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G efangen unter ihm gab er mir keinen Freiraum, zwang mich, das Geschehene zu verarbeiten, was noch immer in mir nachhallte. Er wusste genau, dass der Mann unschuldig gewesen war. Man hatte ihm die Wahrheit angesehen und dennoch hatte er ihn erschossen. Hatte ihm noch nicht einmal eine Chance gegeben.
Genauso würde er mich erledigen. Gleichzeitig erinnerte ich mich an seine Worte. Zwang mich zur Besinnung, da ich sterben würde, wenn ich mich nicht zusammenriss. Würde ich mich wie eine verängstigte Irre aufführen, würde er mich ebenfalls hinrichten.
Plötzlich wurde die Tür aufgeknallt.
»Adam!« Dieser sprang von mir runter. »Was ist hier …« Es war Greg, der sofort stockte, als sein Blick von mir zu dem toten Mann wanderte. Mit beiden Händen hielt er sich den Kopf. »Was?« Ein Wort. Mehr bekam er selbst nicht raus, als sich seine Nasenflügel aufblähten und sein wütender Blick Adam erreichte. Mein Herz schlug schneller und ich richtete mich in den Sitz, nur um rückwärts bis ans Ende des Bettes zu krabbeln.
»Ich musste ihn erschießen.«
»Du musstest Oliver erschießen? Er ist einer unserer besten Männer.«
»Ja«, gab Adam nur knapp wieder und raufte sich das Haar.
»Ist es wegen dem Dolmetscher? Calvin erzählte mir gerade, dass er getötet wurde.« Ein Dolmetscher? Der Tote in Adams Kofferraum. Ich begriff es.
»Ehm. Ja.« Adam geriet nun selbst ins Stocken. »Er hat ihn getötet«, log er eiskalt. Adam war es gewesen. ER war es und ich wollte es schreien und schluckte es dennoch nur trocken runter.
»Warum sollte Oliver Alexander töten?«
»Das wollte er mir nicht sagen.«
»Und dann tötest du ihn gleich? Spinnst du? Warum hast du keinen von uns gerufen?«
Weil er einiges vertuschte. Ein Dolmetscher … Adam wollte nicht, dass ich ihn verriet. Wollte nicht, dass ich ihm erzählte, dass er mich berührt hatte. Dafür tötete er. Für diese Wahrheit ging er über Leichen. Aber warum brachte er nicht einfach mich um?
»Ich hätte das ja gerne getan. Nur wollte er abhauen. Es war eine Kurzschlussreaktion.« Weitere Lügen. Ich saß geschockt da. So viele Lügen.
»Adam, ist dein Kopf wieder in der Hose? Kannst du mal klardenken? Und scheiße, warum hat er ihn getötet? Was geht hier vor?«
»Jetzt bleib cool.«
»Cool?« Greg marschierte weiter in den Raum drehte sich halb im Kreis und raufte sich die Haare. »Cool? So ’ne Scheiße, was geht hier ab? Für wen hat Oliver noch gearbeitet?«
»Wir werden es nie erfahren und ist jetzt auch nicht wichtig. Wir haben andere Probleme. Wir müssen uns an Ds Plan halten.«
»Bist du irre?«, brüllte Greg nun. »Wie soll der Plan aufgehen, wenn Oliver gegen uns arbeitet?«
»Er ist tot.«
»Ja … und wir wissen nicht, wer mit Oliver gegen uns handelt. Wer weiß, wie viele Söldner abtrünnig sind?«
»Ach, Greg.« Adam schüttelte den Kopf, da er der einzige von den beiden war, der die Wahrheit kannte und somit ganz locker damit umgehen konnte. »Keiner. Oliver ist ein einsamer Wolf. Da zieht keiner mit.«
»Nein. Nein. Nein! Adam, hier geht etwas Großes vor, ich rieche das!«
Erneut schüttelte Adam den Kopf und sicherlich beruhigte er den Mann damit nicht. »Du wirst paranoid. Bleib cool. Alles wird gut.«
Greg schnaubte. »Yumi soll alle Nachrichten zwischen den Söldnern überprüfen. Ich bin nicht nur für die Deals da, Adam. Die Sicherheit von euch geht vor!«
»Von uns. Die Sicherheit von uns allen, Greg. Und ich rede mit Yumi. Kümmere du dich um Bonny und bereite alles vor. Es sind nur noch zwei Tage. Dann starten wir.«
»Das wird nicht gut ausgehen, ich sag es dir. Das wird so was von in die Hose gehen.«
»Na, na, na. Alles bleibt wie geplant. Und jetzt geh und schau dir ein paar Welpen-Videos zur Beruhigung an.«
»Fick dich, Adam.« Dennoch verließ Greg den Raum und ließ mich mit dem Ungeheuer allein. Er schloss die Tür und kam mit einem halben Lächeln auf mich zu, was meine Nervosität nur steigerte.
