt vor, weswegen ich kurz in mich hineinlachte.
»Er ist tot«, antwortete er direkt und ich fand Bewunderung dafür, wie gut du dir deine Leute erzogen hattest.
»Tot?«
»Kit hat ihn abgeknallt.«
»Warum?«
»Parvez hat nicht schnell genug geantwortet.« Scheiße, Kit, die Nummer mit dem Herunterzählen zogst du wohl knallhart durch. Dir waren die Informationen nicht so wichtig wie dein Ruf. Unfassbar naiv von dir. Und nun spektakulär zerfickt für mich. Für uns. Für den ganzen, beschissenen Plan. Zeitgleich war ich empfänglich für die Fragen, die du ihm wohl gestellt hattest.
»Was wollte Kit wissen?« Kamst du bereits auf unseren Plan?
»Ich weiß es nicht.« Etwas verriet mir, dass er log.
»Zwei.«
»Knall mich ab, Weißbrot, aber ich weiß nichts«, blaffte er plötzlich aus Angst, Wut oder Unverständnis. Was auch immer. »Shelly ist zu ihrer Mutter gefahren und bleibt da auch.«
Das reichte mir. Ich löste das Magazin, ließ es zu Boden fallen und sicherte die Waffe, um sie Parvez’ Freund wiederzugeben. Anschließend verließ ich das kleine Haus und darauf die Siedlung. Beim Vorbeifahren an deinem Trailer schüttelte ich ungläubig den Kopf, als Gregs Dodge dort
parkte, und entschloss mich, ihn zu stören und ihm mitzuteilen, dass Weihnachten im Gebäude Johnson gefeiert wurde.
Schon beim Aussteigen hörte ich Bonny stöhnen und grinste dämlich, weil es mich begeisterte, Greg abzufucken. Vor allem, nachdem er mir die letzten Tage so auf den Eiern gesteppt hatte. Laut schlug ich gegen die Tür.
»Greg, geh von der Frau runter! Es gibt Neuigkeiten!«
Ich lachte vor mich hin, als es leiser wurde und das aufgegeilte Stöhnen erstarb.
»Adam?«, brüllte er, ohne die Tür zu öffnen.
»Ja, wer sonst?«
»Verpiss dich!«
»Es gibt aber wichtig! Jetzt! Nicht gleich!«, übertrieb ich, damit er bloß nicht zum Schuss kommen könnte. Dann polterte es im Wagen, als würde er dein altes Heim von innen zerpflügen. Was passieren könnte. Er war eindeutig zu groß für das Teil. Nur in Shorts öffnete er die Tür.
»Hey, Greg. Wie geht es Bonny so?« Ja, Kit, das machte ich mich Absicht. Aber er verdiente es nicht anders.
»Seit wann interessiert dich das?«
»Na von da an, als …«, zögerte ich es weiter hinaus. »Na, du weiß schon. Von jetzt an halt. Geht es ihr gut?«
»Adam! Was ist los?«
»Weihnachten ist gestrichen.«
Da schaute er mich stirnrunzelnd an und versuchte, etwas damit anzufangen. Natürlich konnte er es nicht. Wie auch? Zu vage war diese Information.
»Du verstehst schon«, ärgerte ich ihn weiter und er würde sicher die nächsten Stunden keinen mehr hochbekommen, um die kleine Hure zu nageln.
»Nein«, flüsterte er gedankenverloren und reflektierte offenkundig unseren Plan, der aus dem Ruder lief, wovon er nicht im Bilde war.
»Wir dürfen Kit und D nicht über Weihnachten besuchen. Ist
das nicht schrecklich?« Er sah mich wütend an, da er dies längst wusste. Trotzdem fuhr ich fort: »Dabei sind wir so dicke. Schon eine ganz besondere Familie, die sich gegenseitig liebt und so. Und dann feiern wir nicht einmal zusammen Weihnachten«, übertrieb ich maßlos mit den Händen und mit erschütterter Stimme. Als Antwort blickte Greg mich entgeistert an und schlug mir die Tür vor der Nase zu. So viel zum Thema Freundschaft, Liebe und Familie. Irgendwie verstand das Prinzip keiner von uns. Außer natürlich ich, Kit. Wahrscheinlich nur ich. Es gab viel zu tun. Viele neue Probleme ohne angemessene Lösung. Zudem musste ich nach Poppy suchen. Doch ich hatte noch eine Möglichkeit. Trick. Er wusste auch mehr, als er von allein zugeben würde, und er verstand sich gut mit Mila. Über ihn könnte ich zumindest den Aufenthaltsort von Poppy herausfinden. Demnach zog ich das Handy aus der Tasche und wählte seine Nummer.
»Hallo, Adam«, begrüßte er mich, als er nach einigen Freizeichen abhob.
»Hey, Trick. Sag mal, ist Mila bei dir?«
»Nein. Ich bin mit Kit beim Arzt.« Das beunruhigte mich sofort.
»Beim Arzt?«
»Ja. Zur Kontrolle, ob es der Schildkröte gut geht und so.« Zum Glück schien alles mit dir in Ordnung zu sein. Dir durfte nichts zustoßen, Kit.
»Ist dir Mila heute über den Weg gelaufen? Weißt du, wo sie sich herumtreibt?«
»Überall, Adam. Ich habe sie nicht gesehen. Du, Kit kommt gerade raus. Ich muss auflegen.«
»Warte«, hielt ich ihn noch auf. »Weißt du, wohin sie Poppy verschleppt haben könnte?«
»Nein. Aber ich denke nicht, dass die Kleine bei Mila ist. Ich leg auf.« Ein kurzes Signal bezeugte seine letzten Worte und ich sah verwundert auf das Display. Wie kam er nur zu dieser
Annahme, Kit? Ich dachte kurz nach, wo sie stecken könnte, wenn sie nicht mit deiner Schwester unterwegs war. Dann fiel bei mir der Groschen und ich trat aufs Gas.