»Jetzt bin ich froh, dass du kein Wort verstehst. Stell dir vor, du würdest unsere Sprache beherrschen. Dann wäre ich sicher nicht so leicht aus der Nummer rausgekommen.« Er kletterte aufs Bett zu mir, auf meine Beine, die ich unter ihm hervorziehen wollte, und es nicht rechtzeitig schaffte, da er meine Arme festhielt.
»Du, kleine Poppy, hättest ihm sofort erzählt, dass ich lüge, richtig?« Nun lächelte er mich zärtlich an. Wieder einmal sprangen mir seine Grübchen ins Auge und er streckte die Hand nach mir aus, um meine Nasenspitze anzustupsen.
»Du hasst mich und ich kann nichts daran ändern.« Den Kopf schiefgelegt passten weder seine sanfte Stimme noch seine Körpersprache zu seinen Worten. Die Kreatur auf meinen Beinen versuchte, mich in seinen charismatischen Charme einzuwickeln. Dafür dankte ich Gott. Ich dankte ihm, dass ich jede einzelne Silbe verstand und mich dieses Monster nicht verführen konnte. Er muss der Teufel sein, denn er beherrschte es gut. Auch, als seine Knöchel über meine Wange glitten und es mich anwiderte, gab er sein Bestes, mich von dem Guten in ihm zu überzeugen.
Doch er lullte mich nicht ein. Schaffte es nie.
Und ich konnte erst wieder meiner regulären Atmung nachkommen, als er sich erhob.
»Ich besorg uns etwas zu essen.« Wieder oder noch immer zierte dieses viel zu liebevolle Lächeln seine Schönheit, die zu dem fratzenähnlichen Charakter nicht passen wollte. »Und du bleibst hier, Poppy.« Er deutete mit den Fingern auf den Boden und ich nickte.
Den Mann, der seiner Unmenschlichkeit zum Opfer gefallen war, hob er sich auf die Schulter und ließ mich im Geruch von Eisen allein. Dieser Sinneseindruck und das Blut, welches überall haftete, überwogen nicht den Drang, mich auf der Matratze niederzulassen. Dass seine Anwesenheit nicht mehr den Raum dominierte, sorgte für eine Ruhe, die sich bis tief in meine Glieder ausbreitete.
Für einen Moment schloss ich die Augen.
Nur für einen winzigen, kleinen Moment.
Seine Lippen strichen meinen Hals entlang hinab. Finger, die meine Brust liebkosten und sie umschlossen. Hitze schoss durch mich hindurch und ich stöhnte heiser auf. Warme Wellen legten sich wie eine Decke über mich, während sein Duft meine Nase kitzelte. Ich flog auf Wolke sieben, als seine Berührungen energischer wurden. Er erkundete mich. Jeden Millimeter meiner Haut bedeckte er mit seinen Händen. Er neckte mich mit der Zunge, mit seinen Lippen, die meinen Nippel zwischen seine Zähne zogen. Elektrisierend ließ er ihn herausploppen. Mich umfing eine Lüsternheit, die mich zum Beben brachte. Aufgeheizt durch sein Tun. Getrieben vom Nebel, der uns umgab. Nichts als Lust fuhr durch mich hindurch, als seine Hände von meinen Knien abwärts zu meiner Mitte glitten. Wie von selbst schob sich mein Becken vor, ihm entgegen, und lechzte nach seiner Berührung an der empfindlichsten Stelle, die nur auf ihn wartete. Zuckend, pulsierend ersehnte sie seine Ankunft.
Dann legten sich seine Finger auf mein Geschlecht und erneut stöhnte ich auf. Kreisende Bewegungen meiner Hüften forderten ihn auf, weiterzumachen, doch fuhr er nicht fort. Jede Regung meines überhitzten Leibes nahm er in sich auf, ergötzte sich an der zerreißenden Lust, die ich empfand, und ich wimmerte nach Erlösung, als er mich weiterhin aus seinen dämonischen, blauen Iriden betrachtete.
»Sag, dass du mich willst.«
Ein leichter Druck auf den winzigen Lustknoten und ich stöhnte laute, konnte nicht zugeben, wie sehr ich ihn gerade begehrte, und biss mir auf die Unterlippe. Die Luft war zum Zerbersten angespannt. Schweißperlen bildeten sich auf meinem ganzen Körper. Ich wollte ihn und dennoch sprach ich es nicht aus.
Er wurde fordernder an meiner Mitte, ich hörte das Schmatzen der Nässe und stöhnte laut auf, als er mit seinen Fingern in mich hineinglitt.
Es zerriss mich in einer Glut, die mich aufspringen ließ.
Meine Verirrung war groß. Noch immer war ich voll bekleidet, genau wie das Monster über mir. Was war geschehen?
Was ging hier vor?
Es war nur ein Traum gewesen und doch beugte er sich über mich. Oberkörperfrei. Im nächsten Augenblick fanden seine Finger meinen Hosenbund und rissen mir die Hose vom Leib. Das Zimmer im Schatten gelegen sah ich dennoch jeden seiner Gesichtszüge. Die Gelüste, die ihn überfallen hatten und nun meinen Körper einforderten. Halb in Trance, halb im Schock sah ich lediglich dabei zu, wie er mir den Slip vom Leib zerrte und mir den Pullover, der von Schweiß durchnässt war, nach oben schob, um meine Knospe zwischen seine Lippen zu saugen. Ich bekam keine Luft. Gefangen zwischen Trieb und wahrhaftigem Ekel erfror ich zu einer Statur, die nicht realisierte, was geschah.
Erst als ich sein Gemächt zwischen meinen Schenkeln spürte. Hart und unnachgiebig presste er sich an mich und ich erwachte aus der Starre.
Mit aller Gewalt, die mir zur Verfügung stand, drückte ich ihn weg, als er in mich eindrang. Ich schlug nach ihm, trat nach ihm und sein Oberkörper presste mich weiter in die Kissen. Unter seinem Gewicht wurde ich fixiert. Ich war ausgeliefert. Dann sah er mir in die Augen.
Dunkel und voller animalischem Verlangen erstach er mich mit seinem Blick. Er rührte sich nicht, als er mich mit den gierigen Iriden aufspießte.
Auf einmal verschwanden diese harten Züge aus seinem Gesicht. Etwas veränderte sich unter den Tränenschleiern, aus denen ich ihn ansah, und er zog sich zurück. Umgehend ließ er von mir ab und sprang aus dem Bett. Unter einem unwirklichen Beben zog er sich die Hose hoch und erzitterte, als er nach seinem Hemd griff.
Unwissend, was seine Meinung geändert hatte, beobachtete ich ihn ängstlich, nestelte nach dem Laken und zog es langsam über mich, ohne eine ruckartige Bewegung zu machen und das Monster erneut zu locken. Doch er war mir nicht zugewandt und zeigte mir den angespannten Rücken. Mein Blick fiel unwillkürlich auf eine Narbe an der Schulter, die er sogleich mit dem Hemd verdeckte. Dann erst drehte er sich mir zu und ich erschrak fast ein weiteres Mal, als die Scham in seinem Gesicht stand. Trauer lag fest in seinen Augen, so als wollte er mir nicht zu nahekommen. Als wäre es nur ein Versehen gewesen. Ich wusste jedoch längst, dass selbst das eine Täuschung war. Er machte einen Schritt auf mich zu und automatisch zuckte ich zusammen, was ihn zum Stoppen brachte. Er raufte sich das Haar, drehte sich um und eilte aus dem Raum. Hinter sich knallte er die Tür zu und verschloss sie nicht.
Er verschloss sie nicht.
Eine Möglichkeit.
Wahrscheinlich meine einzige Möglichkeit.